Ausgabe 02 / 2014 Das Magazin für den institutionellen Portfoliomanager SMART BETA Populäre Strategie auf dem Prüfstand WALDINVESTMENTS Natürliche Ertragsbringer im Anlagecheck REGULIERUNG Auswirkungen des Aktionsplans Verbraucherschutz im Überblick Titelthema WANDELANLEIHEN BOOM IN DER NISCHE Außerdem in dieser Ausgabe Dr. Martin Kühle (Schroders) Laurent Le Grin (Edmond de Rothschild) Lennart Segler (Hauck & Aufhäuser) Dmitry Solomakhin (Fidelity) Maximilian Kreitlmeier (DR. HELLERICH & CO) Schutzgebühr 25 EUR Trends im AssetManagement
52 I Quant idee Mit Volatilität die Volatilität in den Griff bekommen Viele Investoren haben in der Vergangenheit mit Volatilitätsinvestments Verluste hinnehmen müssen, weil sie einen Buy-and-hold-Ansatz verfolgten. Eine ausgeklügelte Volatilitätsstrategie wie die des Ananea Volatility Fund kann jedoch die Portfoliorisiken deutlich reduzieren und in Crash-Situationen Schutz bieten. Bernd Ertl Von Juri Sarbach (ISPartners Investment Solutions AG) AHA! Volatilität lässt sich also am besten mit Volatilität in den Griff bekommen.
Volatilität I 53 Kompakt Risikomanagement steht gegenwärtig bei vielen Investoren weit oben auf der Agenda, sei es, weil sie Verluste erlitten haben, oder weil die Regularien es von ihnen verlangen. Unabhängig von der Ausgestaltung des Risikomanagements spielen die Korrelationen zwischen Anlagen oder Risikofaktoren stets eine zentrale Rolle. Ein wesentliches Problem bei Korrelationen ist jedoch, dass sie nicht konstant sind und sich typischerweise in Krisenzeiten verstärken. Der Diversifikationseffekt verpufft so oft genau dann, wenn man ihn am meisten braucht. Angstindex ist negativ mit Aktien korreliert Deshalb stießen die im Jahr 2004 lancierten Futures auf den Chicago Board Options Exchange Volatility Index (VIX) auf großes Interesse. Der auch unter dem Namen Angstindex bekannte VIX wird aus der impliziten Volatilität von S&P-500-Optionen berechnet und ist negativ mit Aktien und schwach mit anderen Anlageklassen korreliert. Er ist daher geradezu prädestiniert dafür, die Risikoeigenschaften eines Portfolios zu verbessern. Die wachsende Liquidität der Futures nach 2008 begünstigte das Aufkommen von Finanzprodukten, die VIX-Futures einsetzen und somit auch Anlegern ohne Erfahrung mit Derivaten Zugang zu diesen Instrumenten bieten. Zu den ersten Produkten gehörten Exchange Traded Notes (ETNs), die ein Long-Exposure gegenüber VIX-Futures in ein bequem investierbares Vehikel verpackten. Nach der ersten Euphorie machte sich bei vielen Anlegern jedoch bald Ernüchterung breit: Zwar legten die ETNs bei Korrekturen an den Aktienmärkten wie etwa im August 2011 deutlich zu und übten so wie erwartet ihre Absicherungsfunktion aus, während der übrigen Zeit büßten sie jedoch massiv an Wert ein. Eine der ersten und größten ETNs verlor während der vergangenen fünf Jahre nicht weniger als 63 Prozent im Schnitt pro Jahr! Tücken des Terminmarkts kennen und gezielt nutzen Der Grund für diese vernichtende Bilanz sind die Rollover-Verluste in den Futures-Positionen. VIX-Futures müssen wegen des monatlichen Verfalls jeden Monat gerollt werden. Sie haben zudem eine ausgeprägte Terminstruktur, deren Form vom Marktumfeld abhängig ist. Bei niedriger Volatilität, das heißt während etwa drei viertel der Zeit, ist sie im Contango: je länger die Laufzeit des Kontrakts, desto höher liegt der Preis über dem Spot-Preis. Eine Long- Position verliert so bis zum Verfall an Wert, wenn der VIX nicht ausreichend steigt. Die gegenteilige Konstellation