Parlamentarische Initiative Versicherungsdeckung. Lücke beim Tod des Eigentümers



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Transkript:

06.468 Parlamentarische Initiative Versicherungsdeckung. Lücke beim Tod des Eigentümers Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates Vom 23. Juni 2008 Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen. 23. Juni 2008 Im Namen der Kommission Die Präsidentin: Hildegard Fässler 1

Übersicht Gemäss Versicherungsvertragsgesetz (VVG) endet ein Versicherungsvertrag in der Regel mit einer Handänderung des versicherten Gegenstandes. Diese Regelung führt zu Lücken im Versicherungsschutz, wenn der neue Eigentümer nicht rechtzeitig eine Versicherung für den erworbenen Gegenstand abschliesst. Die unerwünschten Deckungslücken können beispielsweise gravierende Folgen haben, wenn die Erben einer Liegenschaft es unterlassen, nach dem Tod des Erblassers die notwendigen nichtobligatorischen Versicherungen sofort neu abzuschliessen. Um hier Abhilfe zu schaffen, hat Nationalrat Hegetschweiler am 6. Oktober 2006 eine parlamentarische Initiative eingereicht. Die beiden Kommissionen für Wirtschaft und Abgaben haben diese Initiative gemäss dem parlamentarischen Verfahren vorberaten und ihr Folge gegeben. Die mit der Ausarbeitung einer Vorlage beauftragte Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates hat einstimmig einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der vorsieht, dass der Versicherungsvertrag bei einer Handänderung an den neuen Eigentümer übergeht. Dieser kann den Vertrag bis 30 Tage nach erfolgter Handänderung kündigen. Diese neue Regelung entspricht einem Rückkommen auf die Regelung, wie sie vor dem Inkrafttreten der Revision des VVG vom 1. Januar 2006 bestand. 2

Bericht 1 Entstehungsgeschichte Seit der letzten, am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen Revision des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) endet ein Versicherungsvertrag in der Regel 1 mit einer Handänderung des versicherten Gegenstands. Diese Regelung führt zu Lücken im Versicherungsschutz, wenn der neue Eigentümer nicht rechtzeitig eine Versicherung für den erworbenen Gegenstand abschliesst. Dies ist beispielsweise oft bei Erbschaften der Fall, weil die Erben in den Tagen nach dem Tod anderes zu tun haben, als den Versicherungsschutz zu überprüfen. Der fehlende Versicherungsschutz kann in manchen Fällen, beispielsweise bei einem Gebäudebrand, gravierende Folgen für den neuen Eigentümer haben. Um hier Abhilfe zu schaffen, hat Nationalrat Hegetschweiler am 6. Oktober 2006 eine parlamentarische Initiative eingereicht. Er verlangt, dass bei Grundstücken der Versicherungsvertrag bei einer Handänderung auf den neuen Eigentümer übergeht, sofern dieser den Vertrag nicht innert 14 Tagen nach der Handänderung kündigt. An ihrer Sitzung vom 29. Oktober 2007 prüfte die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N) die parlamentarische Initiative gestützt auf Artikel 109 Absatz 2 des Parlamentsgesetzes (ParlG). Mit 20 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung beschloss die Kommission, der Initiative Folge zu geben. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-S) ihrerseits prüfte die Initiative am 15. Januar 2008 und stimmte gestützt auf Artikel 109 Absatz 3 ParlG dem Beschluss der WAK-N, der Initiative Folge zu geben, einstimmig zu. In den Diskussionen in den beiden Kommissionen wurde betont, dass die Initiative zwar in die richtige Richtung gehe, dass aber in Bezug auf die genaue Ausgestaltung des Gesetzesentwurfs sämtliche Optionen offen gehalten werden müssten. Unter anderem müssten die Ausdehnung auf andere Gegenstände als Grundstücke und eine Verlängerung der Frist, innert welcher der übertragene Versicherungsvertrag gekündigt werden kann, unbedingt geprüft werden. Die gemäss Artikel 111 ParlG mit der Ausarbeitung eines Erlassentwurfs beauftragte WAK-N nahm ihre Arbeit am 15. Mai 2008 auf. Sie stellte fest, dass das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) bereits mit den Arbeiten zur Totalrevision des VVG begonnen hat. Da die Kommission davon ausgeht, dass die Totalrevision des VVG viel Zeit in Anspruch nehmen wird und sie gleichzeitig der Meinung ist, dass das in der Initiative aufgeworfene Problem nach einer raschen Lösung verlangt, hat sie sich dagegen entschieden, die Vorlage des Bundesrates abzuwarten. Sie hat jedoch als Grundlage für ihre Arbeit die entsprechende Bestimmung verwendet, welche von der Expertenkommission für die Totalrevision ausgearbeitet worden war. 2 An der Sitzung vom 23. Juni 2008 nahm die Kommission den vorliegenden Gesetzesentwurf einstimmig an. Da dieser in den Augen der Kommission nicht 1 Das geltende Recht sieht zwei Ausnahmen von dieser Regel vor. Näheres siehe Kapitel 2.1. 2 Für genauere Informationen zur Arbeit der Expertenkommission siehe Kapitel 2.3. 3

