H. Moecke H. Marung S. Oppermann (Hrsg.) Praxishandbuch Qualitäts- und Risikomanagement im Rettungsdienst. Planung Umsetzung Zertifizierung

Ähnliche Dokumente
Nein! So what? Kultivierter Umgang mit Fehlern? Ersetzen die Sicherheitsinstrumente eine echte Kultur?

Persönliche Zukunftsplanung mit Menschen, denen nicht zugetraut wird, dass sie für sich selbst sprechen können Von Susanne Göbel und Josef Ströbl

Das Leitbild vom Verein WIR

Was ist Sozial-Raum-Orientierung?

Eva Douma: Die Vorteile und Nachteile der Ökonomisierung in der Sozialen Arbeit

Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

Primzahlen und RSA-Verschlüsselung

AUSBILDUNGSPROGRAMM ALS TEAMTRAINING EIN ERFAHRUNGSBERICHT

Die Post hat eine Umfrage gemacht

HUMAN FACTORS IM OP TEAMTRAINING FÜR ALLE

Catherina Lange, Heimbeiräte und Werkstatträte-Tagung, November

Wichtige Forderungen für ein Bundes-Teilhabe-Gesetz

Was meinen die Leute eigentlich mit: Grexit?

Alle gehören dazu. Vorwort

Das große ElterngeldPlus 1x1. Alles über das ElterngeldPlus. Wer kann ElterngeldPlus beantragen? ElterngeldPlus verstehen ein paar einleitende Fakten

Nicht über uns ohne uns

Erste-Hilfe-Schulung für Unternehmen

infach Geld FBV Ihr Weg zum finanzellen Erfolg Florian Mock

ONLINE-AKADEMIE. "Diplomierter NLP Anwender für Schule und Unterricht" Ziele

Das Persönliche Budget in verständlicher Sprache

40-Tage-Wunder- Kurs. Umarme, was Du nicht ändern kannst.

Die 7 wichtigsten Erfolgsfaktoren für die Einführung von Zielvereinbarungen und deren Ergebnissicherung

Fragebogen: Abschlussbefragung

Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung: EFRE im Bundes-Land Brandenburg vom Jahr 2014 bis für das Jahr 2020 in Leichter Sprache

Meet the Germans. Lerntipp zur Schulung der Fertigkeit des Sprechens. Lerntipp und Redemittel zur Präsentation oder einen Vortrag halten

Reporting Services und SharePoint 2010 Teil 1

Erklärung zu den Internet-Seiten von

Qualitätsbedingungen schulischer Inklusion für Kinder und Jugendliche mit dem Förderschwerpunkt Körperliche und motorische Entwicklung

Behindert ist, wer behindert wird

Wege zur Patientensicherheit - Fragebogen zum Lernzielkatalog für Kompetenzen in der Patientensicherheit

Welches Übersetzungsbüro passt zu mir?

Das NEUE Leistungspaket der Sozialversicherung. Mehr Zahngesundheit für Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr. Fragen und Antworten

Die Invaliden-Versicherung ändert sich

Studieren- Erklärungen und Tipps

L10N-Manager 3. Netzwerktreffen der Hochschulübersetzer/i nnen Mannheim 10. Mai 2016

Wichtig ist die Originalsatzung. Nur was in der Originalsatzung steht, gilt. Denn nur die Originalsatzung wurde vom Gericht geprüft.

Die Online-Meetings bei den Anonymen Alkoholikern. zum Thema. Online - Meetings. Eine neue Form der Selbsthilfe?

GPP Projekte gemeinsam zum Erfolg führen

geben. Die Wahrscheinlichkeit von 100% ist hier demnach nur der Gehen wir einmal davon aus, dass die von uns angenommenen

Wie oft soll ich essen?

Professionelle Seminare im Bereich MS-Office

Wir sind für Sie da. Unser Gesundheitsangebot: Unterstützung im Umgang mit Ihrer Depression

Leit-Bild. Elbe-Werkstätten GmbH und. PIER Service & Consulting GmbH. Mit Menschen erfolgreich

Andreas Rühl. Investmentfonds. verstehen und richtig nutzen. Strategien für die optimale Vermögensstruktur. FinanzBuch Verlag

Anleitung über den Umgang mit Schildern

Berufsunfähigkeit? Da bin ich finanziell im Trockenen.

