32. Fachgespräch Mietrechtstage des ESWiD



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Transkript:

32. Fachgespräch Mietrechtstage des ESWiD Arbeitsgruppe 4 Teilnehmer fragen - Referenten antworten Schwerpunkt: Kündigung von Mietverträgen Prof. Dr. Arnold Lehmann-Richter, Berlin Ruth Breiholdt, Hamburg S. 1

542 BGB Ende des Mietverhältnisses (1) Ist die Mietzeit nicht bestimmt, so kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis nach den gesetzlichen Vorschriften kündigen. (2) Ein Mietverhältnis, das auf bestimmte Zeit eingegangen ist, endet mit dem Ablauf dieser Zeit, sofern es nicht 1. in den gesetzlich zugelassenen Fällen außerordentlich gekündigt oder 2. verlängert wird. S. 2

Kündigungserklärender + -empfänger Kurz gesagt: Von allen Achtung bei Vollmachten: 174 BGB! / Eigentümerwechsel. an alle! Nicht jeder Ehegatte braucht bei gleicher Anschrift jeweils ein Schreiben, aber gemeinsames Schreiben muss beide Eheleute als Adressaten ausweisen. Ausnahme S. 3

Kündigung gegenüber Außen-GbR Für die Kündigung eines mit einer Außen-GbR abgeschlossenen Mietvertrages genügt es, wenn sich aus der Kündigungserklärung entnehmen lässt, dass das Mietverhältnis mit der Gesellschaft gekündigt werden soll und die Kündigung einem vertretungsberechtigten Gesellschafter zugeht. Das gilt auch dann, wenn den Gesellschaftern die Vertretungsbefugnis gemeinschaftlich zusteht. BGH, Urt. v. 23.11.2011, XII ZR 210/09 S. 4

568 I BGB Form und Inhalt der Kündigung (1) Die Kündigung des Mietverhältnisses bedarf der schriftlichen Form. 126 BGB Schriftform Ist durch Gesetz die schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. Gilt nur im Wohnraummietrecht! Bei Geschäftsraum formlos, wenn MV nichts anderes vorschreibt. S. 5

Begründung der Kündigung 569 IV BGB für fristlose Kündigung Wohnraum: Der zur Kündigung führende wichtige Grund ist in dem Kündigungsschreiben anzugeben. 573 III BGB für fristgemäße Kündigung Wohnraum: Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind. Keine Begründung bei Geschäftsraummiete, falls MV nichts anderes sagt. S. 6

Abmahnung + fristlose Kündigung 543 III BGB. Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Dies gilt nicht, wenn 1. eine Frist oder Abmahnung offensichtl. keinen Erfolg verspricht, 2. die sofortige Kündigung aus bes. Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist oder 3. der M mit der Entrichtung der Miete i. S. d. II Nr. 3 in Verzug ist. S. 7

Zeitlicher Zusammenhang Nach Feststellung (weiterer) Vertragsverletzung nach Abmahnung und/oder ggf. erfolglosem Ablauf einer Abhilfefrist nicht mit Kündigung zu lange warten. Kündigung entfaltet sonst evtl. keine Wirkungen; denn wichtiger Grund i. S. d. 543 I BGB nicht gegeben. Bei unangemessen langer Zeitspanne erscheint Fortsetzung MV bis Ablauf Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung nicht unzumutbar. Ggf. erneut abmahnen, um ggf. dann zu kündigen. S. 8

314 III BGB Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat. Ca. 4 Monate, die GewerberaumV bis zum Ausspruch der Kündigung wegen Nichtzahlung der Kaution verstreichen ließ, noch angemessen im Sinne von 314 III BGB. BGH, Urt. v. 21.03.2007, XII ZR 36/05 S. 9

Abmahnung + fristgemäße Kündigung? 573 I 1 BGB: Der V kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. 573 II Nr. 1 BGB: Ein berechtigtes Interesse des V an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn der M seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, S. 10