umstritten ist, hat sie auf ein Vernehmlassungsverfahren verzichtet und beschlossen, die Vorlage direkt dem Nationalrat zu unterbreiten. 2 Grundzüge der Vorlage 2.1 Geltendes Recht Die gesetzliche Bestimmung des Art. 54 des Versicherungsvertragsgesetzes vom 2. April 1908 (Versicherungsvertragsgesetz, VVG; SR 221.229.1) regelt die Folgen der so genannten Handänderung. Darunter ist gemäss dem Gesetzeswortlaut der Wechsel des Eigentümers des Gegenstandes der Versicherung zu verstehen. Gemäss der ursprünglichen gesetzlichen Regelung gingen die Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag grundsätzlich auf den neuen Eigentümer über. Mit der Teilrevision des VVG wurden die Rechtsfolgen der Handänderung neu geregelt. Demnach endet der Versicherungsvertrag mit bestimmten Ausnahmen im Zeitpunkt der Handänderung. Diese Änderung geht zurück auf eine Empfehlung der Kartellkommission [heute Wettbewerbskommission] und eine Motion von Nationalrat Vollmer vom 6. März 1996 (96.3043 Konsumentenfreundliche Anpassung des Versicherungsvertragsgesetzes). Ziel war es, die Marktzutrittsschranken für neue Versicherer abzubauen. Die gesetzliche Definition des Begriffes Handänderung hat dagegen keine Änderung erfahren. Sowohl der alte Art. 54 VVG wie auch der geltende Art. 54 VVG knüpfen somit an den Eigentümerwechsel eines Gegenstandes an. 2.2 Handlungsbedarf Die seit dem 1. Januar 2006 geltende Regelung ermöglicht zwar die Konkurrenz unter den Versicherern, kann aber in gewissen Fällen zu offensichtlichen Mängeln bei der Versicherungsdeckung führen, wenn der neue Eigentümer es unterlässt, für den erworbenen Gegenstand eine Versicherung abzuschliessen. Solche Deckungslücken entstehen zum Beispiel sehr häufig bei Erbschaften, wenn die Erben nicht unmittelbar nach dem Tod die erforderlichen nicht-obligatorischen Versicherungen abschliessen. Tritt in solchen Fällen ein Schaden ein, kann es für die Erben zu gravierenden finanziellen Folgen kommen. Der gesetzgeberische Handlungsbedarf zeigt sich bei Erbschaften am deutlichsten, doch stellt die geltende Regelung ganz allgemein ein Problem bei Handänderungen dar, denn die Gefahr, nicht rechtzeitig neue Versicherungen abzuschliessen, besteht bei jeder Handänderung. Natürlich ist dieses Risiko geringer bei notariellen Handänderungen, weil der Notar als Gesetzeskenner den neuen Eigentümer auf die Notwendigkeit eines Versicherungsabschlusses aufmerksam machen kann. Dies gilt hingegen nicht bei vielen Handänderungen, die ohne notarielle Beglaubigung erfolgen. Schliesslich kann es diese Lücken im Versicherungsschutz nicht nur bei Immobilien geben, wie sich aus dem Initiativtext ableiten lässt, sondern auch bei Mobilien. Geht es bei einer Erbschaft beispielsweise um eine Kunstsammlung, kann der fehlende 4