Darum geht es in diesem Heft

Statuten in leichter Sprache

1. Man schreibe die folgenden Aussagen jeweils in einen normalen Satz um. Zum Beispiel kann man die Aussage:

Die neue Aufgabe von der Monitoring-Stelle. Das ist die Monitoring-Stelle:

Hinweise in Leichter Sprache zum Vertrag über das Betreute Wohnen

Pflegende Angehörige Online Ihre Plattform im Internet

A Lösungen zu Einführungsaufgaben zu QueueTraffic

Herzlich Willkommen beim Webinar: Was verkaufen wir eigentlich?

Projekt- Management. Landesverband der Mütterzentren NRW. oder warum Horst bei uns Helga heißt

~~ Swing Trading Strategie ~~

lernen Sie uns kennen...

Informationen zum Ambulant Betreuten Wohnen in leichter Sprache

Wir machen neue Politik für Baden-Württemberg

Die Gesellschaftsformen

Versetzungsgefahr als ultimative Chance. ein vortrag für versetzungsgefährdete

HealthCare Relationship Management.

Also heißt es einmal mehr, immer eine eigene Meinungen bilden, nicht beeinflussen lassen, niemals von anderen irgend eine Meinung aufdrängen lassen.

200,- Euro am Tag gewinnen Konsequenz Silber Methode Warum machen die Casinos nichts dagegen? Ist es überhaupt legal?

Info zum Zusammenhang von Auflösung und Genauigkeit

4 Ideen zur Verbesserung des -Marketings!

Alle Schlüssel-Karten (blaue Rückseite) werden den Schlüssel-Farben nach sortiert und in vier getrennte Stapel mit der Bildseite nach oben gelegt.

Der -Online- Ausbilderkurs

DAS PARETO PRINZIP DER SCHLÜSSEL ZUM ERFOLG

DER SELBST-CHECK FÜR IHR PROJEKT

ratgeber Urlaub - Dein gutes Recht

Geld Verdienen im Internet leicht gemacht

Papa - was ist American Dream?

NINA DEISSLER. Flirten. Wie wirke ich? Was kann ich sagen? Wie spiele ich meine Stärken aus?

Welche Bereiche gibt es auf der Internetseite vom Bundes-Aufsichtsamt für Flugsicherung?

Die Bundes-Zentrale für politische Bildung stellt sich vor

Zeichen bei Zahlen entschlüsseln

Kreativ visualisieren

s- Sparkasse Die Ausbildung ist schon mal gesichert! Die Sparkassen-KinderleichtVorsorge. Sparkassen-Finanzgruppe

Informationsblatt Induktionsbeweis

Antrag für ein Schlichtungs-Verfahren

Ihre PLM-Prozessexperten für Entwicklung und Konstruktion

Reputationsmanagement

Unsere vier hilfreichsten Tipps für szenarienbasierte Nachfrageplanung

B: bei mir war es ja die X, die hat schon lange probiert mich dahin zu kriegen, aber es hat eine Weile gedauert.

Einzelheiten zum Bundes-Teilhabe-Gesetz

1. Was ihr in dieser Anleitung

Lernerfolge sichern - Ein wichtiger Beitrag zu mehr Motivation

Gesprächsführung für Sicherheitsbeauftragte Gesetzliche Unfallversicherung

expopharm 30. September 2015

Lassen Sie sich dieses sensationelle Projekt Schritt für Schritt erklären:

Warum Sie jetzt kein Onlinemarketing brauchen! Ab wann ist Onlinemarketing. So finden Sie heraus, wann Ihre Website bereit ist optimiert zu werden

Was ist eigentlich MinLand?

Nicaragua. Wo die Menschen leben Mehr als die Hälfte der Menschen lebt in Städten. Denn auf dem Land gibt es wenig Arbeit.

Der Tag hat 24 Stunden. Bitte schreibt in die linke Spalte alles auf, was ihr gestern getan habt und euch noch einfällt: War es ein stressiger

- mit denen Sie Ihren Konfliktgegner in einen Lösungspartner verwandeln

Fragebogen im Rahmen des Projekts Neue Qualifizierung zum geprüften Industriemeister Metall

bestens ENDLICH: DIE PRAXISSOFTWARE, DIE BESTENS FUNKTIONIERT klar aktuell mobil einfach alles alles WIE SIE ES SICH WÜNSCHEN!

