Investment mit Rettungsschirm. Fachkräfte durch Nachqualifizierung. Dokumentation der Veranstaltung Berlin, 6. und 7.

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Investment mit Rettungsschirm. Fachkräfte durch Nachqualifizierung Dokumentation der Veranstaltung Berlin, 6. und 7. Dezember 2011

Investment mit Rettungsschirm. Fachkräfte durch Nachqualifizierung Dokumentation der Veranstaltung Berlin, 6. und 7. Dezember 2011

Inhaltsverzeichnis 5 Eröffnung und Grußworte Thomas Kieneke, Geschäftsführer der zukunft im zentrum GmbH Tag 1 8 Zusammenfassung Tag 1 10 Das Förderprogramm Perspektive Berufsabschluss Stephanie Brauser- Jung, Projektträger im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. 12 Nachqualifizierung, eine unentdeckte Fachkräftereserve Margrit Zauner, Leiterin des Referats Berufliche Qualifizierung, Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen 14 Die Akteure und Akteurinnen der Nachqualifizierung in Berlin Ein Überblick Susanne Neumann, Leiterin des Projektes leap, zukunft im zentrum GmbH; Joachim Dellbrück, Leiter des Projektes Serviceagentur Nachqualifizierung Berlin (SANQ), GFBM e. V. 17 Improvisationstheater Schmetterlings Tag 2 32 Zusammenfassung Tag 2 34 Regionale Strukturentwicklung und Beratung in der Nachqualifizierung Natascha Knoll, wissenschaftliche Begleitung der Förderinitiative 2 Abschlussorientierte modulare Nachqualifizierung im Programm Perspektive Berufsabschluss, Forschungsinstitut Betriebliche Bildung 39 Nachqualifizierung, ein Beratungsthema eine Einordnung in die Qualitätsentwicklung nach dem Berliner Modell Frank Schröder, Geschäftsführer der k.o.s GmbH mit dem Projekt Koordinierungsstelle Qualität 45 Bildungs- und Qualifizierungsberatung in Berlin Ein Überblick Susanne Neumann, Leiterin des Projektes leap, zukunft im zentrum GmbH 18 AUSTAUSCHECKEN 20 Ecke 1: Unternehmen für Nachqualifizierung gewinnen Uwe Otto, verantwortlich für das Netzwerk-Management der Stiftung HandWerk stiftet Zukunft während der Laufzeit des JobStarter- Projektes 23 Ecke 2: Personalgewinnung, -entwicklung und -bindung: Welche Rolle kann Nachqualifizierung spielen? Jens Riepel, Berater im Projekt JobMotion, zukunft im zentrum GmbH 25 Ecke 3: Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für die Nachqualifizierung gewinnen Dr. Anja Voß, Leiterin des Ressorts "Wissenschaftliche Weiterbildung und Weiterbildungsforschung an der Gemeinsamen Arbeitsstelle der Ruhr-Universität Bochum und der IG Metall 28 Ecke 4: Umsetzung der Nach quali fizierung im Unternehmen Dieter Ramcke- Lämmert, Netzwerkko ordinator der Serviceagentur Nachqualifizierung Berlin (SANQ) 49 WORKSHOPS 50 Workshop 1: Nachqualifizierung in der Qualifizierungsberatung Susanne Neumann, Leiterin des Projektes leap, zukunft im zentrum GmbH; Jens Riepel, Berater im Projekt JobMotion, zukunft im zentrum GmbH 57 Service 59 Information 52 Workshop 2: Nachqualifizierung in der Bildungsberatung Lotte Ludvikova, Leiterin der Jobassistenz Friedrichshain-Kreuzberg, zukunft im zentrum GmbH 61 Förderhinweis 63 Impressum

Eröffnung und Grußworte THOMAS KIENEKE Geschäftsführer der zukunft im zentrum GmbH Der Geschäftsführer der zukunft im zentrum GmbH, Thomas Kieneke, begrüßte die Gäste der Veranstaltung herzlich in der Kalkscheune in Berlin-Mitte. Thomas Kieneke stellte zunächst das Portfolio der zukunft im zentrum GmbH vor: Verschiedene Projekte richten sich in den Bereichen Bildungs- und Qualifizierungsberatung an An- und Ungelernte und deren Arbeitgeber/innen und bieten Unterstützung und Informationen, unter anderem zum Instrument Nach qualifizierung. Für Menschen, deren Berufsabschluss nicht anerkannt oder anderweitig verwertbar ist, eröffnet Nachqualifizierung neue Wege hin zu qualifizierter Arbeit und mehr 5

gesellschaftlicher Teilhabe. Darüber hinaus können Unternehmen die Potenziale der an- und ungelernten Mitarbeiter/innen im eigenen Unternehmen nutzen, indem diese durch Nachqualifizierung zu Fachkräften aufgebaut werden. Dies ist besonders wichtig vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des in diesem Zusammenhang viel diskutierten Fachkräftemangels. Nachqualifizierung ist aber auch eine Möglichkeit für Unternehmen, ihrer sozialen Verantwortung nachzukommen und ihre Attraktivität als Arbeitgeber/in zu steigern. Investment mit Rettungsschirm. Fachkräfte durch Nachqualifizierung Tag 1 Da in der Entwicklung von Mitarbeiter/innen in Unternehmen die Nachqualifizierung bisher eine eher untergeordnete Rolle spielt, dankte Herr Kieneke dem Europäischen Sozialfonds (ESF), dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (SenAIF) für die Förderung des Projektes, um das Anliegen zu transportieren und eine höhere Akzeptanz in den Unternehmen und der Gesellschaft zu erreichen.

