CODEWORT RISIKO Frank M. Reifenberg Florus und das mörderische Wagenrennen Mit Bildern von Susanne Wechdorn Thienemann
Retter in der Not Florus hörte zuerst das panische Wie - hern der Pferde, dann sah er den Rei se - wagen über die Straße rattern, die nach Rom führte. Aus der Öffnung des Wa - genkastens lehnte sich ein Mädchen und rief um Hilfe. Der Kutschbock war leer. Das Gespann nahm mehr und mehr Tempo auf. Eines der Speichenräder schrammte gegen die Seitensteine am Straßenrand. Der Wagen geriet ins Schleudern, fand aber wieder in die Spur zurück. Die gel - lenden Schreie des Mädchens trieben 7
die Pferde weiter an. Ein paar Männer versuchten dem Wagen zu folgen, aber sie waren viel zu langsam. Bevor das Gespann den Baum er - reichte, unter dem Florus und sein Begleiter Quintus rasteten, stand Florus auch schon auf der Straße. Er rannte los, 8
immer mit einem Blick über die Schulter. Seine Beine flogen über das Pflaster. Nur noch ein paar Schritte, dann hatten die Pferde ihn eingeholt. Florus spürte schon fast ihren heißen Atem im Nacken. Jetzt waren sie direkt hinter ihm. Einen Schritt nach links und er wäre hinüber, von den Hufen zermalmt oder den schweren eisenbeschlagenen Rä - dern überrollt. Die vollblütigen Schimmel verlangsamten ihr Tempo kein bisschen, aber sie hielten seitlich Abstand zu ihm. So bald der schweißglänzende Körper des einen Pferdes neben Florus hergalop pierte, streck te er die Hand aus. Beim zweiten Versuch erwischte er das Ledergeschirr. Fest zupacken, mit der zweiten Hand nach dem Zügel greifen, hochziehen und aus dem Lauf das eine Bein über den 9
Rücken des Pferdes schwin gen. Flo rus hatte auf dem Landgut schon hun dert - mal geübt, wie man auf ein ga loppie - rendes Pferd aufsprang. Das Gespann raste weiter. Nur noch ein paar Meter und sie würden die Brücke erreichen, die über den Fluss führte. Spätestens dort würde es zum Unglück kommen.»brrrrrr!«, rief Florus. Er zog die leder -
nen Zügel fest an die Brust.»Ruhig, Gro - ßer, ruhig «Das Pferd warf den Kopf mit einem hohen Wiehern in den Nacken und dros selte nach ein paar Schritten das Tem po. Zunächst fast unmerklich, aber dann wurde es langsamer und mit ihm das zweite Pferd, bis der Wagen kaum
zwanzig Schritte vor der engen Zufahrt zur Brücke zum Stehen kam. Florus Oberkörper sackte vornüber auf den muskulösen Nacken des Schim - mels. Einen Moment blieb er so liegen und tätschelte das Tier am Hals.»Danke, guter Junge«, flüsterte er kaum hörbar. Dann sprang er hinunter. Hinten im Wagen herrschte Stille. Flo - rus bestieg die Kutsche. Das Mäd chen lag ausgestreckt auf dem Boden. Eine Verletzung konnte Florus nicht entde - cken, aber sie rührte sich nicht. Ihr röt - liches Haar hatte sich geöffnet. Sie trug ein Gewand aus grüner Seide und einen schlangenförmigen Goldreif am Arm. Sie musste sehr reiche Eltern ha ben. Florus kniete sich neben sie, schob den einen Arm unter ihre Schultern, den anderen unter ihre Kniekehlen. Er trug 12
sie von der Straße weg und bettete sie vorsichtig ins Gras. Sie öffnete die Augen, die so grün waren, wie Florus es noch nie bei einem Menschen gesehen hatte.»wo bin ich?«, fragte sie.»wer bist du?du bist in Sicherheit. Du hast noch einmal Glück gehabt. Ich bin Florus und wie heißt du?ich bin Livia, die Tochter von «Sie konnte nicht weitersprechen. Ein paar keuchende Männer traten zu ih - nen. Einer schubste Florus zur Seite, ein anderer nahm das Mädchen auf den Arm.»Weg, du Bengel, rühr sie nicht an.«livia wehrte sich, aber der Mann stör - te sich nicht daran und trug sie fort. 13
! INFO INFO Die römischen Kaiser in den ersten Jahrhun - derten nach Christus beherrschten große Teile der damals bekannten Welt: das heutige Italien, Spanien, die Länder westlich des Rheins, Großbritannien, Griechenland, die nordafrikanischen Küsten, Ägypten, Syrien, die Türkei und einige andere Gebiete. Wichtige Voraussetzung dafür war das viele tausend Kilometer umspannende Straßennetz. Teile davon kann man heute noch bewundern, wie die Via Appia, eine Straße, die von Rom zur italienischen Hafenstadt Brindisi führte. Sie wurde schon ca. 300 Jahre vor Christus gebaut. Auch in Deutschland, zum Beispiel mitten in der Kölner Altstadt, kann man noch über ein Stück Römerstraße laufen. 14
?RÄTSEL Die Pferde rasen sehr schnell. Was hat sich nach ein paar Sekunden verändert? Suche die 10 Fehler. 15