Großbeerener Spielplatzpaten

Transkript:

H. Moecke H. Marung S. Oppermann (Hrsg.) Praxishandbuch Qualitäts- und Risikomanagement im Rettungsdienst Planung Umsetzung Zertifizierung

9 Simulationstraining zur Verbesserung der Teamarbeit und Erhöhung der Patientensicherheit Marcus Rall, Joachim Koppenberg und Michael Henninger 9.1 Warum Simulationsteamtraining? Überall sonst, wo das Verhalten von Einzelnen oder Teams direkt über Leben und Tod entscheidet, hat sich die intensive Anwendung von Simulationsteamtrainings fest etabliert. Überall sonst erscheint es unvorstellbar, das geforderte Maß an Entscheidungs- und Aktionssicherheit ohne regelmäßige Simulationstrainings zu erreichen. Keine Behörde würde es einem Betreiber von Fluglinien, Kernkraftwerken oder Fluglotsen erlauben, ohne regelmäßige Simulationstrainings ihre Tätigkeit auszuüben. Nur in der Medizin, und auch speziell in der Notfallmedizin, sind Simulationstrainings weder in der Ausbildung, noch in der Weiterbildung, noch zur regelmäßigen Wiederholungsschulung vorgeschrieben. Ausgerechnet in einem der komplexesten Tätigkeitsfelder überhaupt, der präklinischen Notfallmedizin, sind Simulationstrainings auch heute noch optional und werden fast nirgendwo systematisch durchgeführt. Obwohl bekannt ist, dass Defizite im Teamwork zu einer Großzahl von kritischen Ereignissen führen und dass Teamtrainings die Patientensicherheit erhöhen (s. z.b. Catchpole et al. 2008; Neily et al. 2010; Dunn et al. 2007 oder Hicks et al. 2008), gibt es keine verpflichtenden Vorgaben, ja noch nicht einmal Empfehlungen. Das muss sich so schnell wie möglich ändern. Dieses Kapitel möchte dazu Anregungen liefern. 159

9 Simulationstraining zur Verbesserung der Teamarbeit 9 und Simulationstraining Erhöhung der Patientensicherheit zur Verbesserung der Teamarbeit und Erhöhung der Patientensicherheit! Train together who work together Jetzt! Warten Sie nicht auf optimale Bedingungen, fangen Sie so schnell wie möglich an, Teamtrainings durchzuführen. Simulieren Sie kritische Situationen und besprechen Sie diese im Team. Optimieren Sie die Trainings von Mal zu Mal. 9.2 Jedes Simulationstraining ist besser als kein Simulationstraining Das Wichtigste für die Patientensicherheit ist, dass wir beginnen, regelmäßige Simulationstrainings durchzuführen. Weiter unten wird dargestellt, welche Faktoren zu einer Optimierung der Trainingseffektivität führen können. Dennoch möchten wir alle Leser dazu anregen, den Beginn von Simulationstrainings nicht auf die lange Bank zu schieben, nicht zu warten, bis optimale Bedingungen erfüllt sind, nicht zu warten, bis man den großen Simulator hat oder die aufwändige Audio-Video-Anlage, nicht zu warten, bis das Simulationszentrum gebaut ist, sondern morgen anzufangen, das erste Training zu machen. Speziell Teamtrainings können zu großen Verbesserungen führen, auch wenn die dazu verwandte Technik nicht besonders ausgereift ist. Fangen Sie also gleich an, warten Sie nicht! Machen Sie das erste Training, optimieren Sie die Bedingungen, aber trainieren Sie weiter! 9.3 Das Wichtigste sind die Instruktoren Der wichtigste Erfolgsfaktor für effektive Simulationsteamtrainings sind geschulte und besonders qualifizierte Simulationsinstruktoren. Da, wie unten dargestellt, für Simulationsteamtrainings insbesondere Kenntnisse im Bereich der Human Factors (CRM) notwendig sind, aber auch die entsprechenden Techniken für eine effektive, zu tiefen Lernerfolgen führende Nachbesprechung (Debriefings), hat die Qualifizierung der Instruktoren vorrangige Priorität für gute Simulationsteamtrainingsprojekte. Die geschulten Instruktoren sollten neben eingehenden Kenntnissen im Bereich der Akutmedizin geschult sein, im Bereich der Human Factors (CRM) diese Faktoren in Simulationsszenarien erkennen und analysieren zu können. Darüber hinaus sollten sie die Fähigkeit haben, im Debriefing das selbstreflektives Lernen zu fördern, um dazu beizutragen, dass die Teilnehmer weit über das eigentliche Szenario hinausreichende tiefe, breite Lerneffekte erzielen (double loop learning). 160