Investment mit Rettungsschirm. Fachkräfte durch Nach qualifizierung Tag 1 MODERATION: DANIEL HERBSTREIT Berater im Projekt leap, zukunft im zentrum GmbH Mit der Veranstaltung Investment mit Rettungsschirm. Fachkräfte durch Nachqualifizierung präsentierte sich das Projekt leap den Akteur/innen der Nachqualifizierung und interessierten Unternehmen. Eingeladen waren Unternehmen, Kammern und Innungen, Vertreter und Vertreterinnen der Agenturen für Arbeit und Jobcenter, Bildungsdienstleister sowie Bildungs- und Qualifizierungsberater/innen. Insgesamt 51 Damen und Herren folgten unserer Einladung. Von politischer Seite besteht aufgrund der hohen Arbeitslosenzahlen unter An- und Ungelernten sowie aufgrund des gerade verabschiedeten Anerkennungsgesetzes der Wille, das Instrument Nachqualifizierung bekannt zu machen und be sonders Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, ihren Beitrag zur Qualifizierung zu leisten. Gleichzeitig steigt in vielen Unternehmen aufgrund des Fachkräftemangels der Druck, qualifizierte Mitarbeiter/innen zu finden und zu halten und dies möglichst kostengünstig. Ziel der Fachveranstaltung war deshalb die Diskussion folgender Fragen: Wie lässt sich diese Diskrepanz zwischen politischer Zielstellung und wirtschaftlicher Realität überwinden? Wie lässt sich Nachqualifizierung in die Personalentwicklung eines Unternehmens integrieren? Wie lassen sich Nachqualifizierungen konkret umsetzen und in die betrieblichen Abläufe einfügen? Welche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kommen überhaupt für das Nachholen eines Berufsabschlusses in Frage und wie können Unternehmensvertreter/innen sie motivieren? Einen einführenden Vortrag zum Förderprogramm Perspektive Berufsabschluss des Bundesministeriums für Bildung und Forschung hielt Stephanie Brauser-Jung vom Projektträger im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. Margrit Zauner von der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen stellte in ihrem Beitrag die Aktivitäten der Senatsverwaltung zur Fachkräftesicherung vor. Im Anschluss daran skizzierten Susanne Neumann, Leiterin des Projektes leap, und Joachim Dellbrück, Leiter des Projektes Serviceagentur Nachqualifizierung Berlin (SANQ), das Netzwerk der Nachqualifizierung in Berlin und präsentierten bisherige Ergebnisse der Netzwerkarbeit. SANQ ist neben leap das zweite Berliner Projekt, das im Rahmen der Förderinitiative 2 Abschlussorientierte modulare Nachqualifizierung des Programms Perspektive Berufsabschluss gefördert wird. Die Improvisationstheatergruppe Schmetterlings ermöglichte den Gästen der Veranstaltung dann ein kurzes Durchatmen und Umdenken, Lockern und Lachen. Dabei ließen sie fast unbemerkt Begriffe aus dem Bereich Nachqualifizierung einund umfließen. Nach einer kurzen Pause starteten die Diskussionen an unseren vier Austauschecken, wo in Form von Speedworkshops Anstöße und Antworten zu Fragen rund um die betriebliche Nachqualifizierung gegeben wurden: Ecke 1: Unternehmen für Nachqualifizierung gewinnen Ecke 2: Personalgewinnung, -entwicklung und -bindung: Welche Rolle kann Nachqualifizierung spielen? Ecke 3: Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für die Nachqualifizierung gewinnen Ecke 4: Umsetzung der Nachqualifizierung im Unternehmen An jeder der vier Austauschecken stand den Gästen unserer Veranstaltung jeweils ein Experte bzw. eine Expertin zur Verfügung, der oder die die Diskussion leitete. Die Ergebnisse und Erkenntnisse der Diskussionen sind in dieser Dokumentation gebündelt und werden allen Interessierten als Informationsquelle und Handlungsanregung zur Verfügung gestellt. Wir danken allen Beteiligten herzlich für ihr Engagement und die anregende Zusammenarbeit! Das Team des Projektes leap 8 9

Das Förderprogramm Perspektive Berufsabschluss STEPHANIE BRAUSER-JUNG Projektträger im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. Stephanie Brauser-Jung stellte das Programm Perspektive Berufsabschluss des Bundes ministeriums für Bildung und Forschung vor. Obwohl eigentlich für das Management der Förderinitiative 1 Regionales Übergangsmanagement zuständig, übernahm Stephanie Brauser-Jung die Darstellung der Projekttätigkeiten in der Förderinitiative 2 Abschlussorientierte modulare Nachqualifizierung stellvertretend für Frau Dr. Petra Post, die krankheitsbedingt kurzfristig absagen musste. Unser herzlicher Dank hierfür an Stephanie Brauser-Jung! In der Förderinitiative 2 Abschlussorientierte modulare Nachqualifizierung stehen unter anderem die in Unternehmen schlummernden Potenziale der an- und ungelernten Mitarbeiter/innen im Fokus stille Reserven, auf die kein Unternehmen verzichten sollte. Mit dem Programm soll eine win-win-situation geschaffen werden: Durch den nachträglichen Erwerb eines anerkannten Berufsabschlusses erhalten die Anund Ungelernten bessere Chancen am Arbeitsmarkt, während die Unternehmen die betreffenden Mitarbeiter/innen am eigenen Fachkräftebedarf orientiert qualifizieren können und dabei auch die unternehmensinternen Kenntnisse der an- und ungelernten Mitarbeiter/innen nicht verlieren. Unterstützung erfahren die Projekte der Förderinitiative Abschlussorientierte modulare Nachqualifizierung durch drei Begleitprojekte: Unterstützung regionaler Projekte zur Nachqualifizierung zu Fragen der Zulassung zur Externenprüfung, wofür die Zentralstelle für Weiterbildung im Handwerk (ZWH) verantwortlich ist. Mit MigrantInnen für MigrantInnen Interkulturelle Kooperation zur Verbesserung der Bildungsintegration, umgesetzt von der MOZAIK ggmbh, Bielefeld, in acht Pilotregionen (insgesamt zehn Projekte). Ziel ist die Stärkung des Selbsthilfepotenzials von Migrantenorganisationen durch Bündelung und die Einbindung dieser Organisationen in die regionalen Netzwerke. Ausbildungsförderung in der türkischen Community durch bessere Einbeziehung von Ethnomedien, wofür das Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung (ZfTI) verantwortlich ist. Ziel ist die Erhöhung der Ausbildungsbeteiligung türkeistämmiger Jugendlicher und junger Erwachsener durch die Einbeziehung türkischsprachiger Medien. Stephanie Brauser-Jung schloss ihre Ausführungen mit der Bemerkung, dass Nachqualifizierung nur gelingen kann, wenn die Betroffenen eng zusammenarbeiten: Sowohl die Politik als auch die Unternehmen und jeder Einzelne sind gefordert, einen Beitrag zum erfolgreichen Zusammenwirken zu leisten. 10 Das Förderprogramm Perspektive Berufsabschluss Das Förderprogramm Perspektive Berufsabschluss 11

Nachqualifizierung, eine unentdeckte Fachkräftereserve MARGRIT ZAUNER Leiterin des Referats Berufliche Qualifizierung, Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen Margrit Zauner berichtete über Aktivitäten der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen zur Fachkräftesicherung in Berlin. Dabei verwies sie zu Beginn ihres Vortrags auf die besondere Situation in Berlin, einer Metropole mit einem großen Potenzial an gut qualifizierten Fachkräften und gleichzeitig auch einer Ballung von sozialen Problemlagen. Berlin ist größer, differenzierter, vielfältiger und meist etwas anders als andere Regionen in Deutschland, so Frau Zauner. Aus der Gemeinsamen Fachkräftestudie Berlin- Brandenburg entnehme sie drei Nachrichten, von denen nur eine schlecht sei: die Region habe in 20 Jahren einen hohen Fachkräftebedarf zu rechnen sei mit etwa 460.000 nicht adäquat besetzbaren Stellen. Eine gute Nachricht sei, dass der Fachkräftemangel geringer ausfallen werde als beispielsweise in Bayern oder Baden-Württemberg. Die andere gute Nachricht laute, dass man diesem Mangel entgegensteuern könne wenn alle Akteure gemeinsam daran arbeiten, die über 100 Handlungsempfehlungen der Fachkräftestudie abzuarbeiten. Ihr liege besonders die Sensibilisierung von Unternehmen für ihre unentdeckten Reserven, wie die im Unternehmen Beschäftigten, die noch Qualifizierungspotenzial haben, am Herzen. Der Berliner Masterplan Qualifizierung ist das Ergebnis eines gemeinsamen Diskussionsprozesses der Regionaldirektion für Arbeit Berlin-Brandenburg, des Deutschen Gewerkschaftsbundes Berlin-Brandenburg, der Handwerkskammer Berlin, der Industrie- und Handelskammer Berlin sowie von Unternehmensverbänden zu gemeinsamen Anstrengungen zur Erhöhung der Qualifizierungsaktivitäten. Insgesamt sollten die Qualifikationen der Berliner und Berlinerinnen als Standortfaktor genutzt werden. Das bedeute mehr als Fachkräfte auf Ingenieursniveau zu fördern oder die Ausbildungsquote zu erhöhen. Vielmehr gelte es auch, die bereits vorhandenen Ressourcen im eigenen Unternehmen zu analysieren und zu nutzen. Für das Fehlen von Berufsabschlüssen gebe es vielfältige Gründe und es gebe genug gute Beispiele, wie erfolgreiche Qualifizierungen für alle Beschäftigtengruppen im Unternehmen organisiert werden können. Eine erfolgreiche Qualifizierung bringe hohe Zufriedenheit auf allen Seiten. 12 Nachqualifizierung, eine unentdeckte Fachkräftereserve Lorem ipsum dolor sit amet, consectetur adipisicing elit 13