Streitig, ob Abmahnung vor ordentl. Kündigung erforderlich. Ordentl. Kündigung eines MV über Wohnraum wg. schuldhafter nicht unerheblicher Vertragsverletzung des M ( 573 I, II Nr. 1 BGB) setzt nicht Abmahnung des M durch V voraus. Aber: Abmahnung ausnahmsweise dann bedeutsam, wenn erst ihre Missachtung durch M seiner Vertragsverletzung das für die Kündigung erforderliche Gewicht verleiht. BGH, Urt. v. 28.11.2007, VIII ZR 145/07 S. 11

Exkurs: Rücknahme einer Kündigung Was halten Sie von folgender Erklärung des V, nachdem MV wirksam durch fristlose Kündigung wg. Zahlungsverzuges beendet. Wir nehmen die fristlose Kündigung vom 31.01.2007 zurück und setzen diese bis auf weiteres aus. Wir bitten für die Zukunft die Mieten fristgerechter zu zahlen. OLG Koblenz, Urt. v. 15.02.2012, 5 U 1159/11, ZMR 2012, 349 S. 12

Wenn MV durch wirksame Kündigung beendet, kein Aufleben des MV durch einseitige Rücknahme der Kündigung. Erforderlich Angebot und Annahme, neues MV zu alten Bedingungen zu begründen. Hier kein entsprechender Wille im Gegenteil: altes Nutzungsverhältnis sollte fortgesetzt werden unter Aufrechterhaltung der Rechte aus der fristlosen Kündigung. WE nicht auf Neubegründung MV gerichtet, nur auf Duldung der Nutzung bis auf weiteres solange der Mietzins entrichtet wird. S. 13

Einzelne Kündigungsgründe 1. Der Neue 2. Störungen des Hausfriedens + Generalklausel 3. Ständig unpünktliche/unvollständige Zahlungen 4. Zahlungsverzug 5. Verwertungskündigungen S. 14

Neuer Kündigungsgrund - Kautionsverzug Nach 569 II a BGB n. F. soll der V auch bei Zahlungsverzug mit der Mietkaution fristlos und ohne vorherige (Ab-) Mahnung kündigen können. Dies soll Konsistenz im Umgang mit dem Mietzahlungsverzug schaffen (vgl. Dietrich ZMR 2012, 325 ff.). S. 15

569 II a BGB n. F. ab 01.05.2013 (2a) Ein wichtiger Grund im Sinne des 543 I liegt ferner vor, wenn der Mieter mit der Sicherheitsleistung nach 551 in Höhe eines Betrages im Verzug ist, der der zweifachen Monatsmiete entspricht. Die als Pauschale oder als Vorauszahlung ausgewiesenen Betriebskosten sind bei der Berechnung der Monatsmiete nach S. 1 nicht zu berücksichtigen. Einer Abhilfefrist oder einer Abmahnung nach 543 III 1 bedarf es nicht, III Nr. 2 S. 1 sowie 543 II 2 sind entsprechend anzuwenden. S. 16

Störung des Hausfriedens, 569 II BGB (2) Ein wichtiger Grund im Sinne des 543 I liegt ferner vor, wenn eine Vertragspartei den Hausfrieden nachhaltig stört, so dass dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. I. v. m. 578 II BGB auch bei Geschäftsräumen! S. 17

Störung Hausfrieden, 543 I, 569 II BGB Fristlose Kündigung bei nachhaltiger Störung des Hausfriedens. Hausfrieden = Erfordernis gegenseitiger Rücksichtnahme, das das Zusammenleben mehrerer Personen in einem Haus erst erträgl. macht. Verhalten jeder Partei so, dass kein anderer mehr als unvermeidl. gestört. 569 II BGB (+), wenn M diese selbstverständlichen Gebote gegenseitiger Rücksichtnahme schwerwiegend verletzt. Nachhaltig = schwerwiegend. I.d.R. reichen kurze, einmalige Störungen nicht. S. 18

