3 Trennung und Scheidung

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Transkript:

3 Trennung und Scheidung 3.1 Grundsatz Form der Scheidung Eine Ehe wird durch einheitlichen Beschluss ( 1564 BGB, 142 Abs. 1 FamFG) über sämtliche im Verbund stehenden Familiensachen geschieden, wenn sie gescheitert ist. 1564 BGB (Scheidung durch richterliche Entscheidung) Eine Ehe kann nur durch richterliche Entscheidung auf Antrag eines oder beider Ehegatten geschieden werden. Die Ehe ist mit der Rechtskraft der Entscheidung aufgelöst. Die Voraussetzungen, unter denen die Scheidung begehrt werden kann, ergeben sich aus den folgenden Vorschriften. Zerrüttungsprinzip Das früher herrschende Schuldprinzip hat der Gesetzgeber schon 1976 abgeschafft. Es gilt (nunmehr) das Zerrüttungsprinzip (Wellenhofer 2017). 1565 BGB (Scheitern der Ehe) (1) Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen. (2) Leben die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt, so kann die Ehe nur geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde. Wann eine Ehe zerrüttet und damit gescheitert ist, wird anhand einer Einzelfallprüfung festgestellt (hierzu auch Dethloff 2015).

Fallgruppen der Scheidung 33 3.2 Fallgruppen der Scheidung Das Gesetz geht von vier Fallgruppen aus, die sich aus Abb. 4 ergeben und im Folgenden erläutert werden. Abb. 4: Fallgruppen der Scheidung 3.2.1 Die unwiderlegliche Vermutung des 1566 Abs. 1 BGB Das Scheitern der Ehe wird nach einjähriger Trennungszeit und Einvernehmlichkeit der Eheleute unwiderleglich vermutet. Die Definition des Begriffs Trennung ergibt sich aus 1567 BGB: einvernehmliche Trennung (1 Jahr)

34 Trennung und Scheidung 1567 BGB (Getrenntleben) (1) Die Ehegatten leben getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Die häusliche Gemeinschaft besteht auch dann nicht mehr, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben. (2) Ein Zusammenleben über kürzere Zeit, das der Versöhnung der Ehegatten dienen soll, unterbricht oder hemmt die in 1566 bestimmten Fristen nicht. Begriff der Einvernehmlichkeit Begriff der Trennung Einvernehmlichkeit der Scheidung bedeutet, dass eine beidseitige Beantragung der Scheidung oder eine entsprechende Zustimmung zur Scheidung vorliegt (aber keine Einvernehmlichkeit, wenn z. B. Sorgerecht bezüglich ehelicher Kinder streitig ist). Die Trennung im Sinne 1567 BGB bedeutet das Ende der häuslichen Gemeinschaft sowie der Wille zur Trennung und Scheidung (Münder et al. 2013). Eine Trennung gemäß 1567 BGB ist gegeben, wenn eine häusliche Gemeinschaft nicht mehr besteht: Trennung meint dabei insbesondere eine Trennung von Tisch und Bett. Entscheidung Scheitern der Ehe bei Geisteskrankheit eines Ehegatten (BGH, Urteil vom 07.11.2001, XII ZR 247/00): Anmerkung der Autorin: Der Fall behandelt die Frage der häuslichen Gemeinschaft zwischen Parteien, die zu keinem Zeitpunkt zusammen gelebt haben. Der Ehemann bewohnt im selben Haus wie seine kranke Frau eine (Nachbar-)Wohnung und kümmert sich intensiv um die Ehefrau. Der Betreuer der Ehefrau stellt einen Scheidungsantrag. Aus den Gründen: Unter der Lebensgemeinschaft der Ehegatten ist das Ganze des ehelichen Verhältnisses, primär aber die wechselseitige innere Bindung der Ehegatten zu verstehen. Die häusliche Gemeinschaft umschreibt dagegen die äußere Realisierung dieser Lebensgemeinschaft in einer von beiden Ehegatten gemeinsamen Wohnstätte. Im Verhältnis zueinander ist die Lebensgemeinschaft der Ehegatten der umfassendere Begriff; die häusliche Gemeinschaft bezeichnet nur einen äußeren, freilich nicht notwendigen Teilaspekt dieser Gemeinschaft.