heißt Backwardation: die Futures- Preise liegen unter dem Spot-Preis und fallen mit zunehmender Laufzeit. Dies ist üblicherweise der Fall, wenn der VIX aufgrund einer starken Korrektur der Aktienmärkte in die Höhe schnellt. Die Form der Terminstrukturkurve spiegelt die Markterwartung bezüglich der künftigen Entwicklung der Volatilität wider: Da diese eine stationäre Größe ist, kehrt sie von ihrem gegenwärtigen Niveau mittelfristig wieder auf ihren langfristigen Mittelwert zurück (Mean Reversion). Dies deckt sich auch weitgehend mit der Prognose gängiger Volatilitätsmodelle. Tatsächlich bleibt die Die Kombination einer Volatilitätsstrategie und einer Aktienposition bringt, so die Rückrechnung, bessere Ergebnisse als ein reines Aktienengagement. Engagements in Volatilitäts- Futures oder Volatilitäts- ETNs eignen sich nur kurzfristig, da meist Rollverluste entstehen. Short-Positionen am Volatilitätsmarkt sind auf Dauer ertragreicher als die Spekulation auf steigende Volatilitäten. Der Ananea Volatility Fund schöpft systematisch Roll- Rendite ab und setzt einen Timing-Algorithmus für Positionswechsel ein. Schwierigkeiten bereiten heftige Tagesbewegungen, auf die kein Kurseinbruch folgt, wie es 2013 häufiger zu beobachten war. Volatilität jedoch häufig länger als vorhergesagt auf ihrem gegenwärtigen Niveau, eine Eigenschaft, die man Clustering nennt: Auf niedrige Volatilität folgt tendenziell niedrige Volatilität und hohe Volatilität ist meistens gefolgt von hoher Volatilität. Ist der Markt also irrational, wenn er eine Rückkehr zum Mittelwert erwartet, die oft gar nicht eintritt? Aktives Management bringt mehr als Buy and hold Was auf den ersten Blick als Marktineffizienz erscheinen mag, ist in Wirklichkeit eine ökonomisch gerechtfertigte Risikoprämie, der ein Risikotransfer gegenübersteht: Weil der Käufer von VIX- Fu-
54 I Quant idee tures im Krisenfall profitiert und somit sein Risiko reduziert, muss er den Verkäufer entschädigen, der das Verlustrisiko übernimmt. In diesem Punkt haben VIX-Futures einen ähnlichen Charakter wie Optionen. Da die Risikoprämie von VIX-Futures und damit die Rollverluste bei ETNs sehr hoch sind, empfiehlt sich Buy and hold von Volatilität nicht, ganz im Gegenteil: aktives Management ist von zentraler Bedeutung. Eine aktive Volatilitätsstrategie verfolgen wir im Ananea Volatility Fund. Die Philosophie der Ende 2009 entwickelten Strategie ist es, von den Vorteilen der Volatilität als Diversifikator zu profitieren, ohne dabei die Kosten eines konstanten Long-Exposure tragen zu müssen. Wie bereits erwähnt lohnt es sich nur während einer Korrektur, ein Long-Exposure gegenüber Volatilität zu haben. In der restlichen Zeit hingegen ist ein Short-Exposure generell von Vorteil; Rollverluste werden dann zu Rollgewinnen. Das Verdienen dieser Risikoprämie hat allerdings auch seinen Preis: Es besteht das latente Risiko, dass man im Fall eines Volatilitätsanstiegs falsch positioniert ist und hohe Verluste entstehen. Der Fonds nimmt dem Investor dieses Timing ab. Roll-Rendite abschöpfen und Timing-Algorithmus nutzen Die Strategie des Fonds besteht im Wesentlichen aus zwei Elementen: der systematischen Abschöpfung der Roll- Rendite und einem Timing-Algorithmus, der im Fall einer größeren Marktkorrektur für einen schnellen Positionswechsel sorgen und so große Verluste verhindern soll. Dazu unterscheidet die Strategie drei Regimes, abhängig von der Form der Terminstrukturkurve (vgl. Abbildung 1): Contango: Befindet sich die Terminstruktur im Contango, hält die