Die Akteure und Akteurinnen der Nach qualifizierung in Berlin Ein Überblick SUSANNE NEUMANN Leiterin des Projektes leap, zukunft im zentrum GmbH JOACHIM DELLBRÜCK Leiter des Projektes Serviceagentur Nachqualifizierung Berlin (SANQ), GFBM e. V. Susanne Neumann und Joachim Dellbrück stellten in ihrem Beitrag die Partner und Partnerinnen im Berliner Netzwerk zur Nachqualifizierung vor. Die beiden Projekte leap und SANQ sind gemeinsam dabei, in diesem Netzwerk Strukturen für die Nachqualifizierung zu entwickeln. Das Projekt SANQ arbeitet seit Mai 2008, das Projekt leap seit September 2010 in Berlin mit den verschiedenen Akteuren und Akteurinnen. Die Hauptakteur/innen der Nachqualifizierung in Berlin sind im Folgenden näher beschrieben. 1. Erwachsene Gemeint sind dabei nicht nur jugendliche Erwachsene, sondern vor allem auch Erwachsene über 25 Jahre. 2. Unternehmen, die An- und Ungelernte beschäftigen Diese Unternehmen haben Bedarf an Fachkräften und den Wunsch nach Mitarbeiter/innen mit Berufsabschluss. Allerdings können die Unternehmen erst dann Akteure der Nachqualifizierung werden, wenn Bedarf und Wunsch zu einer konkreten Nachfrage werden. Darüber hinaus stellen die Unternehmen in der Nachqualifizierung den Lernort bereit. 3. Institutionen, die die Finanzierung übernehmen können Das sind in erster Linie die Arbeitsagenturen und Jobcenter für die Personen ohne Berufsabschluss und für die Unternehmen der Arbeitgeberservice der jeweiligen Agentur für Arbeit. 4. Bildungsdienstleister sind als Umsetzer von Nachqualifizierung aktiv Das Projekt SANQ arbeitet seit 2008 an der Entwicklung eines Trägernetzwerkes. Auf der Basis einer Analyse dienen die gewonnenen Erkenntnisse als Grundlage für einen Qualitätskodex (Standards) für Nachqualifizierungs angebote, nach dem die bis dato 30 Bildungsdienstleister im SANQ-Netzwerk planen und agieren. leap ist in die Entwicklung dieser Standards eng eingebunden. Der Qualitätskodex im SANQ-Netzwerk hat Einfluss auf zwei Ebenen: a. Ordnungsebene Auf der Ordnungsebene werden die Verfahrensabsprachen mit den Kammern und Innungen abgestimmt. Vereinbarte und erfüllte Qualitätsmerkmale sollen die Zusammenarbeit zwischen Bildungsträgern und zuständigen Stellen standardisieren und somit eine leichtere Überprüfbarkeit bei Einzelfällen bieten. b. Finanzierungsebene Standardisierte Angebote können besser kommuniziert werden und lassen sich deshalb besser in die Fördersystematik gemäß den Vorgaben durch das SGB II und III einordnen. Die Initiierung und Erstellung von Nachqualifizierungsangeboten auf dem Niveau der SANQ-Standards haben einen Grundstein für die Arbeit von leap gelegt und bilden die Basis der Beratungsleistungen für Unternehmen im Projekt leap. 5. Gewerkschaften Sie fungieren als Sprachrohr zur Ansprache der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Gewerkschaften sind als Interessenvertreterinnen der Beschäftigten in der Position, diese zu ermuntern, den Weg der Nachqualifizierung zu gehen, um das Risiko des Arbeitsplatzverlustes zu vermindern. Außerdem können Gewerkschaften auf eine gleichberechtigte Teilhabe an Weiterbildung auch der Mitarbeiter/innen ohne Berufsabschluss hinwirken. An dieser Stelle verwies Susanne Neumann auf die Funktion von Qualifizierungstarifverträgen, auf 14 Die Akteure und Akteurinnen der Nach qualifizierung in Berlin Ein Überblick Die Akteure und Akteurinnen der Nach qualifizierung in Berlin Ein Überblick 15

die später an der Diskussionsecke 3 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für die Nachqualifizierung gewinnen eingegangen wurde. 6. Unternehmensverbände und Innungen Die Unternehmensverbände und Innungen sollen im Projekt leap besonders in den Fokus gerückt werden. Sie zu gewinnen ist ein Ziel, um u. a. die im Projekt leap entwickelten Bedarfsanalysen zu verbreiten und einen Eindruck von der Nachfrage und den betrieblichen Bedingungen für Nachqualifizierung zu erhalten. Darüber hinaus nützen die Bedarfsanalysen den Verbänden und Innungen, um Bedarfe zeitnah zu erkennen und eventuell im Verbund darauf reagieren zu können. 7. Bildungs- und Qualifizierungsberater/ innen Susanne Neumann beschrieb die Qualifizierungsberater/innen als Wegbereiter/innen für Qualifizierungsmaßnahmen in den Unternehmen, die Bildungsberater/innen hingegen als Wegbereiter/innen für individuelle, zielorientierte Bildungswege von Menschen. 8. Politik Besonders für die landespolitische Unterstützung des Bundesprojektes leap bedankte sich Susanne Neumann in ihren Ausführungen. Die starke Verankerung des Themas Abschlussorientierte modulare Nachqualifizierung in der Landespolitik Berlins über die beiden Masterpläne Berliner Masterplan Qualifizierung und Masterplan Industriestadt Berlin erleichterten die Arbeit von leap und SANQ. Zudem ist mit der Einführung des kürzlich verabschiedeten Gesetzes zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen (BQFG), kurz Anerkennungsgesetz, ein zusätzlicher Ansatzpunkt für Nachqualifizierungsangebote entstanden. 9. Öffentlichkeit In Verbindung mit Themen wie Fachkräftebedarf und dem o. g. Anerkennungsgesetz in den Medien, werden die Zielgruppen der Nachqualifizierung in der Öffentlichkeitsarbeit auf das Thema Nachqualifizierung aufmerksam gemacht. Der Begriff Nachqualifizierung muss einer breiten Öffentlichkeit erklärt werden auch um den Begriff in der Bildungssystematik nachhaltig zu verankern. Improvisationstheater Schmetterlings Die Improvisationstheatergruppe Schmetterlings lockte mit ihrer Aufführung die Gäste der Veranstaltung mit dem Thema aus dem Thema. Locker und witzig wurden in einer Einlage die Begriffe Externenprüfung und Fachkräfte von einer fiktiven Personalverantwortlichen untersucht, auseinander genommen und wieder zusammengesetzt. Im Anschluss daran wurden die Veranstaltungsgäste Zeugen eines Dialogs zweier Schlecker- Mitarbeiterinnen, die über Umwege zur Nachqualifizierung fanden. Zum Schluss sprachen zwei fiktive Angestellte einer Werkstatt für Elektrospulen über ihren Arbeitsalltag wobei jeder Satz mit dem jeweils nächsten Buchstaben des Alphabets begann. Herzlichen Dank an die Schmetterlings für ihren humorvollen Auftritt! 16 Die Akteure und Akteurinnen der Nach qualifizierung in Berlin Ein Überblick

