Die Vertragserfüllung



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Transkript:

Fach: Thema: Wirtschaft und Recht Vertragserfüllung Die Vertragserfüllung Ist ein Vertrag gültig zustande gekommen, gilt es nun, ihn zu erfüllen. Erfüllen bedeutet die korrekte Erbringung der Leistung und der Gegenleistung. Aber wann sind die Leistungen korrekt erfüllt? Da in der Schweiz eine weitgehende Vertragsfreiheit gilt, können die Vertragspartner nahezu frei darüber entscheiden, wie ihre Vereinbarungen erfüllt werden sollen. Allerdings steckt wie üblich der Teufel im Detail. Es reicht nicht, bloss das Fahrrad und die 2000 Franken Gegenleistung im Vertrag zu nennen. Es stellen sich noch weitere Fragen, wie z.b. den Ort und den Zeitpunkt der Vertragserfüllung usw. kurz die Erfüllungsmodalitäten. Damit im Streitfalle maximale Rechtssicherheit herrscht, hilft das Gesetz mit dispositiven Normen (OR 68 96) aus, sollte die Vertragsparteien gewisse Details vergessen haben. Als Orientierung bezüglich den Erfüllungsmodalitäten dienen die W-Fragen: Wer muss leisten? Wem muss die Leistung erbracht werden? Was genau muss geleistet werden? Wann muss die Leistung erbracht werden? Wo muss die Leistung erbracht werden? Wer muss leisten? OR Art. 68: Der Schuldner ist nur dann verpflichtet, persönlich zu erfüllen, wenn es bei der Leistung auf seine Persönlichkeit ankommt. Die Frage klingt auf den ersten Blick etwas abstrus. Wer muss leisten? Natürlich der Schuldner! Nun ist es im Alltag vielfach so, dass jemand eine Leistung verspricht und diese durch jemand anderes erfüllen lässt. Laut OR 68 ist der Schuldner nur dann zur persönlichen Leistung verpflichtet, wenn es dabei auf seine Persönlichkeit darauf ankommt. Für gewöhnlich kommt es gerade bei Sachleistungen (z.b. Verkauf von by Dr. Martin Fröhlich

Autos, Fahrräder usw.) nicht auf die Persönlichkeit des Schuldners an. Bei Dienstleistungen hingegen kann es sehr wohl auf die Persönlichkeit ankommen. Beispiel : Laura vereinbart mit ihrem Zahnarzt einen Termin, um ihre Zähne von Zahnstein zu befreien und neu zu polieren. An diesem vereinbarten Tag putzt aber die Gehilfin der Laura die Zähne. Das kann der Laura egal sein. Anders sieht es auf, wenn die persönliche Leistung vereinbart wurde. Beispiel 2: Laura muss sich einer komplizierten Operation unterziehen. Die vereinbart mit einem Privatspital einen Termin. Vereinbart wird auch, dass der Chefarzt Rolf Superman persönlich die Operation durchführt. Lässt Superman einen Assistenten die Operation durchführen, hat er seine vereinbarte Leistung nicht korrekt erfüllt. Von Gesetzes wegen kann die persönliche Leistung verlangt sein. Beispiel 3: Die persönliche Leistungspflicht wird gerade von Arbeitnehmer verlangt. OR 32 verlangt grundsätzliche persönliche Leistung. Wem muss geleistet werden? Im Gesetz steht nichts Konkretes dazu. Es versteht sich jedoch von selbst, dass Schuldner dem Gläubiger persönlich oder seinem Vertreter zu leisten hat. Der Schuldner kann allerdings vertraglich oder auf richterliche Anweisung hin verpflichtet werden, einem Dritten zu leisten. Ein geschiedener Mann zahlt die gerichtlich festgelegten Unterhaltsbeiträge an seine ehemalige Frau nicht. Der Richter kann den Arbeitgeber des Mannes dazu verpflichten, einen Teil des geschuldeten Lohnes direkt an die Frau auszuzahlen (ZGB 32). Was genau muss geleistet werden? Das Gesetz kennt als Leistung die Dienstleistung, die Sachleistung und die Geldleistung. WAS SIND DIENSTLEISTUNGEN? Hier werden körperliche oder geistige Fähigkeiten eingesetzt, um ein gefordertes Resultat zu erzielen. Der Fahrlehrer lehrt einem das Fahren. WAS SIND SACHLEISTUNGEN? Hier übergibt jemand einem anderen eine Sache. Entweder übergibt er die Sache zu Eigentum (z.b. Kaufvertrag) über überlässt es zum Gebrauch (z.b. Mietvertrag). Wichtig: Die Sachleistung wird wiederum in Gattungssachen und Speziessachen eingeteilt. Diese Einteilung in Gattungsschuld und Speziesschuld ist sehr wichtig, da das Gesetz unterschiedliche Bestimmungen für die jeweilige Art vorsieht. Seite2

