Numerische 3D-Modellierung eines geohydrothermalen Dublettenbetriebs



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Transkript:

Numerische 3D-Modellierung eines geohydrothermalen Dublettenbetriebs im Malmkarst Dr. F. Wenderoth 1, Dr. T. Fritzer 2, Dipl. Geophys. M. Gropius 1, Dr. B. Huber 3, Dr. A. Schubert 4 1 Einleitung Die Wärme- und Stromgewinnung aus geohydrothermalen Ressourcen tief liegender Speicherhorizonte rückt seit der Einführung des EEG immer mehr in das Interesse von öffentlichen und privaten Investoren, die die damit verbundenen wirtschaftlichen und ökologischen Chancen der tiefen Geothermie erkannt haben. Allein im Großraum München wurden bis heute für die Nutzung heißer Wässer des Malm mittels zu installierender Bohrungsdubletten rund 50 Erlaubnisfelder erteilt bzw. beantragt. Mit der bergrechtlichen Erlaubnis hat der jeweilige Inhaber die Befugnis, alle auf die Entdeckung oder Feststellung der Ausdehnung des Bodenschatzes, hier der Erdwärme ausgerichteten Tätigkeiten auszuüben. Nach einem positiven Auffinden nutzbarer geothermischer Ressourcen muss in einer zweiten Stufe die bergrechtliche Bewilligung beantragt werden, die dann dem Bewilligungsinhaber in dem ausgewiesenen Feld das ausschließliche Recht zuweisen, Erdwärme zu gewinnen. Im Rahmen des bergrechtlichen Bewilligungsverfahrens hat der Antragsteller unter anderem darzulegen, welche hydraulischen und thermischen Auswirkungen im Umfeld der geplanten Anlage über den Betriebszeitraum zu erwarten sind. Dies ist erforderlich, um die Größe des Bewilligungsfeldes festlegen zu können. Im Rahmen des Forschungsvorhabens Numerische 3D-Modellierung eines geohydrothermalen Dublettenbetriebs im Malmkarst wurden die HYDRO Consult GmbH in Augsburg und die FlowFM GbR in Berlin vom Bayrischen Geologischen Landesamt damit beauftragt, die Möglichkeiten der numerischen 3D-Modellierung mit dem Softwarepaket FEFLOW der WASY GmbH unter Verwendung eines Porositätsansatzes nach Darcy diesbezüglich zu untersuchen. Die dem Forschungsprojekt vorgeschaltete Datenerhebung sowie die im Zuge der Bohrarbeiten durchgeführten Messkampagnen wurden von der ERDWERK GmbH im Auftrag der SWM Versorgungs GmbH, GB Energie Erzeugung fachlich geplant und begleitet. Primäres Ziel des Forschungsvorhabens war es, Aussagen machen zu können, inwieweit dieser Ansatz geeignet ist, notwendige und belastbare Grundlagen für die bergrechtlichen Bewilligungsverfahren zu liefern, die sich insbesondere aus Antworten zu folgenden Fragen zusammensetzen: - Welche maximalen Injektions- bzw. Förderdrücke sind bei einem vorgegebenen Betriebsregime zu erwarten? - Welche regionalen hydraulischen Auswirkungen hat der geothermische Betrieb bei vorgegebenem Volumenstrom und vorgegebener Injektionstemperatur? - Wie entwickelt sich die Kaltwasserausbreitung infolge der Injektion zeitlich und räumlich? - Wie ist die erforderliche Zeitdauer für die Wärmeregeneration nach Abschluss des Dublettenbetriebs? Die nachfolgende Zusammenfassung gibt einen Überblick über die notwendigen Arbeitsschritte, sowie über die wesentlichen Ergebnisse des Forschungsvorhabens. Die ausführliche Dokumentation ist dem Bayerischen Geologischen Landesamt im Dezember 2004 übergeben worden. Finanziert wurde das Forschungsvorhaben durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie. 2 Zusammenfassung Dem eigentlichen Forschungsvorhaben gingen die Planung und die Durchführung der Bohrungsarbeiten sowie der begleitenden Messkampagnen voran, so dass sich die