Strategie eine Short-Position im Kontrakt mit dem nächsten Verfall (Front Month). Bis zum Verfallstag nähert sich dessen Preis dem Spot-Preis (VIX) an, die Short-Position rollt also nach unten und macht einen Gewinn. In der Regel ist die Kurve am kurzen Ende am steilsten, das heißt man erzielt an dieser Stelle den höchsten Rollgewinn. Gleichzeitig reagiert sie dort aber auch am sensitivsten auf Veränderungen der Volatilität. Damit im Fall eines plötzlichen Volatilitätsanstiegs nicht massive Verluste entstehen, wird die Short-Position im Front-Month-Kontrakt daher mit einer Long-Position weiter hinten auf der Kurve besichert. Diese rollt dann zwar ebenfalls nach unten, jedoch weniger als die Front-Month- Position, sodass unter dem Strich ein Gewinn resultiert. Allerdings handelt es sich dabei nicht um einen perfekten Hedge, das heißt eine gewisse Sensitivität gegenüber VIX-Bewegungen (Vega- Exposure) bleibt bestehen. Wie sich bei unseren Analysen gezeigt hat, ist es aus einer Rendite-Risiko-Sicht nicht optimal, sämtliches Vega-Exposure abzusichern. Man muss ein Risiko tragen, um eine Risikoprämie zu verdienen, getreu dem Motto There is no such thing as a free lunch. Der Hedge soll Verluste nur mindern und ist so dimensioniert, dass er Risiken und Ertrag in ein langfristig günstiges Verhältnis setzt. Backwardation: Hier verhält es sich genau umgekehrt: Die Strategie nimmt eine Long-Position im Front-Month- Kontrakt und als Hedge eine Short- Position weiter hinten auf der Kurve ein. Weil dieses Regime in der Regel dann einsetzt, wenn die Volatilität zu Beginn eines Volatilitätsausbruchs zu steigen beginnt, profitiert die Strategie aufgrund des nicht perfekten Hedge Indexpunkte/USD pro Kontrakt 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 zunächst vom Anstieg der Volatilität beziehungsweise von der Korrektur an den Aktienmärkten. Danach bleibt die Volatilität meistens noch für eine Weile erhöht (Clustering-Effekt); indem sie die Terminkurve hinaufrollt, verdient der Fonds in dieser Phase wiederum die Roll- Rendite. Neutrale Positionierung: Ist die Terminstrukturkurve hinreichend flach, befindet sich die Strategie in neutraler Positionierung, das heißt sie hält kein Exposure. Weil es bei einer relativ flachen Kurve kaum Roll-Rendite zu verdienen gibt, lohnt es sich nicht, ein Risiko einzugehen. Dies ist in der Regel der Fall, wenn sich der VIX ungefähr auf seinem langfristigen Durchschnitt befindet. Das aktuelle Regime wird täglich aus der Form der Terminstrukturkurve berechnet, das heißt aus den Tagesschlusskursen der VIX-Futures. Das kurze Ende der Kurve wird dabei stärker gewichtet. Es kann daher vorkommen, dass die Strategie das Regime wechselt, wenn sich die Terminstruktur ausnahmsweise nur am kurzen Ende bewegt. Gezielte Beimischung kann Verluste im Portfolio reduzieren Die Strategie wurde in erster Linie als Beimischung zu einem herkömmlichen Aktien- oder gemischten Portfolio entwickelt. Da sie im Fall einer Korrektur Abbildung 1: Unterschiedliche Positionierung der Strategie Quelle: Bloomberg Long-Position Short-Position Spot (VIX Index) Front month 2nd 3rd 4th 5th 6th VIX-Terminstruktur am 20.03.2012 (Contango) Short-Position Long-Position VIX-Terminstruktur am 27.10.2008 (Backwardation)
