Examensübungsklausur Öffentliches Recht / Prof. Dr. Dagmar Felix 29.Oktober 2011 Unverbindliche Lösungshinweise Teil I Der Fall ist dem Beschluss des VGH BW v. 28.02.2011 (9 S 499/11) nachgebildet. Die Entscheidung des Gerichts hängt von Zulässigkeit und Begründetheit des Antrags ab. A. Zulässigkeit des Eilantrags Das Verwaltungsgericht wird über den Eilantrag der L-Partei sachlich entscheiden, wenn der Antrag vor dem Verwaltungsgericht zulässig ist. I. Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs richtet sich mangels (aufdrängender) Spezialzuweisungen nach 40 Abs. 1 S. 1 VwGO, wonach der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, wenn es sich um eine öffentlichrechtliche Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art handelt und keine abdrängende Sonderzuweisung gegeben ist. Eine Streitigkeit ist öffentlichrechtlicher Art, wenn die streitentscheidenden Normen öffentlichrechtlicher Natur sind. Dies ist dann der Fall, wenn die Norm einen Hoheitsträger als solchen verpflichtet bzw. berechtigt. Streitentscheidend ist vorliegend 5 ParteiG und damit eine Vorschrift, die einen Hoheitsträger als solchen verpflichtet und daher öffentlich-rechtlicher Natur ist. Die Streitigkeit ist aufgrund der fehlenden doppelten Verfassungsunmittelbarkeit auch nichtverfassungsrechtlicher Art und keinem anderen Gericht zugewiesen, sodass der Verwaltungsgerichtsweg gegeben ist. Hinweis: Die gesonderte Prüfung des Verwaltungsrechtswegs vor der Erörterung der Zulässigkeit der Klage (hierzu etwa Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 7. Aufl. 2008, 10 Rdnr. 1) ist nicht sinnvoll. Sollte in einem Fall tatsächlich einmal ein Zivilgericht zuständig sein, so wird von Amts wegen gemäß 17a GVG an das zuständige Gericht verwiesen. Vor dem Ver- 1
waltungsgericht wäre die Klage aber unzulässig, weil dieses keine Sachentscheidung treffen kann (hierzu etwa Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl. 2011, Rdnr. 1319 m.w.n.). II. Statthafte Antragsart Statthafte Antragsart könnte ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach 123 Abs. 1 VwGO sein. Das ist nach 123 Abs. 4 VwGO nur der Fall, wenn keiner der Fälle der 80, 80a VwGO vorliegt, es also nicht um die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage bzw. Vollziehung eines belastenden VA in der Hauptsache geht. Hier begehrt die L-Partei die Zulassung zur Teilnahme an der Podiumsdiskussion, über die regelnd durch begünstigenden VA i.s.d. 35 S.1 VwVfG zu entscheiden ist. Es geht daher weder um die Abwehr einer Belastung noch um die Wiederherstellung der vollziehenden Wirkung. Diese kann in der Hauptsache nur mit der Verpflichtungsklage 42 Abs. 1, 2. Fall VwGO und im vorläufigen Rechtsschutz durch einstweilige Anordnung gemäß 123 Abs. 1 VwGO begehrt werden. Fraglich ist, welche Art der einstweiligen Anordnung einschlägig ist, 123 Abs. 1 VwGO unterscheidet zwischen Sicherungsanordnung ( 123 Abs. 1 S. 1) und der Regelungsanordnung ( 123 Abs. 1 S.1 VwGO). In Betracht kommt eine Regelungsanordnung nach 123 Abs. 1 S. 2 VwGO, die in Abgrenzung zur Sicherungsanordnung einschlägig ist, wenn der Antragsteller seinen Rechtskreis durch eine begünstigende Regelung erweitern und damit eine Veränderung des status quo erreichen will. Vorliegend möchte L-Partei durch die einstweilige Anordnung ihre Beteiligung an der Podiumsdiskussion erreichen und damit begehrt sie