Landtag von Baden-Württemberg 12. Wahlperiode Drucksache 12 / 3000 01. 07. 98 Antrag der Abg. Carla Bregenzer u. a. SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Förderung und Betreuung von Kindern mit Lese-Rechtschreib- Schwäche und Rechenschwäche in Baden-Württemberg Antrag Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen zu berichten, 1. wie viele Kinder mit LRS und wie viele mit Rechenschwäche in Baden-Württemberg jeweils therapeutische Angebote im Rahmen der Eingliederungshilfe wahrnehmen; 2. a) wie viele und welche Einrichtungen und Institute die jeweilige Therapie anbieten; b) welche Ausbildung die dort arbeitenden Therapeuten haben; c) welche Kosten für eine Therapiesequenz anfallen; d) wie sich die Kosten verteilen auf die Eltern und die zuständigen Kostenträger; e) nach welchen Kriterien ganz oder teilweise Kostenübernahme durch die Sozialämter erfolgt; 3. wie sich die Kosten in den einzelnen Landkreisen für diese Maßnahmen in den letzten drei Jahren entwickelt haben und wie die Landkreise diese Kostenentwicklung beurteilen; 4. wie die schulische Betreuung von Kindern mit LRS und von Kindern mit Rechenschwäche in den letzten drei Jahren in den einzelnen Schularten konkret ausgesehen hat in bezug auf a) die jeweilige Diagnostik; b) die besondere Berücksichtigung der Schwäche bei der Notengebung; Eingegangen: 01. 07. 98 / Ausgegeben: 05. 11. 98 1
c) spezielle Förderstunden in den einzelnen Schulamtsbezirken und Schularten; d) den organisatorischen Ablauf der Förderung; 5. ob daran gedacht ist, wie für LRS auch für Rechenschwäche eine Verwaltungsvorschrift zu verabschieden, um Rechtssicherheit zu schaffen; 6. welche Maßnahmen im kommenden Schuljahr zur Förderung von Kindern mit LRS und von Kindern mit Rechenschwäche konkret vorgesehen sind und wie viele Stunden für die einzelnen Schulämter und die Schulen dafür jeweils zur Verfügung gestellt werden; 7. wie gesichert wird, daß Kinder trotz der individuellen LRS oder Rechenschwäche eine weiterführende Schule besuchen können und wie sich deren jeweilige Zahl in den einzelnen Schulamtsbezirken und Schularten in den letzten drei Jahren entwickelt haben; 8. welche Informationen über LRS und über Rechenschwäche an die Lehrerinnen und Lehrer sowie die Eltern den einzelnen Schularten zugehen und wie sichergestellt wird, daß die Informationen die Betroffenen erreicht; 9. welche Fortbildung Lehrerinnen und Lehrer besonders Beratungslehrerinnen und -lehrer über den schulischen Umgang mit Kindern mit LRS und Rechenschwäche erhalten. 01. 07. 98 Carla Bregenzer, Staiger, Zeller, Braun, Christine Rudolf, Wintruff SPD Begründung Lese-, Rechtschreib- und Rechenschwäche können rasch zu Lernunlust und in der Folge zu einer Verschüttung vorhandener Begabungs- und Leistungspotentiale von Kindern führen. Es ist vorrangig die Aufgabe der Schule, Kindern mit diesen Problemen durch spezielle Fördermaßnahmen die Entwicklungshilfen zur Verfügung zu stellen, die sie benötigen, um lebenstüchtige Erwachsene werden zu können. Eine unzureichende pädagogische Betreuung in den Schulen führt mittel- und langfristig zu einer nicht wünschenswerten Aufwertung außerschulischer Hilfsangebote und damit zur Abwälzung der Kosten vom Land auf die betroffenen Eltern und Landkreise. Stellungnahme *) Mit Schreiben vom 14. Oktober 1998 Nr. IV/2 6504.2/286 nimmt das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport im Einvernehmen mit dem Sozialministerium zu dem Antrag wie folgt Stellung: Zu Ziffer 1: Über die Anzahl der Kinder in Baden-Württemberg mit umschriebenen Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten (Lese-Rechtschreibschwäche = Legasthe- *) Der Überschreitung der Drei-Wochen-Frist wurde zugestimmt. 2
