Energie-Marktdesign: Anmerkungen zum EU- Konsultationsdokument vom 15.7.2015 Wien, 17. September 2015 Prof. Dr. Felix Höffler Lehrstuhl für Wirtschaftliche Staatswissenschaften Universität zu Köln Direktor, Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln 1
Agenda 1. Einordnung: Warum wir über was sprechen (sollten) 2. Zur Marktintegration von Wind- und PV-Erzeugung 3. Fortschritte und offene Probleme 2
Strom- statt Energiemarkt-Design Titel des EU-Dokuments: Launching the public consultation process on a new energy market design Inhalt: A vision for the transition of the electricity system + - Grundsätzlich OK es gibt genügend Aspekte des Strommarkts, die ein sorgfältiges Nachdenken über Design (Institutionen, Regeln, Regulierung) erfordern technische Aspekte natürliches Monopol der Netze Misslich, weil das Externalitäten-Problem (CO 2 ) nicht sinnvoll adressiert wird 3
Das größte Problem ist aber vermutlich das Externalitäten-Problem (Klimawandel). Umbau des Stromsystems sollte getrieben sein von dem Bestreben, einen sinnvollen Klimabeitrag in Europa zu leisten. Versorgungssicherheit und Kosteneffizienz als Nebenbedingungen. Antwort darauf ist wohlbekannt: Wir brauchen einen einheitlichen, bindenden Preis für CO 2 Das minimiert die Vermeidungskosten. Aber wir setzen sie nicht um: Erneuerbaren Ziele als Selbstzweck Unsicherheit über CO 2 - Preissystem und höhe. 4
Die Lösung des wichtigsten Energie(!)Markt-Design Problems ist dabei einfach und löst viele andere Probleme Verlässlicher, hinreichend hoher CO 2 -Preis in Europa Integration aller Emittenten Implementiert über EU-ETS (oder einfacher: Steuer) Keine zusätzliche EE-Förderung Kein Problem der Harmonisierung von nationalen EE- Förderregimen, grenzüberschreitender Teilnahme etc. (Fast) Keine Probleme der Marktintegration der EE 5
Agenda 1. Einordnung: Warum wir über was sprechen (sollten) 2. Zur Marktintegration von Wind- und PV-Erzeugung 3. Fortschritte und offene Probleme 6
Probleme der Marktintegration liegen in der Organisation des Dispatch. Herausforderung: Dispatch Kernproblem: Wetterabhängigkeit verursacht Unsicherheit Bei bevorzugter Einspeisung: Negative Preise, Indikator für ineffizient hohe Systemkosten Integration in Markt würde Balancing Cost implizieren Antwort 1: kürzere Gate Closure Fristen Antwort 2: Größere (EE) Portfolios Antwort 2a: Zentrale Vermarktung durch TSO 7
Auch bei zentraler Vermarktung durch TSO blieben Vorteile der Marktintegration erhalten. Nutzen: Invest Vorteil der Marktintegration: nicht im Dispatch, sondern in Investitionsentscheidung Investitionen getrieben vom wahren Wert des EE-Stroms Richtige Standortentscheidung Beispiel: Marktwert von Windstrom an ausgewählten Standorten in Deutschland 1) 1) C. Elberg, S. Hagspiel (2015): Spatial dependencies of wind power and interrelations with spot price dynamics, European Journal of Operational Research 241(1), 260-272. 8
Agenda 1. Einordnung: Warum wir über was sprechen (sollten) 2. Zur Marktintegration von Wind- und PV-Erzeugung 3. Fortschritte und offene Probleme 9
Was der CO 2 -Preis alleine nicht löst. Offene Probleme Probleme beim grenzüberschreitenden Stromhandel Preissignale für langfristige Investitionen Anreize für Leitungsbau Nachfrageflexibilisierung und integration 10
Es gibt viele Fortschritte bei der grenzüberschreitenden Koordinierung 2006 Trilateral Market Coupling 2007 MIBEL Coupling 2009 Czech Republic and Slovakia 2010 CWE Market Coupling 2011 Italy and Slovenia Coupling 2012 3 South East European Coupling 2014 SWE and NWE Coupling 11 11
Auf den ersten Blick scheinen Strompreise nach dem Market Coupling nicht nachhaltig zu konvergieren. Median der Strompreise D und F Electricity Price [EUR/MWh] 90 80 70 60 50 40 30 20 10 Strompreis DE [EUR/MWh] Strompreis FR [EUR/MWh] Preise gesunken Medianwerte divergieren Varianz gestiegen 0 DE FR DE FR DE FR DE FR DE FR DE FR 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Quelle: Master-Arbeit, Jan Christopher Egidi, Universität zu Köln.