eine Erweiterung ihres Rechtskreises. Mithin ist die Regelungsanordnung gemäß 123 Abs. 1 S.2 VwGO einschlägig. III. Antragsbefugnis; 42 Abs. 2 VwGO analog Die L-Partei müsste geltend machen, in ihren subjektiven Rechten aus 5 Abs. 1 ParteiG i.v.m. Art. 3 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 GG verletzt zu sein. Vorliegend betraf die Ungleichbehandlung den Wahlkreiskandidaten der L-Partei und nicht die L-Partei selbst. Von der Ungleichbehandlung, die sich daraus ergibt, dass nur die Kandi- 2
daten der bereits im Landtag vertretenen Parteien, nicht jedoch der der Antragstellerin angehörende Kandidat zur Veranstaltung im A-Gymnasium eingeladen worden ist, ist nicht nur die jeweilige Person, sondern auch die Antragstellerin als Partei betroffen, denn die Eingeladenen sollen nicht nur als Einzelpersonen, sondern insbesondere als Landtagskandidaten ihrer jeweiligen Parteien erscheinen und auch wahrgenommen werden. Aus dieser unmittelbaren Betroffenheit auch der Antragstellerin ergibt sich die eigene Antragsbefugnis; es ist nicht ausgeschlossen, dass die Partei als solche in ihren Rechten verletzt wurde (Möglichkeitstheorie). IV. Allgemeines Rechtschutzbedürfnis Das allgemeine Rechtschutzbedürfnis setzt voraus, dass sich der Antragsteller zunächst erfolglos an die zuständige Behörde gewandt hat. Dies ist hier geschehen. V. Antragsfrist Eine Antragsfrist besteht für den Antrag nach 123 VwGO nicht. VI. Beteiligten- und Prozessfähigkeit Die L-Partei ist gemäß 61 Nr. 1, 2.Alt., 62 Abs. 3 VwGO und die FHH als Rechtsträger der Schule ( 78 Abs. 1 VwGO analog) nach 61 Nr. 1, 2.Alt., 62 Abs. 3 VwGO beteiligten- und prozessfähig. VII. Zwischenergebnis Der Antrag der P-Partei auf einstweiligen Rechtschutz ist mithin zulässig. 3
B. Begründetheit des Eilantrags Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet, wenn die tatsächlichen Umstände, die den Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund begründen, glaubhaft gemacht sind und durch die einstweilige Anordnung keine Vorwegnahme des Hauptsachverfahrens erfolgt. Richtiger Antragsgegner ist die Freie und Hansestadt Hamburg als Träger der Schule. I. Der Anordnungsanspruch Es müsste zunächst ein Anordnungsanspruch bestehen. Der Anordnungsanspruch setzt nach 123 Abs. 1 S. 2 VwGO ein streitiges Rechtsverhältnis voraus, aus dem der Antragsteller eigene Rechte herleitet. Dabei können Gegenstand einer Regelungsanordnung auch einzelne sich aus dem Rechtsverhältnis ergebende Rechte und Pflichten sein. Ein Anspruch der L- Partei auf Zulassung zu der Podiumsdiskussion könnte sich aus 5 Abs. 1 S. 1 ParteiG i.v.m. Art. 3 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 GG ergeben. 1. Anspruch aus 5 Abs. 1 S. 1 ParteiG i.v.m. Art. 3 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 GG Nach 5 Abs. 1 S.1 ParteiG sollen alle Parteien gleich behandelt werden, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt den Parteien Einrichtungen oder andere öffentliche Leistungen zur Verfügung stellt. Das Grundgesetz gewährleistet durch Art. 3 GG in Verbindung mit Art. 21 und Art. 38 GG die Chancengleichheit der Parteien und sichert damit den freien Wettbewerb der Parteien und die Teilnahme an der politischen Willensbildung. Die Chancengleichheit gilt nicht nur für den Bereich des Wahlrechts im engeren Sinne, für die Wahlvorbereitung, für den Wettbewerb der Parteien um die Erlangung von Spenden und für die Wahlwerbung im Rundfunk, sondern im gesamten Vorfeld der Wahlen. 