Absatzmarkt Medienkunst II Interview

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Transkript:

netzspannung.org Wissensraum für digitale Kunst und Kultur WIRTHS, Axel Absatzmarkt Medienkunst II Interview Publiziert auf netzspannung.org: http://netzspannung.org/positions/digital-transformations 02. Dezember 2004 Erstveröffentlichung: FLEISCHMANN, Monika; REINHARD, Ulrike (Hrsg.): Digitale Transformationen. Medienkunst als Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Heidelberg: whois verlagsund vertriebsgesellschaft, 2004. The Exploratory Media Lab MARS Media Arts & Research Studies

ABSATZMARKT MEDIENKUNST INTERVIEW MIT AXEL WIRTHS Spricht man mit Künstlern, die Medienkunst Ende der 80er Jahre oder zu Beginn der 90er Jahre erschaffen haben, so dachte damals keiner von ihnen an den Verkauf der Kunstwerke. Warum? Weil schlicht und ergreifend die Kunstwerke oftmals nur mit Großrechnern, die nur sehr Wenigen zur Verfügung standen, zu zeigen waren. So waren diese Kunstwerke nur in Museen oder bei einzelnen Events zu sehen. Wollte man als Kunstliebhaber solch ein Werk erwerben, blieb einem oft nur der Ersatz des Videos. Das hat sich geändert. Mit dem technischen Fortschritt der Endgeräte und durch neue Präsentationstechniken könnte heute die Medienkunst Einzug in die Wohnzimmer der Sammler erlangen. Ulrike Reinhard und Wolfgang Dopp sprachen mit Axel Wirths, 235 Media GmbH, Köln, über den»absatzmarkt Medienkunst«. Herr Wirths, wie ist die Idee zu 235 media entstanden? Wirths: Die Idee entstand aus einer Künstlerselbsthilfe zwischen 1980 und 1982 heraus. In dieser Zeit waren wir noch sehr mit Musik und den damaligen sehr populären Independent Musikaktivisten verbunden. Wir hatten in der Anfangszeit wesentlich mehr Musiktitel in unserem Angebot und zudem ein eigenes Musiklabel. Der eigenständige Vertrieb von Musik, und dem folgend, der künstlerischen Idee an sich, wurde damals eine recht hohe kulturpolitische Bedeutung zugemessen.»hometaping is killing music and it s easy«war nur einer der etwas anarchistisch anmutenden Sprüche, die sich gegen eine monopolistische Vermarktung durch die Musikindustrie wandte. Das dies für alle reproduzierbaren künstlerischen Ausdruckmedien gilt, ist uns sehr schnell bewusst geworden. Was ist für Sie Medienkunst? Wirths: Je weiter sich die Medienkunst entwickelt, desto schwieriger ist es, eine Definition zu geben. Wir sind nun über 20 Jahre mit der Vermittlung und eben auch mit dem Versuch einer Definition beschäftigt und ich erinnere mich an Diskussionen über diese Problematik vor 10 und vor 15 Jahren damals ging es jedoch um den Begriff der Videokunst. Es ist wie mit jeder anderen neuen Kunstform auch: Die Dinge müssen sich entwickeln, um eigenständige Parameter vorweisen zu können, um eine eigenständige ästhetische Ausdrucksform zu entwickeln und, um die immanenten Qualitäten zu erarbeiten. Vergleichen wir die Definition von Videokunst, so haben wir es deshalb bereits wesentlich einfacher: Nehmen wir nur zum Beispiel die audiovisuelle Sprache, die eigenständige Schnittmontage, die synergetische Verbindung zu Musik. Oder man kann es auch anders versuchen: Videokunst ist kein Kino (Film) und auch kein Entertainment und keine Information (Fernsehen). Medienkunst begreife ich daraus gewachsen als einen Baum, der mittlerweile eine fast unübersehbare Verästelung, das heißt Verifizierung, erfahren hat. Die Veränderung der Kategorien der letzen 15 Jahre auf der Ars Electronica in Linz belegt dies eindrucksvoll. Für mich sind in dieser Fülle der Möglichkeiten nach wie vor die poetische Kraft, die neuen Interaktionsmöglichkeiten mit dem Publikum und die cross over Möglichkeiten zu Wissenschaft und den Darstellenden Künsten die interessantesten Ausdruckformen. Gibt es so etwas wie einen Kunstmarkt für Medienkunst? Wirths: Es gab immer eine kleine, neben dem traditionellen Kunstmarkt befindliche Vermarktung, die auf Grund des fehlenden Originals ebenso ihre eigenen Wege ging, wie die eigenständigen Formen der Präsentation und der Produktion. Daraus ist in den 90er Jahren ein recht stabiler kleiner Markt entstanden, der sich vor allem an institutionelle Kunden richtete. Dies waren nicht nur Museen mit Interesse und Know How für Medienkunst, sondern auch Unternehmen, Festivals,