WAS SIND SPEZIESSACHEN? Hier besteht die Leistung in einem ganz bestimmten Gegenstand. Es ist genau dieser Gegenstand und nicht ein anderer, der geleistet werden muss. Schreiner Hans-Peter Haudrauf soll für Laura einen Schrank mit Flügeltüren in hellblau mit roten Herzchen anfertigen. Dieser Schrank ist klar von anderen Schränken zu unterscheiden er ist individuell. Gleiches gilt für ein Occasion-Fahrzeug. Auch dieses kann klar von seinesgleichen unterschieden werden. WAS SIND GATTUNGSSACHEN? Der geschuldete Gegenstand ist der Art, der Menge und der Qualität nach bestimmt. OR Art. 7: Ist die geschuldete Sache nur der Gattung nach bestimmt, so steht dem Schuldner die Auswahl zu, insofern sich aus dem Rechtsverhältnis nicht etwas anderes ergibt. 2 Er darf jedoch nicht eine Sache unter mittlerer Qualität anbieten. Wenn Laura ein Fahrrad ab Stange kauft, stellt dieses Fahrrad eine Gattungssache dar. Von dieser Sorte Drahteseln werden tausende produziert. Der Fahrradhändler darf gemäss OR 7 I (er ist hier der Schuldner der Sache) das zu liefernde Fahrrad aussuchen, wobei das ausgesuchte Fahrrad bezüglich Qualität innerhalb der vertraglichen Umschreibung sein muss. OR 7 II spricht dabei von mittlerer Qualität. Was bedeutet nun genau mittlere Qualität? Beispiel Um diese Bestimmung zu erläutern, lassen wir Laura bei einem Bauern ein Kilogramm Äpfel bestellen. Der Bauer darf gemässt OR 7 I die Äpfel aussuchen. Laut OR 7 II muss er ihr zwar nicht die allerschönsten liefern, darf ihr aber auch nicht die schlechtesten geben. Die minimale Qualitätsanforderung liegt in der Mitte. Achtung! Ein Neuwagen z.b. ist im Prinzip ein Auto unter vielen anderen also eine Gattungssache. Doch durch Vereinbarung kann es zu einer Speziessache werden. Laura will einen Opel Zafira kaufen. Ihr gefällt gerade das Ausstellungsstück. Genau dieses will sie erwerben. Damit wird ein Neuwagen zur Speziessache. Seite3

Eine kleine Übung: Welche der folgenden Sachleistungen sind eine Speziesschuld, welche eine Gattungsschuld? MUSS DER GLÄUBIGER TEILLEISTUNGEN DES SCHULDNERS ANNEHMEN? Grundsätzlich muss der Empfänger eine Teilleistungen nicht akzeptieren (OR 69 I). Der Schuldner ist folglich nicht berechtigt, seine Leistung in Raten zu erbringen. Etwas anderes gilt nur, wenn dies vertraglich vereinbart ist oder wenn der Gläubiger es akzeptiert. Diese Regel bezieht sich nicht nur auf Geldzahlungen, wie man beim Durchlesen von OR 69 vielleicht meinen könnte, sondern sie gilt für Leistungen jeder Art. OR 69: Der Gläubiger braucht eine Teilzahlung nicht anzunehmen, wenn die gesamte Schuld feststeht und fällig ist. 2 Will der Gläubiger eine Teilzahlung annehmen, so kann der Schuldner die Zahlung des von ihm anerkannten Teiles der Schuld nicht verweigern. Seite4