Austauschecken Nach einer kurzen Pause starteten die Diskussionen an den vier Austauschecken. In 15-minütigen Speedworkshops wurden Fragen und Lösungsansätze rund um die betriebliche Nachqualifizierung diskutiert. An jeder Ecke leitete jeweils ein/e Expert/in die Diskussion, ausgehend von je zwei Impulsfragen. Folgende Themen wurden diskutiert: Ecke 1: Unternehmen für Nachqualifizierung gewinnen Nachqualifizierung ist ein Instrument, das praxis nah, tätigkeitsorientiert und in abgeschlossenen Modulen auf einen anerkannten Berufsabschluss hinführt. Neben einem oder mehreren Bildungsdienstleistern wird dabei das Unternehmen als Lernort genutzt. Unternehmen sind allerdings nicht nur Kooperationspartner, sondern selbst zentrale Akteure der Nachqualifizierung. Bisher ist die Nachqualifizierung aber ein eher unbekanntes und kaum genutztes Instrument. Die Unternehmen müssen deshalb zunächst informiert und sensibilisiert werden, etwa von Qualifizierungsberater/innen. Uns interessierte vor allem die Frage, wie Qualifizierungsberater/innen diese Aufgabe meistern können. Ecke 2: Personalgewinnung, -entwicklung und -bindung: Welche Rolle kann Nachqualifizierung spielen? Wenn von Personalgewinnung, -entwicklung und -bindung die Rede ist, tauchen vor dem inneren Auge immer noch meist gut ausgebildete männliche Angestellte auf, die sich auf Führungsaufgaben vorbereiten wollen. Doch auch die weniger gut oder gar nicht qualifizierten Mitarbeiter/innen müssen in die Personalentwicklungsstrategien der Unternehmen einbezogen werden. Wie kann Nachqualifizierung für diese Ziele genutzt werden? Ecke 3: Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für die Nachqualifizierung gewinnen Zielgruppe der Nachqualifizierung sind die An- und Ungelernten, diejenigen also, denen ein anerkannter Berufsabschluss fehlt oder deren Abschlüsse veraltet oder nicht anerkannt sind. Für die Projektarbeit von leap besonders interessant sind die sozialversicherungspflichtig beschäftigten An- und Ungelernten, die berufsbegleitend zum anerkannten Berufsabschluss geführt werden können. Aber kann eine Qualifizierung gelingen, die vom Arbeitgeber angeordnet wurde? Oder ist es sinnvoll zu versuchen, die intrinsische Motivation der Mitarbeiter/innen hinsichtlich einer Qualifizierung zu erhöhen, etwa durch die Einbeziehung von Interessensvertretern? Und welche Gruppen im Unternehmen eignen sich überhaupt als Motivatoren? Ecke 4: Umsetzung der Nachqualifizierung im Unternehmen Hauptargument gegen die Nachqualifizierung ist die schwierige Umsetzung Mitarbeiter/innen müssen freigestellt, die Inhalte mit einem Bildungsdienstleister koordiniert werden, eine Finanzierung muss abgesprochen und gesichert werden. Welche Formen der Kooperation und Organisation von Qualifizierungsangeboten wünschen sich Unternehmen? Welchen Beitrag müssen Unternehmen leisten, damit eine Kooperation gelingen kann? 18 19

ECKE 1 Unternehmen für Nachqualifizierung gewinnen EXPERTE: UWE OTTO verantwortlich für das Netzwerk-Management der Stiftung HandWerk stiftet Zukunft während der Laufzeit des Jobstarter-Projektes HINTERGRUND ABLAUF ARBEITSERGEBNISSE Beratung in Unternehmen Die Stiftung HandWerk stiftet Zukunft wurde als Projekt im Rahmen des Bundesprogramms Jobstarter gegründet und ist seit 2009 aktiv. Die Verantwortung für die Durchführung des Projektes lag bei der Innung Sanitär-Heizung- Klempner-Klima Berlin. Ziel der Stiftung ist es, die betriebliche Ausbildung im Berliner Handwerk vielfältig und nachhaltig zu fördern. Sie ist eine gewerkeübergreifende Bildungsinitiative des BerlinerHandwerks, von Innungen, Herstellern, Großhändlern, Energieversorgern, Bildungsinstitutionen und Privatpersonen. IMPULSFRAGEN Welche Unterschiede zwischen Ausbildung und Nachqualifizierung gibt es, und welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede verdeutlichen, dass sich beide ergänzen? Was öffnet der Nachqualifizierung die Türen im Unternehmen? Uwe Otto bat die Besucher/innen seiner Austauschecke, sich in die Rolle eines Unternehmers bzw. einer Unternehmerin zu versetzen und sich die Frage zu stellen, wie eine informierende Beratung zum Thema Nachqualifizierung gestaltet werden sollte. Kann die Darstellung des Wettbewerbsvorteils ausreichen, um das Interesse am Thema zu wecken? Wie kann der Mehrwert der Nachqualifizierung skizziert werden, wie die entstehenden Kosten für das Unternehmen? Zudem lenkte er die Aufmerksamkeit darauf, welchen Anteil Öffentlichkeitsarbeit für das Instrument Nachqualifizierung spielt oder spielen sollte. Wie ist es um das Image der Nachqualifizierung bestellt? Welche Erwartungen haben Unternehmen? Uwe Otto regte einen Austausch von Ideen und Erfahrungen an, wie Kammern, Innungen und Verbände in die Umsetzung von Nachqualifizierung einbezogen werden könnten. Abschließend stellte er die Frage, ob ein Fachkräftemangel gleichzusetzen wäre mit einem Mangel an Auszubildenden. Öffentlichkeitsarbeit, Öffentlichkeitsarbeit, Öffentlichkeitsarbeit! Ein Wort fiel im Verlauf der Diskussionen häufig: Öffentlichkeitsarbeit. Das Instrument Nachqualifizierung wurde von allen Seiten als wichtiges Teilstück in der deutschen Bildungssystematik bezeichnet. Es wurde jedoch mehrfach darauf hingewiesen, dass Nachqualifizierung immer noch zu wenig bekannt ist und entsprechend wenig genutzt wird. Nachqualifizierung und die vielfältigen Chancen, die sie für Mitarbeiter/innen und Unternehmen bietet, sollten mit einer übergreifenden Strategie bekannt gemacht werden. Dabei müssten aber alle beteiligten Akteure und Akteurinnen ihren Beitrag leisten. Als besonders wichtig wird dabei auch der Austausch zwischen den bezirklich angesiedelten Wirtschaftsförderungen und den kleinen und mittelständischen Unternehmen angesehen, wobei die Wirtschaftsförderungen als Multiplikatoren fungieren können. Was ist zu tun, wenn für bestimmte Tätigkeiten im Unternehmen der Berufsabschluss Voraussetzung ist oder durch Besetzung der relevanten Stellen mit Inhaber/innen von Berufsabschlüssen höhere Margen erzielt werden können? In der Regel richtet sich der Blick zunächst auf das Angebot des externen Arbeitsmarktes. Verbunden mit der Rekrutierung von Fachpersonal ist jedoch ein hoher Kosten- und Zeitfaktor: eine Anzeige muss geschaltet, das Bewerbermanagement umgesetzt und schließlich eine gute Einarbeitung gewährleistet werden. Darüber hinaus ist die Konkurrenz am Arbeitsmarkt groß besonders für kleine und mittelständische Betriebe. Fachkräfte aus den eigenen Reihen heraus zu rekrutieren schont nicht nur die Ressourcen, es minimiert auch das Risiko von Fehlbesetzungen, weil Unternehmen und Mitarbeiter/in sich bereits kennen. Auch die Möglichkeiten der Personalbindung durch Qualifizierung, auf die an der folgenden Diskussionsecke näher eingegangen wurde, sollten in der Beratung hervorgehoben werden. 20 Ecke 1: Unternehmen für Nachqualifizierung gewinnen Ecke 1: Unternehmen für Nachqualifizierung gewinnen 21