9.5 Training für alle und immer wieder 19 9.4 Teamtrainings mit Fokus auf CRM Moderne CRM-orientierte Simulationstrainings haben ein gegenüber traditionellen Reanimationstrainings komplett anderes Konzept, was das Lernen anbetrifft. Gemeinsam mit dem Instruktor ergründen die Teilnehmer im kollegialen Austausch miteinander, was die zugrunde liegenden Ursachen für die kritischen Ereignisse im Szenario waren und wie diese Ursachen ( double loop learning ) auch über das durchgeführte Szenario hinaus systematisch verbessert werden können. Das Verhältnis der Zeit im Szenario zur Nachbesprechung (Debriefing) ist ca. 1:3. Meist wird das selbstreflektive Lernen durch den Einsatz einer Audio-/Video-Aufzeichnung des Szenarios unterstützt. Ganz wichtig ist bei der Analyse der zugrunde liegenden Ereignisse auch der Fokus auf Human Factors ( CRM; s. Kap. 8 ). Häufig liegen die Ursachen, warum etwas medizinisch Richtiges nicht oder falsch gemacht wurde, in diesem Bereich: Missverständnisse, Verwechslungen, unzureichende Entscheidungsfindung, unzureichende Absprachen im Team, Probleme bei der Planung oder Abstimmung im Team etc. Da Human Factors (CRM) in über 70% der Fälle ursächlich zu den Problemen beitragen, ist deren aktive Kenntnis für moderne Teamtrainings wichtige Voraussetzung auf Seiten der Instruktoren. Die Thematik Human Factors/CRM sollte begleitend zum Training auch theoretisch oder in kleinen Workshops den Teams vermittelt werden. Simulationstrainings ohne diesen Fokus vernachlässigen die Hauptursachen von Fehlern und Komplikationen und erfüllen damit eindeutig nicht mehr den State of the Art für effektive Teamtrainings in der Notfallmedizin. en bloc -Trainings sind viel effektiver! Wenn eine ganze Abteilung innerhalb kurzer Zeit ein Teamtraining durchführt, sind die Effekte in der Praxis größer und langanhaltender. Erste Teamtrainings sind also wesentlich effektiver, wenn sie als Blocktrainings geplant werden, als wenn sie über das ganze Jahr verteilt werden. 9.5 Training für alle und immer wieder Ein modernes Simulationstrainingskonzept sollte versuchen, ein erstes Simulationstraining mit Fokus auf CRM und Human Factors in möglichst kurzer Zeit für einen möglichst großen Anteil aller Mitarbeiter im Bereich der Notfallmedizin anzubieten. Dies ist besonders wichtig, damit die neu gelernten CRM-Verhaltensweisen im Alltag im gemeinsam trainierten Team angewandt und damit stabilisiert werden können. Denn treffen im Alltag trainierte Teilnehmer auf nicht-trainierte, lässt sich das Gelernte nur unzureichend umsetzen und es kommt zum Teil zu einer aktiven Nicht-Anwendung des Neugelernten. Man sollte also versuchen, die ersten Teamtrainings en bloc durch- 161

