Fragen & Antworten Ein Gespräch mit Ewald Woste, Vorsitzender des Vorstands der Thüga Aktiengesellschaft, über ein Jahr kommunale Thüga, die Wettbewerbsfähigkeit der Thüga-Gruppe, die Auswirkungen des Energie- und Klimakonzepts der Bundesregierung und Entwicklungen in 2011. Zu einem Jahr kommunale Thüga Frage: Sie hatten heute Ihre letzte Auftsichtsratssitzung für 2010, wie lautet das Fazit für das erste Jahr unter kommunaler Flagge? Woste: Unsere Anteilseigner sind sehr zufrieden mit dem, was Thüga erreicht hat. Wirtschaftlich stehen wir gut da. Wir haben die uns gesteckten Renditeziele erreicht. Inhaltlich sind wir bei wichtigen Themen wie beispielsweise erneuerbare Energien, Innovationen und Beschaffung einen wichtigen Schritt vorangekommen. Alles in allem haben wir einen guten Start hingelegt und viel Rückenwind von unterschiedlichster Seite bekommen. Dass, das Jahr so gut gelaufen ist, haben wir vielen Akteuren in der Thüga- Gruppe und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Thüga AG zu verdanken. Frage: Wie sieht Ihr persönliches Resümee aus? Woste: Dieses Jahr gehört für mich zu dem bisher spannendsten Jahr mit der größten Lernkurve. Wir haben gezeigt, dass eine kommunale Thüga viel erreichen kann: In 2010 haben wir 250 Millionen Euro investiert, unter anderem in die Neuakquisition der WEMAG. Wir haben eine Vielzahl von Projekten innerhalb der Thüga-Gruppe erfolgreich auf den Weg gebracht, wie zum Beispiel die Zusammenführungen in Chemnitz, Kaiserslautern, Selb- Marktredwitz und Rheinhessen-Pfalz. Diese Entwicklungen sind jedoch nur möglich gewesen, weil wir bei allen Veränderungen unseren Prinzipien treu geblieben sind: Zusammenarbeit auf gleicher Augenhöhe und auf freiwilliger Basis ohne die Wirtschaftlichkeit aus den Augen zu verlieren. Hier macht sich bemerkbar, dass wir eben nicht wie ein Konzern im herkömmlichen Sinne ticken. 1/6
Zur Wettbewerbsfähigkeit der Thüga-Gruppe Frage: Das klingt optimistisch, obwohl sich die Energiewirtschaft doch eigentlich in einem umfassenden Transformationsprozess befindet. Steigender Wettbewerbs- und Kostendruck, Regulierung sowie Klimaziele fordern die Unternehmen zunehmend. Die Luft wird dünner. Was werden Sie tun, um weiterhin am Markt erfolgreich zu sein? Woste: Ich möchte an dieser Stelle nur auf drei von vielen Punkten eingehen, die wichtig sind, um uns auch künftig behaupten zu können: Erstens das gemeinsame Vorgehen im Thüga-Verbund überall dort, wo unsere Partner die Aufgaben nicht alleine bewältigen können. Zweitens müssen wir in der Lage sein, auf Marktentwicklungen zu reagieren oder besser noch aktiv mitzugestalten, indem wir Trends erkennen und entsprechende Produkte und Dienstleistungen entwickeln und anbieten. Und drittens müssen wir unser Erzeugungsgeschäft weiter ausbauen, insbesondere bei den erneuerbaren Energien, um unseren Kunden ökologische Produkte anbieten zu können. Frage: Das hört sich nach viel Arbeit an. Woste: Das ist es auch. Aber ich denke, dass wir jetzt die Weichen für die kommenden Jahre stellen müssen. Frage: Was bedeutet das praktisch für die Thüga-Gruppe? Woste: Wir müssen uns verändern können, flexibel sein. Ich möchte Ihnen hier nur ein kleines Beispiel nennen. In diesem Jahr haben vier Unternehmen der Thüga-Gruppe ihr Billing-Geschäft in eine gemeinsam gegründete Abrechnungsgesellschaft der Visconto - eingebracht. Aus meiner Sicht müssen wir Prozesse und Strukturen untersuchen und wenn nötig, Aufgaben zusammenführen wie bei Visconto geschehen - wo dies zu marktfähigeren Kostenstrukturen führt. Dafür brauchen wir starke Einheiten, die auf bestimmte Marktfunktionen spezialisiert sind wie beispielsweise Smart Meter, IT-Produkte etc. Entscheidend ist, dass wir an allen Ecken und Enden darüber nachdenken, wie wir mit dem zunehmenden Wettbewerbs- und Regulierungsdruck umgehen. Und das bedeutet auch, dass wir unser Verständnis vom Stadtwerk weiter denken und entwickeln müssen. 2/6
