Dr. Klaus Lüdcke Tierschutzbeauftragter des Landes Berlin Bericht über die Tätigkeiten des Tierschutzbeauftragten vom 31. 7. 2008 bis 31. 7. 2009
Tätigkeitsbericht 1 Vorbemerkung Der Tierschutzbeauftragte wurde zum 30. 7. 2007 von der Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, Katrin Lompscher, in das Amt berufen. Die Tätigkeit des Tierschutzbeauftragten ist ehrenamtlich und gemäß der Vereinbarung über die Aufgaben und Stellung des Tierschutzbeauftragten zwischen ihm und der Senatsverwaltung auf zwei Jahre begrenzt. Sie läuft am 31. 7. 2009 aus. Zu den Aufgaben des Tierschutzbeauftragten gehört der jährliche Tätigkeitsbericht, der hiermit für den Zeitraum vom 1. 7. 2008 bis 31. 7. 2009 vorgelegt wird. 2 Geschäftsstelle und Sprechstunden Dem Tierschutzbeauftragten steht eine Geschäftsstelle zur Verfügung, die in der Gesundheitsverwaltung neben den Arbeitsräumen der mit Tierschutz beauftragten Verwaltungsmitarbeiter angesiedelt ist. Die dadurch ermöglichte Zusammenarbeit hat sich im Berichtszeitraum sehr gut bewährt. Die Sprechstunde des Tierschutzbeauftragten findet wöchentlich mittwochs von 10.00 bis 12.00 Uhr statt; sie dehnt sich aber durch die starke Inanspruchnahme und den Besucherverkehr bis in den Nachmittag aus. Darüber hinaus ist die Geschäftsstelle werktäglich von 10.00 bis 17.00 Uhr zu erreichen. Nachdem die frühere Mitarbeiterin in den Ruhestand ausgeschieden war, war sie von August bis Oktober bis zur Neueinstellung von Frau Namyslo nicht besetzt. Während der Sprechstunde und in der Geschäftsstelle, aber auch unter der privaten Telefon- und Faxnummer des Tierschutzbeauftragten und der Mitarbeiterin gingen im Berichtszeitraum über 550 Auskunftsersuchen, Beschwerden und Hinweise auf Verstöße gegen das Tierschutzgesetz in Berlin und im Umland ein. Jede Meldung wurde unverzüglich bearbeitet. Häufig ergaben sich daraus Lokaltermine, die wöchentlich zu drei bis vier Kontakten vor Ort führten. Der Vollzug des Tierschutzes liegt in Berlin und in den umliegenden Landkreisen bei den Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämtern. Bei Hinweisen des Landestierschutzbeauftragten wurde in kollegialer Zusammenarbeit unverzüglich gehandelt. Das führte über Ermahnungen und Anordnungen auch zur Beschlagnahme von Tieren, die dann im Tierheim in Falkenberg untergebracht wurden. Die von den bezirklichen Veterinärund Lebensmittelämtern im Jahr 2008 insgesamt erteilten Genehmigungen und Verfahren sind in der Anlage aufgeführt. 2
3 Tätigkeitsschwerpunkte Die Tätigkeitsschwerpunkte haben sich im zweiten Berichtszeitraum etwas verlagert. Standen zuerst die Wildtiere in der Stadt und Probleme mit Versuchstieren im Vordergrund - sie machten rund 40 % der Anfragen aus, obwohl der Tierschutzbeauftragte dafür nicht zuständig ist - so haben sich Anfragen und Hinweise auf diese Problemkreise nun auf ca. 10 % eingependelt. Das bedeutet nicht ein nachlassendes Interesse, vor allem nicht bezüglich der Wildschweinproblematik. Doch Aufklärung und die Bereitschaft anderer Stellen, darüber mit der Bevölkerung zu sprechen, brachten eine Entlastung. Beschwerden über Angler trafen kaum noch ein. Da der Wunsch besteht, auch im Bericht des Tierschutzbeauftragten Zahlen über Tierversuche zu erfahren, wird in der Anlage die Statistik des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin (LAGeSo) über Tierversuche in Berlin 2006 2008 vorgelegt. 3.1 Berliner Forum Tierschutz und Berliner Tierschutztag Ende 2008 konnte das Berliner Forum Tierschutz gegründet werden als Gesprächsund Informationskreis aller am Tierschutz in Berlin interessierten Organisationen und Vereine. Einbezogen sind auch die Amtstierärzte, die Tierärztekammer Berlin sowie die Tierschutzpolitischen Sprecher der Fraktionen im Abgeordnetenhaus. Auch die Presse wird über die Sitzungstermine informiert. Themen der alle zwei Monate stattfindenden Sitzungen waren u. a. Taubenschläge für Stadttauben, Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzvereine, finanzielle Probleme der Katzenschutzvereine, Zusammenarbeit der Tierschutzvereine mit dem Tierheim und Wildtiere im Zirkus. Am 11. 10. 