Hausfrieden Gerüchte und anderes M hatten in Schreiben an Polizei zu verstehen gegeben, dass sie meinen, die V habe Fondsanleger betrogen und Autos von Mietern beschädigt. LG Berlin, Urt. v. 05.05.2008, 67 S 160/07, GE 2008, 871 V muss nicht dulden, dass M ungeprüft Gerüchte + Vermutungen über (strafrechtlich relevantes) Verhalten des V an Dritte, insbes. Polizei weitergeben. Rechtfertigt fristlose Kündigung gem. 543 I BGB per se nicht, ggf. nur im Wiederholungsfalle nach zuvor erteilter Abmahnung. S. 19

Außerdem wollte M einem Mitarbeiter der V dessen Fotoapparat entreißen, hielt ihn von hinten mehrere Sekunden lang umklammert und hinderte ihn am Verlassen des Grundstücks. Fristlose Kündigung wg. Störung des Hausfriedens wirksam! Verstoß gegen grundlegende Normen des gegenseitigen Umgangs. Abmahnung (an sich erforderlich, hier) wg. Schwere des Vertragsverstoßes gem. 543 III Nr. 2 BGB entbehrlich. S. 20

Hausfrieden Körperverletzungen Fall: Im Rahmen der Vollstreckung eines Titels auf Duldung von Modernisierungsmaßnahmen schlug M fünfmal mit den Fäusten auf einen von der V beauftragten Handwerker ein (2 Treffer im Gesicht Platzwunde, 3 Treffer am linken Oberarm und Brustkorb Prellungen). V kündigte fristlos wg. einer nachhaltigen Störung des Hausfriedens. LG Berlin Urt. v. 26.06.2008, 67 S 337/07, GE 2008, 1052 S. 21

Lösung nach LG Berlin: Kündigung ist wirksam! Abmahnung entbehrlich. Anderenfalls hätte der M sozusagen eine Gewalttätigkeit frei. Bei einer Tätlichkeit, insbesondere bei einer Körperverletzung, muss einem Mieter die Verwerflichkeit seines Verhaltens nicht erst durch eine Abmahnung vor Augen geführt werden. Die Unzulässigkeit einer solchen Verhaltensweise kann als bekannt vorausgesetzt werden. Sie ergibt sich aus dem Strafgesetzbuch. S. 22

Hausfrieden Bedrohung von Zeugen M weiß, dass Mitmieter als Zeuge im Prozess gegen ihn wg. div. Störungen des Hausfriedens benannt ist. Hängt nachts an dessen Tür Tüte mit Räumungsklage und Klagerwiderung, beschmiert mit mit Blut verwechselbarem Ketchup. Auch einmaliger Einschüchterungsversuch (Bedrohungshdlg.) reicht # bloß ungebührliches Verhalten. Muss V (auch ohne Abmahnung) nicht hinnehmen trotz 40 Jahre MV. LG München I, Urt. v. 10.10.2012, 14 S 9204/12, NZM 2013, 25 S. 23

Hausfrieden Bedrohung Schuldunfähiger Fall: M hat 2 Mitbewohner. Während einer mit V + Hausmeister (HM) spricht, beschimpft anderer Mitbewohner ohne Anlass HM + attackiert ihn mit 30 cm langem Brotmesser (Hieb- + Stichbewegungen in Richtung HM, denen dieser gerade noch ausweichen kann, + Wurfbewegungen hinter weichendem HM). V kündigt sofort fristlos, M wendet gegenüber Räumungsklage ein, keine Abmahnung + Mitbewohner infolge Krankheit nicht schuldfähig. AG Karlsruhe, Urt. v. 19.12.2012, 6 C 387/12, IMR 2013, 102 S. 24