Versicherungsschutz für den neuen Eigentümer genauso schmerzlich sein wie bei einer Liegenschaft. 2.3 Vorschlag der Expertenkommission Die Expertenkommission zur Totalrevision des Versicherungsvertragsgesetzes hat unter der Leitung von Prof. Anton K. Schnyder die unerwünschte Deckungslücke erkannt und in ihrem Vorentwurf, den sie Anfang August 2006 dem Eidgenössischen Finanzdepartement abgeliefert hat, eine Lösung vorgeschlagen, wonach der Versicherungsvertrag im Fall einer Gesamtrechtsnachfolge auf den neuen Eigentümer übergeht. Bei der Gesamtrechtsnachfolge ist vor allem an Fälle der Erbschaft, einer Fusion oder einer Gütergemeinschaft zu denken. 2.4 Entwurf der WAK-N Die WAK-N hat sich für eine Regelung ausgesprochen, wonach die Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag bei Handänderung generell auf den neuen Eigentümer übergehen. Aus den Gründen, die in Kapitel 2.2 ausgeführt werden, soll diese Regelung für sämtliche Handänderungen gelten und muss sowohl Grundstücke als auch Fahrnisgegenstände betreffen. 3 Erläuterungen zu der Bestimmung Art. 54 Der Entwurf der Kommission sieht vor, anstelle des heute geltenden Art. 54 VVG wieder die Regelung einzuführen, wonach der Vertrag bei Eigentümerwechsel auf den neuen Eigentümer übergeht. Dieser Grundsatz darf gestützt auf Art. 98 VVG durch Vertragsabrede nicht zuungunsten des Versicherungsnehmers oder Anspruchsberechtigten abgeändert werden. Die Lösung soll ohne Ausnahme Anwendung finden. Auf die heute bestehenden besonderen Hinweise auf die Strassenverkehrsgesetzgebung sowie die Bestimmung des Art. 54 Abs. 2 VVG hinsichtlich der Feuerversicherung kann daher verzichtet werden. Die Rechtsfolge des Übergangs des Vertrages ist unproblematisch, weil der neue Eigentümer den Übergang des Vertrages gemäss Art. 54 Abs. 2 des Entwurfs der Kommission innert einer Frist von 30 Tagen nach der Handänderung schriftlich ablehnen kann. Das Versicherungsunternehmen soll ebenfalls nicht gezwungen werden, mit dem neuen Eigentümer den Vertrag weiterzuführen. Es kann seinerseits den Vertrag gemäss Art. 54 Abs. 3 des Entwurfs der Kommission innert 14 Tagen nach Kenntnis des neuen Eigentümers kündigen. Der Vertrag endet in diesem Fall frühestens 30 Tage nach der Kündigung. Art. 54 Abs. 4 verweist, wie schon im alten Recht und wie auch von der Expertenkommission vorgesehen, auf die Fälle, in welchen mit der Handänderung eine Gefahrserhöhung verbunden ist. Im Sinne moderner Gesetzestechnik werden alle Fristen neu in Tagen (nicht Wochen) festgesetzt. 5

Die Bestimmung des Art. 54 VVG regelt das Schicksal des Versicherungsvertrages, wenn ein versicherter Gegenstand während der Dauer des Versicherungsvertrages den Eigentümer wechselt. Da ausschliesslich Sachen die Hand wechseln, kann nur dann eine Handänderung vorliegen, wenn ein Eigentumswechsel an einer Sache vorliegt. Die Sachen können beweglich oder unbeweglich sein. Im Zweifelsfall ist auf den Sachbegriff des allgemeinen Rechts abzustellen. Versicherungsobjekt können daher sowohl Grundstücke, welche nach Art. 655 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB; SR 210) Gebäude mitumfassen, als auch Fahrhabe sein. Von der Regelung betreffend Handänderung werden diejenigen Versicherungen erfasst, die an einen Gegenstand geknüpft sind. Es handelt sich dabei um Sachversicherungen. Personenversicherungen sowie Vermögensversicherungen fallen grundsätzlich nicht unter den Anwendungsbereich von Art. 54 VVG. Haftpflichtversicherungen unterliegen zwar dem Wortlaut nach ebenfalls nicht der fraglichen gesetzlichen Regelung. Eine Haftpflichtversicherung, welche mit dem Eigentum oder dem Gebrauch einer Sache so verknüpft ist, dass der Versicherungsnehmer bei einer Handänderung kein Interesse an ihrer Weiterführung haben kann, geht zusammen mit dem Gegenstand auf den neuen Eigentümer über. Inkrafttreten Gemäss Entwurf bestimmt der Bundesrat, wann die Revision in Kraft treten soll. Angesichts der relativen Dringlichkeit dieser Gesetzesänderung ersucht die Kommission den Bundesrat ausdrücklich, diese zum gegebenen Zeitpunkt so rasch wie möglich in Kraft zu setzen. 4 Auswirkungen 4.1 Finanzielle und personelle Auswirkungen Die Gesetzesrevision hat für die öffentliche Hand keine finanziellen Folgen und wirkt sich auch nicht auf den Personalbestand des Bundes aus. 4.2 Vollzugstauglichkeit Die Vorlage führt wie in Ziffer 1 ausgeführt eine Regelung wieder ein, welche vor dem 1. Januar 2006 bereits bestanden hat. Es erfolgt damit eine Rückkehr zu einer langjährigen Praxis, womit die Vollzugstauglichkeit gegeben sein dürfte. 4.3 Andere Auswirkungen Es sind keine anderen Auswirkungen zu erwarten. 6

5 Verhältnis zum europäischen Recht Der europäische acquis communautaire umfasst keine geschlossene Kodifikation des Versicherungsvertragsrechts. Der Entwurf einer Harmonisierungsrichtlinie aus dem Jahre 1979 konnte sich nicht durchsetzen und wurde daher von der EG-Kommission zurückgezogen. Das europäische Recht (Recht der europäischen Gemeinschaft und Recht des Europarates) sieht daher für den im vorliegenden Revisionsentwurf behandelten Bereich keine Normen vor. Die Staaten können die zu diesem Bereich gehörenden Aspekte nach eigenem Ermessen bestimmen. 6 Verfassungsmässigkeit Art. 122 Abs. 1 BV Das von der Änderung betroffene Gesetz stützt sich auf Art. 122 Abs. 1 der Bundesverfassung, der dem Bund die Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet des Zivilrechts einräumt. 7