nie oder Rechenschwäche = Dyskalkulie), die nach 35 a SGB VIII gefördert werden, liegen nur vereinzelte Angaben vor. Die Jugendhilfestatistik über die Förderung nach 35 a SGB VIII wird erstmals zum Berichtsjahr 2000 durchgeführt werden. Auch dabei ist keine gesonderte Erhebung der Lese-Rechtschreibschwächefälle vorgesehen. Das Jugendamt einer Großstadt schätzt, daß in seinem Bereich 1997 115 Kinder wegen Lese-Rechtschreibschwäche und 5 Kinder wegen Rechenschwäche gefördert wurden. Einzelne Landkreise haben zwischen 15 und 28 Fälle der Förderung wegen Lese-Rechtschreibschwäche und zwischen 0 und 6 Fälle der Förderung wegen Rechenschwäche gemeldet. Zu Ziffer 2 a): Therapie bei Lese-Rechtschreibschwäche wird in spezifischen Legasthenie-Instituten, in heilpädagogischen Praxen oder von anderen freiberuflich tätigen Therapeuten angeboten. Je nach Symptomatik kommen auch ärztliche oder psychotherapeutische Behandlungen infrage. Nach den Ergebnissen einer Umfrage des Landesgesundheitsamtes aus dem Jahr 1996 waren in 29 Stadt- und Landkreisen außerschulische Institutionen vorhanden, die für Kinder mit Lese-Rechtschreibschwäche oder Rechenschwäche Therapien oder Förderung anboten. In fünf Stadt- und Landkreisen waren keine solchen Angebote bekannt, in weiteren fünf Kreisen bestanden derartige Einrichtungen nicht. Zu Ziffer 2 b): Als Berufsgruppen, die eine Therapie bei umschriebenen Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten anbieten, kommen unter der Voraussetzung fachlicher Qualifikation insbesondere Diplom- und staatlich anerkannte Heilpädagogen/-innen Diplompsychologen/-innen Sonderschullehrer/-innen und Lehrer/-innen mit Zusatzqualifikation Kinder- und Jugendpsychiater/-innen Diplomsozialpädagogen/-innen in Betracht. Zu Ziffer 2 c): In der Regel wird wöchentlich eine Therapiestunde mit durchschnittlich 45 Minuten Dauer durchgeführt. Teilweise werden Monatspauschalen erhoben, die, abhängig von der Gruppengröße, zwischen 240, DM und 350, DM betragen. Einzelstundensätze liegen je nach Gruppengröße zwischen rund 22, DM und rund 80, DM. Zu Ziffer 2 d): Die Kosten für eine Therapie bei Lese-Rechtschreibschwäche oder Rechenschwäche werden in Fällen drohender oder bestehender seelischer Behinderung nach 35 a SGB VIII oder bei Bedarf an Erziehungshilfe nach 27 SGB VIII als ambulante Hilfe vollständig vom örtlichen Träger der Jugendhilfe übernommen. Wenn eine Störung mit Krankheitswert vorliegt, kommt die Übernahme der Kosten durch die Krankenkassen in Betracht. Zu Ziffer 2 e): Voraussetzung für die Gewährung von Eingliederungshilfe gemäß 35 a SGB VIII ist zunächst das Vorliegen einer nicht nur vorübergehenden seelischen Behinderung oder einer drohenden seelischen Behinderung. Infolge der Lese- und Rechtschreibschwäche oder Rechenschwäche können sekundäre psychische Störungen entstehen. Dabei ist insbesondere die Frage entscheidend, ob infolge dieser psychischen Störung die Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Prüfung, ob eine seelische Behinderung droht oder vorliegt, 3
erfolgt durch das Gesundheitsamt, durch Kinder- und Jugendpsychiater/-innen, durch Kinderfachärzte und -ärztinnen, die über eine neuropädiatrische oder sozialpädiatrische Zusatzausbildung verfügen, durch Diplompsychologen/-innen und durch eigene Feststellungen des Jugendamtes. Liegt der Hilfebedarf auf dem Gebiet der erzieherischen Hilfen, so kommt anstelle der Eingliederungshilfe nach 35 a SGB VIII Hilfe zur Erziehung nach 27 ff. SGB VIII in Betracht. Zu Ziffer 3: Nach Angaben des Landesarztes für Behinderte hat in nahezu der Hälfte aller Stadt- und Landkreise die Anzahl der Anträge auf Eingliederungshilfe wegen Lese-Rechtschreibschwäche oder Rechenschwäche zugenommen. Auch die vom Landkreistag befragten Stadt- und Landkreise stellten eine