5 Abs. 1 ParteiG setzt diese verfassungsrechtlichen Vorgaben um, indem er bestimmt, dass bei der Gestattung der Nutzung öffentlicher Einrichtungen oder der Gewährung anderer öffentlicher Leistungen alle politischen Parteien gleich behandelt werden sollen. Das Recht auf Chancengleichheit der Parteien ist verletzt, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt die Nutzung einer öffentlichen Einrichtung oder die Gewähr- 4
leistung einer anderen öffentlichen Leistung einer Partei verweigert, obwohl er sie anderen Parteien einräumt oder eingeräumt hat. Bei der Schule müsste es sich um einen Träger der öffentlichen Gewalt handeln. 2 Hamb- SchulG erteilt den Schulen in Hamburg einen Erziehungs- und Bildungsauftrag. Damit habe die Schulen eine öffentliche Gewalt inne und sind Träger öffentlichrechtlicher Verpflichtungen und Berechtigungen. 5 ParteiG setzt weiterhin voraus, dass den Parteien Einrichtungen bzw. andere öffentliche Leistungen gewährt werden. Als Einrichtungen kommen hier Räume der Schule in Betracht, die für die Diskussion zur Verfügung gestellt werden. Vorliegend geht es aber nicht um die Vermietung der Räume an den Parteien, vielmehr steht die Teilnahme an der Podiumsdiskussion im Vordergrund, sodass hierauf abzustellen ist. Fraglich ist, ob die Podiumsdiskussion als schulinterne Veranstaltung eine öffentliche Leistung i.s.d. 5 Abs. 1 ParteiG darstellt. Eine Leistung setzt eine bewusste und zweckgerichtete Vorteilsgewährung an Parteien voraus. Zwar handelt es sich bei der von zwei Schülerinnen zu fertigenden Arbeit um eine rein schulische Leistung. Die in diesem Zusammenhang vorbereitete und durchzuführende Podiumsdiskussion geht jedoch über den Rahmen einer bloßen Klassen- oder Kursveranstaltung deutlich hinaus. Sie ist oberstufenöffentlich in der Weise, dass allen Schülern der Oberstufe die Teilnahme an dieser um 11.00 Uhr beginnenden Diskussionsrunde mit Landtagskandidaten ermöglicht wird. Damit handelt es sich zwar einerseits jedenfalls solange wie hier Personen außerhalb der Schule oder Pressevertreter nicht eingeladen sind und auch nicht teilnehmen um eine schulische Veranstaltung, andererseits wird diese jedoch nicht nur durch einen Träger öffentlicher Gewalt ermöglicht (die Schulleiterin hat die Kandidaten angeschrieben und eingeladen), sondern sie findet auch im Vorfeld von Wahlen vor aktuellen bzw. potentiellen Jungwählern statt und ist damit auch öffentliche im Sinne des 5 Ans. 1 Satz 1 ParteiG. Maßgebend ist insoweit nicht die Frage des Zugangs zu dieser Veranstaltung, sondern ihre partei-politische Relevanz. Diese ist aber bei einer Veranstaltung von 200 Personen, auch wenn es sich dabei allein um die Schüler einer gymnasialen und zu Teilen voll- 5
jährigen und damit wahlberechtigten Oberstufe handelt, gegeben. Durch die Teilnahme an der Podiumsdiskussion wird den Parteien einen öffentlichrechtlichen Vorteil gewährt, insoweit sollen alle Parteien gemäß 5 ParteiG gleichbehandelt werden. 