Lösung nach AG Karlsruhe: Räumungsklage erfolgreich, da fristlose Kündigung wirksam: Beleidigung, Nötigung bzw. Bedrohung, tätlicher Angriff auf Mitarbeiter V müssen nicht hingenommen werden. Abmahnung entbehrlich nach 543 III 2 Nr. 2 BGB: bei so eklatanten Vertragsverletzungen weiteres Abwarten unzumutbar. Zurechnung Verhalten Mitbewohner über 278 BGB. Schuldfähigkeit unerheblich. Wg. Schwere des Verstoßes nicht hinnehmbar, Dritte der Gefahr auszusetzen, Opfer aggressiver Übergriffe dieses Mitbewohners der M zu werden. S. 25

Generalklausel, 543 I 2 BGB 543 I BGB: Jede Vertragspartei kann das MV aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des MVs nicht zugemutet werden kann. S. 26

Belächelte Bedrohung durch V Bedrohung der M durch V sowie unsachliche Äußerungen können wichtiger Grund sein. V: Mietern, die nicht zahlen, müsste man echt einen Kopfschuss geben. M lächelt V an + antwortet, dass dann ja erst recht keine Miete mehr gezahlt werden würde. Darauf V: Stimmt auch wieder, dann schieß ich eben ins Knie. Hier kein wichtiger Grund, weil M erst 17 Tage später fristlos kündigt und selbst Äußerungen nicht so ernst genommen hat. LG Lübeck, Urt. v. 21.02.2012, 17 O 208/11 S. 27

Ständig unpünktliche Zahlung - Abmahnung Fristlose Kündigung nach Generalklausel, 543 I BGB. Da Pflichtverletzung, erfolglose Abmahnung gem. 543 III BGB vorausgesetzt. Durch die Abmahnung ggf. mit Kündigungsandrohung - erhält der M Gelegenheit, das durch die vorangegangenen unpünktlichen Mietzahlungen gestörte Vertrauen des Vs in eine pünktliche Zahlungsweise wieder herzustellen. BGH, Urt. v. 01.06.2011, VIII ZR 91/10 S. 28

Ständig unpünktliche Zahlung - Abwägung Bei Würdigung, ob Vertragsfortsetzung für V unzumutbar, auch die vor Abmahnung liegenden Vertragsverletzungen des M berücksichtigen. Nach vorangegangenen unpünktlichen Zahlungen kann bereits eine weitere unpünktliche Zahlung nach erfolgter Abmahnung fristlose Kündigung rechtfertigen. BGH, Urt. v. 04.05.2011, VIII ZR 191/10 S. 29

Anders, wenn V wiederkehrendes vertragswidriges Verhalten des M über Jahre/Jahrzehnte widerspruchslos hinnimmt. Hier hat V gegenüber M zumindest den - erst mit der Abmahnung wieder beseitigten - Anschein gesetzt, dass er den wiederkehrenden Vertragsverletzungen kein erhebliches Gewicht beimisst und er keine wesentliche Beeinträchtigung seiner Interessen sieht. S. 30

Ständig unpünktliche Zahlung - Jobcenter Fall: Jobcenter (Sozialamt) zahlt Miete. Miete 04/2008 am 11.04., für 05/2008 am 07.05., für 06/2008 am 06.06. + für 07/2008 am 08.07.. Jobcenter nicht zu früheren Zahlungsanweisungen bereit, obwohl M 2 Abmahnungen des V wegen verspäteter Mietzahlungen vorlegt. V kündigt fristlos wg. ständig unpünktlicher Mietzahlung und erhebt Räumungsklage. BGH, Urt. v. 21.10.2009, VIII ZR 64/09 S. 31

Lösung nach BGH: Ohne Erfolg Kein wichtiger Grund! Unzumutbarkeit = Ergebnis wertender Betrachtung. Ständig unpünktliche Zahlung kann nach Abmahnung wichtiger Grund sein. insbesondere eines Verschuldens hier kein Verschulden. M selbst trifft kein Verschulden an verspäteter Zahlung, hat Jobcenter auch auf Abmahnungen hingewiesen. Etwaiges Verschulden Jobcenter muss M sich nicht zurechnen lassen. S. 32