Arbeitsschwerpunkte in ihrer Gesamtheit wie folgt zusammenfassen lassen: Bohrungsarbeiten und Messkampagnen - Bohrung Riem Thermal 1 - Bohrung Riem Thermal 2 Hydrogeothermales Systemmodell - Datensammlung und -aufbereitung - Erstellen eines aktuellen, in sich konsistenten hydrogeothermalen Systemmodells Numerisches 3D-Modell - Aufbau des informationsadäquaten numerischen 3D-Modells - Hydraulische und thermische Kalibrierung des numerischen Modells - Simulation des eigentlichen Dublettenbetriebs - Parameterstudie zur Bestimmung der maximal zu erwartenden Auswirkungen Bewertung der Ergebnisse 2.1 Bohrungsarbeiten und Messkampagnen Die Bohrung Riem Thermal 1 erreichte nach einer 42 Ablenkung in 1.900 m Tiefe in Richtung SSE nach insgesamt 42 Tagen ihre Endteufe mit 3.275 m (3.020 m vertikale Teufe). Die horizontale Gesamtabweichung bei Endteufe beträgt 738,2 m. Der Malmtiefengrundwasserleiter wurde dabei auf einer Länge von 488 m mit dem Endbohrdurchmesser von 6.1/8 Zoll (156 mm) im Spülbohrverfahren mit leichter Polymerspülung aufgeschlossen. Eine offensichtlich stärker entwickelte Verkarstung der hangenden Schichten im Malm wurde wie anderenorts bereits beobachtet - nicht angetroffen. Gemäß der petrographischen Einstufung der Malmkarbonate kann davon ausgegangen werden, dass erst in den liegenden Schichten des Malm Zeta und im Malm Epsilon eine deutlich erhöhte Porosität in dolomitisierten Kalksteinen und Dolomiten auftritt. Neben der Beobachtung und Dokumentation der Spülungsverluste in Kombination von Bohrfortschritten und Methangasmessungen in der Spülung war ergänzend ein umfangreiches geophysikalisches Messprogramm inklusive Klufterkennungslogs im Bereich des Malmaquifers vorgesehen. Da sich Bereiche des Purbecks (UK) und Top Malm als nachbrüchig erwiesen, musst aus Gründen der Bohrlochsicherheit und Stabilität der Ausbau eines gelochten Stützliner vorgezogen werden, so dass im Messprogramm des verrohrten Bohrlochs nur noch eine Gamma Ray Flowmeter Temperatur Messung umgesetzt werden konnte. Die durchgeführte CCL-GR- Temp Messung vor Beginn der Flowmeterbefahrung wies am tiefsten Messpunkt (3.270 m) eine Maximaltemperatur von 101,95 C (BHT) aus. Die geologische Profil-Auswertung, die beobachteten Spülungsverluste und die ergänzende Tempe- Geothermische Energie 48/2005 16

ratur- und Flowmetermessung im Malmtiefengrundwasserleiter zeigt, dass ergiebige Thermalwasserzutritte in Tiefen unterhalb 3.100 m erschlossen wurden. Nach einer Säurestimulation im Malm konnte in einem anschließenden Kurzpumpversuch (192 Stunden Lufthebeverfahren) die Fündigkeit der Tiefbohrung nachgewiesen werden. Die Drucksabsenkungen wurden auf das Bezugsniveau Höhe Top Purbeck/Malm umrechnet. Diese Vorgehensweise wies methodische Ungenauigkeiten auf und sollte in Zukunft durch eine Online-Messung auf Höhe Top Malm erweitert bzw. ersetzt werden. Im unmittelbaren Anschluss an die Testarbeiten an der Bohrung Riem Th 1 wurde mit der Bohrung Riem Thermal 2 begonnen. Nach den geologischen Erkenntnissen aus der ersten Bohrung wurde die Riem Thermal 2 auf eine Endteufe von 3.225 m (entspricht ca. 2.746 m vertikal) niedergebracht. Ziel der Bohrung war ein im Untergrund vorhandener Strukturbruch, der hohe Ergiebigkeiten erwarten ließ. Die reine Bohrzeit der bereits ab 645 m Tiefe mit ca. 37 nach NNW abgelenkten Bohrung betrug aufgrund der größeren technischen Erfordernisse insgesamt 53 Tage. Durch die Ablenkung wurde eine horizontale Gesamtabweichung von 1.462 m erreicht. Der Malm