Stellungnahme des Paritätischen zum Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts

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Transkript:

Stellungnahme des Paritätischen zum Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts Das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) ist 2002 in Kraft getreten und flankiert neben dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und dem Sozialgesetzbuch IX Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen die Umsetzung des Benachteiligungsverbots aufgrund einer Behinderung, welches bereits im Jahr 1994 im Grundgesetz (Artikel 3 Abs. 2 Satz 2) verankert wurde. Zum BGG gehören drei Verordnungen die Kommunikationshilfenverordnung (KHV), die Verordnung über barrierefreie Dokumente in der Bundesverwaltung (VBD) und die Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0). Dem vorliegenden Gesetzentwurf war eine von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Evaluation des BGG vorgeschaltet, um verlässliche Informationen beispielsweise zur ausreichenden Berücksichtigung aller Gruppen von Menschen mit Behinderung im BGG, zur Bewährung der Instrumente des BGG und zur Notwendigkeit von Anpassungen vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention zu erhalten. Der Paritätische Gesamtverband begrüßt ausdrücklich, dass das BGG auch mit Blick auf die UN-Behindertenrechtskonvention weiterentwickelt werden soll. Der vorliegende Gesetzentwurf enthält positive Veränderungsaspekte und greift damit Anregungen der Evaluation, z. B. zur Schaffung einer unabhängigen Fachstelle Barrierefreiheit, auf. Allerdings werden die positiven Neuerungen durch Finanzierungsvorbehalte und wenig justiziable Formulierungen eingeschränkt, so dass diese die Empfehlungen aus dem Abschlussbericht zur Evaluation des BGG der Universität Kassel 1 nur ansatzweise aufgreifen. Damit bleiben sie hinter den bisherigen Forderungen der Interessenverbände für Menschen mit Behinderung zurück. Auch mit dem neuen BGG erfolgt keine ausgewogene Berücksichtigung aller Gruppen von Menschen mit Behinderung und die notwendige Verknüpfung zum AGG fehlt völlig. Für den Paritätischen ist nicht nachvollziehbar, dass sich der Geltungsbereich des künftigen BGG auf den öffentlichen Bereich konzentriert und den privatrechtlichen Bereich nur im Zuwendungsrecht einbeziehen will. Aus Sicht des Paritätischen stellt diese Einengung einen Rückschritt gegenüber der geltenden Rechtslage und einen Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention (insbesondere Artikel 4b und e) dar. Als besonders problematisch sieht der Paritätische den mit Verweis auf die UN- Behindertenrechtskonvention an mehreren Stellen formulierte Kostenvorbehalt. Dieser galt insbesondere für die ärmeren und sogenannten Entwicklungsländer. Dass Deutschland als eines der reichsten und wirtschaftlich am weitesten entwickelten Länder sich diesen Vorbehalt zunutze macht, lässt Zweifel am ernsthaften Willen zur 1 Forschungsbericht: Evaluation des Behindertengleichstellungsgesetzes, Abschlussbericht 445(2014) 1