9 Simulationstraining zur Verbesserung der Teamarbeit 9 und Simulationstraining Erhöhung der Patientensicherheit zur Verbesserung der Teamarbeit und Erhöhung der Patientensicherheit zuführen, d.h. innerhalb von wenigen Tagen oder wenigen Wochen 70 80% des Teams zu schulen. Eine so en bloc durchgeführte Trainingsmaßnahme ist eine echte Teamintervention und leistet damit nicht nur einen Beitrag zur Erhöhung der Patientensicherheit und der Sicherheitskultur, sondern auch eine Erhöhung der Zufriedenheit im Team und damit wahrscheinlich auch eine Erhöhung der Zufriedenheit am Arbeitsplatz insgesamt. (Es wird inzwischen vermutet, dass Simulationsteamtrainings auch zu einer Reduktion des Krankenstandes und der Personalfluktuation führen könnten.) 9.6 Simulationstraining was und wie? Grundsätzlich ist zu sagen, dass man im Simulationsteamtraining diejenigen Aspekte trainieren sollte, die im Alltag die größten Probleme bereiten bzw. die die größte Patientengefährdung nach sich ziehen. In diesem Sinne erscheint es sinnvoll, nicht nur die seltensten und schwerwiegendsten Komplikationen zu trainieren (die man sowieso kaum je erlebt), sondern die common killers zu trainieren, d.h. die Fälle, die im Alltag zum größten, vermeidbaren Patientenschaden führen. Beispiele sind: das Management einer schweren allergischen Reaktion, das Management des schwierigen Atemweges, das Management des bewusstlosen Patienten, das Management des Patienten mit Brustschmerz/Atemnot und natürlich, je nach Bereich, das Management des kindlichen Notfalls oder der Geburt. Also Fälle auszusuchen, welche relativ häufig sind, bei denen es aber insbesondere auf das richtige und zielführende Management und die Vermeidung von Fehlern ankommt. Die Fälle, die den höchsten Wert aus Häufigkeit mal Schwere des Krankheitsbildes haben, sollten vorrangig trainiert werden. Daneben ist es natürlich auch sinnvoll, Fälle oder Prozesse zu trainieren, die im Team bereits zu Problemen geführt haben oder regelmäßig Schwierigkeiten oder Probleme hervorrufen. Insgesamt scheint es zur Planung und zum Design von Szenarien sinnvoll, einen der etablierten Instruktorenkurse im In- oder Ausland zu besuchen. 9.7 Der wichtigste Teil des Simulationstrainings: Das Debriefing (interaktive Nachbesprechung) Das Debriefing, also die interaktive Nachbesprechung eines Simulationsszenarios, ist der wichtigste Teil eines modernen Simulationsteamtrainings, 162

9.7 Der wichtigste Teil des Simulationstrainings: 9.7 Der Das wichtigste Debriefing Teil (interaktive des Simulationstrainings: Nachbesprechung) Das Debriefing (interaktive Nachbesprechung) 19 da dort das Lernen stattfindet. Hier wird den Teilnehmern mit Unterstützung der Instruktoren klar, was warum gut geklappt hat (und wie das alle Teilnehmenden in Zukunft ebenso gut machen können) und was warum nicht so gut war und wie man dies in Zukunft systematisch besser machen kann ( s. Abb. 18 ). Ganz wichtig ist es, zu analysieren, warum Dinge nicht so funktionierten, wie sie gedacht waren. So ist die Hartnäckigkeit in Sachen Warum, warum, warum eine wichtige Funktion der Instruktoren. Die Teilnehmer reflektieren aktiv, was sie wie und warum gemacht haben und wie das im Team ankam und umgesetzt wurde. Diese moderierte Selbstreflektion kann dann zu bisher ungekannten tiefgreifenden Lerneffekten führen (tiefes, double loop learning). Weil die Instruktoren die Teilnehmer beim Lernen unterstützen (und nicht einfach sagen, was sie tun sollen), spricht man im Debriefing auch von Facilitation (also das Unterstützen, Erleichtern von Lernen). Abb. 18 Die videogestützte Nachbesprechung (Debriefing) ermöglicht über die eingeblendeten Vitaldaten und verschiedenen Perspektiven der Simulation eine optimierte Selbstreflektion und Analyse der Simulationsszenarien. Es darf niemals darum gehen, jemanden schlecht zu machen, sondern konstruktiv am gerade erlebten Fall zu erörtern, warum etwas nicht so gut lief. Die wirklich zugrunde liegenden Ursachen (oft im Bereich Human Factors/CRM) müssen gefunden und dann systematische Möglichkeiten zur Prävention erarbeitet werden. Tiefes, systematisches Lernen (double loop learning) ist das Hauptziel des Trainings. 163

