Simplon Pavo 3 94
MASSANZUG VOM BODENSEE Simplon passt seine Räder an die Bedürfnisse des jeweiligen Kunden an. Wir haben den Spieß umgedreht und geschaut, wie gut sich Marcel Wüst an die dritte Generation des Pavo anpassen kann. Text Marcel Wüst Fotografie Kai Dudenhöfer 95
Simplon Pavo 3 In dritter Gene ration steht das Pavo für High-End und Leichtbau aus Österreich. Der stabile Tretlagerbereich verleiht dem Rad den nötigen Vortrieb. J edes Jahr zur Eurobike bekomme ich ein schönes Spielzeug für den Tag bereitgestellt. Im vergangenen Jahr war es das Simplon Pavo, mit dem ich die hügelige Landschaft abseits der überlaufenen Messehallen erkunden durfte. Eigentlich ist es egal, mit welchem Rad man dem Messe-Moloch entflieht die ersten Meter ohne die unterschwellig immer vorhandene Geräuschkulisse sind grandios. Fahrtwind statt (schlecht) klimatisierter Luft und Sonnenstrahlen statt Neonlicht, ein Gewinn ist so ein Radtest mit Fotoshooting allemal! Wenn das Gefährt dann noch ein so grandios ausgestattetes Simplon ist, das praktisch nichts wiegt, aber alles super kann, dann will man nie mehr zurück in die Hallen. Ein erster Eindruck ist ja immer wichtig, und weil ich auch schon die Vorgängermodelle gefahren war, wusste ich auch in etwa, was mich erwarten würde. Die nunmehr dritte Generation (dafür steht die römische III hinter der Typenbezeichnung) hat weiter an Gewicht verloren es ist und bleibt ein absoluter Leichtbau- Im Wiegetritt drückt Marcel kleine Wellen und Anstiege einfach weg. Das Pavo ist ein echter Hingucker mit Suchtpotenzial. TROTZ DES NUR 840 GRAMM LEICHTEN RAHMENS FÜHLTE ICH MICH AUCH NACH KURZEN, ABER DAFÜR HEFTIGEN ANTRITTEN DIREKT WOHL. 96 rahmen. Dass man einen solchen natürlich am liebsten in den Bergen und nicht nur in hügeligem Gelände testet, ist zwar klar, aber hier nahm ich dann das, was es gab: Boden(see)wellen! Trotz des nur 840 Gramm leichten Rahmens fühlte ich mich auch nach kurzen, aber dafür heftigen Antritten direkt wohl auf dieser Rennmaschine der neuesten Generation. Häufig erkaufen sich Hersteller diese superleichten Rahmen durch einen Steifigkeitsverlust insbesondere an Tretlager und Lenkkopf, aber hier gab es nichts zu mäkeln. Wer lieber viel mehr Geld für ein paar eingesparte Gramm ausgeben will (genau 100 sind es), statt selbst noch etwas an der Gewichtsschrau- SPEZIFIKATIONEN Rahmen Simplon Pavo III Hi Mod Gruppe Sram Red 22 Kurbel Sram Red 50/34 172,5 mm Laufräder Mavic Cosmic Carbon SSC Reifen Mavic Vorbau Simplon Zero Alu 7050 Lenker Simplon ERG Carbon 42 cm Sattelstütze SL Mono Rod Sattel Selle Italia SLR Gabel Simplon Preis 6.509 Kontakt www.simplon.com
be zu drehen, kann sich das Schwestermodell mit dem Zusatz Ultra zulegen. Der Unterschied zwischen 840 und 740 Gramm Rahmengewicht ist für sich genommen riesengroß, doch am Rad kaum spürbar. Dass die Sitzposition etwas rennmäßig gestreckt ist, gefiel mir nicht nur gut bei einem solchen für den Renneinsatz konzipierten Rahmen erwarte ich das auch. Die Oberrohrlänge von 56 Zentimtern passte gut zur Rahmenhöhe von 55 Zentimetern wobei mich der relativ lange Radstand von 995 Millimetern schon etwas überraschte. Oder besser gesagt, war das relativ marathonmäßige Handling des Rades etwas, das ich so nicht erwartet hatte. Der Geradeauslauf war dementsprechend hammermäßig gut, in engen Kurven musste ich aber schon einiges an Schräglagenarbeit verrichten, um diese so zackig zu nehmen, wie ich es gewohnt war. Dabei halfen mir Mavics Yxion-Reifen, die auf den tadellosen Cosmic-Carbon-Laufrä- DAS RELATIV MARATHONMÄSSIGE HANDLING DES RADES WAR ETWAS, DAS ICH SO NICHT ERWARTET HATTE. In Kurven muss man sich mit dem Pavo aktiv reinlegen. dern montiert