Frage: Im Bereich der Energiebeschaffung funktioniert das ja schon ganz gut. Ihr Energiehandelsunternehmen Syneco wollen Sie sogar weiter ausbauen. Woste: Die Syneco bietet den Unternehmen schon seit 1999 Unterstützung beim Strom- und seit 2005 beim Gaseinkauf. In 2009 hat das Unternehmen 5,3 Milliarden Euro Umsatz gemacht. Wir sehen jetzt die Chance, eine zentrale Energiebeschaffungsplattform mit der Syneco als Basis in der Thüga-Gruppe aufzubauen und nach außen zu positionieren. Durch das gemeinsame Vorgehen können wir große Vorteile für die dezentralen Vertriebsportfolios der Partner erzielen. Frage: Eingangs erwähnten Sie, wer wettbewerbsfähig sein will, muss Ideen entwickeln. Bei über neunzig Unternehmen sollte es an Ideen nicht mangeln? Woste: Das ist richtig. Wir brauchen innovative Lösungen für technologische Trends wie Smart Meter, Smart Grids, aber auch, um auf die Änderungen des rechtlichen Rahmens zu antworten. Schlussendlich wird das Energiekonzept der Bundesregierung dazu führen, dass die Erneuerbaren zum Leitenergieträger werden und sich die klassische Gas- und Wärmeversorgung radikal verändern wird. Den Unternehmen werden Absätze wegfallen. Der Wandel, der sich in der Energiewirtschaft vollzieht, bietet eine ganze Menge an Chancen für neue Geschäftsfelder und die gilt es zu ergreifen, dafür werden wir eine Innovationsplattform ins Leben rufen. Frage: Und wie funktioniert die? Woste: Gemeinsam mit den Partnerunternehmen entwickeln wir Ideen. Dabei sind die Unternehmen maßgebliche Impulsgeber, denn sie haben die Nähe zum Kunden und zum Markt. Nach einer Bewertung werden Pilotprojekte aufgesetzt und je nach Ergebnis später im größeren Umfang vermarktet. Durch das gemeinsame Vorgehen haben wir eine Ideenvielfalt- und breite. Gleichzeitig hilft es uns, die Komplexität zu meistern, hohe Entwicklungskosten gemeinsam zu stemmen und damit auch das unternehmerische Risiko zu minimieren. Frage: Hört sich gut an. Gemeinsam wollen Sie auch das Thema erneuerbare Energien angehen. Woste: Genau. Wir glauben, dass unsere Partner aufgrund ihrer lokalen Präsenz eine sehr gute Ausgangsposition haben, wenn es um den Ausbau der dezentralen Energieerzeugung geht. Regional ist das Potential jedoch sehr unterschiedlich und in der Regel nicht 3/6
ausreichend. Daher möchten wir Projekte wie On- und Offshore Windparks gemeinsam schultern. Deswegen wird Thüga zusammen mit den Partnern eine Investitionsgesellschaft für erneuerbare Energien gründen. Ziel der Gesellschaft ist die Bündelung von Know-how und Kapital sowie die Verteilung der Investitionen auf mehrere Projekte, um so einen optimalen Rendite/Risiko-Mix zu erreichen. Frage: Erneuerbare Energien sind im Kommen, aber die stetig steigende Erneuerbare- Energien-Umlage wirkt sich direkt auf die Stromrechnung der Verbraucher aus. Das sorgt für viel Unmut. Wie sehen Sie die Entwicklung? Woste: An den Erneuerbaren führt kein Weg vorbei, wenn wir den Klimawandel stoppen und unsere Lebensräume erhalten wollen. Es gibt einen breiten politischen und gesellschaftlichen Konsens über den Ausbau der Erneuerbaren. Dennoch dürfen wir diesen Konsens nicht überstrapazieren. Angesichts des massiven Zubaus an Erzeugungsanlagen aus regenerativen Energien und einer damit verbundenen weiterhin steigenden EEG-Umlage sind wir zu höchster Effizienz verpflichtet. Meiner Ansicht nach ist es erforderlich, die gegenwärtige Förderung genau unter die Lupe zu nehmen. Bestimmte Erneuerbare werden mehr subventioniert als andere, tragen aber nur einen geringen Anteil zur Erzeugung bei. Ich glaube, dass wir den Förderschwerpunkt auf die marktfähigen erneuerbaren Energien legen müssen. Zum Thema Gas, Kraft-Wärme-Kopplung und Netze aus dem Energie- und Klimakonzept