9 Simulationstraining zur Verbesserung der Teamarbeit 9 und Simulationstraining Erhöhung der Patientensicherheit zur Verbesserung der Teamarbeit und Erhöhung der Patientensicherheit Tab. 6 Phasen des Debriefings für Simulationsteamtrainings (mod. nach Rall 2010, mit freundlicher Genehmigung der Georg Thieme Verlag KG) 1) Ende des Szenarios 2) 3) 4) 5) Übergang vom Szenario in das Debriefing Emotionales Sortieren Selbstidentifizierung von Verbesserungen Beschreibende Phase 6) Analyse 7) 8) 9) 10) 11) Diskussion des klinischen Inhalts Gelegenheiten für eine systematische konkrete Verbesserung Wechsel zur echten Welt Abfrage einer Takehome-message aus Szenario und Debriefing Ende des Debriefings Wenn möglich, sollte das Szenario nicht zu abrupt abgebrochen werden. Es sollte idealerweise nicht beendet werden, wenn Teilnehmer noch mitten im Geschehen sind. Wenn Teilnehmer über die Verlegung des Patienten diskutieren, ist eine gewisse Plateauphase erreicht. Die meisten Sim-Zentren nutzen das heiße Debriefing. Man holt die Teilnehmer aus dem Simulationsraum ab und geht direkt ins Debriefing. Das erlaubt dem Instruktor, die direkten Reaktionen von Teilnehmern zu hören und zu sehen. Eine andere Möglichkeit ist, den Teilnehmern ein paar Minuten zu geben, um das Szenario selbst zu besprechen, während der Instruktor seinerseits die Nachbesprechung vorbereitet. Alle Teilnehmer, die aktiv beteiligt waren, erhalten die Gelegenheit zu sagen, wie sie sich während des Szenarios fühlten, bzw. ob das Szenario relevant und realistisch war. Das hilft, eine klare Grenze zwischen real erlebtem klinischen Szenario und dem nun entspannten Darübersprechen und Lernen zu ziehen. Jeder aktive Teilnehmer sollte die Gelegenheit bekommen, festzustellen, ob er/sie das nächste Mal etwas anders machen würde, bevor irgendjemand anderes dies tut. Teilnehmer beschreiben, was geschah (oder Teile des Videos werden wiederholt). Verschiedene Sichtweisen (z.b. Notarzt, RA und übergebender Hausarzt) werden ausgetauscht. Es sollte danach klar sein, was das Problem im Szenario war. Debriefings sollten einen Hauptteil darauf verwenden, zu verstehen, warum manche Dinge nicht wie geplant oder auch besonders gut umgesetzt wurden. Vor- und Nachteile verschiedener Optionen können mit den Teilnehmern diskutiert werden. Hier kommt auch die CRM/ Human Factors-Expertise des Instruktors zum Tragen. Hier findet der Hauptteil des Lernens statt (Facilitation)! Eine Nachbesprechung sollte nicht enden, ohne deutliche klinische Fehler zu besprechen und zu klären und sicherzustellen, dass die Teilnehmer die richtige Behandlung verstehen. Beruhend auf den Analysen können Teilnehmer um Vorschläge gebeten werden, wie das System oder das Verhalten geändert werden kann, um die Behandlung ähnlicher Situationen in der Zukunft zu verbessern. Teilnehmer besprechen, wie Lehren aus dem Szenario oder der Nachbesprechung in der echten klinischen Welt angewandt werden können. Sie sollten Hindernisse einer Anwendung der Verbesserung besprechen und wie mit diesen umgegangen werden kann. Eine kurze Runde zur Frage Was nehmen Sie mit? (als Teilnehmer aus diesem Debriefing) und evtl. eine Zusammenfassung der Stichpunkte können nützlich sein. Debriefings sind reich an Inhalt und können sich über die verfügbare Zeit hinaus ausdehnen. Die Ankündigung der Zeit und des Endes kann helfen, die Zeiten einzuhalten. 164

