ESUG und die Einbeziehung der Anteilsinhaber - contra von Carsten Schäfer, Universität Mannheim Seite 1
A. Einführung: wieso contra? Einbeziehung der Anteilseigner ist als solche gerechtfertigt. Voraussetzungen und Grenzen werden aber noch unzureichend beachtet. Suhrkamp-Verfahren hat elementare Defizite des ESUG erkennen lassen; s. insbes. LG Berlin ZIP 2014, 2197 einerseits, BGH IX ZB 13/14, ZIP 2014, 1442 andererseits. Seite 2
A. Einführung: wieso contra? Programm: Teil C: Materiell-rechtliche Seite der Gesellschafter-Einbeziehung I. Zur richtigen Ermittlung des Anteilswerts II. Unmöglichkeit eines Wertausgleichs III. Gesellschaftsrechtlich (un-)zulässige Maßnahmen Teil D: Rechtsschutz der Anteilsinhaber I. Befund II. Verbesserungsvorschläge Zuvor aber: Seite 3
B. Suhrkamp ein irrelevantes Luxusproblem? Sofern Beteiligung wertlose rechtliche Hülle, ist gegen Einbeziehung in den Plan nichts Prinzipielles einzuwenden (Vorbehalt für Bezugsrecht). Wertlosigkeit muss aber durch zweckadäquate Unternehmensbewertung erwiesen sein. Insbes. keine Enteignung der Differenz zwischen Fortführungs- und Zerschlagungswert (s. C I). Suhrkamp hat Fehlanreize des ESUG überdeutlich gezeigt: strategische Ziele konnten nahezu schrankenlos auf Kosten des Minderheitsgesellschafters durchgesetzt werden. Seite 4
C. Die materiell-rechtliche Seite I. Zur richtigen Ermittlung des Anteilswerts Prämisse: Werthaltige Beteiligungen sind zu schützen. S. 225a Abs. 5, 251 Abs. 3, 253 Abs. 3 InsO; BegrRegE (BT-Drs 17/5712, S. 18, 32): restlicher Vermögenswert darf nicht entzogen werden ; finanzielle Kompensation, sofern die Anteile noch werthaltig ; BGH IX ZB 13/14, ZIP 2014, 1442, Rn 41: Anteilswert bei Fortführung ist nicht mit Null anzusetzen; Von zentraler Bedeutung ist daher zunächst Wertermittlung; insofern kein Sonderrecht im Planverfahren! Im Einzelnen: Seite 5
C. Die materiell-rechtliche Seite Unternehmensbewertung zu Fortführungswerten (unzutr. z.b. Decher/Voland, ZIP 2013, 103, 107). Liquidationswert der Gesellschaft = Fortführungswert des Unternehmens. dabei Sanierungsmaßnahmen im Plan zu berücksichtigen ( Wurzeltheorie ), s. Schäfer/Wüstemann ZIP 2014, 1758. Gläubigervorrang hat mit Bewertung nichts zu tun. Seite 6
C. Die materiell-rechtliche Seite Rechtsträgergebundene Rechte dürfen Gesellschaftern wertmäßig nicht vorenthalten werden (Bsp. Suhrkamp: Backlist ). aa Hölzle ZIP 2014, 1822 f. Ergibt schon einfache Auslegung schlechter gestellt als ohne Plan. Seite 7
C. Die materiell-rechtliche Seite II. Unmöglichkeit eines Wertausgleichs Rechtmäßigkeit gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen zweifelhaft, wenn Wertverlust nicht bezifferbar und deshalb Ausgleich nicht in Betracht kommt. These LG Berlin ZIP 2014, 2197: Immer möglich, weil Anteile ohnehin wertlos, so dass auch völliger Entzug zulässig wäre. Prämisse aber unzutreffend (s. I.). Richtigerweise stößt wertbezogener Ansatz an Grenzen, wo Wertausgleich ausscheidet; Maßnahme ist dann unzulässig (Schäfer ZIP 2015, 1208). Seite 8
C. Die materiell-rechtliche Seite III. Gesellschaftsrechtlich (un-)zulässige Maßnahmen Ansatz: Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen sind grds. zulässig, wenn Anteil völlig wertlos oder Wertverlust bezifferbar ist und ausgeglichen wird. Sonderfall Bezugsrecht: Bezugsrecht überdauert Mitgliedschaft, besteht daher zwingend auch bei Wertlosigkeit ( 228 AktG, BGH ZIP 1999, 1444 Hilgers). Ausschluss daher auch im InsoPlan nur aus sachlichem Grund (grds. nicht bei Barkapitalerhöhungen). Seite 9