erhebliche Zunahme der Fallzahlen in den letzten drei Jahren fest. Die Kosten für ambulante Maßnahmen im Rahmen des 35 a SGB VIII bei Legasthenie oder Dyskalkulie werden von den befragten Stadt- und Landkreisen im Allgemeinen nicht gesondert erhoben. Ein Landkreis verzeichnet einen Kostenanstieg innerhalb der letzten drei Jahre von ca. 13 000 DM auf ca. 75 000 DM. Erhebungen über die Ausgaben der Jugendhilfeträger für Eingliederungshilfe werden im Rahmen der Jugendhilfestatistik nach 101 Abs. 1 SGB VIII, wie erwähnt, erstmals für das Jahr 2000 durchgeführt werden. Es ist zu vermuten, daß Instrumente wie die Vorläufigen Empfehlungen für die Jugendhilfe zum Umgang mit umschriebenen Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten (Lese-Rechtschreib-/Rechenschwäche), die gemeinsam von Landesjugendämtern, Landkreis- und Städtetag herausgegeben wurden, die Entwicklung der Fallzahlen und der damit verbundenen Kosten beeinflussen werden. Zu Ziffer 4 a): Gemäß 8 des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst werden in Baden-Württemberg alle zur Schule angemeldeten Kinder untersucht (Einschulungsuntersuchung). Bei dieser Pflichtuntersuchung wird u. a. auf Sprachentwicklungsverzögerungen, allgemeine Entwicklungsverzögerungen sowie grob-, fein- und graphomotorische Störungen hin untersucht, die zusammen mit der Vorgeschichte Hinweise auf das Vorliegen einer Lese-Rechtschreib- bzw. Rechenschwäche ergeben können und somit zum Auslöser für weitere diagnostische und therapeutische Maßnahmen werden. Ergänzend dazu prüft das Sozialministerium derzeit in Zusammenarbeit mit dem Landesgesundheitsamt, ob die sog. Differenzierungsprobe nach Breuer und Weuffen flächendeckend bei Einschulungsuntersuchungen eingesetzt werden kann. Es handelt sich dabei um ein Verfahren, das die Defizite jeweils im Bereich der optisch-graphomotorischen, akustisch-phonematischen, kinästhetisch-artikulatorischen, melodischen und rhythmischen Differenzierung aufdeckt und ggf. Förderbedarf ermittelt. Im Dezember 1997 wurden im Rahmen eines Pilottests bereits 733 Kinder mit der Differenzierungsprobe nach Breuer und Weuffen untersucht, eine zweite Pilotphase ist für diesen Herbst geplant. Sollte sich der Test weiterhin bewähren, was Aussagekraft, aber auch Durchführbarkeit in der Praxis angeht, ist vorgesehen, dieses Verfahren als festen Bestandteil in die Einschulungsuntersuchung zu integrieren. Im Bereich der schulischen Diagnostik werden verschiedene Instrumente angewandt. Die häufigste Verwendung finden hierbei die Differenzierungsprobe nach Breuer/Weuffen, die Diagnostische Bilderliste nach Dummer-Smoch sowie die Hamburger Schreibprobe von May. In der schulischen Praxis wird bei der Verwendung von diagnostischen Instrumenten in der Regel der pragmatische Weg gewählt, Teile diagnostischer Instrumente, die individuell auf die Schülergruppen zugeschnitten werden, zu verwenden. Im Bereich Rechenschwäche werden insbesondere die diagnostischen Instrumente von Lorenz und von Weiß/Büscher verwendet. 4
Zu Ziffer 4 b): Generell gilt bezüglich der Notengebung die Verordnung des Kultusministeriums über die Notenbildung vom 5. Mai 1983, zuletzt geändert durch Verordnung vom 23. Juni 1997 (Amtsblatt Kultus und Unterricht, Seite 127). In I. Vorbemerkungen ist festgehalten: Der Lehrer als Erzieher benötigt zur Verwirklichung seiner Aufgaben einen pädagogischen Freiraum, bei der Leistungsbeurteilung einen pädagogischen Beurteilungsspielraum. In 7 Abs. 2 ist festgehalten: Die Bildung der Note in einem Unterrichtsfach ist eine pädagogisch-fachliche Gesamtwertung der vom Schüler im Beurteilungszeitraum erbrachten Leistungen. Der vorgenannte Beurteilungsspielraum der Lehrerin bzw. des Lehrers wird durch die Formulierung eine