Welches lang wirksame Insulin passt am besten?



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Transkript:

FORTBILDUNG SEMINAR Die Qual der Wahl bei Typ-2-Diabetes Welches lang wirksame Insulin passt am besten? A. LIEBL Wird eine Umstellung auf Insulin bei einem Patienten mit Typ-2-Diabetes unumgänglich, stellt sich die Frage, welches der heute zur Ver fügung stehenden Basalinsuline das Passende sein könnte. Der nachfolgende Beitrag gibt Ihnen Kriterien für diese Entscheidung an die Hand und berichtet darüber hinaus über Neuentwicklungen. MMW-Fortbildungsinitiative: Diabetologie für den Hausarzt Regelmäßiger Sonderteil der MMW-Fortschritte der Medizin Herausgeber: Fachkommission Diabetes in Bayern Landesverband der Deutschen Dia betes- Gesellschaft, Dr. med. Andreas Liebl (1. Vorsitzender) m&i-fachklinik Bad Heilbrunn Wörnerweg 30, D-83670 Bad Heilbrunn Redaktion: Priv.-Doz. Dr. M. Hummel, Rosenheim (Koor dination); Prof. Dr. L. Schaaf, München (wissenschaftliche Leitung). Dr. med. Andreas Liebl Internist Diabetologe, Vorsitzender der Fachkommission Diabetes Bayern (FKDB), Bad Heilbrunn Die gute Einstellung der Blutglukose bleibt eines der wichtigsten Ziele im Management von Patienten mit Typ- 2-Diabetes. Es existiert eine überzeugende wissenschaftliche Evidenz für die Tatsache, dass eine Reduktion der Blutglukose sowohl das Entstehen als auch das Fortschreiten mikrovaskulärer Diabeteskomplikationen verringert. Die Datenlage für eine Reduktion der kardiovaskulären Komplikationen ist schwächer vermutlich zeigen sich hier die positiven Effekte der Blutglukoseeinstellung erst viele Jahre später. Folglich finden sich in allen modernen Konsensus-Veröffentlichungen und Leitlinien strenge HbA 1c -Zielwerte für Menschen mit Typ-2-Diabetes: Die Deutsche Nationale Versorgungsleitlinie Therapie des Typ-2-Diabetes beschreibt einen generellen HbA 1c -Zielkorridor zwischen 6,5% und 7,5%, das Positions- Statement von ADA/EASD ein HbA 1c - Ziel von unter 7%. Beide Publikationen betonen, dass die angegebenen generellen Therapieziele individuell angepasst werden müssen, je nach Hypoglykämierisiko, Krankheitsdauer, Lebenserwartung, Komorbiditäten, vorbestehenden kardiovaskulären Komplikationen sowie Motivation des Patienten. Indikation zur Insulintherapie Bei ständig steigender Lebenserwartung und zunehmender Zahl der Typ-2-Diabetiker erreicht ein immer größerer Anteil der Patienten das Stadium der Insulinpflichtigkeit. Die vermehrten und verbesserten Möglichkeiten durch moderne orale Antidiabetika oder eine injizierbare Inkretin-Therapie können die Bei diesem Patienten wäre ein gewichtsneutrales Insulin von Vorteil. Insulinpflichtigkeit zwar hinausschieben, aber letztendlich nicht dauerhaft verhindern. Prinzipiell ist die Indikation für eine Insulintherapie einfach zu stellen: Sie ist gegeben, wenn trotz Einsatzes aller im individuellen Fall indizierten und möglichen oralen Antidiabetika (einschließlich injizierbarer Inkretine) und trotz Lifestyle-Maßnahmen das individuelle Therapieziel dauerhaft nicht mehr erreicht werden kann. In allen nationalen und internationalen Leitlinien wird im Wesentlichen der Beginn einer Insulintherapie unter Verwendung von einer einmal täglichen Injektion von Basalinsulin empfohlen. evgenyb / istock MMW-Fortschr. Med. 2015; 157 (7) 65