Fallgruppen der Scheidung 35 Ein Getrenntleben ist auch möglich, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben (Dethloff 2015). Die Annahme des Getrenntlebens innerhalb der ehelichen Wohnung setzt allerdings voraus, dass kein gemeinsamer Haushalt geführt wird und zwischen den Ehegatten keine wesentlichen persönlichen Beziehungen mehr bestehen (BGH, Urteil vom 14.06.1978, IV ZR 164/77; OLG Köln, Beschluss vom 07.12.2012, 4 UF 182/12; Palandt 2017). Versöhnungsversuche unterbrechen die Trennungszeit. Bei der Berechnung werden allerdings Versöhnungsversuche (nach der Rechtsprechung) unter 3 Monaten nicht mitgerechnet: Wird also nach einer gewissen Zeit des Getrenntlebens ein Versuch gestartet, sich zu versöhnen, der dann allerdings innerhalb von 3 Monaten scheitert, wird bei der Bemessung der Zeit des Getrenntlebens auch die Zeit des Versöhnungsversuchs mit eingerechnet (Dethloff 2015). Gemeinsame Wohnung Berücksichtigung einer Versöhnung Entscheidung Versöhnungsversuch (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 14.09.2009, Az.: 6 WF 98/09): Leitsatz: Ein Zeitraum von drei Monaten stellt vorbehaltlich besonderer Umstände die Obergrenze dar, bis zu der noch ein Zusammenleben über kürzere Zeit im Sinne des 1567 Abs. 2 BGB und damit ein den Lauf des Trennungsjahres nicht beeinflussender Versöhnungsversuch angenommen werden kann. Eine Trennung gemäß 1567 BGB ist nur bei einem entsprechenden Trennungswillen (mindestens bei einem der Eheleute) anzunehmen. Voraussetzung ist danach der Wille zur Trennung und Scheidung, der tatrichterlich festgestellt werden muss. Einer Scheidung steht nicht entgegen, dass ein erkrankter Ehegatte im familiengerichtlichen Verfahren aufgrund der fortgeschrittenen Erkrankung keinen Scheidungswillen mehr fassen kann: Die Ehe kann dennoch geschieden werden, wenn die Eheleute seit mehr als einem Jahr getrennt leben, der Erkrankte im Zusammenhang mit der Trennung einen natürlichen Willen zur Scheidung und Trennung gefasst hat und er die Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft ablehnt. Bei Vorliegen des freien Willens ist der Mensch geschäfts- und einwilligungsfähig. Der natürliche Wille ist in Abgrenzung zum freien Willen der Wille, der in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit gefasst wird. Das Grundrecht auf ein selbstbestimmtes Leben (Art. 2 Abs. 1 GG) gebietet es aber nach dem Maßstab der Verhältnismäßigkeit, auch den natürlichen Willen zu beachten. Trennungswillen

36 Trennung und Scheidung Entscheidung Demenz (OLG Hamm, Beschluss vom 16.08.2013, 3 UF 43/13): Anmerkung der Autorin: Der an einer Demenz vom Typ Alzheimer erkrankte 60-jährige Antragsteller hatte im Frühjahr des Jahres 2011 die 20 Jahre jüngere Antragsgegnerin geheiratet. Ende des Jahres kam es nach ca. achtmonatigem ehelichen Zusammenleben zur Trennung der Eheleute. Bei einer im Frühjahr 2012 im Rahmen des Betreuungsverfahrens durchgeführten richterlichen Anhörung hat der Antragsteller trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen seinen Willen zur Trennung und Scheidung geäußert. Die für den Antragsteller bestellte Betreuerin reichte daher im Jahre 2012 einen Scheidungsantrag ein, dem die Ehefrau mit der Begründung, dass der Antragsteller an der Ehe festhalten wolle, entgegengetreten ist. Leitsätze: Eine einseitige, dem Familiengericht den Ausspruch der Ehescheidung ermöglichende Zerrüttung der Ehe lässt sich gemäß den 1565, 1566, 1567 BGB jedenfalls feststellen, wenn die Ehegatten unstreitig seit mehr als einem Jahr räumlich getrennt voneinander leben und die Anhörung des an Demenz erkrankten Antragstellers nach 128 FamFG sowie das übrige Ergebnis der Beweisaufnahme den Rückschluss zulassen, dass dieser zum Zeitpunkt der Trennung bzw. zu einem danach liegenden Zeitpunkt noch den hinreichend sicheren natürlichen Willen zur Trennung und Ehescheidung sowie die Ablehnung der Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft erklärt hat. Darauf, dass bei dem an Demenz erkrankten Antragsteller zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung hingegen kein natürlicher Trennungs- und Scheidungswillen mehr festgestellt werden kann, kommt es nicht für den Ausspruch der Ehescheidung an. Ist nämlich der antragstellende Ehegatte wegen einer fortgeschrittenen Demenzerkrankung zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage, das Wesen einer Ehe und einer Ehescheidung erfassen zu können, ist bei ihm ein Zustand äußerster Eheferne erreicht, bei dem die Ehe der mehr als ein Jahr getrennt lebenden Ehegatten scheidbar ist.