pädagogisch-fachliche Gesamtwertung untermauert. In der Verwaltungsvorschrift Förderung von Schülern mit Schwierigkeiten im Lesen und/oder Rechtschreiben vom 10. Dezember 1997 (K. u. U. vom 12. Januar 1998, S. 1) ist folgendes festgeschrieben (Nr. 4.1 Satz 2, 2. und 3. Spiegelstrich und Nr. 4.2 Satz 1): Für Schüler, bei denen eine Lese- und/oder Rechtschreibschwäche festgestellt wurde, gilt: Außer bei Nachschriften sind die Rechtschreibleistungen nicht in die Beurteilung von Arbeiten einzubeziehen; unter ausreichend liegende Beurteilungen von Nachschriften sind durch eine Leistungsbeschreibung zu erläutern. Im Verhältnis zu den anderen Lernbereichen sind die Anteile des Lesens und/oder Rechtschreibens bei der Bildung der Gesamtnote im Fach Deutsch zurückhaltend zu gewichten. Die Gewichtung liegt in der pädagogischen Verantwortung des Fachlehrers. Im Zeugnis ist unter Bemerkungen festzuhalten, daß eine Lese- und/oder Rechtschreibschwäche festgestellt wurde und daß der Anteil des Lesens und/oder Rechtschreibens bei der Bildung der Deutschnote zurückhaltend gewichtet wurde. Zu Ziffer 4 c): Die an den Grund- und Hauptschulen eingesetzten Lehrerwochenstunden für LRS-Kurse sind in der nachfolgenden Tabelle nach Schulamtsbezirken für die Schuljahre 1995/96 bis 1997/98 dargestellt. An Realschulen und Gymnasien werden LRS-Maßnahmen bei örtlichem Bedarf eingerichtet, jedoch in weit geringerem Umfang als an den Grund- und Hauptschulen und auch nicht in jedem Schulamtsbezirk. Das Schwergewicht der Fördermaßnahmen liegt, wie auch aus der Tabelle ersichtlich, im Grundschulbereich. 5
Spezielle Förderstunden im Bereich Rechenschwäche, die im Rahmen des Stützund Förderunterrichts erteilt werden, werden statistisch nicht erfaßt. Zu Ziffer 4 d): Insbesondere im Bildungsplan der Grundschule sind eine Reihe von Maßnahmen aufgezeigt, wie Lese- und/oder Rechtschreibproblemen sowie der Rechenschwäche frühzeitig begegnet werden kann. Am wirksamsten sind gezielte Übungen und Hilfen für einzelne Schülerinnen und Schüler, wenn sie nach deren Leistungsvermögen differenziert direkt im Klassenverband auf die Unterrichtsinhalte bezogen werden. Im Erziehungs- und Bildungsauftrag der Grundschule ist auf Seite 12 folgender Satz ausgebracht: Die Grundschule hat die vorrangige Aufgabe, jedes Kind individuell zu fördern. Kinder mit Lernschwierigkeiten erhalten gezielte Förderung... Besonders charakteristisch für den Unterricht in der Grundschule sind Arbeitsformen und Maßnahmen der inneren Differenzierung. Sie setzen voraus, daß Lehrerinnen und Lehrer den Entwicklungsstand der einzelnen Kinder kennen und die individuellen Lernprozesse genau beobachten. Insbesondere im LRS-Förderbereich gehen Staatliche Schulämter mehr und mehr dazu über, diesen Förderunterricht in klassenübergreifenden, in jahrgangs- oder schulübergreifenden Gruppen durchzuführen. Das Modell der schulübergreifenden Förderung von LRS-Kindern geht hauptsächlich auf das Mannheimer Modell der LRS-Schulen zurück. Zu Ziffer 5: Eine Verwaltungsvorschrift für Rechenschwäche wird derzeit vorbereitet. Nach heutiger Sachlage kann diese Verwaltungsvorschrift in die Verwaltungsvorschrift zur Förderung von Schülern mit Schwierigkeiten im Lesen und/oder Rechtschreiben integriert werden. Zu Ziffer 6: Noch im ersten Halbjahr des Schuljahres 1998/99 wird eine Broschüre, die die LRS-Problematik in den weiterführenden Schularten Hauptschule, Realschule und Gymnasium aufarbeitet, erscheinen. Diese Broschüre wird jeder Schule dieser betreffenden Schularten kostenfrei zur Verfügung gestellt. Wie auch die Grundschulbroschüre, die bereits im Februar 1997 erschien, wird diese Broschüre für weiterführende Schularten in enger Zusammenarbeit mit dem Landesverband Legasthenie Baden-Württemberg e.v. erarbeitet. Mitte des Jahres 1998 erschien die Broschüre Schwierigkeiten im Mathematikunterricht in der Grundschule: Prävention Diagnose Motivation Förderung in einer Auflage von 10 000 Exemplaren. Diese Broschüre wurde den Grundschulen kostenfrei zur Verfügung gestellt. Die weiteren 5 000 Exemplare sind derzeit nahezu vergriffen. Diese Broschüre wurde in enger Zusammenarbeit mit der Initiative zur Förderung rechenschwacher Kinder IFRK e.v. Stuttgart er- 6