waren, mit gutem Grip, jedenfalls bei meiner Tour auf trockenen Straßen. In dieser Kombination fahre ich die Mavic-Laufräder am liebsten, denn der sich beim Berühren etwas weich anfühlende Gummi hat ordentlich Haftung eine wirklich gelungene Kombination des französischen Herstellers, muss ich sagen. Wenn man auf gerader Strecke unterwegs ist, spielen die profilierten Felgen natürlich auch eine große Rolle, was das Erreichen und Halten hoher Geschwindigkeiten angeht. Wer einmal bei einer lauen Brise aerodynamisch optimierte Laufräder gefahren ist, der möchte diese sicher nie mehr missen bei gewittrigen Sturmböen ist das, besonders für das Vorderrad, sicher eine andere Geschichte. 97
Die Geräuschentwicklung beim Bremsen war allerdings recht beträchtlich bei neuen Felgen und Belägen ist das aber keine Seltenheit. Meist reichen ein paar Ausfahrten in bergigem Gelände, ansonsten hilft ein Teppichmesser, mit dem man beherzt in die Gummis einige Schrägrillen hineinschneidet. Was das Pavo sonst noch alles mitbringt, war während meiner Runde auf den perfekt asphaltierten Straßen rund um den Bodensee gut zu spüren. Die Vibrex genannte Technologie, welche hier wohl ausschließlich den Hinterbau betrifft, lässt durch extrem hochwertige Carbonfasern und spezielle Fertigungsweise neben einer sehr hohen Stabilität auch einen guten Dämpfungskomfort zu. Durch einen leichten Schwung im Hinterbau werden nicht nur eventuelle Unebenheiten auf der Straße geschluckt, die Streben verleihen dem Pavo III auch einen sehr ästhetischen Look. Ab liebsten fuhr ich über leicht wellige Straßen, denn dort konnte man wunderbar den auf der Abfahrt durch einen harten und effizienten Antritt erlangten Schwung schön mit in die Gegenwelle nehmen und dort durch häufiges Schalten auch im Wiegetritt mit gleichbleibender Trittfrequenz gut Tempo machen. Dass es bei einem solchen Leichtgewicht von Rah- 98 men natürlich mit leichten Laufrädern noch mehr Spaß machen könnte, ist klar, aber die Wellen waren fast alle mit Schwung zu bewältigen, sodass ich am Ende meiner Testfahrt gut und gerne einen Schnitt von über 32 gehabt haben muss etwa die gleiche Zahl, die man in Euro an einem Messetag in den Hallen für schlechtes Essen ausgeben muss, um einigermaßen über die Runden zu kommen. Was ich bei den Simplon-Rädern schon immer klasse fand, sind die am Cockpit verbauten Komponenten. Hier hatte ich einen Alu-Vorbau aus eigener Produktion, der sicher sinnvoll ist, denn an gleicher Stelle Carbon zu verbauen, bringt gewichtstechnisch fast gar nichts, allerdings würde das den ohnehin stolzen Preis weiter nach oben treiben. Der sehr schön geschwungene Carbon-Lenker lag griffig in der Hand vor allem die leichte Kurve am oberen Teil machte das Fahren in der Oberlenkerposition extrem entspannt und angenehm. An meinem neuen Testrad war natürlich alles picobello, allerdings gab es bei einem Freund, der ebenfalls ein Pavo mit den gleichen Komponenten sein eigen nennt, nach einiger Zeit doch etwas auszusetzen: Die Klemmschauben am Vorbau setzen ziemlich zügig Rost an. Bei einem Rad dieser Preisklasse ein absolutes No-Go, aber auch bei anderen Herstellern Die Cosmic Carbon sind Teil der individuellen Ausstattung unseres Testrades. Srams Red unterstreicht den Anspruch an niedriges Gewicht. oft nicht besser, besonders, wenn die Räder auch im Winter gefahren werden. Dass die Österreicher auf eine deutsche Steuersatzentwicklung bauen, ist wenig verwunderlich. Der Acros ist top in Design und Funktion eine einfachere Einstellung als über die kleine Schraube, an die man seitlich sehr gut herankommt, ist kaum denkbar. WAS ICH BEI DEN SIMPLONRÄDERN SCHON IMMER KLASSE FAND, SIND DIE AM COCKPIT VERBAUTEN KOMPONENTEN.