Umsetzung der Behindertenrechtskonvention aufkommen und enttäuscht jene, die mit Blick auf den Evaluationsbericht auf wirksame Veränderungen gehofft hatten. Zu den konkreten Regelungen des Gesetzentwurfs nimmt der Paritätische wie folgt Stellung. 1 Ziel und Verantwortung der Träger öffentlicher Gewalt Der Paritätische unterstützt die im Absatz 2 aufgenommene Klarstellung, dass der Geltungsbereich sich auch auf beliehene und sonstige Bundesorgane bezieht, wie z. B. die Verwaltung des Deutschen Bundestags und Bundesgerichte soweit sie öffentlich rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Damit wird eine Anregung aus dem Evaluationsbericht aufgegriffen. Allerdings erfolgt mit dem Verschieben der Vorschrift aus 7 geltendes BGG nach 1 neues BGG eine Einschränkung des Geltungsbereichs des gesamten BGG auf den öffentlich-rechtlichen Bereich. Dies wäre ein Rückschritt gegenüber der bisherigen Zielsetzung des BGG und wird abgelehnt. Die Sicherstellung der Barrierefreiheit gemäß 4 BGG ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, für deren Umsetzung im öffentlichen und privatrechtlichen Bereich eine gesetzgeberische Gesamtstrategie notwendig wird. Die vorgenommene Einengung des Geltungsbereichs wird dem notwendigen Bedarf zur Absicherung einer umfassenden Barrierefreiheit nicht annähernd gerecht. Unverständlich ist auch, dass privatrechtlich handelnde Unternehmen weiter ausgeklammert bleiben, die Aufgaben wahrnehmen oder Angebote vorhalten, die von einem besonderen staatlichen Interesse sind. Als Beispiel sei hier der durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) beauftragte Bundesanzeiger Verlag benannt, der das Bundesgesetzblatt im Internet leider wegen mangelnder Barrierefreiheit bislang vollkommen unzugänglich für blinde Menschen bereitstellt oder die Veröffentlichungen der Normungsinstitute des DIN, die u. a. Regelungen zur Barrierefreiheit treffen, deren Geltung über den Stand der Technik faktisch die Umsetzung der Barrierefreiheit und damit auch des BGG mitbestimmen. Unterstützt wird, dass der privatrechtliche Bereich in den Zuwendungsbereich einbezogen wird. Allerdings wird in Absatz 3 die Anwendung des Gesetzes auf die institutionelle Förderung beschränkt. Eine solche Einschränkung wird abgelehnt. Aus Sicht des Paritätischen braucht es eine Regelung im BGG, die sicherstellt, dass alle Förderprogramme bzw. Zuwendungen einschließlich der Projektförderung im Rahmen der öffentlichen Haushaltsmittel an das Kriterium Barrierefreiheit zu knüpfen sind. Erfreulich ist, dass seit Inkrafttreten des BGG auf der Bundesebene ebenfalls Landesgleichstellungsgesetze in den Ländern geschaffen wurden. Problematisch ist jedoch, dass auch in den Ländern der Geltungsbereich, z. B. bei der Umsetzung in den kommunalen Gebietskörperschaften, unterschiedlich geregelt ist. Dieser Aspekt wird bedauerlicherweise im Gesetzentwurf nicht aufgegriffen. Der Paritätische fordert, dass die Vorschriften dieses Gesetzes anzuwenden sind. Die vorgenommene Einengung des Geltungsbereichs wird abgelehnt. Im Geltungsbereich des BGG sollte klargestellt werden, dass künftig keine unterschiedlichen Entwicklungen beim Bund, den Ländern und den kommunalen Gebietskörperschaften mehr möglich sind. 2

2 Frauen mit Behinderung; Benachteiligung aus mehreren Gründen Der Paritätische begrüßt ausdrücklich, dass eine Stärkung des Benachteiligungsverbotes von Frauen mit Behinderung und eine Verschränkung zu den Benachteiligungsgründen des AGG erfolgen sollen. Die Bundesregierung greift an dieser Stelle eine Empfehlung des UN-Fachausschusses für Deutschland auf. Unterstützt wird auch der Aspekt der Mehrdimensionalität der Benachteiligung. Allerdings merken wir an, dass die Schutzverpflichtung nicht nur an Mehrdimensionalität geknüpft werden darf, sondern auch greifen muss, wenn eine Benachteiligung allein wegen einer Behinderung eintritt. Hier wäre eine Klarstellung hilfreich. 