wurde auf einer Länge von über 300 m erschlossen. In der Bohrung trat in den obersten Bereichen der Malmkarbonate totaler Spülungsverlust auf, der mit hoher Sicherheit auf die erhöhten Wegsamkeiten im Bereich der dem so genannten Markt Schwabener-Verwurf vorgelagerten Störungszone zurückzuführen ist. Es ist ferner anzunehmen, dass in diesem Bereich auch die Verkarstung eine gewisse Rolle spielen kann. Durch den Einsatz von extrem leichter Polymer-Wasserspülung und das Zusetzen der Verlustzone mit Bohrklein stabilisierten sich die Verluste in kontrollierbaren Größenordnungen, so dass die Bohrung auf die geplante Teufe von 3.225 m niedergebracht werden konnte. Wie bereits in Bohrung Riem Th 1 zu beobachten war, beschränkten sich die kontinuierlichen Spülungsverluste beim Bohren auf die in den liegenden Bereichen des Malm befindlichen Dolomite bzw. dolomitisierten Kalke. Ab ca. 2.981 m (MD) wurden in der Bohrung Riem Th 2 bis zur Endteufe Spülungsverluste in schwankender Intensität festgestellt. Nach der petrographischen Beschreibung tritt vermutlich erst in den liegenden Bereichen des Malm zeta eine erhöhte Porosität in Verbindung mit dolomitischen Partien auf. Das geophysikalische Messprogramm konnte im unverrohrten Bohrloch im geplanten Umfang mit einem Klufterkennungslog durchgeführt werden und wies im Bereich der angenommen Störzone eine verstärkte Klüftung des Gebirges aus. Im Rahmen eines Kurzeitpumpversuchs mittels Lufthebeverfahren nach erfolgter Säurestimulation wurde die Fündigkeit mit einer Fördertemperatur von 93 C nachgewiesen. Zur Kontrolle des Druckverhaltens an der Bohrung Riem Th 1 wurde in der Tiefe von 365 m ein Drucksensor installiert der nachweislich während des 188 stündigen Pumpversuchs an der Th 2 mit 40 l/s eine relative Absenkung des temperaturkorrigierten Druckspiegels an der Th 1 um 0,5 m zeigte. Abbildung 1 zeigt schematisch den Verlauf der beiden abgeteuften Bohrungen Riem Th 1 und Riem TH 2. 2.2 Hydrogeothermales Systemmodell Der eigentlichen numerischen Modellierung geht eine intensive Datenakquisition und -aufbereitung voraus. Ziel dieser Abb. 1: Ablenkung der Bohrungen Riem TH 1und Riem TH 2 Datenaufbereitung ist es, ein in sich konsistentes und aktuelles geohydrothermales Systemmodell zu erstellen, welches die Grundlagen für die darauf folgende Modellierung zur Verfügung stellt. Dabei bleibt darauf hinzuweisen, dass die Datenqualität des zu erstellenden Systemmodells maßgeblich die Qualität der darauf basierenden numerischen Modellierung und damit der daraus abzuleitenden Prognosen bestimmt. Generell zu unterscheiden sind hierbei regionale und lokale Daten, wobei letztere insbesondere aus den bereits in Abschnitt 2.1 beschriebenen Bohrungen gewonnen werden. Im Einzelnen zu nennen sind: Regionale Daten - Stratigraphie und Tektonik - Grundwasserpotenziale und -bilanz - Temperaturfeld - Hydraulische, thermische und hydrochemische Parameter Lokale Daten - Bestimmung der bereits für den regionalen Maßstab erhobenen Daten (siehe oben) als Punktinformationen für diese Standorte Die regionalen und lokalen Daten werden miteinander verglichen, auf Konsistenz geprüft und anschließend in einem gesamtheitlichen geohydrothermalen Systemmodell integriert, wobei den lokalen Daten aufgrund ihrer Authentizität (punktuelle Echtdaten) ein höherer Gewichtungsfaktor zugeordnet wird. In Abbildung 2 ist beispielhaft ein aus dem Forschungsvorhaben resultierender unmaßstäblicher Profilschnitt durch die beiden abgeteuften Bohrungen dargestellt, der die wesentlichen geologischen und hydraulischen Datensätze in sich vereint. 2.3 Numerisches 3D-Modell Aufbauend auf dem hydrogeothermischen Systemmodell wird der Modellraum horizontal und vertikal diskretisiert, parametrisiert und anhand der vorhandenen Daten zunächst hydraulisch und thermisch kalibriert. 17 Geothermische Energie 48/2005