arbeitet. Im Schuljahr 1998/99 ist diese Broschüre Gegenstand von zentralen und regionalen Fortbildungsveranstaltungen. Das beim Staatlichen Schulamt Rottweil angesiedelte Projekt Schwierigkeiten im Mathematikunterricht der Grund- und der Sonderschule als didaktisches Problem, das seit Beginn des Schuljahres 1997/98 läuft, besteht aus einem Arbeitszirkel von 30 Lehrerinnen und Lehrern unter der wissenschaftlichen Mitarbeit von Prof. Dr. Nestle vom Sonderpädagogischen Lehrstuhl der PH Ludwigsburg, Außenstelle Reutlingen. Dieses Projekt wird von der Robert-Bosch-Stiftung gefördert. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung und Umsetzung neuer Unterrichtskonzepte unter Zuhilfenahme parallel entwickelter Materialien, Spiele und einfacher Computerprogramme. Dieses Fortbildungskonzept ist dadurch gekennzeichnet, daß mehrere Lehrerinnen und Lehrer pro Schule über einen längeren Zeitraum mit neuen, innovativen Lehr- und Lernkonzepten konfrontiert werden, deren Multiplikation zu Einstellungs- und Verhaltensänderungen in den Schulen führt, die die dauerhafte und von breiter Akzeptanz getragene Implementation einer neuen Lehr- und Lernkultur erleichtern. Es ist vorgesehen, weitere Staatliche Schulämter in das Projekt einzubeziehen. Auch für das Schuljahr 1998/99 haben die Staatlichen Schulämter Lehrerstunden erhalten, die von dort nach dem vordringlichen örtlichen pädagogischen Bedarf zur Ergänzung der Direktzuweisung an die einzelnen Schulen weitergegeben werden. Aussagen zur Verwendung der Lehrerstunden, die den Schulen über den Pflichtbereich nach der Stundentafel hinaus zugewiesen wurden, sind erst nach Auswertung der Schulstatistik für das Schuljahr 1998/99 möglich. Zu Ziffer 7: Die Endnote in den Fächern Deutsch und Mathematik der Klasse 4 setzt sich aus mehreren Teilnoten für einzelne Arbeitsbereiche zusammen. Schwächere Leistungen in Einzeldisziplinen im Rahmen o. g. Fächer können durch bessere Leistungen in anderen Arbeitsbereichen ausgeglichen werden. Bei Schülerinnen und Schülern mit Schwierigkeiten im Lesen und/oder Rechtschreiben bzw. mit Rechenschwäche kann laut Verordnung des Kultusministeriums über das Aufnahmeverfahren für die Realschule und das Gymnasium der Normalform (Aufnahmeverordnung vom 10. Juni 1983, K. u. U., S. 475) eine Empfehlung ausnahmsweise auch dann ausgesprochen werden, wenn die Schülerin bzw. der Schüler den Notendurchschnitt 2,5 für das Gymnasium bzw. 3,0 für die Realschule (im Durchschnitt der Noten der Fächer Deutsch und Mathematik) nicht erreicht hat, jedoch das Lern- und Arbeitsverhalten, die Art und Ausprägung der schulischen Leistungen auch in den übrigen Fächern sowie die bisherige Entwicklung erwarten lassen, daß sie bzw. er den Anforderungen der Realschule bzw. des Gymnasiums entsprechen wird. Die Grundschulempfehlung wird von den Klassenkonferenz unter Vorsitz der Schulleiterin bzw. des Schulleiters beschlossen. Auf Wunsch der Eltern kann eine Beratungslehrerin bzw. ein Beratungslehrer ein gesondertes, vom Kultusministerium festgelegtes Beratungsverfahren durchführen. Das Ergebnis fließt in eine Gemeinsame Bildungsempfehlung ein, die von der Klassenkonferenz mit Stimme der Beratungslehrerin bzw. des Beratungslehrers unter Vorsitz der Schulleiterin bzw. des Schulleiters