2. Einschränkung des Anspruchs Der Anspruch auf Gleichbehandlung der Parteien besteht jedoch nicht uneingeschränkt. Vor allem kann der Umfang der Gewährleistung nach der Bedeutung der Parteien bis zu dem für die Erreichung ihres Zwecks erforderlichen Mindestmaß abgestuft werden. ( 5 Abs. 1 S. 2 ParteiG, Prinzip der abgestuften Chancengleichheit). Der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien hängt eng mit den Grundsätzen der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl zusammen, die ihre Prägung durch das Demokratieprinzip erfahren. Aus diesem Grunde ist in diesem Bereich die Gleichheit strikt und formal. Greift die öffentliche Gewalt in den Parteienwettbewerb in einer Weise ein, die geeignet ist, die Chancen der politischen Parteien zu verändern, sind ihrem Ermessen daher besonders enge Grenzen gezogen. Alle Parteien müssen grundsätzlich formal gleich behandelt werden. Verboten ist deshalb jede unterschiedliche Behandlung, die nicht durch einen besonderen zwingenden Grund gerechtfertigt ist. Aus diesem Verbot der Verfälschung einer vorgefundenen Wettbewerbslage folgt zugleich das Gebot einer abgestuften Leistungsgewährung, um deren Nivellierung zu vermeiden. Dieses greift nicht nur bei der Verteilung von Sendezeiten für Wahlwerbesendungen oder Standorten für Wahlplakate, sondern auch bei der Berücksichtigung in konzeptionell vorgeprägten Veranstaltungen wie redaktionell gestalteten Sendungen oder auch moderierten Podiumsdiskussionen. Als mögliches Kriterium einer Abstufung sieht 5 Abs. 1 S. 2 ParteiG die Bedeutung der jeweiligen Partei vor, die sich insbesondere nach den Ergebnissen vorausgegangener Wahlen zu Volksvertretung bemisst ( 5 Abs. 1 S. 3 ParteiG), also danach, welche Ergebnisse die betreffende Partei auch in anderen Bundesländern und im Bund erzielt hat und in welchen Parlamenten die fragliche Partei vertreten ist. Daraus folgt, dass neben Kandidaten der bereits bisher im Landtag vertretenen Parteien auch der örtliche Wahlkreiskandidat der L- Partei zu berücksichtigen ist. Diese ist nicht nur mit Fraktionsstärke im Bundestag, sondern auch in 13 Landtagen vertreten. Hinzu kommt, dass dieser Partei nach aktuellen Prognosen 6
konkrete Aussichten darauf eingeräumt werden, neu in den Landtag einzuziehen. Auch dies kann bei der Frage nach der Bedeutung einer Partei nicht unberücksichtigt bleiben. Die Differenzierung allein danach, ob die Partei bereits im Landtag vertreten ist, erweist sich damit als sachwidrig. 3. Zwischenergebnis Die L-Partei hat daher nach 5 Abs. 1 S. 1 ParteiG i.v.m. Art. 3 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 GG einen Anspruch auf Gleichbehandlung, also darauf, dass ihrem Wahlkreiskandidaten ebenfalls die Möglichkeit eröffnet wird, an der Podiumsdiskussion teilzunehmen. Damit ist ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. II. Anordnungsgrund Desweiteren müsste ein Anordnungsgrund vorliegen. Der Anordnungsgrund setzt im Fall des 123 Abs. 1 S. 2 VwGO voraus, dass eine vorläufige Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist der Fall, wenn aufgrund einer umfassenden Interessensabwägung davon auszugehen ist, dass dem Antragsteller das Abwarten des Hauptsacheverfahrens nicht zugemutet werden kann. Hierbei ist zugunsten der L-Partei zu berücksichtigten, dass ohne die einstweilige Anordnung der Zulassungsanspruch vereitelt würde. Damit ist auch ein Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht. III. Keine Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens Da die einstweilige Anordnung ein Mittel vorläufigen Rechtsschutzes ist, ist hierbei allerdings eine Vorwegnahme der Hauptsache grundsätzlich unzulässig (vgl. 123 Abs. 1 S. 2 VwGO: vorläufigen Zustands ) Das Vorwegnahmeverbot gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Wegen des Gebots effektiver Rechtsschutzgewährung (Art. 19 Abs. 4 GG) ist ausnahmsweise auch eine Vorwegnahme der Hauptsache zulässig, wenn das Recht der Antragstellers sonst vereitelt würde oder wenn ihm aus sonstigen Gründen eine vorläufige Regelung nicht zumutbar ist. Dies ist hier in zeitlicher Hinsicht zu bejahen. Würde die Podiumsdiskussion ohne einen Vertreter der L-Partei 7
