Neue Entwicklungen im Arzneimittelbereich Kosten-Nutzenbewertung Höchstbetrag Individualverträge 42.Tagung der deutsch-österreichischen Kommission: Fragen der sozialen Krankenversicherung Villach, 8./9.10.2009 Dr. Angelika Kiewel, IKK e.v. 1
Neue Entwicklungen im Arzneimittelbereich Die Marktlage Steuerung der Arzneimittelversorgung: Gesetzliche Rahmenbedingungen Kosten-Nutzenbewertung/Höchstbetrag: Der gesetzlicher Auftrag Das Konzept des IQWiG Bewertung des Verfahrens und stand der Umsetzung Weitere Instrumente: Individualsteuerung durch Rabattverträge Weitere Instrumente : Preisvereinbarungen für Zytostatika Fazit Wie geht es weiter? 2
Die Marktlage: Arzneimittelausgabenentwicklung 27,76 29,23 22,33 23,45 24,22 21,81 25,36 25,87 15,17 16,38 17,46 16,81 17,72 19,21 20,12 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Ausgaben = Preis x Menge Arzneimittelausgaben, Quelle: KV 45 in Mrd. Euro
Die Marktlage: Struktur der Ausgabenentwicklung Arzneimittelausgaben
Die Marktlage: Zwischenfazit Medikamente sind in Deutschland immer noch zu teuer: Der Anteil der Arzneimittelausgaben an den Gesamtausgaben für Gesundheit beträgt 18%. Es werden 5 Mrd. Euro mehr für Arzneimittel als für die ärztliche Behandlung ausgegeben Die Arzneimittelkosten steigen schneller als alle anderen Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen Die Zunahme ist vor allen auf wenige, aber besonders teure Medikamente z.b. zur Behandlung von Krebs zurückzuführen Würden in Deutschland die gleichen Preise wie in Großbritannien gezahlt, lägen die Kosten um 3,4 Mrd. niedriger
Neue Entwicklungen im Arzneimittelbereich: Gesetzliche Rahmenbedingungen Setzt Rahmenbedingungen Steuerung der Versorgung Erzeugt Vertragswettbewerb AMRL, Kollektive Steuerung durch Gemeinsamen Selbstverwaltung Individualsteuerung durch Selektivverträge Festbeträge Höchstbeträge (Kosten)-Nutzenbewertung Arzneimittelrichtlinien (Therapiehinweise, Zweitmeinung) Rabattverträge Ergänzende Verträge mit Vertragsärzten Verträge zur integrierten Versorgung Einzelverträge Zytostatika- Versorgung 6
Kosten-Nutzenbewertung/ Höchstbetrag GKV-WSG 2007 führt Höchstbetrag als Steuerungsinstrument ein: Verbesserung des Gesundheitszustandes 31 Abs. 2a SGB V: Für Arzneimittel, die nicht in eine Festbetragsgruppe einzubeziehen sind, setzt der Spitzenverband der Krankenkassen einen Höchstbetrag fest Festsetzung auf Grund der Kosten-Nutzenbewertung nach 35b SGB V Wissenschaft als Basis: Evidenzbasierte Medizin, Gesundheitsökonomie Abweichend: Einvernehmen mit dem Hersteller
Kosten-Nutzenbewertung/ Höchstbetrag Politik setzt Rahmen Kein Höchstbetrag bei alternativlosen Arzneimitteln Entwicklungskosten müssen angemessen berücksichtigt werden Kein Schwellenwert für einen Ausschluss aus der Erstattungsfähigkeit Welche Mehrkosten sind durch einen Zusatznutzen begründbar?