Ausstellungen, Veranstaltungen, Theater, Technikmuseen, etc.. Hinzu gekommen sind Ende der 90er Jahre einige wenige private Sammler, die die Bedeutung dieser neuen Kunstform erkannt haben und sowohl Videobänder, als auch Installationen gekauft haben. Seit dieser Zeit verkaufen wir auch großformatige Installationen, die meistens in einer Auflage von 3 Exemplaren gehandelt werden. Etwas bedenklich finde ich die Tendenz der letzten Jahre, dass einige Galeristen, ähnlich wie in der Fotografie, limitierte Auflagen von Videobändern verkaufen. Dies widerspricht der immanenten Qualität des Mediums und zumindest den bisherigen internationalen Gepflogenheiten. Ich bin gespannt, wie sich die Dinge weiter entwickeln und empfehle das kleine aber äußerst wichtige Büchlein von Walter Benjamin»Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit«. Welche Erfahrungen haben Sie mit ihren Verkäufen gemacht? Was wird verkauft und wer sind die Käufer? Gibt es»den«sammler von Medienkunst? Wirths: Wie bereits erwähnt, gibt es einige private Sammler und ich bin überzeugt davon, dass diese Gruppe wachsen wird. Viele Kunstsammler sind auf der Suche nach einer Nische, in der sich nicht bereits Tausende neben ihnen tummeln. Die Medienkunst bietet die besten Voraussetzungen dafür, kunsthistorisch bedeutende und auch wertbeständige Werke zu erwerben. Jedoch muss man sich in die spezifischen Formen und Probleme der Medienkunst sehr genau einarbeiten und kann eine Sammlung nicht ohne Sachkenntnis und Beratung aufbauen. Wir versuchen dies unseren Käufern in Form einer guten Beratung und vor allem durch technische Kompetenz zu erleichtern. So werden zum Beispiel Videobänder, die bei uns erworben werden im Falle der Beschädigung beim Sammler oder im Museum zu Kopierkosten ersetzt. Ebenfalls bieten wir für Installationen Dokumentationen, umfangreiche technische Beschreibungen und im Notfall die Reparatur an. Die Sammler oder Käufer der Medienkunst, brauchen sie einen Computer oder müssen sie mit Computer umgehen können? Wirths: Diese Frage ist klar zu verneinen. Medienkunst funktioniert wie andere Kunst auch immer dann, wenn es den Interessierten anspricht und nicht erst dann, wenn er die Bedienungsanleitung gelesen hat. Ausnahmen bilden hier vielleicht komplexe interaktive Installationen, die ein Interface in den Mittelpunkt der Rezeption stellen. Zum Beispiel bei den Arbeiten des amerikanischen Künstlers Bill Seaman ist dies jedoch gewollt und durchdacht, da er eine neue Form von audiovisueller Hypertextsprache entwickelte, die man mit entsprechenden Werkzeugen bedient. Dem gegenüber stehen Arbeiten von Studio Azzurro, die schon immer dem Wahlspruch folgten: Ein gutes Interface ist ein Unsichtbares, ein Fliessendes, eines, das von jederman benutzbar ist. Welche Künstler nehmen Sie in Ihr Angebot mit auf? Wirths: Wir haben schon immer eine sehr strenge Auswahl von Künstlern und Arbeiten vorgenommen. Im Bereich der Videokunst arbeiten wir mit mehr als 100 Künstlern zusammen und werden dieses Angebot auch weiter ausbauen und möglicherweise eines Tages in eine öffentliche Stiftung überführen. Im Bereich der Installationen beschränkt sich die Anzahl auf circa 20 Künstler mit denen wir zum Teil schon seit 15 Jahren zusammen arbeiten. Für uns ist es wichtig, dass aus der Arbeit eines Künstlers ein eigener Stil heraus zu lesen ist. Da die audiovisuelle Sprache eines der wichtigsten Themen in der Medienkunst ist, fokussieren wir bewusst auf Künstler, die in diesem Bereich ihre Stärken haben. Doch auch Künstler wie Gary Hill oder Bill Seaman, die die elektronischen Medien und Wahrnehmungsstrukturen untersuchen, sind für uns sehr wichtige Partner. Durch diese Konzentration erfährt auch unsere Außenwirkung ein klareres Profil. Was waren in den letzten 25 Jahren die Meilensteine in der Medienkunst? Wirths: Hierzu kann man mindestens ein ganzes Buch schreiben. Wenn man sich die Arbeit von Künstlern und Vermittlern betrachtet, so sollte man unterscheiden zwischen Produktion, Vermittlung und Rezeption. In dieser Aufteilung sind vor allem die verbesserten und preiswerteren Produktionsmöglichkeiten für Künstler zu nennen. Die Möglichkeit mit einer