Literatur 9 In Tabelle 6 sind wichtige Phasen des Debriefings und ihre Bedeutung für das Training dargestellt. 9.8 Zukunft und Ausblick Simulationsteamtrainings müssen in allen Bereichen der Akutmedizin schnellstmöglich fest etabliert werden. Dazu ist es notwendig, diese verpflichtend zu machen (denn nur dann werden die entsprechenden personellen und finanziellen Ressourcen von allen Kostenträgern zur Verfügung gestellt werden). Bis dahin können innovative Organisationen mit der Einführung von solchen Teamtrainings ihre Führungs- und Innovationsrolle demonstrieren. Da die Öffentlichkeit und damit die Presse immer großes positives Interesse an Simulationsteamtrainings haben, ist es übergangsweise vielleicht auch möglich, darüber Sponsoren und Förderer von solchen bisher nicht einkalkulierten Trainingsaktivitäten zu erhalten. Dies kann und darf aber nur so lange dauern, bis eine feste Finanzierung durch Verpflichtung stattgefunden hat.!es darf einfach nicht mehr sein, dass Notfallteams Patienten versorgen und dabei Dinge unter Notfallbedingungen tun (müssen), die sie nie (oder selten oder schon ganze lange nicht mehr) getan haben. Zumindest sollte man solche Situationen regelmäßig im Team in einer Simulation geübt haben. Das geht. Das muss sein. Das darf nicht mehr anders sein. Machen Sie mit! Literatur Catchpole K, Mishra A, Handa A, McCulloch P (2008) Teamwork and error in the operating room: analysis of skills and roles. Ann Surg 247: 699 706 Dunn EJ, Mills PD, Neily J, Crittenden MD, Carmack AL, Bagian JP (2007) Medical team training: applying crew resource management in the Veterans Health Administration. Jt Comm J Qual Patient Saf. 33(6): 317 25 Flin R, Salas E, Strub M, Martin L (1997) Decision Making Under Stress. Aldershot, Ashgate Hicks CM, Bandiera GW, Denny CJ (2008) Building a simulation-based crisis resource management course for emergency medicine, phase 1: Results from an interdisciplinary needs assessment survey Acad Emerg Med 15: 1136 43 Koppenberg J, Henninger M, Gausmann, Rall M (2011) Patientensicherheit im Rettungsdienst: Welchen Beitrag können CRM und Teamarbeit leisten? Notarzt 27: 249 254 Neily J, Mills PD, Young-Xu Y, Carney BT, West P, Berger DH, Mazzia LM, Paull DE, Bagian JP (2010) Association between implementation of a medical team training program and surgical mortality. JAMA. 304(15): 1693 700 Rall M (2010) Notfallsimulation für die Praxis. Notfallmedizin up2date 5(4): 277 298 Rall M, Gaba DM, Dieckmann P, Eich C (2009) Patient Simulation. In: Miller RD, Eriksson LI, Fleisher LA, Wiener- Kronish JP, Young WL (Eds.) Miller s Anaesthesia. 7 th edition. Elsevier Churchill Livingstone; Philadelphia, S. 151 192 165

9 Simulationstraining zur Verbesserung der Teamarbeit 9 und Simulationstraining Erhöhung der Patientensicherheit zur Verbesserung der Teamarbeit und Erhöhung der Patientensicherheit Rall M, Gaba DM, Howard SK, Dieckmann P (2009) Human performance and patient safety. In: Miller RD, Eriksson LI, Fleisher LA, Wiener-Kronish JP, Young WL (Eds.) Miller s Anaesthesia. 7 th edition. Elsevier Churchill Livingstone; Philadelphia, S. 93 150 Rall M, Lackner CK (2010) Crisis Resource Management der Faktor Mensch in der Medizin. Notfall Rettungsmed 13: 349 356 Reason J (1994) Human error. Cambridge St. Pierre M, Hofinger G, Buerschaper C (2005) Notfallmanagement Human Factors in der Akutmedizin. Berlin, Springer Weblinks www.insim.info. Seit 10 Jahren jährlich stattfindendes, einzig deutschsprachiges Interdisziplinäres Symposiums für Simulation in der Medizin www.sesam-web.org. Homepage of SESAM (Society in Europe for Simulation Applied to Medicine) www.ssih.org. International Society for Simulation in Healthcare. Weltweit größter jährlicher Kongress in USA (IMSH) 166