Voraussetzung für eine gelungene Beratung ist die Kenntnis des/der Berater/in über das deutsche Bildungssystem und die Möglichkeiten, zum Berufsabschluss zu gelangen. Auch das Prozedere der Anmeldung und Zulassung zur Externenprüfung und die dafür notwendigen Voraussetzungen sollten zum Wissensrepertoire des/der Beratenden gehören. Durch Good Practice-Beispiele kann die Nachqualifizierung in der Beratung anschaulich und überzeugend dargestellt werden. Ziele müssen klar definiert und der Ablauf von Nachqualifizierungsangeboten im Unternehmen ebenso wie entstehende Kosten und der zeitliche Aufwand transparent gemacht werden. Innerbetriebliche Zwänge sollten möglichst antizipiert werden. Zielgruppe der Beratung sind besonders KMU. Image und gesellschaftliche Verantwortung Besonders für Unternehmen mit Imageproblemen sind Projekte im Bereich der Personalarbeit eine Möglichkeit, das Ansehen in der Öffentlichkeit zu verbessern. So kann Marketing in eigener Sache betrieben werden mit dem angenehmen Nebeneffekt, Gutes zu tun. Darüber hinaus erhält die übergreifende Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Nachqualifizierung dadurch im günstigen Fall neue Impulse bzw. Good Practice-Beispiele. Es gibt Dienstleister Nachqualifizierungsmanagement kann als Dienstleistung ausgelagert werden. Das kommt dem Wunsch vieler Unternehmen entgegen, externe Personalmanager/innen einzusetzen, die über den Tellerrand des beauftragenden Unternehmens hinaus schauen können. Sollte das Management bei einem Projekt wie leap liegen, müsste allerdings vorab geklärt werden, wie die Qualifizierung nach dem Ende der Projektlaufzeit fortgeführt werden kann etwa durch einen Bildungsdienstleister. Insbesondere bei Unternehmen im Mittelstand besteht Nachfrage nach Beratung und Unterstützung zu den Möglichkeiten der Förderung von Nachqualifizierung durch Förderer wie die Agenturen für Arbeit, Jobcenter oder spezielle Förderprogramme. Aus- und Weiterbildung kostet Zeit und Geld Eine Forderung von Unternehmen ist oft, dass Ausund Weiterbildung nicht viel kosten darf. Allerdings ist der Kostendruck, der auf Bildungsdienstleistern lastet, schon jetzt sehr hoch. Möglichkeiten zur Einsparung bieten womöglich neue Lernformen, die in Austauschecke 4 diskutiert wurden. Generell muss aber die Sicht vertreten werden, dass Investitionen ins Humankapital ebenso wichtig sind wie Investitionen in andere Produktionsmittel. ECKE 2 Personalgewinnung, -entwicklung und -bindung: Welche Rolle kann Nachqualifizierung spielen? EXPERTE: JENS RIEPEL Berater im Projekt JobMotion, zukunft im zentrum GmbH IMPULSFRAGEN Wann bekommt die Zielgruppe der Nachqualifizierung, die An- und Ungelernten, Aufmerksamkeit bzw. eine Rolle in der Personalentwicklung? Welche Aussagen von Geschäftsführung und Personal management fordern eine/n Berater/in dazu auf, Nachqualifizierung für die Mitarbeiter/ innen vorzuschlagen? HINTERGRUND Jens Riepel ist Berater im Projekt JobMotion der zukunft im zentrum GmbH. Im Auftrag der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen und des Europäischen Sozialfonds berät JobMotion seit 2007 kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Berlin zu Fragen des generationengerechten Personal managements. Angesichts des demografischen Wandels und des steigenden Fachkräftebedarfs gewinnen nachhaltige Qualifizierung und eine Steigerung der Weiterbildungsbeteiligung aller Beschäftigten immer mehr an Bedeutung. ABLAUF Herr Riepel berichtete an der Austauschecke von seinen Erfahrungen aus der Beratung von Berliner Unternehmen. Er lenkte die Diskussion vor allem auf die Frage, wie die Zielgruppe der Nachqualifizierung in Beratungsprozessen in den Fokus gerückt werden kann. Denn die Gruppe der An- und Ungelernten wird insgesamt kaum mit den Themen Personalgewinnung, -entwicklung und -bindung in Verbindung gebracht. Wie können nun Berater/innen darauf hinwirken, dies zu ändern? 22 Ecke 1: Unternehmen für Nachqualifizierung gewinnen Ecke 2: Personalgewinnung, -entwicklung und -bindung: Welche Rolle kann Nachqualifizierung spielen? 23