durchgeführt, wäre ein Obsiegen in der Hauptsache nach der Landtagswahl wertlos. Daher ist hier ausnahmsweise eine Vorwegnahme der Hauptsache zulässig. IV. Ergebnis Das Verwaltungsgericht Hamburg wird die FHH im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichten, den Wahlkreiskandidaten der L-Partei zur Podiumsdiskussion des A-Gymnasiums zuzulassen. Teil II Zu prüfen ist, ob das Vorgehen der Polizeibeamten rechtmäßig ist. I. Ermächtigungsgrundlage Nach dem sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Grundsatz des Gesetzesvorbehaltes bedarf die Handlung der Polizeibeamten einer Ermächtigungsgrundlage. Bereits hier ist fraglich, welche Norm einschlägig ist. In Betracht kommen Regelungen des Hamburgischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes sowie des HmbSOG. Die Entfernung des B vom Schulhof könnte eine Anwendung von unmittelbarem Zwang im Sinne des 14 lit. c HmbVwVG i.v.m. 18 Abs. 1 SOG darstellen. Es könnte sich aber auch um eine unmittelbare Ausführung im Sinne von 7 SOG gehandelt haben; auch in diesem Fall wären zusätzlich die Voraussetzungen des 18 SOG zu prüfen, denn in jedem Fall wurde Zwang angewandt ( 18 Abs. 2 SOG). Der B ist durch die körperliche Einwirkung der Polizeibeamten auf ihn von dem Grundstück entfernt worden. 8
Abzugrenzen ist die unmittelbare Ausführung von der Vollstreckung eines Verwaltungsaktes durch unmittelbaren Zwang. Bei der Vollstreckung eines Verwaltungsaktes durch unmittelbaren Zwang ergeht zunächst ein Verwaltungsakt, der anschließend unter den Voraussetzungen und mit Mitteln des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes durchgesetzt wird. Vorliegend hat die Schuldirektorin dem B aufgegeben, das Schulgrundstück für die Dauer der Podiumsdiskussion zu verlassen. Fraglich ist, ob diese Anordnung, die als Hausverbot zu klassifizieren ist, einen Verwaltungsakt darstellt. Verwaltungsakt gemäß 35 HmbVwVfG ist jede Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Die Aufforderung der Schulleiterin hat einen Erklärungsgehalt, nämlich das Verbot, sich auf dem Schulgelände während der Dauer der Podiumsdiskussion aufzuhalten, damit handelt es sich um eine Maßnahme. Eine Behörde ist gemäß 1 Abs. 4 HmbVwVfG jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Die Schule nimmt gemäß 2 Abs. 1 HmbSchulG die Aufgabe der Bildungs- und Erziehung der Schuler wahr und stellt damit eine Behörde in diesem Sinne dar. Die Maßnahme betrifft den B als Dritten und hat daher Außenwirkung und ist auf die Setzung einer Rechtsfolge für einen Einzelfall gerichtet. Hier wird die Rechtsstellung des B im Hinblick auf das Zutrittsrecht verändert. Mithin hat das Hausverbot einen Regelungscharakter. Die Maßnahme müsste allerdings auch auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts erfolgen. Dies ist der Fall, wenn eine öffentlichrechtliche Rechtsgrundlage für das Hausverbot besteht. Ein solches Hausverbot kann seine Grundlage in den zivilrechtlichen