digitalen Kamera und entsprechenden preiswerten Computern hochwertige Medienkunst zu realisieren ist so ein Meilenstein, da vor nicht all zu langer Zeit ein vielfacher finanzieller Aufwand für gleiche Arbeitsmittel nötig war. Für die Vermittlung waren es vor allem die 90er Jahre, die Klarheit über das Verwertungsrecht gebracht haben und in denen es wesentlich verbesserte Ausstellungsbedingungen gab. Der Aufbau des ZKM in Karlsruhe, die documenta V und VIII, die kontinuierliche Arbeit der Ars Electronica, sowie die Ausstellungsreihe in der Bundeskunsthalle in Bonn waren sehr wichtige Positionen. Negativ sehe ich jedoch die Entwicklung seit dem Jahr 2000. Hier vor allem die inflationäre Präsentation von audiovisuellen Projekten auf der documenta X und die geringe Qualität von sogenannten Installationen auf vielen Kunstmärkten. Haben Sie ein Problem, ein qualitativ hochwertiges Angebot zusammen zu stellen? Wirths: Da wir so viele und langjährige Verbindungen haben, ist dies zu verneinen. Ich finde es jedoch bezeichnend, wie wenig junge Künstler kontinuierlich an Ihrem Oeuvre arbeiten und beständig ihren Stil ausbauen. Zu viele junge Künstler schaffen ein, zwei gute Arbeiten, um dann in der Versenkung zu verschwinden. Dies macht es sowohl für Vermittler als auch für Käufer und Publikum schwierig, einem Schaffensprozess zu folgen. Wo wird es hingehen im Bereich der Medienkunst? Wirths: Da möchte ich nicht Prophet spielen. Es hat mich aber überrascht wie wenig Einfluss der Bereich der Netzkunst erlangt hat. Wir haben uns bisher bewusst aus diesem Genre weit gehend zurück gehalten, da wir uns auf unsere Kernaufgaben konzentrieren wollten. Ich halte aber das WWW für das größte und kreativste Medium für Kunst überhaupt und sehe hier viele Chancen. Jedoch ist es noch wesentlich schwieriger als bei Videobändern oder Installationen, Werke zu vermitteln oder gar zu vermarkten. Ich nehme nach wie vor unsere Erkenntnisse aus den späten 90er Jahren sehr ernst, in denen klar war, dass sich der Werkbegriff geändert hat und dass die Strukturen nun folgen müssen. Kunstmarkt und Kunstschaffen und die jeweilige gesellschaftliche Bedeutung klaffen jedoch so weit auseinander wie nie zuvor. 235 MEDIA wird sich zukünftig weiter um die Lösungen der Konservierung, Restaurierung und neuen Formen der öffentlichen Zugänglichkeit kümmern und sich zum anderen dem Bereich der Installationen und der Zusammenarbeit mit Theater und Oper widmen. In der Malerei gibt es gewisse Preiskriterien, gibt es das in der Medienkunst auch? Wie liegen die im Vergleich zur Fotografie oder zur klassischen Malerei? Wirths: Es gibt eine recht klare Preisstruktur für Videokunstbänder. Eine einzelne Arbeit kostet zwischen 300.00 und 600.00 Euro und ist nicht limitiert. Hier muss man jedoch beachten, dass wir nicht ein Band, sondern ein Nutzungsrecht verkaufen. Dies beinhaltet im klassischen Fall die öffentliche Präsentation im Hause der Institution oder des Sammlers, jedoch keine Ausleihe oder sonstige Weiterverwertung. Wir haben zudem eine Edition für den privaten Gebrauch publiziert, in der Arbeiten bereits für 60.00 Euro zu erwerben sind. Diese Variante ist jedoch nicht für öffentliche Institutionen erhältlich, also für Museen, was diese manchmal nicht recht begreifen können. Bei medialen Installationen ist die Marktlage ähnlich wie bei klassischen Skulpturen und Installationen. Es gibt meist eine Limitierung auf 3 Exemplare (zuzüglich 1»artist proof«) und der Preis ist abhängig vom Bekanntheitsgrad beziehungsweise dem»marktwert«des Künstlers. Dieser kann bei jungen Künstlern 8.000.00 Euro betragen und kann andererseits auch 80.000.00 Euro und mehr bei etablierten Künstlern erreichen. Eine Besonderheit liegt jedoch in der teilweise getrennt zu berechnenden Technik. So kann zum Beispiel eine Installation mit einem Videoprojektor für 10.000.00 Euro ausgestellt und damit verkauft werden, oder aber mit einem Projektor für 3.000.00 Euro da die Raumverhältnisse andere sind. Gehen Sie auf Kunstmessen? Wirths: Wir haben dies mehrere Jahre auf der Art Frankfurt versucht und haben zwei Sonderausstellungen zur Kunst Köln und zur Art Cologne realisiert. Der Erfolg war recht ernüchternd. Ich bin der Meinung, dass der traditionelle Kunstmarkt immer noch nicht das richtige Zielpublikum ist. Wir werden daher unsere Zusammenarbeit mit Kunstmessen auf die