An welchem Punkt des Beratungsprozesses ist es sinnvoll, das Instrument Nachqualifizierung ins Spiel zu bringen? Welche Signale weisen überhaupt auf Qualifizierungsbedarfe hin? Und welche Informationen kann der/die Berater/in selbst in den Prozess einbringen, um den Blick auf die An- und Ungelernten zu lenken? ARBEITSERGEBNISSE wenn der Druck steigt Häufig fielen Kommentare wie: Wenn der Schuh drückt, wird gehandelt. Unternehmen sind also dann besonders aufgeschlossen für Themen wie Nachqualifizierung, wenn tatsächlich ein Mangel an Fachkräften im Unternehmen spürbar ist. Generell treffen Fachkräftemangel und die Begleiterscheinungen des demografischen Wandels KMU härter als große Unternehmen, die als Arbeitgeber von vielen Beschäftigten auf den ersten Blick als attraktiver wahrgenommen werden. Als Vorteil der Nachqualifizierung wurde herausgearbeitet, dass Unternehmen durch sie eine größere Eigenständigkeit gegenüber dem Angebot des externen Arbeitsmarktes gewinnen können. Dabei kann auch Quereinsteiger/innen durch Nachqualifizierung der Zugang zu qualifizierten Stellen ermöglicht werden. Außerdem können Unternehmen durch Nachqualifizierung unmittelbar auf den Fachkräftebedarf reagieren. Der Qualitätsanspruch Gute Personalentwicklung sollte ein selbstverständlicher Anspruch einer Unternehmung an sich selbst sein. Denn Qualität und Innovationsdynamik im Unternehmen sind nur möglich, wenn die Mitarbeiter/innen ausreichend qualifiziert sind, wenn möglichst alle Potenziale freigelegt und genutzt werden. Deshalb ist die Investition in die Weiterbildung von Mitarbeiter/innen unbedingt notwendig. Laufen qualifizierte Mitarbeiter/innen zur Konkurrenz über? Verlassen Beschäftigte nach einer erfolgreichen Nachqualifizierung womöglich das Unternehmen und wechseln zur Konkurrenz? Die Angst ist wohl eher unbegründet auch Jugendliche werden im Rahmen von dualen Ausbildungen qualifiziert und bleiben nach ihrem Abschluss im Unternehmen. Es lassen sich vielmehr gute Argumente dafür anführen, dass die Bindung der Mitarbeiter/innen an das Unternehmen durch Nachqualifizierung gestärkt werden kann: Durch die Investition in die Mitarbeiter/innen erhöhen sich deren Motivation und Produktivität. Die Mitarbeiter/innen identifizieren sich stärker mit dem Unternehmen. Mit Aufnahme einer höherwertigen Arbeit im Unternehmen steigt das Verantwortungsbewusstsein der Mitarbeiter/innen. Durch das Engagement für Nachqualifizierung kann ein Unternehmen zudem sein Image und seine Attraktivität als Arbeitgeber verbessern, was wiederum die Personalgewinnung erleichtert. Im günstigen Fall könnte es bei Nachqualifizierungen auch zu einem Abfärbeeffekt auf Kolleg/innen kommen und dadurch zur Entwicklung einer positiven Lernkultur im Unternehmen. Besonders für KMU ist es wichtig, dass Verbundlösungen für Nachqualifizierung möglich gemacht werden, da einzelne Unternehmen mit der Organisation und Finanzierung von Nachqualifizierung oft überfordert sind. ECKE 3 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für die Nachqualifizierung gewinnen EXPERTIN: DR. ANJA VOSS Leiterin des Ressorts "Wissenschaftliche Weiterbildung und Weiterbildungsforschung" an der Gemeinsamen Arbeitsstelle der Ruhr-Universität Bochum und der IG Metall IMPULSFRAGEN Nachqualifizierung als Maßnahme oder Nachqualifizierung als Angebot? Wo ist die Beratung der An- und Ungelernten betriebsintern richtig verortet? HINTERGRUND Dr. Anja Voß ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ruhr-Universität Bochum. Sie leitet dort das Ressort Wissenschaftliche Weiterbildung und Weiterbildungsforschung an der Gemeinsamen Arbeitsstelle der Ruhr-Universität Bochum und der IG Metall. Diese Arbeitsstelle führt als Projektpartner die wissenschaftliche Begleitung des Projektes KonQreT im Rahmen des Programms weiter bilden des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales durch. Weitere Projektpartner sind die IG Metall Bezirk NRW, das IG Metall Bildungszentrum Sprockhövel und die Wert.Arbeit GmbH. Das Projekt KonQreT hat zum Ziel, die Verankerung und Umsetzung von Qualifizierungstarifverträgen in nordrhein-westfälischen Betrieben zu stärken. Dies soll besonders durch die Ausstattung von Betriebsräten mit dem notwendigen Fach- und Methodenwissen zum Qualifizierungstarifvertrag in der Metall- und Elektroindustrie TVQ NRW sowie zu Fragen der Gestaltung betrieblicher Weiterbildung erreicht werden Ferner ist auch eine Erweiterung der Rollenkompetenz intendiert, die gewährleisten soll, dass Betriebsräte die Regelungen von Qualifizierungstarifverträgen in ihren Unternehmen auch aktiv umsetzen können. Die Betriebsräte sind im Bereich der betrieblichen Weiterbildung im Rahmen des Projektes KonQreT als Ansprechpartner gewählt worden, da sie das Vertrauen der Beschäftigten genießen besonders das von Mitarbeitergruppen, die weniger im Fokus von betrieblichen Qualifizierungsmaßnahmen liegen, wie den Geringqualifizierten. Diese zu motivieren und über den TVQ NRW als tarifliches Instrument einer nachhaltigen Verankerung von Weiterbildung im Betrieb zu informieren, ist das Ziel der Projekttätigkeit. Hierbei wird der/die Betriebsrat/rätin systematisch in die betrieblichen Qualifizierungsaktivitäten einbezogen. 24 Ecke 2: Personalgewinnung, -entwicklung und -bindung: Welche Rolle kann Nachqualifizierung spielen? Ecke 3: Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für die Nachqualifizierung gewinnen 25