Kosten-Nutzenbewertung/ Höchstbetrag Das IQWiG-Konzept Zweistufiges Verfahren 1. Nutzenbewertung 2. Bei Zusatznutzen: Kosten-Nutzenbewertung
Nutzenbewertung Gesetzgeber bestimmt patientenrelevante Endpunkte ( 35b SGB V) Verbesserung des Gesundheitszustandes Verkürzung der Krankheitsdauer Verlängerung der Lebensdauer Verringerung der Nebenwirkungen Verbesserung der Lebensqualität Transparentes Verfahren: GKV-WSG 2006: Gesetzgeber bestimmt regelmäßige Berichtspflicht und Beteiligung in allen wichtigen Bewertungsschritten ( 139a SGB V)
Kosten-Nutzenbewertung/ Höchstbetrag Das IQWiG-Konzept Bei Zusatznutzen: Kosten-Nutzenbewertung Messung durch Effizienzgrenze Kurve, die die effizientesten Maßnahmen innerhalb einer Indikation verbindet Ansatzpunkt: Bisher akzeptierte Kosten-Nutzenverhältnisse auf Basis der aktuellen Marktkonstellation
Kosten-Nutzenbewertung/ Höchstbetrag Quelle: Methodenpapier des IQWiG zur Kosten-Nutzenbewertung 2.0
Kosten-Nutzenbewertung/ Höchstbetrag Vergleich mit anderen Arzneimitteln und Behandlungsformen Berücksichtigung des therapeutischen Zusatznutzens im Verhältnis zu den Kosten? Auf der Grundlage der in den jeweiligen Fachkreisen anerkannten internationalen Standards der evidenzbasierten Medizin und der Gesundheitsökonomie? NICE-Modell mit Festlegung eines festen Schwellenwertes : Alternative?
Kosten-Nutzenbewertung/ Höchstbetrag Gesetzliche Anforderungen 35b SGB V hohe Verfahrenstransparenz und angemessene Beteiligung Vergleich mit anderen Arzneimitteln und Behandlungsformen Berücksichtigung des therapeutischen Zusatznutzens für die Patienten im Verhältnis zu den Kosten Kriterien des Patienten-Nutzens Internationale Standards der evidenzbasierten Medizin und der Gesundheitsökonomie
Kosten-Nutzenbewertung/ Höchstbetrag Verfahren : eigene Darstellung Hohe Verfahrenstransparenz und angemessene Beteiligung
Kosten-Nutzenbewertung/ Höchstbetrag Besondere Rahmenbedingungen in Deutschland: Der Gesetzgeber hat keinen Schwellenwert festgesetzt, Einschränkungen für Höchstbetragsfestsetzung GKV-Leistungsrecht: Maßstab medizinischer Versorgungsbedarf; Grundlohnrate darf überschritten werden, wenn dies zur Sicherung des medizinischen Versorgungsbedarf notwendig ist ( 71 Abs. 3 SGB V)
Kosten-Nutzenbewertung/ Höchstbetrag Zeitplan Entwurf 1.0: Januar 2008, Anhörung Auswertung, Anhänge: Oktober 2008 Entwurf 2.0: März 2009, Anhörung Vorstellung Pilotstudien: Juni 2009 Implementierung in die VerfO des G-BA: Juli 2007 Finale Methoden-Version: Sommer 2009 Erster Höchstbetrag 2010(?)
Individuelle Instrumente zur Steuerung der Arzneimittelpreise Seit 2003 können Krankenkassen mit pharmazeutischen Unternehmen Rabattverträge nach 130a Abs. SGBV schließen Mit der Verpflichtung der Apotheken zur bevorzugen Abgabe von Rabattarzneimitteln und der edv-technischen Abbildung aller Rabattverträge in einer 14-tägig aktualisierten Rabattdatei werden Rabattverträge umsetzbar Unter den Experten ist umstritten, wann ein Arzneimittel gegen ein Wirkstoffgleiches substituiert werden muss Arzneimittelkommission/BMG: ein gemeinsames Anwendungsgebiet reicht aus Pharmaverbände: gleich in allen Anwendungsgebieten 18
Neue Entwicklungen im Arzneimittelbereich: Individualsteuerung durch Rabattverträge 130a Abs.8 SGBV: Krankenkassen können mit pharmazeutischen Unternehmen Rabatte für Arzneimittel vereinbaren: Direktverträge zwischen Generikaherstellern und Krankenkassen als Rabattverträge für Wirkstoffe in großem Umfang bereits umgesetzt. Rabattverträge für Substanzgruppen und für neuartige Medikamente stecken noch in den Anfängen. 19