Die genauere Analyse zeigt: Market Coupling funktioniert deutsche EE treibt die Preisdivergenz. Ansatz: Erklärung der Preisdiff. D F (log., Kalman Filter) Erklärende Variable: u.a. Einführung MC (Dummy), EE Effekt dt. Wind und PV Einspeisung Effekt Market Coupling Base Peak Off-Peak Base Peak Off-Peak EPEXDE- EPEXFR 0.0015*** 0.0009*** 0.0015*** 0.0012*** 0.0019*** -0.0236*** Wind PV EPEXDE- EPEXFR -0.0626*** -0.0578*** -0.0702*** EPEXDE- APX 0.0005*** 0.0042*** 0.0002*** 0.0028*** 0.0007*** 0.0041*** EPEXDE- APX -0.0576** -0.0695*** -0.0633** EPEXDE- Belpex 0.0009*** 0.0016*** 0.0006*** 0.0018*** 0.0018*** -0.0412*** EPEXDE- Belpex -0.0529* -0.0677** -0.0627*** EPEXFR- APX 0.0005*** 0.0029*** 0.0002*** 0.0014*** 0.0008*** 0.0063*** EPEXFR- APX -0.0478*** -0.0387** -0.0668*** EPEXFR- Belpex -0.0006*** 0.0014** -0.0004** 0.0005** -0.0010*** 0.0102** EPEXFR- Belpex -0.0453-0.0368-0.0616 sign. positiver Effekt von EE auf Preisdifferenzen Quelle: Master-Arbeit, Jan Christopher Egidi, Universität zu Köln. sign. negativer Effekt von Market Coupling auf Preisdifferenzen ***,**,* zeigt 1%, 5% und 10% Signifikanzniveau an. 13
Was bringt flow-based Market Coupling? Ausnutzung günstiger Datenlage Ansatz: Vergleich der Preisdifferenzen im parallel run Caveat: berücksichtigt keine Verhaltensanpassungen (relevant?) Quelle: Master-Arbeit, Kerstin Pienisch, Universität zu Köln.
Flowed-based Market Coupling scheint Übertragungskapazität nochmals besser auszunutzen. Preisdifferenzen ( /MWh) Unterschied der Preisdifferenzen ist statistisch signifikant und ist auch von ökonomisch relevanter Größenordnung Quelle: Master-Arbeit, Kerstin Pienisch, Universität zu Köln.
Flowed-based Market Coupling scheint Übertragungskapazität nochmals besser auszunutzen. Diff. der log. Preise (Kalman gefiltert) Ökonometrische Analyse 1 2 3 3 3 Phase zu unterscheiden Flow-based nutzt Kapazitäten besser kleinere Fragen bleiben Quelle: Master-Arbeit, Kerstin Pienisch, Universität zu Köln.
aber es gibt noch weiteres Verbesserungspotenzial Integrationspotenziale Balancing grenzüberschreitender Redispatch 17
Falsche räumliche Zuschnitte führen zu Ineffizienzen: Beispiel Starkwind in Norddeutschland (1). Situation: Zielszenario, Startnetz, Winter 2022, Werktag, Starkwind, 6 Uhr morgens Überlastet nach Dispatch Nicht überlastet nach Dispatch EWI, Trendstudie Strom 2022, Köln 2013. 18
Falsche räumliche Zuschnitte führen zu Ineffizienzen: Beispiel Starkwind in Norddeutschland (2). Unterdeckung In der dargestellten Stunde zeigt sich die Unterdeckung im Südwesten. Grund: einheitliche Preiszone mit Österreich In effizienter Lösung würden mehr österreichische Kraftwerke produzieren Wg. des (künstlich) einheitlich niedrigen Preises sind diese aber out of merit. Mögliche Lösungen: Grenzüberschreitender Redispatch Market splitting (für diese Stunde) 19
Die Preiszonendiskussionen zeigt die Bedeutung von Verteilungseffekten gegenüber Effizienzerwägungen. 20
Sicherung von verlässlichen Investitionssignalen über kurzfrist (peak) Preise über langfristige Preise Marktmacht in Knappheitssituationen langfr. Verträge in Vergangenheit kartellrechtlich kritisch wenig institutionelle Hindernisse erkennbar, die solche Verträge verhindern 21
Was es mit scarcity prices auf sich hat, ist in der Politik noch nicht durchgängig gut verstanden. Deutsche Weißbuch 1) Somit können auch hohe Preisspitzen auftreten und die Investitionsanreize der Marktmechanismen vollständig wirken. Zusätzlich schafft das Bundeskartellamt mehr Transparenz über die kartellrechtliche Missbrauchsaussicht [sic!] in der Stromerzeugung. Unternehmen erhalten Klarheit darüber, wann sie am Großhandelsmarkt zu Preisen oberhalb ihrer Grenzkosten bieten dürfen (so genanntes Mark-up). Scarcity Prices Scarcity Prices erhalten alle Ein fiktives Rechenbeispiel: Stunde 19, 17.12.2014, kein Wind, Scarcity price 1.000 (10.000 )/MWh RWE setzt seine verfügbaren, konventionellen Kraftwerke ein Deckungsbeitrag dieser Stunde = 24,3 Mio. (244 Mio ) Entspricht 1,7% (17%) des Jahresbetriebsergebnisses RWE Strom Kontinentaleuropa 2013 1) Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2015): Ein Strommarkt für die Energiewende. Ergebnispapier des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (Weißbuch), S. 52. 2) Kostenannahmen (var. Kosten /MWh): KKW 25, Braunkohle 35, Steinkohle 45, Gas 70, Sonstige 100. 22
Weitere Themen zur Diskussion: EE-Auktionen Netzausbau: gut, aber das Konsultationsdokument berücksichtigt zu wenig, dass es nicht effizient ist, alle Congestion zu beseitigen Netze sind teuer (teuerer als Ingenieure es typischerweise rechnen ) man muss über Anreizregulierung nachdenken, die effizienten (!) Netzausbau fördert, nicht maximalen Nachfrageflexibilisierung: gut, aber ist typischerweise mit Fixkosten verbunden es mag gute Gründe geben, dass Nachfrage häufig inflexibel bleibt Rolle, Verantwortung, und Kooperation zwischen Regulierern Netzregulierung Marktdesign? Energiepolitik? 23
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 24