Jobcenter, das für hilfebedürftigen Wohnungsmieter die Kosten der Unterkunft in der Weise übernimmt, dass es die Miete direkt an den Vermieter des Hilfebedürftigen überweist, ist nicht Erfüllungsgehilfe des M. Jobcenter nicht Hilfsperson für Mietzahlung. Im Rahmen hoheitlicher Daseinsvorsorge gewährleistet Jobcenter Grundsicherung der Hilfsbedürftigen, welcher sich nach dort wendet, um notwendige Mittel zum Lebensunterhalt zu erhalten. S. 33

Zahlungsverzug fristlose Kündigung 543 II BGB Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn 3. der Mieter a) für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder b) in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht. S. 34

Im Falle des Satzes 1 Nr. 3 ist die Kündigung ausgeschlossen, wenn der Vermieter vorher befriedigt wird. 569 III BGB: Ergänzend zu 543 II 1 Nr. 3 gilt: 1. Im Falle des 543 II 1 Nr. 3 Buchstabe a ist der rückständige Teil der Miete nur dann als nicht unerheblich anzusehen, wenn er die Miete für einen Monat übersteigt. Dies gilt nicht, wenn der Wohnraum nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet ist. S. 35

Zahlungsverzug durch Jobcenter Fall: Am 18.03.2009 beantragte M Leistungen nach SGB II, Antrag zögerlich bearbeitet. Fristlose Kündigung vom 23.06.2009 wg. Rückstand Mai + Juni 2009. Zahlung wurde vollständig nachgeholt. Fristlose Kündigung vom 25.11.2010 wg. Zahlungsverzuges, der ebenfalls vollständig ausgeglichen. V erhebt Räumungsklage. LG Wiesbaden, Urt. v. 22.06.2012, 3 S 114/11, WuM 2012, 623 S. 36

Lösung nach LG Wiesbaden: Ohne Erfolg! Voraussetzungen Zahlungsverzug bei Kündigung 25.11.2010: ja, aber Heilung durch Schonfristzahlung. Kein Zweitfall, da Kündigung vom 23.06.2009 mangels Zahlungsverzuges unwirksam. Etwaiges Verschulden Jobcenter ist M nicht zuzurechnen. Entscheidung zweifelhaft: Anders als wichtiger Grund in 543 I BGB setzt 543 II BGB kein Verschulden voraus, Verzug reicht. Hier gilt Grds.: Geld hat man zu haben! BGH hat nur zu 543 I BGB entschieden. S. 37

Rückstandsreduzierung Kündigung? Fall: Am 4. Werktag März 2006: Verzug Miete Februar 2006 ( 490,48) + anteilig März 2006, gesamt 610,91. Später zahlt M auf beide Mieten jeweils 94,95. Weiterer Rückstand mit anteiligen Beträgen für April + Mai 2007 Saldo per 25.05.2007: 763,79 fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung am 25.05.2007 durch V. Erhebung Räumungsklage durch V. Sämtliche Rückstände am 9.11.2007 (vor Ablauf Schonfrist) ausgeglichen. KG, Urt. v. 24.07.2008, 8 U 26/08, DWW 2008, 379: S. 38

Lösung nach KG: MV beendet, Räumungsklage begründet. Fristlose Kündigung unwirksam, erst durch Schonfristzahlung. Kündigungsrecht entsteht, wenn Voraussetzungen 543 II 1 Nr. 3 lit. a oder b. BGB vorliegen. Einmal entstandenes Kündigungsrecht bleibt bestehen, auch wenn sich Rückstand reduziert. Nicht erforderlich, dass noch bei Kündigungszugang Rückstand in Höhe 543 II 1Nr. 3 lit. a oder b. BGB besteht. Anders nur bei vollständiger Befriedigung vor Wirksamwerden, d.h. Zugang der Kündigung. S. 39