BESONDERHEITEN BEI GELDSCHULDEN OR 84: Geldschulden sind in gesetzlichen Zahlungsmitteln der geschuldeten Währung zu bezahlen. 2 Lautet die Schuld auf eine Währung, die am Zahlungsort nicht Landeswährung ist, so kann die geschuldete Summe nach ihrem Wert zur Verfallszeit dennoch in Landeswährung bezahlt werden, sofern nicht durch den Gebrauch des Wortes effektiv oder eines ähnlichen Zusatzes die wortgetreue Erfüllung des Vertrages ausbedungen ist. Nach OR 84 I sind Geldschulden, die in der Schweiz bezahlt werden müssen, in Schweizer Franken zu bezahlen. Mit gesetzlichen Zahlungsmitteln (OR 84 I) sind gemäss dem Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel (WZG) Münzen und Noten gemeint. Es gilt daher grundsätzlich die Pflicht zur Barzahlung. Lautet der Betrag auf eine ausländische Währung, kann der Schuldner wählen, ob er umgerechnet in Schweizer Franken oder in der ausländischen Währung bezahlen will (OR 84 II) es sei denn, sie haben vertraglich eine effektive Zahlung in Fremdwährung vereinbart (Effektivklausel). Der Gläubiger darf jedoch auch andere Zahlungsarten erlauben. Gemäss der Rechtsprechung gilt der Vermerk einer Bankverbindung auf des Gläubigers Rechnung oder Briefpapier bereits als stillschweigendes Einverständnis zur bargeldlosen Begleichung der Schuld. Werden im Übrigen Zinsen vereinbart, ohne den Zinssatz vertraglich zu bestimmen, dann beträgt der Zins 5% (OR 73). Wann muss die Leistung erbracht werden? DIE REIHENFOLGE DER LEISTUNG Ohne besondere Vereinbarungen gilt grundsätzlich bezüglich der Erfüllungsreihenfolge die Zug-Um-Zug - Regel von OR 82 (zweiseitige Verträge: Kauf, Tausch, Miete, Arbeitsvertrag, Werkvertrag usw.). Beide Parteien müssen gleichzeitig erfüllen. Wer also die andere Partei zur Leistung auffordert, soll selber bereits geleistet haben oder die eigene Leistung anbieten. Gemäss dem Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel (WZG) gilt: Art. 2 Gesetzliche Zahlungsmittel Als gesetzliche Zahlungsmittel gelten: a. Die vom Bund ausgegebenen Münzen b. Die von der Schweizerischen Nationalbank ausgegebenen Banknoten c. Auf Franken lautende Sichtguthaben bei der Schweizerischen Nationalbank Art. 3 Annahmepflicht Jede Person ist gehalten, bis zu 00 schweizerische Umlaufmünzen an Zahlung zu nehmen. Umlauf-, Gedenk- und Anlagemünzen werden von der Schweizerischen Nationalbank und den öffentlichen Kassen des Bundes unbeschränkt zum Nennwert angenommen. 2 Schweizerische Banknoten müssen von jeder Person unbeschränkt an Zahlung genommen werden. 3 Auf Franken lautende Sichtguthaben bei der Schweizerischen Nationalbank müssen von jeder Person, die dort über ein Konto verfügt, unbeschränkt an Zahlung genommen werden. Seite5

Laura wählt im Nicht verzagen Susi fragen -Laden einen Jupe aus. Die Verkäuferin Susanne nimmt den Jupe und legt ihn ein einen Sack. Wir haben übereinstimmende Willensäusserungen der Kaufvertrag ist somit zustande gekommen. Über die Reihenfolge der Erfüllung haben die beiden Damen aber nichts abgemacht. So gilt, dass die Verkäuferin CHF 600.- verlangen darf und gleichzeitig den Sack mit Jupe der Laura aushändigt eben Zug-um- Zug nach OR 82. Meist jedoch werden die Parteien eine zeitliche Reihenfolge vereinbaren. Damit können sie die dispositive Regel von OR 82 aushebeln. Laura wählt im Nicht verzagen Susi fragen -Laden einen Jupe aus. Sie fragt die Verkäuferin Susanne, ob sie den Jupe mitnehmen und die CHF 600.- auch später bezahlen könne. Susanne ist einverstanden und legt den Jupe in einen Sack zu mitnehmen. Damit wird die Regel von OR 82 aufgehoben. DER ERFÜLLUNGSZEITPUNKT Die Reihenfolge der Erfüllung sagt noch nichts aus über den Zeitpunkt, an dem die Leistungen erbracht werden müssen. Das Obligationenrecht sieht dabei mehrere Möglichkeiten vor: Mahngeschäft Ist für eine Leistung kein Erfüllungszeitpunkt vereinbart worden, dann liegt gemäss OR 75 ein so genanntes Mahngeschäft vor. Der Gläubiger kann sofort nach Vertragsabschluss die Leistung verlangen. Der Schuldner muss also leisten, sobald der Gläubiger in auffordert, weshalb es auch Mahngeschäft heisst. Laura wählt im Nicht verzagen Susi fragen -Laden einen Jupe aus. Sie fragt die Verkäuferin Susanne, ob sie den Jupe mitnehmen und die CHF 600.- auch später bezahlen könne. Susanne ist einverstanden und legt den Jupe in einen Sack zu mitnehmen. Susanne hat ihre Schuld erfüllt. Da nichts über den Zeitpunkt der Zahlung vereinbart wurde, muss Susanne die Leistung von Laura ausdrücklich fordern z.b. indem sie eine Rechnung schickt. Es handelt sich somit um ein Mahngeschäft. Verfalltagsgeschäft Haben die Vertragspartner den Erfüllungszeitpunkt einer Leistung vereinbart, dann handelt es sich um ein so genanntes Verfalltagsgeschäft. Eine Aufforderung des Gläubigers ist nicht nötig. Der Schuldner hat bis spätestens zum vereinbarten Zeitpunkt zu leisten. Die Frist gilt als eingehalten, wenn der Gläubiger spätestens am vereinbarten Zeitpunkt die Leistung erhalten hat. Das Absenden am letzten Tag reicht somit nicht (OR 77 III). Ist der letzte Tag der Frist ein Samstag, ein Sonntag oder ein Feiertag, Seite6