D. Rechtsschutz der Anteilsinhaber I. Befund Ernüchternder Befund von Zipperer ZIP 2015, 2002: Keine Beschwerdemöglichkeit gegen rechtswidrige Verfahrenseröffnung; Weitgehende Funktionslosigkeit der Anhörungsrüge; Keine Beachtung gesellschaftsrechtlicher Fragen durch die Inso-Gerichte. ABER: Rechtsschutz materiell-rechtlicher Positionen im Inso- Verfahren muss auch innerhalb desselben gewährleistet sein. Seite 10
D. Rechtsschutz der Anteilsinhaber II. Reformvorschläge 1. Beschwerdebefugnis für Gesellschafter gegen von der Gesellschaft (Mehrheitsgesellschafter!) gestellten Insolvenzantrag (Änderung des 34 Abs. 2 InsO). 2. Klarstellung, dass freiwillige Insolvenzanträge durch Gesellschafter(versammlung) zustimmungsbedürftig sind, nämlich (näher Schäfer FS Müller-Graff, 2015, 241): a. Antrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit mit qualifizierter Mehrheit (Auflösungswirkung; Entmachtung der Gesellschafter durch besonderes Abstimmungsverfahren). Seite 11
Reformvorschläge b. Antrag auf Eigenverwaltung (und Schutzschirmverfahren), weil diese wg. 276a Inso zu erheblichem Kompetenzverlust in Geschäftsführungsfragen führt, und zwar bei Personengesellschaft und GmbH der Gesellschafterversammlung, bei der AG des Aufsichtsrats. Insofern ist jeweils Zustimmung erforderlich (qualifizierte Mehrheit?). c. Darüber hinaus ist erwägenswert, die Zustimmung als Zulässigkeitsvoraussetzung des jeweiligen Antrags (Eröffnung, Eigenverwaltung) auszugestalten. Seite 12
Reformvorschläge 3. Klarstellung, dass Beschwerde nach 253 InsO nicht von einem Minderheitsschutzantrag isv. 251 InsO abhängt (wie BGH v. 17.7.2014 IX ZB 13/14, ZIP 2014, 1442). 4. Klarstellung, dass im Falle einer gesellschaftsrechtlich unzulässigen Maßnahme (s. Nr. 9) regelmäßig zugleich ein besonders schwerer Rechtsverstoß isv. 253 Abs. 4 InsO vorliegt. Anhaltspunkt kann insofern insbes. OLG München ZIP 2014, 472 sein (im Rahmen des 246a AktG). Seite 13
Reformvorschläge 5. Eröffnung eines Rechtsmittels gegen die Freigabeentscheidung um zu einer abschließenden Beurteilung durch ein sachnahes Gericht zu gelangen; ggf. Verlagerung der Entscheidung vom LG auf das OLG (wie bei 246a AktG). 6. Änderung der Formulierung in 253 Abs. 2 Nr. 3 ( glaubhaft macht, dass er durch den Plan wesentlich schlechtergestellt wird, als er ohne einen Plan stünde ) (und korrespondierend 251 Abs. 2 InsO). Der Bezugspunkt ohne Plan ist unklar und wird z.t. dahin verstanden, dass es ausschließlich um einen Vergleich mit dem Regelinsolvenzverfahren geht, woraus wiederum die (angeblich gesetzlich angeordnete) Wertlosigkeit der Gesellschaftsanteile abgeleitet wird (dazu oben C I.). Seite 14
Reformvorschläge 7. Eventuell Streichung des 238a InsO Allgemein umstrittene Regel; Rechtfertigung nicht erkennbar. 8. Ggf. Klarstellung, dass für die Bewertung der Anteile allgemeine Regeln gelten (oben C). 9. Präzisierung des Begriffs der gesellschaftsrechtlich zulässigen Maßnahme in 225a Abs. 2 InsO: a. Vorbehalt zwingender gesellschaftsrechtlicher Schutzinstrumente zum Individual- und Minderheitenschutz (insbes. Treupflicht, Gleichbehandlungsgrundsatz, wichtiger Grund). Seite 15
Reformvorschläge b. Insbes. Unzulässigkeit solcher Maßnahmen, die zur Entwertung aktuell noch werthaltiger Anteile führen, aber mangels Bezifferbarkeit nicht ausgeglichen werden können. c. Klarstellung, dass Bezugsrecht der Alteigentümer auch bei Kapitalschnitt zu Null besteht (vgl. auch 228 Abs. 1 AktG: part. Ausschluss der Sacheinlage). 10. Streichung des überflüssigen (und oft missinterpretierten) 225a Abs. 5 (mit Verweis auf Vermögenslage bei Abwicklung ). Seite 16