Simplon Pavo 3 Obwohl ich durch meine euphorischen Wellenreitersprints einige Zeit im Stehen fuhr, ist natürlich auch der Sattel ein wichtiges Verbindungsglied zwischen Fahrer und Rennmaschine der hier montierte Selle Italia SLR ist mir kein unbekannter, denn meine Testräder auf Mallorca sind ebenfalls mit ihm ausgestattet. Simplon bevorzugt allerdings die Monorail-Variante, die einen sehr großen Verstellbereich nach vorne und hinten ermöglicht. Hierfür baut Simplon auf die hauseigene Mono Rod SL -Stütze mit Sattelaufnahme für dieses spezielle Modell. Wer einen anderen Sattel als den SLR Monolink fahren möchte, für den hat Simplon einen Adapter im Angebot. Es ist immer wieder erstaunlich, wie es die Hersteller Jahr für Jahr schaffen, das Gewicht ihrer Räder weiter zu reduzieren, ohne dass die Steifigkeit darunter leidet. Bei Simplon gelingt das sicher auch, weil die relevanten Teile des Rades wie Tretlager und Steuerrohr ziemlich voluminös und robust daherkommen. Der spezielle Fertigungsprozess unter Druck, der es ermöglicht, extrem wenig (schweres) Harz mit einzubacken, trägt weiterhin dazu bei, mit diesem rund 6,5 Kilo schweren (beziehungsweise leichten) Rad in allen Radrennfahrerlagen schnell und sicher unterwegs zu sein. Dass das UCI-Limit ganz ohne Tuningteile erreicht wird, könnte sogar den einen oder anderen Profi neidisch machen. Dabei ist sicher kein Zufall, dass mit der Sram Red die leichteste Seriengruppe auf dem Markt verbaut wurde, denn man sonnt sich bei Simplon schon darin, ein so leistungsfähiges und gleichsam federleichtes Rad produziert zu haben zu Recht, wie ich nach meiner Testfahrt bestätigen konnte. Die perfekt eingestellte Red überzeugte mich voll und ganz, besonders das knackige Gefühl am Schaltgriff, wenn man im Stehen mit einigen Watt auf der Kurbel die Gänge wechselt, bestärkte mich darin, auch privat die für mich ideale Gruppe gefunden zu haben. Eine elektronische Aufrüstung wäre zwar ohne Weiteres möglich, würde aber den Preis und vielleicht auch das Gewicht weiter steigen lassen. Dass alle Züge beim Pavo innen verlegt sind, brauche ich eigentlich nicht zu erwähnen. Vor allem die absolut perfekte und akribische Art, mit der der Rahmen aufgebaut und auf meine persönliche Sitzposition abgestimmt wurde, erfreute mich besonders. Dass ein ziemlich schwarzes Rad nicht unbedingt mein Ding ist, konnte ich gut verkraften, denn schließlich entschädigten mich die schönen Farben des Spätsommers. Ein tolles Rad, zu allen Jahrenzeiten! Von vorne dürfte man dieses Gespann eher selten zu sehen bekommen. 99