Neue Entwicklungen im Arzneimittelbereich: Individualsteuerung durch Rabattverträge Stand der Umsetzung von Rabattverträgen Generikamarkt 110 Hersteller 186 Krankenkassen 7000 Verträge Substanzgruppen ja, wenn bereits generischer Wettbewerb läuft Innovationen Einzelfälle 20
Anzahl Rabattvertragspartner einzelner Kassenarten 90 80 84 70 60 50 60,6 72 Maximum Minimum 40 Mittelwert 30 20 10 0 28 28 22 16 12 11,8 9,1 11 5 6 3 3 AOKn Ersatzkassen LKKn IKKn BKKn Quelle:Schumacher/Busse/Gwaltig/Greiner in DIE KRANKENVERSICHERUNG 06/09
Neue Entwicklungen im Arzneimittelbereich: Zytostatikaversorgung
Neue Entwicklungen im Arzneimittelbereich: Zytostatikaversorgung Krankenkassen können mit Apothekerorganisationen auf Landesebene Verträge für die Versorgung mit in der Apotheke hergestellten Zytostatika schließen nach 129 Abs. 5 Bisher wurden noch kaum Preisvereinbarungen zwischen Krankenkassen und Apotheken nach geschlossen. Den Kassen waren die zugrundeliegenden Mengen nicht bekannt, Apotheken konnten nicht direkt mit der Arzneimittelherstellern Rabattverträge aushandeln. 23
Neue Entwicklungen im Arzneimittelbereich: Zytostatikaversorgung Durch die 15. AMG-Novelle werden alle Marktpartner in der Zytostatkaversorgung gleichgestellt: bisher neu Herstellende Betriebe als Zulieferer für Apotheken freie Preise freie Preise Krankenhausapotheken freier Einkauf freie Preise Zytostatikaherstellende Apotheken AMPV freie Preise Die Apotheken und pharmazeutischen Unternehmen müssen gegenüber den Krankenkassen die Einkaufspreise für die in den Rezepturen verwendeten Fertigarzneimittel offen legen. Solange es keine vereinbarten Preise in der Hilfstaxe gibt, sind der Abrechnung die (offen zu legenden) Einkaufspreise zugrundegelegt. 24
Fazit Die 15. AMG Novelle vom Juni dieses Jahres schaffte neue Möglichkeiten zur Realisierung von Wirtschaftlichkeitsreserven bei Arzneimittelzubereitungen 2008 hat die GKV durch Rabattverträge rund 300 Mio. uro eingespart Kleinere Kassenarten sind beim Abschluss von Rabattverträgen benachteiligt. Rabattverträge haben Effizienzreserven im generischen Bereich mobilisiert, sie sind aber nur eingeschränkt tauglich bei patentgeschützten neuen Medikamenten Die Ausgabensteigerungen lassen sich nur durch konsequente Preisregulierung neuer, patentgeschützter Medikamente in den Griff bekommen. 25
Fazit Eine Preissteuerung für neue Arzneimittel ist in Deutschland überfällig. Anreiz für teure Entwicklungen und für Forschung bei nicht häufigen Erkrankungen bleibt trotz Höchstbetrag erhalten Die Effizienzgrenze setzt die Tradition der Festbeträge fort Bisher haben die komplizierten Verfahrensabläufe und der Widerstand der pharmazeutischen Unternehmen die Nutzung des Instruments der Höchstbeträge verhindern können 26
Wie geht es weiter? Kommt eine Neujustierung zwischen kollektiver Steuerung und Einzelvertrag mit der neuen Bundesregierung? 27
Wie geht es weiter? Könnten Seektivverträge das gesamte Festbetragsortiment abdecken? Bisher: nicht einmal die Generika-Versorgung wird vollständig abgedeckt, keine Verträge für Analog-Arzneimittel Kann die Versorgung mit innovativen Arzneimitteln der einzelnen Kasse überlassen werden? Bisher: kaum Konzepte für patentgeschützte Spezialpräparate (Managed Care-Verträge, Einbeziehung der Ärzte) Wäre die Kostensteuerung über Verträge genauso effektiv wie bisherige Steuerungsinstrumente?
Vielen Dank! Dr. Angelika Kiewel Leiterin Bereich Medizin und Europa IKK e.v. Hegelplatz 1 10117 Berlin 030-202491-41 angelika.kiewel@ikkev.de 29