Besitz- und Eigentumsrechten ( 859ff, 903, 1004 BGB) finden, aber auch aus der öffentlichrechtlichen Sachherrschaft über die öffentliche Einrichtung resultieren. Fraglich ist daher, welche Rechtsgrundlage hier zur Anwendung kommt. Die Rechtsprechung unterscheidet nach dem Zweck des Besuches, nämlich danach, ob der Besucher das Haus zur Wahrnehmung öffentlichrechtlicher Angelegenheiten oder zur Erledigung privatrechtlicher Geschäfte besucht. B wollte als Wahlkreiskandidat der L-Partei an der Podiumsdiskussion der Schule, die eine parteipolitische und damit öffentlichrechtliche Relevanz hat (siehe hierzu Teil I), teilnehmen. Damit besuchte er die Schule nicht zur Erledigung privatrechtlicher Geschäfte. 9
Die überwiegende Literatur dagegen stellt auf den Zweck des Hausverbotes. Ein Hausverbot ist nämlich als Annex der zu schützenden Funktionen dann öffentlich-rechtlich, wenn und weil es der Sicherung der Erfüllung der öffentlichen Aufgaben im Verwaltungsgebäude dient. Die Schuldirektorin hat gemäß 89 Abs. 1 HmbSchulG die Leitungsfunktion inne, daraus resultiert auch das Hausrecht. Da das gegenüber dem B ausgesprochene Hausverbot einen ungestörten Ablauf der Podiumsdiskussion gewährleisten sollte, ist es als öffentlichrechtlich zu qualifizieren. Vorliegend kommen beide Ansichten zum selben Ergebnis. Das Hausverbot ist auf dem gebiet des öffentlichen Rechts erteilt worden. Mithin sind alle Merkmale eines Verwaltungsaktes gemäß 35 HmbVwVfG gegeben. In dem Hausverbot kann der für die Anwendung des unmittelbaren Zwangs erforderliche Grundverwaltungsakt gesehen werden, so dass hier als Rechtsgrundlage der Vollstreckung nicht die unmittelbare Ausführung gemäß 7 Abs. 1 SOG, sondern der unmittelbare Zwang gemäß 14 lit. c, HmbVwVG, 18 SOG einschlägig ist. Problematisch ist allerdings, dass dieser Verwaltungsakt nicht von den Polizeibeamten selbst erlassen wurde, denn nach dem allgemeinen ungeschriebenen Rechtsgrundsatz der Selbstvollstreckung wird ein Verwaltungsakt von der Behörde vollzogen, die ihn erlassen hat. Hier wurde der Verwaltungsakt von der Schulleiterin erlassen, die als B ihrer Aufforderung nicht nachkam und protestierte die Polizeibeamten herbeigerufen hat. Fraglich ist, ob der von ihr erlassende Verwaltungsakt als Grundverwaltungsakt genügen kann. Hierbei ist Folgendes zu beachten: Auf Grundlage des 4 HmbVwVG bestimmt der Senat in 1 der Anordnung über die Vollstreckungsbehörden die Vollstreckungsbehörden in Hamburg. Zu den Vollstreckungsbehörden gehören die Fachbehörden, darunter auch die Schulbehörde. Eine einzelne Schule als solche stellt jedoch keine Fachbehörde dar. Damit ist die Schule bzw. die Schulleiterin zur Vollstreckung ihrer Verwaltungsakte gar nicht befugt. 5 Abs. 1 HmbVwVG sieht für solche Fälle die Unterstützung durch Vollstreckungsbehörden vor. Demnach können Vollstreckungsbehörden auf Ersuchen der nicht vollstreckungsbefugten Stellen die Vollstreckung durchführen. Die Polizeibeamten sind als Teil der Behörde für Inneres vollstreckungsbefugt. Daher besteht in diesem Fall kein Bedenken wegen des 10