der Bundesregierung Frage: Apropos konventionelle Energien. In der Thüga-Gruppe spielt Erdgas eine zentrale Rolle. Nun scheint gerade dieser Energieträger im Energie- und Klimakonzept der Bundesregierung eine Nebenrolle zu spielen. Woste: An dieser Stelle muss das Konzept unserer Ansicht nach noch überarbeitet werden. Dazu müssen wir der Politik noch deutlicher machen, welche Chancen mit dem Energieträger Erdgas verbunden sind. Das sind aus meiner Sicht die Möglichkeit des einfachen und schnellen Ausbaus der Kraft-Wärme-Kopplung sowie der Regelenergiebereitstellung durch flexible Gaskraftwerke, um die fluktuierende Einspeisung aus Sonne und Wind auszugleichen. Außerdem kann der aus den erneuerbaren Energien gewonnene Strom in Wasserstoff umgewandelt und in das Erdgasnetz gespeichert werden. Und nicht zu vergessen die Potentiale, die sich in Verbindung mit Biogas ergeben. Sie 4/6
sehen, eine Fülle von Punkten spricht dafür, Erdgas auch in Zukunft im Energiemix eine Rolle einzuräumen. Frage: Das gleiche Schicksal wie Erdgas trifft auch die Kraft-Wärme-Kopplung. Hier hagelt es viel Kritik von den Stadtwerken. Woste: Zu recht. Aus meiner Sicht wird hier eine hoch moderne, effiziente und klimafreundliche Technologie ins Abseits manövriert. Außerdem wirken KWK-Anlagen wettbewerbsbelebend, da die dezentralen Anlagen auch von kleineren und mittleren Stadtwerken betrieben werden können, was zu einer steigenden Anbieterzahl auf dem Erzeugermarkt führt. Die Unternehmen der Thüga-Gruppe haben hier eine Vorreiterrolle. Innerhalb des Netzwerks wird zu 75 Prozent Strom aus KWK-Anlagen erzeugt. Sollten sich die Rahmenbedingungen aus dem Energie- und Klimakonzept nicht verbessern, fehlen Investitionsanreize beziehungsweise bereits getätigte Investitionen in diese Technologie sind nicht mehr so rentabel. Frage: Was wollen Sie tun, um sich Gehör zu verschaffen? Woste: Gehör verschafft sich der, der Lösungen bietet und nicht nur kritisiert und fordert. Wir werden unseren Beitrag leisten und unternehmerische Lösungen vorschlagen. Frage: Ein weiteres Thema sind die Netze. Wie lange schaffen die Netze noch, den unstetigen grünen Strom aufzunehmen? Woste: Nach Meinungen von Experten sind wir jetzt schon an der Grenze der Belastbarkeit. Wir brauchen einen raschen Netzausbau und darüber hinaus ein intelligent gesteuertes Netzmanagement und Speichertechnologien zum Beispiel die zuvor genannten Erdgasnetze - damit die regenerative Vielfalt auch genutzt werden kann. Frage: Und wie soll das Ihrer Meinung nach erreicht werden? Woste: Investitionsanreize auf allen Netzebenen sind erforderlich. Durch den Fokus auf die Übertragungsnetze im Energiekonzept kommt unserer Ansicht nach die Verteilnetzebene zu kurz. Gerade der Ausbau der Photovoltaik zieht einen Ausbau der Nieder- und Mittelspannungsnetze nach sich. Hier brauchen wir Investitionen. Mit der gegenwärtigen Anreizregulierung fehlen geeignete Rahmenbedingungen, denn Investitionen werden nicht ausreichend anerkannt. Die Anerkennung selber findet darüber hinaus mit einem zeitlichen Verzug statt, der Netzbetreiber geht sozusagen in Vorlage. Und letztendlich 5/6
sind die Genehmigungsverfahren nach wie vor noch zu lang, um mit der rasanten Entwicklung der Erneuerbaren Schritt zu halten. Zu Entwicklungen in 2011 Frage: Was dürfen wir im kommenden Jahr von der Thüga erwarten? Woste: Es bleibt spannend, soviel kann ich Ihnen schon mal versprechen. Wir wollen weiter wachsen, die Erzeugung in erneuerbare Energien ausbauen und die einzelnen Unternehmen durch die Zusammenarbeit zum Beispiel im Bereich Beschaffung und Innovationen stärken. In Summe möchten wir die Position unserer über 90 Partnerunternehmen festigen und ausbauen, um damit einen Mehrwert für die 450 Städte und Gemeinden mit ihren über acht Millionen Menschen zu schaffen. Stand Dezember 2010 6/6