FORTBILDUNG_SEMINAR Modifiziert nach Heise T et al. Diabetes 2004 Abbildung 1 Wirkungskurven von Basalinsulinen (jeweils vier verschiedene Patienten pro Insulinart) Glukose-Infusionsrate (mg/kg/min) 7,0 6,0 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0 0 Dieses einfache Vorgehen erleichtert den rechtzeitigen Einstieg in eine Insulintherapie, weil der Schulungs- und Therapieaufwand gering bleibt und die negativen Einflüsse auf das tägliche Leben des Patienten sehr überschaubar sind. Basalinsulin mit oralen Antidiabetika kombinieren Alle Basalinsulin-Therapien sollten mit oralen Antidiabetika kombiniert werden: Auf jeden Fall mit Metformin und häufig zusätzlich mit DPP-4-Inhibitoren oder SGLT2-Inhibitoren. Kombinationen mit injizierbaren Inkretinen weisen besondere Vorteile durch einen günstigen Gewichtsverlauf und ein geringes Hypoglykämierisiko auf. Eine Kombination mit Sulfonylharnstoff ist zwar in den Leitlinien enthalten und sehr preiswert, empfiehlt sich aber wegen eines erhöhten Hypoglykämierisikos und einer verstärkten Gewichtszunahme für die meisten Typ-2-Diabetiker nicht. In Deutschland kann aktuell zwischen vier Basalinsulinen gewählt werden: NPH-Insulin, Insulin glargin (Lantus ), Insulin detemir (Levemir ) und Insulin degludec (Tresiba ). Die jeweiligen Wirkungsprofile sind in Abb. 1 dargestellt. NPH-Insulin NPH-Insulin wird bereits seit 1946 als Neutral-Protamine-Hagedorn-Insulin (NPH) therapeutisch verwendet. Die Insulin detemir Insulin glargin NPH-Insulin Insulin degludec 0 4 8 12 16 20 24 Zeit (Stunden) Verzögerung erfolgt durch Bindung von Insulin an Protamin, wodurch dieses Insulin als trübe Suspen sion vorliegt. Die Handhabung ist für die Patienten schon dadurch kompliziert und riskant, dass ein unzureichendes Durchmischen des NPH-Insulins vor der Injektion zu gefährlichen Schwankungen in der Insulinwirkung führt. Die Wirkungsdauer ist dosisabhängig und liegt meist bei max. 14 Stunden, mit einem ausgeprägten Wirkmaximum nach vier bis sechs Stunden. Problematisch sind ausgeprägte Schwankungen in der Wirkung von Tag zu Tag und von Patient zu Patient. NPH- Insulin muss zwingend spätabends appliziert werden, um das hohe Risiko für nächtliche Unterzuckerungen nicht noch weiter ansteigen zu lassen. Die geschilderten Nachteile im Wirkungsverlauf und die erheblichen Wirkungsschwankungen haben zur Folge, dass die Verwendung von NPH-Insulin bei den meisten Patienten eher nachteilig ist. In Deutschland besteht gegenüber den moderneren Insulin-Analoga glargin und detemir auch kein Preisvorteil aufgrund der mit den gesetzlichen Krankenkassen ausgehandelten Rabattverträge. Lediglich bei ausgeprägtem Dawn- Phänomen (Anstieg des Insulinbedarfs in den frühen Morgenstunden) kann die Verwendung von NPH-Insulin im Vergleich zu den modernen Insulin-Analoga relevante therapeutische Vorteile bieten. Insulin glargin Insulin glargin kam als erstes basales Insulin-Analogon im Jahr 2000 auf den Markt. Im Vergleich zu Humaninsulin wurden eine Aminosäure ausgetauscht sowie die B-Kette durch zwei Arginin- Einheiten verlängert. Das so veränderte Insulin ist in einer leicht sauren Lösung vollständig gelöst, muss also nicht durchmischt werden. Nach Injektion ins Unterhautfettgewebe bilden sich Mikrokristalle, die sich langsam auflösen und zu einer im Vergleich zu NPH-Insulin deutlich verlängerten Wirkungszeit von (dosisabhängig) ca. 14 20 Stunden führen. Die Wirkungsschwankungen von Tag zu Tag sind durch dieses Verzögerungsprinzip deutlich verringert im Vergleich zu NPH-Insulin. In Metaanalysen wurde bestätigt, dass sich bei gleich gutem HbA 1c -Ergebnis das Risiko für nächtliche Unterzuckerungen durch die Verwendung von Insulin glargin im Vergleich zu NPH-Insulin ungefähr halbiert. Aufgrund der längeren Wirkungsdauer muss Insulin glargin nicht mehr zwingend beim Zubettgehen injiziert werden, sondern kann schon zum Abendessen und sogar zum Frühstück verabreicht werden. Die in den vergangenen Jahren diskutierte Förderung des Wachstums von Krebszellen durch Insulin glargin konnte in einer großen Langzeitstudie widerlegt werden. Somit sollte dies kein Argument mehr bei der Diskussion um Basalinsulin und Insulin glargin im Speziellen darstellen. Insulin detemir Insulin