Grundsatzes der Selbstvollstreckung. Mithin ist eine Grundverfügung ergangen, die die Polizeibeamten vollstreckt haben. Damit ist nicht die unmittelbare Ausführung gemäß 7 SOG, sondern der unmittelbarer Zwang gemäß 14 lit. C) HmbVWVG, 18 SOG die richtige Rechtsgrundlage für die Vollstreckungshandlung. II. Formelle Rechtsmäßigkeit 1. Zuständigkeit Die Polizeibeamten sind gemäß 5 HmbVwVG zur Vollstreckung befugt. 2. Verfahren Da es sich bei der Vollstreckung nicht um einen Verwaltungsakt handelt, ist eine Anhörung nach 28 VwVfG nicht erforderlich. II. Materielle Rechtmäßigkeit Des Weiteren ist zu prüfen, ob die Anwendung des unmittelbaren Zwangs materiell rechtmäßig ist. 1. Rechtmäßigkeit der Grundverfügung Zwar sind die Vollstreckungsbehörden gemäß 5 Abs. 2 HmbVwVG an das Ersuchen gebunden und zu einer Nachprüfung der Grundverfügung nicht verpflichtet, dennoch ist bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahme den ihr voraus gehende Verwaltungsakt auf dessen Rechtmäßigkeit zu prüfen. a. RGL des Grundverwaltungsaktes Das Hausverbot stellt- wie schon oben geprüft- einen Verwaltungsakt dar und findet seine Grundlage in der Zuweisung der eigentlichen Verwaltungsaufgabe, die als Annex auch die Berechtigung zur Störungsabwehr beinhaltet. Die Rechtsgrundlage für das Hausverbot bildet hier das sich aus der Leitungsfunktion der Schulleiterin ergebende Hausrecht. Vorliegend könnte die Schulleiterin als Leiterin einer Verwaltungsbehörde isv 3 SOG im Rahmen ihres Geschäftsbereiches auf die Mittel des SOG, in diesem Fall 12a SOG zugreifen. 11
Leitet man aber aus der Leitungsfunktion das Hausrecht her, ist dieses die speziellere Ermächtigung. Fraglich ist des Weiteren, ob der Grundverwaltungsakt als solcher einer besonderen gesetzlichen Grundlage bedarf. Eine besondere gesetzliche Grundlage ist schon deshalb nicht erforderlich, weil sich die Befugnis zum Erlass des Hausverbots bereits aus der allgemeinen, kraft öffentlichen Rechts bestehenden Kompetenz einer jeden Behörde ergibt, für einen störungsfreien Dienstbetrieb innerhalb ihres räumlichen Verwaltungsbereichs zu sorgen. Hinweis: Zur Problematik des Hausverbots vgl. Maurer, 18.Aufl., 3, Rn. 34 m. w. N. b. Formelle Rechtmäßigkeit Die Schulleiterin ist auch gemäß 89 Abs. 1 HmbSchulG kraft ihrer Leitungsfunktion für die Erteilung des Hausverbots zuständig. c. Materielle Rechtmäßigkeit der Grundverfügung Die Grundverfügung müsste auch materiell rechtmäßig sein. aa) Gefahr einer Störung oder Störung des ordnungsgemäßen Betriebs Die Schulleiterin müsste zur Abwehr einer Gefahr für die Verwaltungsaufgabe bzw. zur Beseitigung einer Störung das Hausrecht ausgeübt haben. Geschützt wird unter anderen das behinderungsfreie und gesetzmäßige Funktionieren der Einrichtungen und Veranstaltungen der mit Verwaltungsaufgaben beauftragten Stelle. Hier geht es um die Podiumsdiskussion in einer Schule, die dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule dient. Eine Gefahr ist dann anzunehmen, wenn bei ungehindertem Geschehensablauf hinreichend wahrscheinlich eine Schädigung eintreten kann. Vorliegend wollte B an der Podiumsdiskussion teilnehmen, obwohl es sich um eine zwar öffentlich-rechtlich relevante -, aber geschlossene Veranstaltung handelte und er davon rechtmäßig (siehe Bearbeitervermerk) ausgeschlossen wurde. Damit liegt die Gefahr einer vom Schutzzweck des Hausrechts erfassten Störung durch B vor. 12