Der Vorteil der Instrumente Qualifizierungstarifvertrag und Betriebsvereinbarung zur Umsetzung von Qualifizierungen im Unternehmen liegt vor allem darin, dass sie verbindliche Vereinbarungen von Arbeitergeber- und -nehmerseite darstellen. Beschäftigte haben beispielsweise laut Qualifizierungstarifvertrag einen Anspruch auf jährliche Qualifizierungsgespräche mit dem Arbeitgeber. Darüber hinaus gibt es im TVQ Kosten- und Freistellungsregelungen für betrieblich notwendige Weiterbildung und Regelungen zur Ermittlung des Qualifizierungsbedarfs, zur Qualifizierungsplanung, zur Umsetzung von Qualifizierungsmaßnahmen sowie zur Beteiligung des Betriebsrates und der Beschäftigten. Ablauf Frau Dr. Voß erklärte zunächst das Instrument des Qualifizierungstarifvertrags. Anschließend wurden vor allem folgende Fragen diskutiert: Wie kann ein solcher Tarifvertrag für die Nachqualifizierung genutzt werden? Wird er als Maßnahme oder als Angebot für die Mitarbeiter/innen verstanden? Wie können Betriebsräte die Mitarbeiter/innen für Qualifizierungen mit dem Ziel Berufsabschluss gewinnen? Welche Unterstützung benötigen sie dabei und an welche Grenzen könnten sie stoßen? ARBEITSERGEBNISSE Betriebsräte als Personalentwickler? Als entscheidender Ansprechpartner für betriebliche Qualifizierungsmaßnahmen wurde der Betriebsrat genannt, der als Vertrauensperson am ehesten die Zielgruppe der Nachqualifizierung erreichen kann. Dies war allgemeiner Konsens im Rahmen der Veranstaltung. Kann darüber hinaus der Betriebsrat als Personalentwickler fungieren? Dies musste verneint werden. Lediglich Teile der Personalentwicklung können in die Hände des Betriebsrates gelegt werden, da sonst Kompetenzen überschritten und Strukturen im Unternehmen verwischt werden. Als Ansprechpartner für die Mitarbeiter/innen kann der Betriebsrat allerdings die wichtige Rolle eines Mittlers zwischen Personalabteilung und Mitarbeiter/innen übernehmen und für eine Vertrauensbasis z. B. bei der Motivation der Beschäftigten für Nachqualifizierung sowie bei der Ermittlung des Qualifizierungsbedarfs sorgen. Was tun, wenn es keinen Betriebsrat gibt? Qualifizierungstarifverträge können sowohl für Unternehmen wie auch für Mitarbeiter/innen ein Gewinn sein: Unternehmen erhalten qualifiziertes Personal und übernehmen darüber hinaus gesellschaftliche Verantwortung, was im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit gewinnbringend dargestellt werden kann. Mitarbeiter/innen können ihre beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten und ihre Position im Unternehmen verbessern. Was aber tun, wenn kein Qualifizierungstarifvertrag gilt? Wie geht ein Unternehmen ohne Betriebsrat mit solchen Ansprüchen um? Hier kann ein TVQ als Blaupause bzw. als Verhandlungsgrundlage genutzt werden. Als Ersatz für den TVQ kann eventuell auch eine Betriebsvereinbarung oder eine Kooperationsvereinbarung zwischen Arbeitnehmer/innen und Arbeitgeber/in geschlossen werden. Möglich ist auch ein Betriebsvertrag. Darüber hinaus sind Verbundlösungen gemeinsam mit anderen Unternehmen denkbar. Dies wäre eine attraktive und ressourcenschonende Möglichkeit, eine effektive Personalentwicklung auch in sehr kleinen Unternehmen zu installieren. Oft bieten auch Branchenverbände Unterstützung an. In KMU führe der Weg zum/zur Mitarbeiter/in über die Geschäftsführung, so ein Besucher der Veranstaltung. Fehle der Betriebsrat als Mittler, könne auch ein/e Mitarbeiter/in als Ansprechpartner/in für Belange der betrieblichen Qualifizierung benannt werden, der/die natürlich, um kompetent beraten zu können, für diese Rolle zu schulen wäre. Besonders bei der Wahl von qualifizierungsresistenten Mitarbeiter/innen für diese Rolle sind positive, motivierende Effekte möglich, da diese als Barometer für die Belegschaft dienen. Anstoß zur Qualifizierung kann außerdem ein bestimmter Anlass sein, etwa Kurzarbeit oder eine demografische Analyse der Belegschaft. Allerdings besteht hier das Problem, dass diese Art von Anstoß in der Regel nicht nachhaltig ist. Ein geplantes und strukturiertes Vorgehen des Unternehmens bei der Personalentwicklung ist letztlich unverzichtbar. Spezielle Gruppe spezielle Ansprache Für die Ansprache der Mitarbeiter/innen gilt: Pauschal ist gut spezifisch ist besser. Da nach wie vor gut ausgebildete männliche Angestellte im Fokus der Personalentwicklung stehen, sind besonders frauenspezifische Beratungs- und Bildungsangebote zu schaffen. Um die an- und ungelernten weiblichen Angestellten zu erreichen, sollten besonders die Frauenberatungsstellen einbezogen werden, betriebliche und auch überbetriebliche. Ähnlich verhält es sich mit der Gruppe der Migrant/innen. Migrantensensible Beratungs- und Bildungsangebote müssen geschaffen werden, um diese Mitarbeitergruppe in Qualifizierungsstrategien einzubeziehen. Besonders Migrant/ innen mit nicht anerkannten Berufsabschlüssen bergen große Potenziale, die häufig nicht genutzt werden gerade aber im Zuge der Diskussion um einen möglicherweise zu erwartenden Fachkräftemangel sollten sie stärker beachtet werden. 26 Ecke 3: Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für die Nachqualifizierung gewinnen Ecke 3: Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für die Nachqualifizierung gewinnen 27

ECKE 4 Umsetzung der Nachqualifizierung im Unternehmen EXPERTE: DIETER RAMCKE-LÄMMERT Netzwerkkoordinator der Serviceagentur Nachqualifizierung Berlin (SANQ) IMPULSFRAGEN Welche Lernformen machen Nachqualifizierung für Unternehmen attraktiv? Wie kann die Lernortkooperation zwischen Unternehmen und Bildungsdienstleister aussehen? HINTERGRUND Dieter Ramcke-Lämmert koordiniert das Netzwerk der Bildungsträger im Projekt Serviceagentur Nachqualifizierung Berlin (SANQ), umgesetzt von der Gesellschaft für berufsbildende Maßnahmen e. V. Das SANQ-Trägernetzwerk ist ein regionaler Arbeits- und Qualitätsverbund zur Realisierung der modularen Nachqualifizierung als Regelangebot. Derzeit sind im Netzwerk über 30 Bildungsdienstleister vertreten. Innerhalb dieses Netzwerks wurden die Berliner Standards für Nachqualifizierung abgestimmt, die neben einer hohen Qualität auch Flexibilität, Durchlässigkeit und die Verwertung von beruflichen Vorerfahrungen in den Nachqualifizierungsangeboten gewährleisten sollen. Im Einzelnen beziehen sich die Standards auf das Modulkonzept, die fachliche Feststellung, die Qualifizierung und Bildungsorganisation, die Modulprüfungen, die Externenprüfung und die Qualitätssicherung. Bildungsanbieter, die unter dem SANQ-Label Nachqualifizierung anbieten wollen, verpflichten sich, ihre Angebote nach diesen Standards umzusetzen. ABLAUF Neben den Impulsfragen wurden folgende Punkte diskutiert: Wie können die Berliner Standards für Nachqualifizierung Unternehmen zu Gute kommen? Wie werden die einzelnen Nachqualifizierungsangebote konzipiert bzw. dem Unternehmensbedarf angepasst? ARBEITSERGEBNISSE Qualifizierungszeit = Ausfallzeit? Betriebliche Weiterbildung ist wichtig für die einzelnen Mitarbeiter/innen und für das Unternehmen. Nachhaltig für Mitarbeiter/innen ist vor allem eine Weiterbildung, die betriebsunabhängig ist. Das trifft insbesondere auf Weiterbildungen zu, die zu einem Berufsabschluss führen, da der anerkannte Abschluss in einem Ausbildungsberuf höhere Chancen auf dem Arbeitsmarkt und eine gewisse Beschäftigungssicherheit bedeutet. Eine wichtige Frage, die sich den Unternehmen stellt, lautet: Wie können die Ausfallzeiten der zu qualifizierenden Mitarbeiter/innen minimiert werden? Das zu erbringende Tagesgeschäft und die Qualifizierung von Mitarbeiter/innen lassen sich oft nur schwer vereinbaren, so dass für die Unternehmen ein personeller Mehraufwand entstehen könnte. Bietet Nachqualifizierung eine Möglichkeit, diese Hürde zu umgehen? Nachqualifizierung die Vorteile Bei einer Nachqualifizierung ist es nicht unbedingt erforderlich, dass der oder die zu qualifizierende Mitarbeiter/in längere Zeiten in Weiterbildungseinrichtungen verbringt. Nachqualifizierung bezieht das Unternehmen als Lernort ein ähnlich wie bei einer dualen Ausbildung werden theoretische Inhalte in der Berufsschule oder beim Bildungsdienstleister vermittelt, praktische Anteile hingegen am Arbeitsplatz. Das kann beispielsweise bedeuten, dass der/die Arbeitgeber/in einen Tag pro Woche auf den/die Mitarbeiter/in verzichten muss, diese/r die übrigen vier Tage jedoch im Unternehmen arbeitet. Die Bildungsanbieter versuchen grundsätzlich, mit ihren Konzepten und Angeboten individuell auf Anfragen zu reagieren und werden ggf. auch Nachqualifizierungsangebote abends oder an den Wochenenden konzipieren (müssen). Nachqualifizierungsangebote in Blended Learning-Form, Telelernen oder E-Learningbasierte Nachqualifizierungen gibt es momentan in Berlin noch nicht. Allerdings sind die Berliner Bildungsanbieter durchaus bereit, neue Wege und Methoden auszuprobieren. Über Kooperationen zwischen Unternehmen und Bildungsdienstleistern können zudem differenzierte Angebote für kleinere und größere Unternehmen entstehen. Darüber hinaus kommt der modulare Aufbau der Nachqualifizierung dem Wunsch vieler Unternehmen nach kurzen, in sich abgeschlossenen Qualifizierungseinheiten entgegen. Zum Berufsabschluss wird in einzelnen Modulen geführt, die jeweils mit einer Modulprüfung abgeschlossen werden und ähnlich einem Baukastensystem je nach Bedarf und individueller Vorerfahrung bzw. auch dem zur Verfügung stehenden Zeitfenster am Stück oder einzeln absolviert werden. Die Berliner Standards für Nachqualifizierung bieten außerdem den Vorteil, dass die Angebote aus dem SANQ-Netzwerk vergleichbar sind. Die fehlende Vergleichbarkeit von betrieblichen Weiterbildungsangeboten wird von Unternehmen oftmals bemängelt. Qualifizierung neuer Wind im Unternehmen Durch Qualifizierungen gelangen neue Ideen und Impulse in Unternehmen, beispielsweise Informationen über neue Technologien oder bisher unerschlossene Märkte. Über die Bildungsdienstleister entsteht zudem ein Austausch zwischen den zu qualifizierenden Mitarbeiter/innen verschiedener Unternehmen. So wird über den Tellerrand geschaut bzw. auch ein Blick auf die Konkurrenz geworfen das ist wichtig für die Weiterentwicklung von Mitarbeiter/innen und von Unternehmen. Das Fundament einer Nachqualifizierung ist die Analyse der bereits vorhandenen Kompetenzen der zu qualifizierenden Mitarbeiter/innen. Diese Analyse zeigt außerdem an, welche Potenziale im Unternehmen vorhanden sind. Besonders für 28 Ecke 4: Umsetzung der Nachqualifizierung im Unternehmen Ecke 4: Umsetzung der Nachqualifizierung im Unternehmen 29