fernen Bereichen, in denen keine steilen hydraulischen Gradienten auftreten. Die im Programmsystem FEFLOW verwendete Methode der Finiten Elemente erlaubt eine sehr lokale und flexible Feindiskretisierung mit graduellem Übergang zu größer werdenden Elementen, so dass dieses Programm prädestiniert ist für die hier gestellten Anforderungen. Die in Abbildung 4 dokumentierte Diskretisierung gewährleistet eine realitätsnahe Abbildung der tatsächlichen Prozesse bei gleichzeitig hoher numerischer Stabilität. Abb. 2: 2D-Profilschnitt Hinsichtlich der räumlichen Diskretisierung ist insbesondere der bohrungsnahe Raum von wesentlicher Bedeutung. Hier muss gewährleistet sein, dass die gewählte Diskretisierung die zu erwartenden hydraulischen Gradienten reproduzieren können muss, um eine Fehlprognose hinsichtlich der Maximalabsenkungen und der damit verbunden regionalen hydraulischen Auswirkungen zu vermeiden. Zur Veranschaulichung sind in Abbildung 3 zwei unterschiedliche Diskretisierungen im Umfeld einer Förderbohrung und die daraus resultierenden stationären Absenkungen beim Pumpbetrieb dargestellt. Abb. 4: Lateraldiskretisierung des Modellgebietes mit Ausschnittvergrösserrungen Abb. 3: Vergleich stationärer Potenzialabsenkungen bei unterschiedlichen Diskretisierungen Der untere Graph verdeutlicht, welche immense Bedeutung eine problemadäquate Diskretisierung besitzt. In diesem einfachen Beispiel beträgt die Differenz beider Simulationsrechnungen über 2 m, also deutlich mehr als 20 %. Für die geothermischen Betriebssimulationen muss also eine Diskretisierung gewählt werden, bei deren weiteren Verfeinerung es zu keiner Änderung der Simulationsergebnisse mehr kommt und somit eine realitätsnahe Abbildung der tatsächlich stattfindenden Prozesse gewährleistet. Abbildung 4 zeigt die im Verlauf eines iterativen Prozesses entwickelte laterale Diskretisierung des Modellgebietes unter Verwendung von Dreieckselementen mit zusätzlichen Ausschnittvergrößerungen. Die Abbildungen verdeutlichen die extremen Elementgrößenunterschiede von 0,25 m im Nahbereich der Bohrungen bis zu 1000 m in den bohrungs- Aufbauend auf der lateralen Diskretisierung erfolgt die Vertikaldiskretisierung, die in einem ersten Schritt identisch ist mit der bereits in Abbildung 2 dokumentierten Tiefenlagenverteilung der einzelnen stratigraphischen Einheiten. In einem zweiten Schritt werden in den Bereichen der Filterstrecken der beiden Bohrungen zusätzliche Schichten implementiert. Dies ist einerseits aus numerischen Stabilitätsgründen und andererseits zur realtitätsnäheren Abbildung der thermischen und hydraulischen Veränderungen während der Simulation des geothermischen Dublettenbetriebs erforderlich. Abbildung 5 zeigt das so generierte vollständige 3D- Modell, welches aus insgesamt 55 Modellschichten, von denen 40 Modellschichten zur Abbildung des Dublettenbetriebs implementiert wurden, und insgesamt 730.000 Finiten Elementen besteht. Basierend auf diesem räumlichen 3D-Modell und den aus dem Systemmodell übernommenen thermischen und hydraulischen Parametern und Randbedingungen erfolgte die hydraulische und thermische Kalibrierung. Primäres Ziel war es hierbei, die Ergebnisse der in beiden Bohrungen durchgeführten Pumpversuche sowie die in den Bohrungen gemessenen Temperaturen zu reproduzieren, ohne die aus der regionalen Datenauswertung hervorgegangenen Parameter und Geothermische Energie 48/2005 18