2008 wurde der 1. Berliner Tierschutztag im Roten Rathaus abgehalten. Eine kleine Ausstellung verschiedener Tierschutzvereine rundete die gut besuchte Veranstaltung ab. Frau Senatorin Lompscher zeichnete während des Tierschutztages Frau Christiane Bernhardt mit dem Berliner Tierschutzpreis und Frau Irene Hoffmann mit einem Ehrenpreis für langjährige Verdienste um die Tiere in unserer Stadt aus. 3.2 Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzvereine Entsprechend dem Naturschutzrecht fordern die Tierschutzorganisationen ein Verbandsklagerecht, das ihnen die Möglichkeit gibt, auch dort für die Tiere einzutreten, wo es keinen privaten Klagegrund gibt. Nach Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz und in die Berliner Verfassung war die Zustimmung des Abgeordnetenhauses von Berlin dazu erwartet worden, nachdem bereits das Land Bremen die Verbandsklage eingeführt hatte. Das Abgeordnetenhaus hat einen entsprechenden Antrag jedoch abgelehnt. 3
3.3 Hundehaltung und Hundeauslaufgebiete Nach wie vor nehmen die Befassung mit der Hundehaltung und das Bemühen um eine größere Zahl von Hundeauslaufgebieten viel Zeit in Anspruch. In Berlin waren im Jahr 2008 108.784 Hunde steuerlich erfasst (2007: 107.355). Probleme mit nicht artgerecht gehaltenen Hunden haben die bezirklichen Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämter unverzüglich gelöst. Das Wissen um Hundehaltung und das Befolgen des Hundegesetzes (Gesetz über das Halten und Führen von Hunden in Berlin) sind verbesserungsbedürftig. Ein Hundeführerschein auf freiwilliger Basis wird deshalb weiterhin angestrebt. Mit der Tierärztekammer Berlin wurde dafür ein kompetenter Ansprechpartner gefunden. Viele Klagen betreffen das Miteinander von Joggern, Spaziergängern, Müttern mit Kinderwagen und älteren Menschen mit Hunden. Wie so oft ist nicht das Tier, der Hund, das Problem, sondern der Mensch am anderen Ende der Leine. Von den 12 Hundeauslaufgebieten in den Berliner Forsten macht vor allem das Auslaufgebiet im Grunewald östlich der Avus rund um die Grunewaldseen viel Ärger. Die Zerstörung von Natur und Seeufer erfordert hohen Erhaltungsaufwand und unerwünschte Zäune im Wald. Weitere Beschwerden betreffen in der Badesaison das Freilaufen und Schwimmen von Hunden an Badestellen für Menschen. Die innerstädtischen Hundeauslaufgebiete (Anlage) haben sich um zwei im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf vermehrt. Die östlichen Bezirke sind noch immer unterversorgt. Mit Bürgerinitiativen zur Einrichtung von Auslaufgebieten oder Hundegärten wird zusammengearbeitet. Von Anwohnern und der Polizei wird der von der Presse nicht geteilte Eindruck bestätigt, dass sich in der Nähe von Auslaufgebieten und Kottütenspendern das Hundekotproblem fast erledigt hat; dort ist die Stadt sauber. In bestimmten verkoteten Kiezen ist die Situation unverändert: Die Nachbarn gucken weg und warten auf Ordnungsamt und Polizei. 3.4 Stadttauben Über Stadttauben wird in Berlin weiterhin gestritten. Da es kein Fütterungsverbot gibt, wird gerade dort gefüttert (Viadukte, Bahnhöfe), wo es am meisten auffällt und Gebäude und Menschen belastet. Gesundheitliche Gefahren gehen von den Tauben nicht aus. An verkehrsreichen Plätzen sind jedoch die Tauben gefährdet. Wie in vielen deutschen Städten wird auch in Berlin die Konzentration der Tauben in Taubenschlägen oder -häusern angestrebt. Hier können die Eier zur Populationsminderung gegen Toneier ausgetauscht und kranke oder verletzte Tauben behandelt werden. Das Füttern an Orten, an denen es unerwünscht ist, entfällt. Trotz intensiver Bemühungen ist die Zahl betreuter Taubenschläge gering. 4