3 Menschen mit Behinderung Der Paritätische begrüßt, dass der Behinderungsbegriff im BGG entsprechend dem der UN-Behindertenrechtskonvention weitestgehend angepasst werden soll. Für den Paritätischen stellt sich allerdings die Frage, warum die Aspekte der vollen und wirksamen Teilhabe nicht übernommen wurden. Das Weglassen lässt den Schluss einer anderen nicht vollen und wirksamen Teilhabe zu, was hoffentlich nicht gemeint ist. Da es in Deutschland bisher keine einheitliche Verwendung des Begriffs in den jeweiligen Sozialleistungsgesetzen gibt, kann nicht nachvollzogen werden, warum der Begriff Behinderung in Bezug auf dieses Gesetz eingeengt werden soll. Der Begriff Behinderung gemäß 2 SGB IX Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen wurde 2001 wesentlich durch die Vorläuferfassungen der ICF beeinflusst. Insofern wird ein Umdenken bezüglich des weit verbreiteten medizinischen Modells bzw. des defizitorientierten Ansatzes von Behinderung und eine Anpassung des Begriffs Behinderung auch in anderen Sozialgesetzen, insbesondere im SGB IX und nicht nur im BGG, erforderlich. Der Behinderungsbegriff im BGG hat somit Signalwirkung auf weitere geplante Gesetzgebungsverfahren, z. B. dem Bundesteilhabegesetz. Der Paritätische fordert einen mit der UN-BRK identischen Behinderungsbegriff, der auch die volle und wirksame Teilhabe enthält. 4 Barrierefreiheit Wie bereits zu 1 Geltungsbereich ausgeführt, ist Barrierefreiheit in vielfältigen Lebensbereichen eine wesentliche Voraussetzung für die Teilhabe von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen am gesellschaftlichen Leben. Daher ist die Sicherstellung dieser auch mit Blick auf den Behinderungsbegriff ( 3) eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die eine gesetzgeberische Gesamtstrategie erfordert. Barrierefreiheit, die sich lediglich auf Bestandsgebäude des Bundes oder die Bundesverwaltung bezieht, wird dem notwendigen Bedarf der gesellschaftlichen Teilhabe und dem Alltag von Menschen mit Behinderung nicht annähernd gerecht. Das bestehende BGG enthält mit den Zielvereinbarungen schon heute Regelungen, welche die Privatwirtschaft zu mehr Barrierefreiheit anhalten. Allerdings haben diese die gesetzgeberische Intention verfehlt und sind weitgehend wirkungslos geblieben. Erforderlich sind daher Neuregelungen, die nicht nur für Bestandsgebäude des Bundes bzw. 3

der Bundesverwaltung, sondern auch für Gesetze wie das Personalausweis-, Signatur- oder D-Mail-Gesetz gelten und in den Regelungen zur Barrierefreiheit im Verkehrsbereich und insbesondere zur Absicherung der Barrierefreiheit von Sozialleistungsangeboten durch die Rehabilitationsträger zur Anwendung kommen. Beispielhaft sei die beabsichtigte Regelung zur Barrierefreiheit im Landesbehindertengleichstellungsgesetz in NRW genannt 2, die über die Regelungen des BGG neu hinausgehen soll. Zu begrüßen ist indes, dass der Begriff der Barrierefreiheit um das Merkmal der Auffindbarkeit ergänzt wurde. Es wird vorgeschlagen, 4 einen Satz anzufügen, der klarstellt, dass der Einsatz von Hilfsmitteln einschließlich tierischer Assistenz zulässig ist und ein entsprechendes Verbot eine besondere Erschwernis darstellt. Diese Ergänzung erscheint notwendig, da die Erfahrungen gezeigt haben, dass die Mitnahme von Hilfsmitteln, insbesondere von Blindenführhunden oder anderen Assistenzhunden oder auch bestimmten Rollstühlen noch keine Selbstverständlichkeit und Anlass ständiger Diskussionen, Ausgrenzungen und verwehrten Rechten ist. Im neuen BGG sind umfassende Regelungen für Barrierefreiheit, die eine gesetzliche Verpflichtung, einschließlich einer verbindlichen Frist bzw. eines verbindlichen Stufenplans zur Umsetzung der Barrierefreiheit sowohl für den öffentlich-rechtlichen als auch den privatrechtlichen Bereich, aufzunehmen. 