Abb. 5: Vollständiges 3D Finite Elemente Modell (Farbverlauf zeigt Grundwasserpotenziale) Randbedingungen eklatant zu verändern. Beide Ziele konnten mit wenigen iterativen Rechenläufen erreicht werden, was ein weiteres Indiz für die Plausibilität des Systemmodells darstellt. Im Zusammenhang mit den anschließend durchzuführenden geothermischen Betriebssimulationen ist es wichtig, an dieser Stelle zu bemerken, dass die gekoppelte hydraulisch-thermische Kalibrierung unter Berücksichtigung der Temperatur- und Viskositätsabhängigkeit des Porenfluids durchgeführt wurde, welche aufgrund der hohen Temperaturunterschiede zwischen gefördertem und injizierten Porenfluid bei den späteren Betriebssimulationen eine wesentliche Bedeutung für die Authentizität der zu bewertenden Ergebnisse besitzt. 2.4 Bewertung der Ergebnisse Das somit vollständig kalibrierte Modell stellt die Ausgangslage vor Simulation der geothermischen Dublette dar. Diese wurde in einem ersten standardisierten Rechenlauf mit einem Volumenstrom von 50 l/s [4.320 m3/d] und einer Reinjektionstemperatur von 55 C über einen Betriebszeitraum von 50 Jahren in das Modell implementiert. Diese Berechnung zeigt hinsichtlich der eingangs gestellten Fragen folgende Ergebnisse: Welche maximalen Injektions- bzw. Förderdrücke sind bei einem vorgegebenen Betriebsregime zu erwarten? Während sich an der Förderbohrung bereits nach kurzer Zeit (wenige Tage) ein stationärer Zustand mit einer Absenkung von ca. 50 m einstellt, zeigt sich in der Injektionsbohrung über die Gesamtbetriebszeit ein Ansteigen des Injektionsdrucks, der in der kontinuierlichen Ausbreitung des injizierten Kaltwassers begründet liegt. Am Ende der Betriebszeit beträgt die zusätzliche Aufhöhung 320 m. Hierbei bleibt anzumerken, dass eine direkte Vergleichbarkeit nicht gegeben ist, da die Transmissivität im Nahbereich der Injektionsbohrung ca. um den Faktor 3 geringer ist als im Bereich der Förderbohrung. Die im Zuge der Simulation prognostizierten Injektionsdrücke wurden in einem später durchgeführten Injektionstest bestätigt. Aufgrund dieser Ergebnisse wurde in der Bohrung erneut gesäuert und somit eine Reduzierung des Injektionsdruckes und damit eine Erhöhung der Wirtschaftlichkeit der Dublette erzielt. Abbildung 6 zeigt die zeitliche Entwicklung des Grundwasserpotenzials in beiden Bohrungen sowie die Ergebnisse einer zusätzlichen Berechnung für die Injektionsbohrung ohne Berücksichtigung der temperaturabhängigen Fluidviskosität. Der Vergleich zeigt, dass die Nichtberücksichtigung erwartungsgemäß zu einem ähnlichen zeitlichen Verlauf des Injektionsdrucks wie des Förderdrucks führt. Der Vergleich der Absolutaufhöhung im Vergleich zur Absolutabsenkung zeigt entsprechend des Transmissivitätsverhältnisses einen Faktor von ca. 3 entsprechend des linearen Zusammenhangs zwischen Transmissivität und Absenkung bzw. Aufhöhung. Nach diesen Ausführungen wird bereits deutlich, welche entscheidende Bedeutung der numerischen Modellierung bei der Beurteilung der abgeteuften Bohrungen und ihrem hydraulischen Umfeld hinsichtlich der technischen Realisierbarkeit sowie Wirtschaftlichkeit zukommt. Denn letzten Endes bestimmen die tatsächlich im Betrieb aufzuwendenden Förderbzw. Injektionsdrücke, die numerisch