Investment mit Rettungsschirm. Fachkräfte durch Nachqualifizierung kleine und mittelständische Unternehmen kann das hilfreich sein, denn dort wird häufig kein oder nur wenig strukturiertes Personalmanagement betrieben und dementsprechend selten sind Kompetenz- oder Potenzialanalysen. Zielgruppenspezifische Qualifizierungsangebote Unternehmen fordern, die Lernformen der Bildungsangebote an das jeweilige Qualifikationsniveau anzupassen. Die Zielgruppe der An- und Ungelernten wird häufig als lernentwöhnt oder als bildungsfern identifiziert. Notwendig ist deshalb eine sensible und zielgruppenspezifische Vermittlung von Wissen, sowohl beim Bildungsträger als auch im Unternehmen. Das schließt, etwa bei Migrant/innen, eventuell eine sprachliche Förderung mit ein, außerdem eine individuelle fachliche und pädagogische Begleitung der Teilnehmer/innen durch Betrieb und Bildungsträger. Die praktischen Erfahrungen und Kompetenzen, die die Mitarbeiter/ innen mitbringen, werden in die Nachqualifizierung einbezogen und unterstützen das arbeitsplatznahe Qualifizierungskonzept. Bei Bedarf koordiniert und moderiert das Projekt leap die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Bildungsanbieter/in. Offen ist, ob und wie sich eine Moderation nach Ende der Projektlaufzeit von leap anbieten lässt. Möglicherweise gibt es im Rahmen des Berliner Masterplans Qualifizierung der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen weitere Unterstützungsmöglichkeiten. In jedem Fall können Erfahrungen aus realisierten Nachqualifizierungen genutzt werden, die als Beispiele für Good Practice bzw. Bad Practice dienen können. Ein Forum für den Austausch innerhalb der Bildungsdienstleister hat SANQ mit dem Trägernetzwerk bereits geschaffen. Tag 2 30 Ecke 4: Umsetzung der Nachqualifizierung im Unternehmen

Investment mit Rettungsschirm. Fachkräfte durch Nach qualifizierung Tag 2 MODERATION: DANIEL HERBSTREIT Berater im Projekt leap, zukunft im zentrum GmbH Susanne Neumann begrüßte die Gäste zum zweiten Tag der Veranstaltung Investment mit Rettungsschirm. Fachkräfte durch Nachqualifizierung im Namen der zukunft im zentrum GmbH und des leap-teams. Da einige Teilnehmer/innen am Vortag nicht anwesend waren, fasste Susanne Neumann den Inhalt des ersten Veranstaltungstages kurz zusammen und gab einige Eindrücke wieder. Sie dankte besonders den Referent/innen und Expert/innen des ersten Tages für die gelungenen Beiträge und wünschte allen Gästen einen interessanten und anregenden zweiten Tag. Am zweiten Tag stand nun eine Kernaufgabe des Projektes leap im Zentrum der Beiträge und Workshops: Beratung genauer gesagt Qualifizierungsund Bildungsberatung. In einem ersten Vortrag plädierte Natascha Knoll vom Forschungsinstitut Betriebliche Bildung für eine klare Zweiteilung des Handlungsfeldes in Qualifizierungsberatung und Bildungsberatung. Außerdem stellte sie die Aufgabenbereiche der wissenschaftlichen Begleitung der Förderinitiative 2 Abschlussorientierte modulare Nachqualifizierung des Programms Perspektive Berufsabschluss vor. Anschließend stellte Frank Schröder, Geschäftsführer der Koordinierungsstelle Qualität k.o.s GmbH, die Qualitätsentwicklung in der Beratung nach dem Berliner Modell vor und ordnete die Nachqualifizierung als neues Beratungsthema ein. Susanne Neumann, Leiterin des Projektes leap, skizzierte die Landschaft der Bildungs- und Qualifizierungsberatung in Berlin und listete die aktiven Berater/innen und Beratungsstellen auf. Nach einer kurzen Pause fanden schließlich parallel zwei Workshops statt: Workshop 1: Nachqualifizierung in der Qualifizierungsberatung Workshop 2: Nachqualifizierung in der Bildungsberatung Die Ergebnisse und Handlungsempfehlungen aus den Vorträgen und Workshops sind auf den folgenden Seiten dargestellt und sollen den Berliner Beratern und Beraterinnen Unterstützung und Ideen für ihre tägliche Arbeit liefern. 32 33