5 Zielvereinbarung Wie bereits zu 4 Barrierefreiheit ausgeführt, enthält das bestehende BGG mit den Zielvereinbarungen schon heute Regelungen, welche die Privatwirtschaft zu mehr Barrierefreiheit anhalten, die jedoch ihre gesetzgeberische Intention verfehlen und weitgehend wirkungslos geblieben sind. Erforderlich sind daher Regelungen, wie im Evaluationsbericht vorgeschlagen, die den Bezug zum AGG herstellen und in diesem klarstellen, dass Zielvereinbarungen, insbesondere den nach 19 AGG geschuldeten benachteiligungsfreien Zugang regeln und die widerlegbare Vermutung begründen, dass bei ihrer Einhaltung keine Benachteiligung vorliegt. Damit wären die Unternehmen im Antidiskriminierungsrecht nach AGG stärker in der Pflicht, zu begründen, warum sie keine Zielvereinbarung nach BGG abgeschlossen haben. Diesen Aspekt greift der Gesetzentwurf bedauerlicherweise nicht auf. Der Paritätische fordert, Zielvereinbarungen im Kontext mit dem AGG zu regeln. 6 Gebärdensprache und Kommunikation von Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen Bisher waren in der Überschrift des 6 auch andere Kommunikationshilfen enthalten. Mit der Streichung der anderen Kommunikationshilfen werden die Regelungen bereits in den allgemeinen Vorschriften noch stärker auf Menschen mit Hör- und 2 Gesetzentwurf Erstes allgemeines Gesetz zur Stärkung der Sozialen Inklusion in Nordrhein-Westfalen Drucksache 16/9761 vom 16.09.2015, Artikel 2 Änderung des Behindertengleichstellungsgesetzes Nordrhein- Westfalen, 4 Barrierefreiheit 4

Sprachbehinderungen eingeschränkt. Der Ansatz, Belange spezifischer Gruppen von Menschen mit Behinderung zu berücksichtigen, wird ausdrücklich unterstützt. Allerdings sollten nicht nur diese Bedarfe, sondern auch die der Menschen mit geistiger und seelischer Behinderung Berücksichtigung finden. Daher schlägt der Paritätische vor, dass in den Allgemeinen Bestimmungen des Abschnitts 1 auch Kommunikationshilfen wie die Leichte Sprache (BGG neu 11) oder Unterstützungsleistungen entsprechend dem individuellen Bedarf für Menschen mit geistiger oder seelischer Behinderung laut Behinderungsbegriff der UN-Behindertenrechtskonvention Berücksichtigung finden. Damit könnte ein wesentlicher Kritikpunkt der Evaluation aufgegriffen und bestärkt werden, dass das BGG für alle Personengruppen zur Anwendung kommen soll. Der Paritätische schlägt vor, Kommunikationshilfen wie die Leichte Sprache (BGG neu 11) für Menschen mit geistiger oder seelischer Behinderung bereits in die Allgemeinen Bestimmungen des Abschnitts 1 aufzunehmen. 7 Benachteiligungsverbot Der Paritätische begrüßt ausdrücklich, dass die angemessenen Vorkehrungen laut UN-Behindertenrechtskonvention Eingang in das neue BGG finden sollen. Um die angemessenen Vorkehrungen aufzuwerten, schlägt der Paritätische vor, diese auch im Abschnitt 1 Allgemeine Bestimmungen als Prinzip zu verankern. Allerdings sieht der Paritätische die Einschränkung auf Träger der öffentlichen Gewalt und den Kostenvorbehalt äußerst kritisch, da diese Regelungen Artikel 3 des Grundgesetzes widersprechen. Das Benachteiligungsverbot darf den Privatrechtlichen Bereich nicht außen vor lassen. Der Paritätische unterstützt die Einführung angemessener Vorkehrungen und schlägt vor, diese auch im Abschnitt 1 Allgemeine Bestimmungen als Prinzip zu regeln. Die Einschränkung auf Träger der öffentlichen Gewalt und der Kostenvorbehalt werden mit Blick auf Artikel 4a und b UN-Behindertenrechtskonvention abgelehnt. 