prognostiziert werden können, die Machbarkeit und nicht zuletzt die Wirtschaftlichkeit eines Projektes. Abb. 6: Zeitliche Entwicklung des Grundwasserpotenzials in Förder- und Injektionsbohrung Welche regionalen hydraulischen Auswirkungen hat der geothermische Betrieb bei vorgegebenem Volumenstrom und vorgegebener Injektionstemperatur? Bei einem geothermischen Dublettenbetrieb handelt es sich unter der Voraussetzung einer hydraulischen Kommunikation beider Bohrungen um einen klassischen Dipol, der durch eine ausgeglichene Massenbilanz gekennzeichnet ist. Dies bedeutet, dass aus dem kommunizierenden System ebenso viel Wasser entnommen wie eingespeist wird. Dies hat zur Folge, dass unter der Annahme homogener geologischer Verhältnisse die maximalen hydraulischen Auswirkungen auf die Nahbereiche der Injektions- und Förderbohrung beschränkt sind und bereits nach verhältnismäßig kurzer Zeit einen quasi-stationären Zustand erreichen, der lediglich durch den kontinuierlichen Anstieg des Injektionsdruckes verändert wird. Unter inhomogenen Verhältnissen, wie im vorliegenden Fall, kann sich dieses Bild deutlich verändern. Abbildung 7 zeigt in einem 1D-Profil die Potenzialverteilung in einer Modellschicht, die zwischen Injektions- und Förderhorizont liegt. Die Abbildung verdeutlicht einerseits die räumliche Begrenzung deutlicher hydraulischer Veränderungen auf einen Bereich von wenigen Kilometern Durchmesser und andererseits den Einfluss tektonischer Strukturen. Direkt neben der Förderbohrung liegt die Hauptstörung mit deutlich erhöhten Durchlässigkeiten. Diese führt zu einer nahezu vollständigen hydraulischen Entkopplung, so dass es zu einem abrupten Potenzialsprung kommt und jenseits der Störung nur noch geringe Auswirkungen der Förderbohrung zu beobachten sind. 19 Geothermische Energie 48/2005

den ersten 1000 Jahren nach Betriebsende vergleichsweise schnell und gleichmäßig auf 91 C, verlangsamt sich dann deutlich und erreicht erst nach 2.000 Jahren eine Temperatur von 97 C. Etwa 8.000 Jahre nach Betriebsende wird die Ausgangstemperatur von 99,3 C wieder erreicht. Die Modellierung der Wärmeregeneration nach Abschluss eines 50 Jahre währenden Betriebszeitraumes unter den gegebenen Randbedingungen verdeutlicht, dass frühestens nach 2000 Jahren mit einer weitgehenden thermischen Regeneration des Reservoirs im Malm zu rechnen ist. Abb.7: Potenzialverteilung in ein 1D-NS-Profil nach 50 Betriebsjahren Wie entwickelt sich die Kaltwasserausbreitung infolge der Injektion zeitlich und räumlich? Die Ausbreitung des Kaltwassers wird einerseits von der Fahrweise der geothermischen Anlage und andererseits von den geometrischen, hydraulischen und thermischen Eigenschaften des Reservoirs bestimmt. Hinsichtlich der Eigenschaften des genutzten Reservoirs ist die räumliche Verteilung von gut bzw. schlecht durchlässigen lithologischen Einheiten als essentiellste hervorzuheben, da sie maßgeblich die Ausbreitungsgeschwindigkeit bestimmt. Im vorliegenden Szenario kann zusammengefasst gesagt werden, dass im Betriebszeitraum von 50 Jahren erwartungsgemäß nur von einer geringen thermischen Beeinflussung des Nutzhorizontes auszugehen ist, da die erschlossene Malm-Mächtigkeit mehrere 100 Meter beträgt und somit ein ausreichend großes Wärmereservoir zur Wiedererwärmung des injizierten Wassers zur Verfügung steht. Exemplarisch zeigt die Abbildung 8 die radiale Kaltwasserausbreitung im Injektionshorizont zu diesem Zeitpunkt mit einem Radius von ca. 800 m. Abb. 9: Wärmeregeneration in der