Präsentation unseres großen Archivs und seiner vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten konzentrieren. Das MedienKunstArchiv bietet sowohl für Publikum, als auch für Institutionen und vor allem für Künstler eine Archivierungsform und damit eine Möglichkeit, das Kulturgut der Videokunst zu sichern, es kunstwissenschaftlich aufzuarbeiten und zu vermitteln. Teilen Sie die Meinung, dass durch die Neuen Medien der Kunstmarkt aufbricht? Wirths: Wenn dem so wäre, dann wäre dies bereits passiert. Es ist wohl eher so, dass sich der traditionelle Kunstmarkt zunehmend in Richtung einer synthetischen Blase bewegt zu vergleichen mit Briefmarkenhändlern oder Numismatikern. Die Versuche, Trends oder gar Bewegungen künstlich hervorzubringen unterstreichen diese Tendenz. Der Kunstmarkt hat seine gesellschaftliche Bedeutung in den letzten 10 Jahren erheblich verloren. Die Bedeutung der Medienkunst hat diese Stelle jedoch nicht ersetzt, sondern hat ebenfalls an gesellschaftlicher Relevanz eingebüsst. Ein Grund dafür mag sein, dass wir die vor 20 Jahren gestellten Forderungen, Utopien und Visionen zu einem erstaunlich hohen Mass erreicht haben. Das Interview führten Wolfgang Dopp und Ulrike Reinhard, Mai 2004. 235 MEDIA beschäftigt sich seit der Gründung im Jahr 1982 mit der Vermittlung von Medienkunst. Wir vertreten als Agentur etwa 100 internationale Medienkünstler mit ihren Video-Arbeiten, interaktiven und computergesteuerten Kunstwerken und Installationen. Neben dieser Vermittlungstätigkeit konzentrieren sich die Aktivitäten von 235 MEDIA auf konzeptionelle und Projekt gebundene Arbeiten, die die Stellung der Medienkünste innerhalb der Gesellschaft und die Verbindung zu anderen Kunstrichtungen zum Thema haben. Hierbei reicht die Bandbreite der Aktivitäten von der Organisation von Ausstellungen und Spezialprogrammen für Festivals und Museen über Vorträge bis hin zu Großprojekten wie dem»electronic Café«auf der documenta IX und der Biennale di Venezia, der Ausstellungsreihe in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn oder der künstlerischen Leitung der Ausstellung»vision.ruhr«in Dortmund. Seit 2001 arbeiten wir intensiv an Fragen der Konservierung, Restaurierung und online Archivierung von Medienkunst; es ist mittlerweile ein umfassendes Archiv mit über 3000 Arbeiten entstanden.

ABBILDUNGEN ABBILDUNG 1: Abramovic / Ulay, AAA, 1978, Videostill, 235 Media,Köln ABBILDUNG 2: Bill Seaman, Inversion, Tanzperformance, 235 Media, Köln

ABBILDUNG 3: Ulrike Rosenbach, Einwicklung mit Julia, 1973, Videostill, 235 Media, Köln ABBILDUNG 4: Gary Hill, Incidence of Catastrophy, 1977/78, Videostill, 235 Media, Köln

ABBILDUNG 5: Studio Azzurro, Tavoli, 1995, Interaktive Installation,Videostill, 235 Media, Köln