8 Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr In Absatz 1 und 4 wird der Geltungsbereich eingeschränkt, weil landesrechtliche Vorschriften oder Bestimmungen, insbesondere die Bauordnungen, unberührt bleiben sollen. Deutschland hat die UN-Behindertenrechtskonvention mit Zustimmung der Länder ratifiziert. Daher sollte, wie bereits ausgeführt, der Geltungsbereich des BGG so klargestellt werden, dass künftig keine unterschiedlichen Entwicklungen beim Bund, den Ländern und den kommunalen Gebietskörperschaften mehr möglich sind. Das Anliegen in Absatz 2, bauliche Barrieren zu prüfen und abzubauen, ist ein erster Schritt in Richtung Abbau von Barrieren in Bestandsgebäuden. Allerdings wird abgelehnt, dass der Abbau von Barrieren an den Kostenvorbehalt geknüpft wird und sich auf Gebäude beschränken soll, die dem Publikumsverkehr dienen. 5

Der Paritätische bewertet die in Absatz 3 neu einzuführenden Berichtspflichten über den Stand der Barrierefreiheit der Bestandsgebäude positiv. Jedoch sollte die erstmalige Berichterstattung 2019 und nicht erst 2021 erfolgen. Darüber hinaus schlägt der Paritätische vor, dass alle vier Jahre entsprechend einer Legislaturperiode nicht nur eine regelmäßige Berichterstattung, sondern damit einhergehend eine verpflichtende Planung erfolgen soll. Da es sich in Absatz 3 nicht um Bestandsgebäude, sondern um Neuanmietungen handelt, ist nicht nachvollziehbar, warum bei Neuanmietungen ein Kostenvorbehalt eingeräumt werden soll. Aus Sicht des Paritätischen können Neuanmietungen nur barrierefrei erfolgen. Daher sind diese Regelungen klar zu formulieren. Der Kostenvorbehalt bei der Herstellung von Barrierefreiheit wird abgelehnt. Die erste Berichtspflicht sollte bereits 2019 greifen, der Folgebericht alle vier Jahre erfolgen und aus den Berichten eine verpflichtende Planung zum Abbau von Barrieren hervorgehen. Der Paritätische schlägt vor, Regelungen zu treffen, die künftig nur die Anmietung von barrierefreien Bauten zulassen oder von Bauten, in denen Barrierefreiheit hergestellt werden kann. 9 Recht auf Verwendung der Gebärdensprache und anderer Kommunikationshilfen Der Paritätische unterstützt die vorgesehenen Regelungen zur Kommunikation von Menschen mit Hör- und Sprachbehinderung ausdrücklich. Allerdings ist anzumerken, dass auch taubblinde Menschen, Menschen mit Lernschwierigkeiten, mit geistiger Behinderung oder psychischer Erkrankung Kommunikationshilfen in Form von Unterstützungsleistungen benötigen. Daher begrüßt der Paritätische, dass im Unterschied zu 6 ausdrücklich das Recht auf Anwendung von anderen Kommunikationsformen verankert werden soll. Allerdings sieht der Paritätische die Notwendigkeit, die KHV auch im Sinne der anderen geeigneten Kommunikationshilfen zwingend zu erweitern und hierbei Menschen mit Behinderung einzubeziehen. Der Paritätische schlägt vor, eine Kommunikationshilfeverordnung zu schaffen, die unterschiedliche Personenkreise und deren Hilfsmittel bzw. Unterstützungsleistungen entsprechend dem individuellen Bedarf vorsieht. Auch für diese Kommunikationshilfen sind die Kosten analog 17 SGB I zu tragen. 