Volatilität I 55 Abbildung 2: KOMBINATION DER STRATEGIE MIT einem Aktienportfolio überzeugt 1000 500 400 300 200 100 50 40 30 20 10 April 2004 April 2005 April 2006 April 2007 April 2008 April 2009 April 2010 April 2011 April 2012 April 2013 S&P 500 Total Return Index Volatilitässtrategie 60% S&P 500 und 40% Volatilitätsstrategie 60% S&P 500 und 40% VIX-Futures, monatlich gerollt Simulation ohne Umsetzungskosten und Gebühren; Quellen: Bloomberg, eigene Berechnungen üblicherweise sehr schnell ins Backwardation-Regime wechselt und somit eine negative Korrelation mit den Aktienmärkten erhält, kann sie die Verluste im Portfolio reduzieren (vgl. Abbildung 2). Gleichzeitig verursacht sie während der übrigen Zeit weniger Kosten als eine Absicherung mittels Optionen oder ETNs. Meistens trägt sie dank der Roll- Rendite sogar positiv zur Gesamtrendite bei. Besonders vorteilhaft ist dies für reine Aktienportfolios, die zwar innerhalb ihres Universums diversifiziert sein können, jedoch keinen Zugang zu anderen Anlageklassen haben. Die Strategie eignet sich sehr gut als Ergänzung zu einem Aktienportfolio, da sie während eines Bullenmarkts üblicherweise eine positive Korrelation mit Aktien und somit Aktiencharakter aufweist. Es ist nicht das Ziel der Strategie, Portfolioverluste bei kleineren Marktkorrekturen abzufangen. Primär sollen die großen Einbrüche gemanagt werden, die den Portfoliowert stark reduzieren und sich wegen Zinseszinseffekten nachhaltig auf die Vermögensentwicklung auswirken, wie etwa die Finanzkrise von 2008 oder die Herabstufung der US- Kreditwürdigkeit im August 2011. Abbildung 2 veranschaulicht, dass die Volatilitätsstrategie die Verluste bei großen Korrekturen in den vergangenen zehn Jahren vermindert hat, ohne die Performance zu beeinträchtigen, wie dies mit VIX-Futures der Fall gewesen wäre. Das Entscheidende bei dieser Art von Strategie ist daher die Ausgestaltung des Timing-Algorithmus: Es gilt abzuwägen, wie schnell dieser auf Marktbewegungen reagieren soll. Reagiert er zu träge, können im Fall einer raschen Korrektur erhebliche Verluste entstehen, weil man zu lange falsch positioniert bleibt. Reagiert er zu schnell, ist die Strategie anfälliger für Handelsverluste infolge fälschlich angezeigter Regimewechsel bei kurzfristig stark schwankendem VIX. Heftige Tagesbewegungen als Herausforderung für den Fonds Beim Ananea Volatility Fund haben wir uns für eine eher reaktive Variante entschieden, weil wir eine im Krisenfall rasch einsetzende Absicherung für wertvoller halten. Dies hat sich sowohl während der Finanzkrise von 2008 als auch bei der letzten größeren Korrektur im August 2011 bewährt. Die Schattenseite dieser Umsetzung zeigte sich 2013, als heftige Tagesbewegungen des VIX mehrmals zu Regimewechseln führten, ohne dass ein eigentlicher Einbruch erfolgte. Dadurch wurde der Fonds wiederholt auf dem falschen Fuß erwischt und akkumulierte Verluste. Dem konsequenten Abschöpfen der Roll-Rendite ist es zu verdanken, dass er das Jahr trotzdem nur leicht im Minus beendete. Auch wenn die Fondsrendite in jüngster Zeit unterdurchschnittlich war, so wurde das primäre Ziel dennoch erreicht: Volatilität als Diversifikator zu nutzen, ohne die Kosten eines konstanten Long- Exposure gegenüber Volatilität tragen zu müssen. Daher ist eine gut ausgestaltete aktive Volatilitätsstrategie passiven ETNs in der Regel überlegen. Dank ihren Korrelationseigenschaften lässt sich mit ihr das Risiko eines Portfolios gezielt reduzieren. Investoren tun also gut daran, sich mit Volatilität als Anlageform auseinanderzusetzen und das Potenzial von aktiven Volatilitätsstrategien zu nutzen. Denn eines ist sicher: Die nächste Korrektur kommt bestimmt. Autor: Juri Sarbach Fondsmanager des Ananea Volatility Fund und Risk Manager bei ISPartners Investment Solutions AG