Fristgemäße Kündigung begründet, Vorheriger Abmahnung bedurfte es nicht. Anders als beim Zahlungsverzug kann M sich im Rahmen des 573 II Nr. 1 BGB, der Verschulden voraussetzt, entlasten, z.b. wenn Zahlungsverzögerungen auf einer unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage beruhen, die der M dann nicht zu vertreten hat. Derartiges nicht vorgetragen Pflichtverletzungen haben ausreichendes Gewicht. S. 40

Zahlungsverzug - Verschulden Fall: MV über EFH für brutto 1.550,00 /Monat. M rügen Schimmel und Kondenzwasserbildungen infolge baulicher Mängel. V lehnt Beseitigung ab, da Ursache falsches Heizungsund Lüftungsverhalten sei. M mindern um 20 % = 310,00 /Monat. V spricht fristlose Kündigung wg. Rückstand über 3.410,00 aus und erhebt Räumungsklage. SV-Gutachten bestätigt falsches Wohnverhalten M. BGH, Urt. v. 11.07.2012, VIII ZR 138/11 S. 41

Lösung nach BGH: Räumungsklage hat Erfolg. Fristlose Kündigung gem. 543 II 1 Nr. 3 lit. b BGB wirksam. Zahlungsrückstand 2 Monatsmieten mangels Minderung/ZBR. Verschulden: (+). Auffassung, milderer Maßstab für Verschulden bei 543 II Nr. 3 BGB, insbes. bei Rechtsirrtum, ist abzulehnen. Auch im Wohnraummietrecht strenge Anforderungen an unverschuldeten Rechtsirrtum. Kein Grund für milderen Sorgfaltsmaßstab im Rahmen des 543 III BGB. (Senatsurt. v. 25.10.2006, VIII ZR 102/06). S. 42

Gilt auch bei Irrtum im Tatsächlichen (Ursache einer Schimmelpilzbildung). Nach 276 BGB: Vorsatz + Fahrlässigkeit zu vertreten. Bei Anwendung verkehrsüblicher Sorgfalt erkennbar, dass Ursache im eigenen Wohnverhalten - wg. Haltens mehrerer Katzen, die nicht raus sollten, wenig gelüftet, - wg. 2 Aquarien + 1 Terrarium mit Schlangen erhöhte Luftfeuchtigkeit. Fahrlässig, Ursache nicht im eigenen Wohnverhalten zu sehen. S. 43

Anpassung von VZ fristlose Kündigung? Fall: VZ für Heizung und Warmwasser jeweils in 2000, zum 01.10.2003 und zum 01.10.2004 erhöht aufgrund formell und materiell ordnungsgemäßer BKA en. M zahlten nicht. V kündigte fristlos in 12/2004 und machte Räumungsanspruch gerichtlich geltend. Einwand der M: 569 III Nr. 3 BGB. BGH, Urt. v. 18.07.2012, VIII ZR 1/11 S. 44

569 III Nr. 3 BGB: Ist der M rechtskräftig zur Zahlung einer erhöhten Miete nach den 558 bis 560 verurteilt worden, so kann der V das Mietverhältnis wg. Zahlungsverzugs des Ms nicht vor Ablauf von zwei Monaten nach rechtskräftiger Verurteilung kündigen, wenn nicht die Voraussetzungen der außerordentlichen fristlosen Kündigung schon wg. der bisher geschuldeten Miete erfüllt sind. S. 45

Lösung nach BGH: mit Erfolg Räumungsanspruch (+)! Regelungsgehalt des 569 III Nr. 3 BGB streitig. Bisher h. M.: Kündigung erst, wenn M rechtskräftig zur Zahlung erhöhter VZ verurteilt. Erst auf Zahlung klagen, dann kündigen. A. A. und jetzt auch BGH: Rechtskräftige Verurteilung ist nur Voraussetzung für Sperrfrist, nicht für Kündigung. Nur wenn Zahlungsklage, Sperre. Ohne vorausgegangene Zahlungsklage, 569 III Nr. 3 BGB nicht einschlägig. S. 46