10 Gestaltung von Bescheiden und Vordrucken Diese Regelungen werden grundsätzlich unterstützt. Nach Satz 1 sollte ein neuer Satz 2 mit einer Regelung eingefügt werden, die dazu verpflichtet, die elektronischen Dokumente der Verwaltung generell und von vornherein barrierefrei zu gestalten. Vorbild ist 191a Abs. 3 Satz 1 GVG in der ab 01.01.2018 geltenden Fassung. Kritisch zu sehen ist, dass der Anspruch nach 10 Abs. 1 Satz 2 weiterhin auf die Wahrnehmung eigener Rechte begrenzt bleiben soll. Es darf nicht sein, dass Menschen, die blind, sehbehindert oder taubblind sind und beispielsweise rechtliche Vertretung in Anspruch nehmen oder für die eine gesetzliche Betreuung angeordnet ist, von ihren berechtigten Ansprüchen auf Wahrnehmbarkeit bzw. Zugänglichkeit von 6

Informationen ausgeschlossen bleiben sollen. Unabhängig davon, ob Menschen im Verwaltungsverfahren durch Dritte eine Unterstützung erfahren oder nicht muss gewährleistet sein, dass die Informationen i. S. v. 10 Abs. 1 Satz 2 als Grundlage selbstbestimmter Entscheidungsfindung in einer individuell wahrnehmbaren Form zur Verfügung stehen. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass blinde, sehbehinderte und taubblinde Menschen auch dann von dem Recht auf Zugänglichmachung Gebrauch machen können, wenn sie z. B. im Rahmen ihrer elterlichen Sorge die Rechte ihres Kindes wahrnehmen wollen oder müssen. Sowohl der bisherige Satzteil soweit dies zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren erforderlich ist, als auch der neu vorgeschlagene Satzteil können zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren sind daher zu streichen. Allerdings beziehen sich die Regelungen ausschließlich auf blinde und sehbehinderte Menschen, was eine Diskriminierung anderer Personengruppen darstellt. Hier ist aus Sicht des Paritätischen mit Blick auf die Ergebnisse der Evaluation nicht nur eine Erweiterung des Personenkreises, sondern darüber hinaus auch eine Ausweitung auf behördliche Schreiben notwendig. Der Paritätische fordert, dass sowohl der bisherige Satzteil soweit dies zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren erforderlich ist, als auch der neu vorgeschlagene Satzteil können zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren gestrichen werden. Darüber hinaus fordert der Paritätische bei dieser Regelung, behördliche Schreiben sowie die Bedarfe von Menschen mit seelischer und geistiger Behinderung einzubeziehen oder entsprechende Regelungen im 11 zu schaffen. 11 Abs. 1 und 2 ab 2018 Der Paritätische begrüßt ausdrücklich, dass Informationen in Leichter Sprache schrittweise eingeführt werden sollen. Allerdings fordert der Paritätische, den Menschen mit Behinderung die Bescheide nicht nur auf Verlangen zu erläutern. Hilfreich wäre eine Verpflichtung zur Erläuterung, von der nur abgesehen werden kann, wenn Menschen dies ausdrücklich wünschen. Darüber hinaus ist Leichte Sprache nicht nur bei Bescheiden oder Vordrucken, sondern auch bei Bedarfsfeststellungsverfahren oder der Kommunikation mit den Rehabilitations- und Teilhabeträgern notwendig. Neben der Leichten Sprache sind Unterstützungsleistungen entsprechend dem individuellen Bedarf, z. B. bei einer seelischen Behinderung, als zulässige und einklagbare Kommunikationsformen im BGG zu verankern. Mit der Einengung des Personenkreises erfolgt ein Ausschluss von Zielgruppen bzw. das Schaffen von unterschiedlichen Rechten für Menschen mit Behinderung. Der Paritätische schlägt vor, eine Verpflichtung zur Erläuterung der Bescheide aufzunehmen und fordert, neben der Verwendung von Leichter Sprache auch Unterstützungsleistungen entsprechend dem individuellen Bedarf als zulässige und einklagbare Kommunikationsform im BGG grundsätzlich zu verankern. 7