beschlossen wird. In der Verwaltungsvorschrift Förderung von Schülern mit Schwierigkeiten im Lesen und/oder Rechtschreiben vom 10. Dezember 1997 ist ausgeführt, daß zur Information der weiterführenden Schulen die Grundschule den Eltern anbietet, auf einem Beiblatt zur Grundschulempfehlung die festgestellte Lese- und/oder Rechtschreibschwäche einschließlich der durchgeführten Fördermaßnahmen zu dokumentieren. Eine Statistik bezüglich der Kinder, die trotz einer vorliegenden Lese- und/oder Rechtschreibschwäche bzw. einer Rechenschwäche eine Realschule bzw. ein Gymnasium besuchen, wird nicht geführt. 7
Zu Ziffer 8: In den Publikationen des Kultusministeriums Schulintern sowie Elternjournal werden regelmäßig Beiträge zu den Themen LRS und Rechenschwäche veröffentlicht. Die Broschüre Lese- und Rechtschreibprobleme in der Grundschule: Prävention Diagnose Förderung Leistungsmessung wurde und wird sowohl über die Schulverwaltung als auch über den Landesverband Legasthenie Baden-Württemberg e.v. vertrieben. Dieselbe enge Zusammenarbeit wird bezüglich des Vertriebs der Broschüre Schwierigkeiten im Mathematikunterricht in der Grundschule: Prävention Diagnose Motivation Förderung zusammen mit der Initiative zur Förderung rechenschwacher Kinder IFRK e.v. Stuttgart verfolgt. Zusätzlich wurde bezüglich der Rechenschwäche ein Faltblatt Wer hilft rechenschwachen Kindern? Leitfaden für Eltern erarbeitet und über die Schulverwaltung wie auch über die Elterninitiative IFRK e.v. Stuttgart verteilt. Darüber hinaus werden Informationen von der Landesarbeitsstelle Kooperation Baden-Württemberg beim Oberschulamt Stuttgart über die Arbeitsstellen Kooperation bei den Staatlichen Schulämtern weitergegeben. Seit dem Schuljahr 1997/98 sind die beiden Personen, die maßgeblich am Aufbau und an der Weiterentwicklung der Mannheimer LRS-Schulen beteiligt waren und sind, im Umfang von je fünf Lehrerwochenstunden vom Unterricht freigestellt. Beide Personen stehen landesweit für Informationsveranstaltungen, Pädagogische Tage und Dienstbesprechungen zur Verfügung. Beide bieten darüber hinaus Hospitationsmöglichkeiten an den Mannheimer LRS-Schulen an. Auf diese Initiative wie auch auf die Schulrätetagungen im September 1996, bei denen das Thema LRS-Förderung an Grundschulen einen Schwerpunkt bildete, ist es zurückzuführen, daß an zahlreichen Staatlichen Schulämtern neue Modelle der LRS-Förderung erarbeitet wurden und werden. Zu Ziffer 9: Das Thema LRS ist schon seit Jahren ein wichtiges Thema in der Lehrerfortbildung. Auf zentraler Ebene an Staatlichen Akademien wie auch auf Ebene der Staatlichen Schulämter werden Fortbildungsveranstaltungen durchgeführt. Die Leiterinnen und Leiter der regionalen Veranstaltungen werden in zentralen Lehrgängen auf die regionale Tätigkeit vorbereitet. Pro Jahr gibt es zwei Multiplikatorenlehrgänge an Staatlichen Akademien. Seit zwei Jahren erhält auch das Thema Rechenschwäche in der Fortbildung eine besondere Bedeutung. Seit mehreren Jahren sind Kooperationsveranstaltungen, d. h. Lehrgänge für Lehrerinnen und Lehrer von allgemein bildenden Schulen und Sonderschulen eingerichtet, in denen besonders Hilfs- und Beratungsangebote schulischer und außerschulischer Einrichtungen aufgezeigt werden. Dabei sind die Themen LRS und Rechenschwäche wichtige Schwerpunkte. Im Herbst dieses Jahres beginnt die neue Fortbildungsreihe Fördern und Differenzieren. Auch hier sind Grundfähigkeiten des Rechnens und des Schreibens ein vorrangiges Thema. Während die Vorbereitung von Fortbildnerinnen und Fortbildnern zumeist an den Staatlichen Akademien für Lehrerfortbildung durchgeführt wird, liegt der Schwerpunkt der Durchführung im regionalen und schulinternen Bereich. Dr. Schavan Ministerin für Kultus, Jugend und Sport 8