Argumente: Enger Wortlaut und Entstehungsgeschichte. Interessen des M ausreichend geschützt: - Ausnahmecharakter der Vorschrift. - Im Räumungsverfahren prüft Gericht, ob Anpassung nach 560 IV BGB wirksam. - M kann Belegeinsicht durchführen und bei Weigerung des Vs ZBR ausüben, so dass Zahlungsverzug nicht gegeben und Kündigung ausgeschlossen. S. 47

Zahlungsverzug ordentliche Kündigung? Zahlungsverzug bei welcher Höhe + welcher Dauer = nicht unerhebliche schuldhafte Pflichtverletzung, 573 II Nr. 1 BGB? Eindeutig, wenn auch fristlose Kündigung möglich. Im Übrigen streitig: - mindestens wie bei fristloser (Blank in S-F, 10. A., 573 Rn. 27; Häublein in Mü-Ko, 6. A., 573 Rn. 59), - nach Einzelfall jeder Rückstand, auch unterhalb des Betrages einer Monatsmiete und kürzer als einen Monat (Schmid, DWW 1982, 77 (84); Grapentin in Bub/Treier, 3. A., Rn. IV 64), S. 48

- h. M.: erforderlicher Rückstand mindestens 1 Monatsmiete + Verzugsdauer von mindestens 1 Monat (LG Wiesbaden, NZM 2003, 713; Palandt-Weidenkaff, 71. A., 573 Rn. 16). BGH, Urt. v.11.10.2012, VIII ZR 107/12: - Auch unterhalb der Grenzen des 543 III Nr. 2 BGB muss ordentliche Kündigung möglich sein. - Aber nicht jeder geringfügige oder nur kurzfristige Zahlungsverzug = nicht unerhebliche Pflichtverletzung. - Anlehnung an h.m.: Erheblichkeitsgrenze nicht überschritten, wenn Rückstand 1 Miete + Verzugsdauer < 1 Monat. S. 49

Leitsatz: Eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs ist auch unterhalb der für die fristlose Kündigung geltenden Grenze des 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB möglich. Eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung des Mieters liegt jedoch nicht vor, wenn der Mietrückstand eine Monatsmiete nicht übersteigt und die Verzugsdauer weniger als einen Monat beträgt. S. 50

Ordentliche Kündigung - Schonfristzahlung Kündigt V ein Wohnraummietverhältnis nach 543 I, II 1 Nr. 3a, 569 III Nr. 1 BGB wegen Zahlungsverzugs des M fristlos und hilfsweise auch fristgemäß, lässt der nachträgliche Ausgleich der Rückstände innerhalb der Frist des 569 III Nr. 2 BGB zwar die fristlose Kündigung unwirksam werden, nicht dagegen auch ohne weiteres die fristgemäße Kündigung. Die nachträgliche Zahlung ist jedoch bei der Prüfung, ob der M seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat ( 573 II Nr. 1 BGB), zu berücksichtigen. BGH, Urt. v. 16.02.2005, VIII ZR 6/04 S. 51

Verwertungskündigung, 573 II Nr. 3 BGB Ein berechtigtes Interesse des Vs an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn 3. der V durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grund-stücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der V kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den M erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will. S. 52

Verwertungskündigung Teil 1 BGH, Urt. v. 09.02.2011, VIII ZR 155/10 Materielle Voraussetzungen: 1. Wirtschaftliche Verwertung: z. B. Verkauf, Umbau- und Sanierungsmaßnahme, hier bejaht: Abriss und Neubau moderner Wohnungen. 2. Angemessenheit: vernünftige, nachvollziehbare Erwägungen für Verwertung. hier bejaht: vorhandener Wohnblock im schlechten Bauzustand und entspricht heutigen Anforderungen an angemessene Wohnraumversorgung nicht (unzulässig niedrige Decken, gefangene Räume, kein Bad etc.). S. 53