Zur Zeit wird von ca. 50.000 Stadttauben in Berlin ausgegangen. Ungefähr 30.000 davon fallen jährlich als Beute dem flächendeckend in Berlin vertretenen Habicht zum Opfer. Nach NABU-Informationen leiden die Habichte zur Zeit unter Futtermangel. 3.5 Freilebende Katzen Die sogenannten Streunerkatzen werden von vielen ehrenamtlichen Helfern an Futterplätzen betreut und für die Kastration eingefangen. Für ca. 10.000 (Katzenschützer sprechen von 20.000) freilebende Katzen das tägliche Futter aufzubringen, fällt ihnen schwer. Oft muss die Tiertafel mit Futterspenden helfen. Unverständlich ist das gelegentliche Entfernen oder Zerstören von Futterhäusern, da Hausverwaltungen der irrigen Ansicht sind, dass Futterplätze für Katzen Ratten anziehen. 3.6 Tierheim Das Tierheim des Tierschutzvereins Berlin und die dort angesiedelte Tiersammelstelle sind kontinuierlich überbelegt. Trotz finanzieller Probleme werden neue Häuser (Auffangstationen) errichtet. Eine städtische Auffangstation fehlt in Berlin. Wirtschaftliche Gründe führen immer häufiger dazu, dass Tiere abgegeben werden. Ein großes Problem stellt das Tiersammeln (animal hoarding) dar, das schließlich in einer Beschlagnahme der Tiere (Vögel, Affen) und einer Aufnahme im Tierheim endet. Wirtschaftliche Notlagen bei Tierhaltern führten zur Gründung der stark in Anspruch genommenen Tiertafel in Berlin-Treptow. 3.7 Hälterung von Speisefischen und Hummern Nur noch wenige Lebensmittel- und Fischgeschäfte in Berlin bieten lebende Speisefische und Hummer an. Gegen deren Haltung und Schlachtung gibt es immer wieder Proteste aus der Bevölkerung. Moniert werden oft verletzte Tiere. Hier greifen die bezirklichen Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämter unverzüglich ein. Wünschenswert wäre es, wenn diese nicht dem Tierschutzgesetz entsprechende Haltung so schnell wie möglich eingestellt würde. Mit der internationalen Organisation fair-fish wird dabei zusammengearbeitet. 3.8 Wildtiere im Zirkus In Berlin und bundesweit werden von vielen Menschen die Haltung und das Vorführen von Wildtieren in der Manege von Wanderzirkussen beklagt. Die verantwortlichen Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämter müssen mit Zirkusleitlinien und einem Säugetiergutachten arbeiten, die nach Feststellung von Wildtierexperten veraltet sind und nicht dem Stand der Wissenschaft entsprechen. In vielen Ländern und auch in einigen deutschen Städten ist die Haltung von Wildtieren in Zirkussen untersagt. Für Berlin wird deshalb eine Aussage des Abgeordnetenhauses 5
erarbeitet, um Elefanten, Giraffen, Nashörner, Flusspferde, Affen und Bären - aber auch Seelöwen wie im letzten Winter - aus den Zirkussen zu verbannen. 3.9 Kutschpferde Den Tierschutzproblemen mit Kutschpferden vor dem Brandenburger Tor und Unter den Linden wurde mit den Berliner Leitlinien für Kutschpferde abgeholfen. Diese Leitlinien wurden von engagiert arbeitenden Fachleuten in den Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämtern erarbeitet. Sie stellen den aktuellen Wissensstand dar. Ihre Anerkennung bei Fachleuten und in der Fachpresse ist groß. Fazit: Es gibt Kutschpferde in Berlin, aber kein Tierschutzproblem mit ihnen. Nicht nach den Leitlinien arbeitende Fuhrgeschäfte haben sich aus der Stadt entfernt. 3.10 Nutztiere Die in Berlin gehaltenen Nutztiere aus Tierhaltungsbetrieben (612 Pferde, 876 Rinder, 136 Schweine, 323 Schafe, 1197 Hühner, Enten, Gänse und Truthühner) fielen nicht in den Tätigkeitsbereich des Tierschutzbeauftragten. 3.11 Weitere Tierschutzprobleme Die Haltung von Zierfischen und Nagetieren in Zoogeschäften, die Haltung der Stadtbären im Zwinger im Köllnischen Park, Zwingerhaltung und Verhaltensstörungen von Tieren im Zoo und im Tierpark und Tierbörsen führen weiterhin zu Beschwerden und Anregungen beim Tierschutzbeauftragten. Die Zertifizierung von Kinderbauernhöfen ist ein weiteres Ziel. Gemeinsam mit den Tierschutzvereinen, Verwaltungsmitarbeitern und den Teilnehmern des Berliner Forums Tierschutz wird allen Problemen nachgegangen. Eine schnelle Lösung wird angestrebt, ist aber nicht zu erwarten. Eine Ausnahme stellen die Kutschpferde am Brandenburger Tor dar. 3.12 Ausblick Am 10. 10. 2009 findet der 2. Berliner Tierschutztag statt, auf dem auch wieder der Berliner Tierschutzpreis verliehen wird, für den Vorschläge eingereicht werden können. 6
4 Schlussbemerkung Auch diesmal ist festzustellen, dass trotz intensiver Arbeit der Tierschützer viele Probleme noch nicht gelöst sind. An der Unterstützung des Tierschutzbeauftragten durch die für den Tierschutz in Berlin Verantwortlichen und die Tierschutzvereine hat es nicht gefehlt. Ihnen ist für die Unterstützung der Arbeit des Tierschutzbeauftragten als Ombudsmann für den Berliner Tierschutz zu danken. 7