12 Barrierefreie Informationstechnik Die erweiterten Regelungen zur barrierefreien Informationstechnik werden unterstützt. Die Verpflichtung muss aber deutlich weiter greifen und betrachtet man den Umfang des Benachteiligungsverbots i. S. v. 7 Abs. 1 unbedingt auch die Träger i. S. v. 1 Abs. 2 S. 2 einbeziehen, um aus Gründen der Rechtseinheitlichkeit bei der Anwendung von Bundesrecht sicherzustellen, dass die BITV 2.0 zur Anwendung kommt. Weiterhin sollte zur Vermeidung von Missverständnissen bzw. einer befürchteten Anwendungseinschränkung an dem Begriffspaar Auftritte und Angebote festgehalten werden. Neu in den Anwendungsbereich der Norm einbezogen werden sollten mobile Anwendungen einschließlich Apps, denn der Abruf von Informationen und Angeboten via Smartphone und Tablet-PC nehmen einen immer größeren Raum ein. Die Verpflichtung des Bundes zur Barrierefreiheit der IT-Arbeitsplätze seiner Beschäftigten ist in ihrem Grundansatz ausdrücklich zu begrüßen, denn damit wird die Erwartung verknüpft, dass über diese Selbstverpflichtung im Sinne einer vorausschauenden Schaffung von Barrierefreiheit mehr Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung zur Verfügung stehen und eine Bewusstseinsbildung bei den beteiligten Beschäftigten und IT-Spezialisten für die Belange von Menschen mit Behinderungen einsetzt. Allerdings sind die getroffenen Regelungen zu unkonkret und leider nicht abweichungsfest ausgestaltet. Auch hier wird die Verknüpfung mit dem unverhältnismäßigen Aufwand, was einem Kostenvorbehalt gleichkommt, abgelehnt. Sowohl 12 Abs. 1, als auch Abs. 2 müssen Verbandsklage- und Schiedsstellenfähig werden. Darüber hinaus müssen diese Regelungen sowohl für den öffentlich-rechtlichen als auch privatrechtlichen Bereich gelten. Ansonsten bleiben vorhandene Chancen und Möglichkeiten ungenutzt, da durch die Nichteinbeziehung Privater und einer schnellen digitalen Entwicklung unnötig neue Barrieren für Menschen mit Behinderung aufgebaut werden. Die Verpflichtung für Barrierefreie Informationstechnik muss erweitert werden. Die Verknüpfung mit dem unverhältnismäßigen Aufwand, was einem Kostenvorbehalt gleichkommt, wird abgelehnt. 13 Bundesfachstelle für Barrierefreiheit Die Einführung einer Bundesfachstelle für Barrierefreiheit und die Bereitstellung von Haushaltsmitteln hierfür wird ausdrücklich unterstützt, da dies auch ein Vorschlag aus dem Evaluationsbericht ist. Hilfreich ist auch, dass die Fachstelle nicht nur die Träger der öffentlichen Gewalt, sondern auch Wirtschaft, Verbände und Zivilgesellschaft beraten soll. Mit der Anbindung der Bundesfachstelle an die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft Bahn See ist jedoch keine Unabhängigkeit gegeben und die Fachstelle kann als Rehabilitationsträger nach SGB IX in einen Zielkonflikt mit den Interessen der Menschen mit Behinderung geraten. Daher lehnt der Paritätische diese Anbindung ab. Darüber hinaus schlägt der Paritätische vor, bei den Aufgaben gem. Abs. 2 auch die Entwicklung von Standards und Konzepten für Barrierefreiheit als eigenständige Ziffer im Aufgabenbereich aufzunehmen. 8