3. Erhebliche Nachteile: Hintergrund: Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 II GG) grundsätzliches Bestandsinteresse des Ms, in Wohnung als Lebensmittelpunkt zu bleiben. Keine generalisierende, sondern Einzelfallbetrachtung, auch: konkrete Situation des Vs. Bejaht, wenn durch Erhaltung nur eines veralteten Wohnblocks städtebauliches Konzept gerichtet auf angemessene Wohnraumversorgung nur unvollständig verwirklicht werden könnte. S. 54

Durch bloße Sanierungsmaßnahmen bei Erhalt der Wohnungen keine vernünftige Wohnungen für breite Schichten herstellbar. Unerheblich, welche Kosten für Sanierungsalternative aufzuwenden wären und welche Rendite bei Sanierung noch erzielt werden könnte. Formelle Voraussetzung: Begründung gem. 573 III BGB Bei geplantem Abriss und Neubau Mitteilung ausreichend, aus welchen Gründen V vorhandene Bausubstanz nicht für erhaltenswert hält und S. 55

welche baulichen Maßnahmen er stattdessen plant. Ausreichende Entscheidungsgrundlage, ob Widerspruch oder nicht. Fehlende Vorlage Wirtschaftlichkeitsberechnung, etwa zu "Sanierungsalternative, berührt formelle Wirksamkeit der Verwertungskündigung nicht. Fehler in einer vorgelegten Wirtschaftlichkeitsberechnung führen nicht zur formellen Unwirksamkeit. S. 56

Verwertungskündigung Teil 2 Fall: Volkseigener Betrieb ehemaliger DDR schließt 1953 MV über unter staatl. Verwaltung stehendes EFH auf Grundstück des Rechtsvorgängers der Kläger. Staatliche Verwaltung endet mit Ablauf 1992 Kläger treten in ungeteilter Erbengem. in MV ein. Kündigung Juli 2007 - Begründung: Absicht, verlustbringendes Mietobjekt wg. Auseinandersetzung Erbengem. veräußern, was durch Fortbestand MV unmöglich. Erben erheben Räumungsklage. BGH, Urt. v. 08.06.2011, VIII ZR 226/09 S. 57

AG weist Klage ab, LG weist Berufung zurück. Begründung: Grdsl. könne erheblicher Nachteil gegeben sein, wenn MV wie faktisches Verkaufshindernis wirkt. Hier kein Nachteil, weil Grundstück bereits im vermieteten unrentablen Zustand erworben. Maßgebender Zeitpunkt für Vergleichsrechnung: Aufhebung staatlicher Verwaltung Ende 1992 (Eintritt in MV). Dem Grundstück habe von Beginn an Minderwert durch Vermietung angehaftet. S. 58

Lösung nach BGH: Urteil aufgehoben und zurück verwiesen. Abwägung: Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 II GG) - Bestandsinteresse des Ms - einerseits. Andererseits darf Nachteil des Vs keinen Umfang annehmen, der diejenigen des Ms infolge des Verlustes der Wohnung weit übersteigt. Verneinung Nachteil, weil bereits unrentabel erworben, verkürzt diese Abwägung (Berücksichtigung aller Einzelfallumstände) auf den einen singuläre Aspekt, ob seit Erwerb Verschlechterung des Verkehrswertes oder der Rentabilität eingetreten ist. S. 59

Nicht berücksichtigt z.b.: Vermietung weder durch Rechtsvorgänger noch durch Kläger selbst. Kläger hatten keinen Einfluss auf (Dauer) staatliche(r) Verwaltung und Maßnahmen des volkseigenen Betriebes. Argument: bereits bei Erwerb (Erbfall) vermietet, verfehlt. Anderenfalls alle Eigentümer ehemals staatlich verwalteter Wohnungen dauerhaft an Zuständen bei Beendigung der staatlichen Verwaltung festzuhalten und ihnen zuzumuten, dauerhaft Verluste ohne Verwertungsmöglichkeit hinzunehmen. Unvereinbar mit Eigentumsgrundrecht (Art. 14 I GG). S. 60

Sie waren super!!! Danke für s Mitmachen und dem ESWiD für die Organisation der Veranstaltung S. 61