Filterstrecke der Injektionsbohrung TH1 über einen Zeitraum von 10.000 Jahren. Die dokumentierten Ergebnisse der Simulationsrechnung basieren auf einem Standardmodell hinsichtlich der Fahrweise der geothermischen Anlage sowie der räumlichen Verteilung der hydraulischen und thermischen Parameter. Um Aussagen über die Sensitivität sowohl der Fahrweise als auch der einzelnen Parameter auf die Simulationsergebnisse machen zu können, wurden im Sinne von worst-case Szenarien zusätzliche Berechnungen durchgeführt. Primäres Ziel dieser Berechnungen war es, einerseits die sensitiven Einflussfaktoren definieren zu können und gleichzeitig die maximal zu erwartenden hydraulischen und thermischen Auswirkungen zu bestimmen. Diese Vorgehensweise minimiert die Möglichkeit von Fehlinterpretationen und schafft die Datengrundlage für bergrechtliche Genehmigungen. 3 Schlussfolgerungen Die Ergebnisse des hier zusammengefasst dargestellten Forschungsvorhabens lassen folgende Schlussfolgerungen zu: - Die Erarbeitung eines standortbezogenen, in sich konsistenten hydrogeothermalen Systemmodells unter Nutzung aller verfügbaren regionalen und lokalen Daten ist unverzichtbare Grundvoraussetzung für eine prognosefähige numerische Modellierung. Abb. 8: Laterale Temperaturverteilung im Injektionshorizont nach 50 Betriebsjahren (Reinjektionsrate 50 l/s). Wie ist die erforderliche Zeitdauer für die Wärmeregeneration nach Abschluss des Dublettenbetriebs? Um die Nachhaltigkeit eines geothermischen Dublettenbetriebs abschätzen zu können, wird die natürliche Wärmeregeneration des genutzten Speichers nach Beendigung des Dublettenbetriebs numerisch simuliert. In Abb. 9 ist die berechnete Wärmeregeneration am Standort der Reinjektionsbohrung TH1 dargestellt. Danach erwärmt sich der Abkühlungsbereich um die Reinjektionsbohrung in - Die Erhebung lokaler Daten im Zuge der Bohrarbeiten und begleitenden Messkampagnen ist hierbei von essentieller Bedeutung. - Diese Systemmodelle sind standortspezifisch und damit nicht auf weitere Standorte übertragbar. - Die numerische 3D-Modellierung eines geothermischen Dublettenbetriebs unter Verwendung des Porositätsansatzes nach Darcy ist auf Basis der vorliegenden Ergebnisse und deren Abgleich mit mittlerweile vorliegenden Daten aus dem tatsächlichen Betrieb als sinnvoll und prognosefähig einzustufen. - Voraussetzung hierfür ist eine problemadäquate Geothermische Energie 48/2005 20

Diskretisierung des Modellgebietes sowie die Berücksichtigung der temperaturabhängigen Viskosität und Dichte des Reservoirfluids. 4 Ausblick Die hier vorgestellte numerische Modellierung basiert auf der Betrachtung einer einzelnen geothermischen Anlage, um Aussagen über deren maximale Auswirkungen hinsichtlich Hydraulik und Thermik machen zu können. In einem nächsten Schritt wird die Bearbeitung komplexerer Systeme im Vordergrund stehen, die es ermöglichen, die direkte Wechselwirkung und potenziell negative Beeinflussung von benachbarten Nutzungen zu quantifizieren bzw. Wege aufzuzeigen, wie diese potenziellen Beeinflussungen zu minimieren sind. Kontakt: Dipl. Geophys. Mark Gropius 1, Dr. Frank Wenderoth 1, FlowFM GbR, Friedbergstraße 39, 14057 Berlin Dr. Thomas Fritzer 2, Bayerisches Geologisches Landesamt, (seit 01.08.05: Landesamt für Umwelt Geologischer Dienst), Heßstraße 128, 80797 München Dr. Bernhard Huber 3, HydroConsult GmbH, Afragässchen 7, 86150 Augsburg Dr. Achim Schubert 4, ERDWERK GmbH, Viktoriastr. 24, 80803 München ANZEIGE ANZEIGE 21 Geothermische Energie 48/2005