bb) Richtiger Adressat B müsste auch richtiger Adressat des Hausverbotes (Störer) sein. Mangels einschlägiger Spezialnormen ist der Störerbegriff des HmbSOG zu Grunde zu legen. Hier ist B als unmittelbarer Verursacher der Gefahr Verhaltensstörer. cc)verhältnismäßigkeit Der Erlass des Hausverbotes müsste auch verhältnismäßig sein. Das Hausverbot ist zur Verhinderung der Störung der Veranstaltung erteilt worden. Die Nichtzulassung des B war auch rechtmäßig. Das Hausverbot ist auch geeignet, den B von der Podiumsdiskussion fernzuhalten. Ein milderes, gleich geeignetes Mittel ist nicht ersichtlich. Angesichts der Rechtmäßigkeit der Nichtzulassung des B zur Podiumsdiskussion ist das Hausverbot auch im engeren Sinne verhältnismäßig. cc) Zwischenergebnis Das erteilte Hausverbot ist damit auch materiell rechtmäßig. 2. Kein Suspensiveffekt des Rechtsbefehls, 18 HmbVwVG Zwangsmittel dürfen nur unter den Voraussetzungen des 18 Abs. 1 HmbVwVG angewandt werden. Hier könnte man an 18 Abs. 1 lit. c HmbVwVG i.v.m 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO denken. Vorliegend kann der Ausgangsverwaltungsakt den Polizeibeamten wohl nicht über 80 Abs. 2, Nr. 2 VwGO zugeordnet werden, denn die beiden vollstrecken lediglich den Verwaltungsakt der Schulleiterin. Die aufschiebende Wirkung entfällt daher nicht kraft Gesetzes. Auch eine schriftliche Anordnung der Vollziehung gemäß 18 Abs. 1 lit. b HmbVwVG durch die Schulleiterin erfolgte nicht. Von den Voraussetzungen des 18 HmbVwVG kann aber gemäß 27 HmbVwVG abgewichen werden, wenn eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung auf andere Weise nicht beseitigt werden kann. Eine Störung der Podiumsdiskussion ist hier gegeben. Aufgrund der beschränkten Dauer der Veranstaltung war die Störung in diesem Fall nicht auf andere Weise zu beseitigen. Mithin greift 27 HmbVwVG ein, der von 18 HmbVwVG entbindet. 13
3. Ordnungsgemäße Vollstreckung Zu prüfen ist, ob die Vollstreckung auch ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Die Anwendung des unmittelbaren Zwangs müsste den gesetzlichen Anforderungen gerecht werden. Der unmittelbare Zwang ist gemäß 22 Abs. 1 S. 1 SOG vor seiner Anwendung anzudrohen. Davon kann gemäß 22 Abs. 1, S. 2 SOG abgesehen werden, wenn die sofortige Anwendung des unmittelbaren Zwangs zur Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr notwendig ist. Bei 22 Abs. 1 SOG handelt es sich um eine spezielle Vorschrift bezüglich der Androhung von unmittelbarem Zwang im SOG. Die Eilbedürftigkeit nach 22 Abs. 1, S. 2 SOG ist nicht identisch mit der Eilbedürftigkeit nach 27 i.v.m 18 HmbVwVG. Bei 27 i.v.m 18 HmbVwVG bezieht sich die Eilbedürftigkeit auf die Tatsache, dass vor Bestandskraft vollstreckt werden soll, während 22 Abs. 1 SOG die Eilbedürftigkeit bezüglich der Androhung regelt. Vorliegend haben die Polizeibeamten ohne jedes Wort den B vom Schulgelände entfernt, es fehlte also an einer Androhung. Fraglich ist, ob gemäß 22 Abs. 1 S. 2 SOG die Umstände eine Androhung nicht zuließen. Es sind hier wohl keine Umstände ersichtlich, warum trotz der Eilbedürftigkeit der Vollstreckung jedenfalls eine Androhung unmöglich gewesen wäre, denn anders als bei 18 Abs. 2 HmbVwVG, der die Verstreichung einer angemessenen Frist (in der Regel ist ein Monat angemessen) vorsieht, genügt bei 22 Abs. 1, S. 2 SOG ein kurzer Moment. Die sofortige Anwendung von unmittelbarem Zwang ohne vorherige Androhung war hier zur Gefahrenabwehr nicht notwendig. Die Ausnahme des 22 Abs. 1, S. 2 SOG greift damit nicht ein. Mangels einer Androhung ist die Vollstreckung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. III. Ergebnis Das Vorgehen der Polizeibeamten ist mithin rechtswidrig. 14
15