wird die Frist bis zum nächsten Werktag verlängert (OR 78 I). Zudem hat die Leistung am festgesetzten Tag zu gewöhnlichen Bürozeiten zu erfolgen (OR 79). Laura wählt im Nicht verzagen Susi fragen -Laden einen Jupe aus. Sie fragt die Verkäuferin Susanne, ob sie den Jupe mitnehmen und die CHF 600.- auch später bezahlen könne. Susanne ist einverstanden, will aber, dass die Zahlung bis Ende Monat erfolge und legt den Jupe in einen Sack zu mitnehmen. Damit ist der Zahlungstermin definiert. Es bedarf nun keiner Aufforderung seitens Susanne mehr. Lauras Zahlung muss bis Ende Monat bei Nicht verzagen Susi fragen eingetroffen sein. Um ein Verfalltagsgeschäft handelt es sich auch, wenn der Zeitpunkt der Erfüllung nur indirekt umschrieben ist wie z.b. mit den Worten Lieferung bis Anfang Monat oder Zahlung innert 30 Tagen. In OR 76 79 finden sich genaue Bestimmungen, wie solche Formulierungen zu verstehen sind. Fixgeschäft: Fixgeschäfte sind eine besondere Art eines Verfalltagsgeschäft. Hier vereinbaren die beiden Parteien ausdrücklich oder stillschweigend, dass eine bestimmte Leistung nun zu einem ganz bestimmt Zeitpunkt oder zu einer bestimmten Zeit erbracht werden kann. Die Mutter von Laura vereinbart mit der Band DJ Chlaus und die Sonntagsspatzen, dass sie zu Lauras Geburtstag am 4. April 204 um 8:00 Uhr auftreten. Wo muss die Leistung erbracht werden? Haben die Vertragspartner nichts vereinbart und ergibt sich auch nichts aus den Umständen (OR 74 I), dann kommt OR 74 zum Zug (OR 74 II). Aus der Art der Leistung, also ob Gattungssache, Speziessache oder Geld, hält OR 74 unterschiedliche Regelungen bereit. OR 74 II Zif. : Geldschulden sind an dem Orte zu zahlen, wo der Gläubiger zur Zeit der Erfüllung seinen Wohnsitz hat. Geldschulden sind somit Bringschulden. Die Leistung gilt erst als erfüllt, wenn er die Geldschuld am Wohnsitz des Gläubigers getilgt hat. OR 74 II Zif. 2: Wird eine bestimmte Sache geschuldet, so ist diese da zu übergeben, wo sie sich zur Zeit des Vertragsabschlusses befand. Seite7

OR 74 II Zif. 2 gilt für Speziesschulden. Laura kauft sich bei Köbi ein Occasion-Motorrad. Das Motorrad befindet sich in der Garage von Köbi. Da sie sonst nichts vereinbart haben, muss Laura das Motorrad dort abholen, wo es sich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses befunden hat nämlich in der Garage von Köbi. Speziesschuld ist eine Holschuld. OR 74 II Zif. 3: Andere Verbindlichkeiten sind an dem Orte zu erfüllen, wo der Schuldner zur Zeit ihrer Entstehung seinen Wohnsitz hatte. OR 74 II Zif. 3 gilt für Gattungsschulden. Laura bestellt einen neuen Audi A6 bei ihrem Audihändler. Wenn nichts anderes vereinbart wurde, gilt laut OR 74 II Zif. 3, dass Laura den Audi beim Händler abholen muss. Der Erfüllungsort ist der Ort des Schuldners, also beim Autohändler. * ACHTUNG! Bei einem zweiseitigen Vertrag sind beide Parteien gleichzeitig Gläubiger und Schuldner. Sachleistung Max ist Schuldner Moritz ist Gläubiger M o t Max o Moritz Geldleistung r Max ist Gläubiger Moritz ist Schuldner a Der Gläubiger in OR 74 II Zif. t ist derselbe wie der Schuldner in OR 74 II Zif. 3! Handelt es sich bei der Sachleistung um eine Gattungsschuld, so wäre in diesem Beispiel Max sowohl der Gläubiger nach OR 74 II Zif. als auch der Schuldner nach OR 74 II Zif. 3. OR 74 II Zif. : Geldschulden sind an dem Orte zu zahlen, wo der Gläubiger zur Zeit der Erfüllung seinen Wohnsitz hat. In beiden wäre Max gemeint. OR 74 II Zif. 3: Andere Verbindlichkeiten sind an dem Orte zu erfüllen, wo der Schuldner zur Zeit ihrer Entstehung seinen Wohnsitz hatte. Seite8