Die mehrheitliche Besetzung des Expertenkreises durch Interessenverbände von Menschen mit Behinderung wird befürwortet. Allerdings sind in diesem auch Vertreter/-innen der Freien Wohlfahrtspflege als wichtige Akteure der Zivilgesellschaft und Anbieter von sozialen Dienstleistungen einzubeziehen. Ebenso halten wir es für notwendig, dass den Experten in eigener Sache die notwendigen Ressourcen für diese Arbeit bereitgestellt werden. Der Paritätische fordert die Schaffung einer unabhängigen Fachstelle für Barrierefreiheit, in der die Fachkompetenz von staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen zusammengeführt wird. Das bisherige Know-how des Bundeskompetenzzentrums Barrierefreiheit e. V. (BKB) muss dabei Berücksichtigung finden. 15 Verbandsklagerecht Diese Regelungen haben eine Erweiterung durch die Einführung einer Schlichtungsstelle gem. 16 erfahren. Bedauerlicherweise bleibt das Verbandsklagerecht, wie bisher, auf die Feststellungsklage beschränkt. Der Vorschlag aus der Studie, die Verbandsklage auch im Zivilrecht gegen Verstöße des AGG und korrespondierender Normen nach dem Vorbild des Verbraucherschutzrechts zu ermöglichen, wurde nicht aufgegriffen. Das Verbandsklagerecht darf sich nicht allein auf die Feststellungsklage beschränken, sondern muss auch die Leistung umfassen, um Barrieren zu beseitigen. 16 Schlichtungsstelle und -verfahren, Verordnungsermächtigung Der Paritätische unterstützt die Einführung einer Schlichtungsstelle mit einem entsprechenden Verfahren und diese an die beauftragte Person für die Belange von Menschen mit Behinderungen anzubinden. Allerdings bleibt die Schlichtungsstelle auf den Bereich der öffentlichen Verwaltung beschränkt. Somit wurden auch hier die Anregungen aus dem Evaluationsbericht nicht aufgegriffen, eine Schlichtungsstelle für das öffentliche und das Zivilrecht zu schaffen. Darüber hinaus fordert der Paritätische, entweder im BGG selbst oder in der noch zu schaffenden Rechtsverordnung zu Abs. 8 zwingend Festlegungen zur Verfahrensdauer zu treffen. Regelungen für ein Schlichtungsverfahren sind nicht nur im BGG, sondern auch im Zivilrecht zu schaffen. 17 Amt der oder des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung Das Amt der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen braucht eine Aufwertung, indem es direkt im Bundeskanzleramt angesiedelt 9

wird. Damit kann die gesamtgesellschaftliche Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention gestärkt werden. Der Paritätische fordert, das Amt der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen durch die Anbindung am Bundeskanzleramt aufzuwerten. 19 Förderung der Partizipation Grundsätzlich wird unterstützt, dass den Verbänden Mittel zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderung an der Gestaltung öffentlicher Angelegenheiten bereitgestellt werden sollen. Bei der Erarbeitung bzw. beim Erlass einer Förderrichtlinie sind Selbsthilfeorganisationen und Interessenvertretungen von Menschen mit Behinderung einzubeziehen. Artikel 6 Evaluierung Der Paritätische unterstützt, dass das BGG wiederholt evaluiert werden soll. Allerdings erfolgt mit dem Gesetzentwurf eine Einschränkung des Geltungsbereichs (siehe Anmerkungen zu 1), was Auswirkungen auf den Auftrag einer künftigen Evaluation haben wird. Daher schlagen wir vor, bei der Entwicklung des Studiendesigns und der Umsetzung der Evaluierung Interessenvertretungen von Menschen mit Behinderung von Anfang an einzubeziehen. Bei der Entwicklung des Studiendesigns und der Umsetzung der Evaluierung sind das Wissen und die Erfahrungen der Interessenvertretungen von Menschen mit Behinderung von Anfang an einzubeziehen. Berlin, den 14.03.2016 Ansprechpartnerin: Claudia Zinke, Referentin für Behinderten- und Psychiatriepolitik behindertenhilfe@paritaet.org 10