detemir kam als zweites basales Insulin-Analogon im Jahr 2004 auf den Markt. An diesem Molekül wurde im Vergleich zu Humaninsulin eine terminale Aminosäure entfernt und eine Fettsäuren-Seitenkette an das Insulinmolekül kondensiert. Bei neutralem ph-wert und somit guter lokaler Verträglichkeit basiert die verlängerte Insulinwirkung auf einer starken Selbstassoziation der Insulinmoleküle untereinander nach Injektion und auf der puffernden Wirkung einer Bindung an das körpereigene Albumin über die Fettsäuren-Seitenkette. Wie bei Insulin glargin entsteht eine im 66 MMW-Fortschr. Med. 2015; 157 (7)

FORTBILDUNG_SEMINAR Vergleich zu NPH-Insulin wesentlich flachere Wirkungskurve, ohne ausgeprägte Wirkungsmaxima und mit einer Wirkungsdauer, die nur geringfügig kürzer als die von Insulin glargin ist. Die Schwankungen in der Insulinwirkung von Tag zu Tag sind noch einmal geringer als bei Insulin glargin. Erwartungsgemäß sind die Raten an nächtlichen Hypoglykämien mindestens ebenso stark verringert wie bei Insulin glargin. Im Einzelfall kann es einen Vorteil darstellen, dass die Wahrnehmung von Unterzuckerungen bei Verwendung von Insulin detemir früher auftritt, wie im direkten Vergleich zu Humaninsulin gezeigt werden konnte. Wie Insulin glargin kann auch Insulin detemir morgens oder abends gespritzt werden; dies sollte jedoch immer zum gleichen Zeitpunkt geschehen. Das fehleranfällige Durchmischen ist ebenfalls nicht mehr erforderlich. Ein für viele Patienten wichtiger Vorteil ist die in zahlreichen Studien dokumentierte geringere Gewichtszunahme im Vergleich zu NPH-Insulin, die sich auch im Vergleich zu Insulin glargin zeigt. Der Gewichtsvorteil beträgt in den meisten Studien 1 3 kg. Im direkten Vergleich zwischen Insulin detemir und Insulin glargin durch die Cochrane Collaboration war der Gewichtsvorteil von Insulin detemir der wesentliche Unterschied in den Eigenschaften der beiden Insulin-Analoga. Insulin degludec Seit 2014 auf dem Markt, stellt Insulin degludec aktuell die neueste Entwicklung auf dem Gebiet der basalen Insulin- Analoga dar. Ähnlich wie bei Insulin detemir wurde eine terminale Aminosäure entfernt sowie eine in diesem Fall besonders große Fettsäuren-Seitenkette angehängt. Diese Modifikation hat zur Folge, dass sich nach Injektion im Subkutangewebe langkettige Insulin-Multihexamere bilden. Diese sind durch Zinkmoleküle so stabilisiert, dass sie sich nur sehr langsam in die resorbierbaren Insulin-Monomere auflösen. Daraus resultiert eine Halbwertszeit von ca. 25 Stunden. Somit ist Insulin degludec das einzige Insulin, das mit einer Injektion Tabelle 1 Praktisches Vorgehen zu Beginn einer Basalinsulintherapie bei Typ-2-Diabetes Start mit 10 Einheiten oder 0,1 0,2 Einheiten pro kg Körpergewicht. mit oralen Antidiabetika ist vorteilhaft, insbesondere mit Metformin, Kombination aber auch mit DPP-4-Hemmern oder SGLT-2-Hemmern. 1- bis 2-mal pro Woche Dosiserhöhung um 2 4 Einheiten oder 10 15%, bis ein Nüchternblutzucker um 100 mg/dl (5,5 mmol/l) erreicht wird. Bei Unterzucker oder Nüchternblutzucker unter 80 mg/dl (4,4 mmol/l) Verringerung der Dosis um 4 Einheiten oder 10 20%. Strukturierte Schulung des Patienten sichert den komplikationsarmen Erfolg in der Praxis. täglich sicher mindestens 24 Stunden abdecken kann. Nach ca. drei Tagen bildet sich ein konstantes Insulingleichgewicht aus, mit einer verlässlich glatten Insulinkurve über 24 Stunden. Die Schwankungen der Insulinwirkung von Tag zu Tag sind noch einmal geringer als bei Insulin glargin oder detemir. Daher zeigen wissenschaftliche Studien übereinstimmend, dass relativ gefahrlos niedrige Nüchtern-Blutglukose-Werte von unter 100 mg/dl angestrebt werden können. Gleichzeitig verringert sich das Risiko für nächtliche Unterzuckerungen im Vergleich zu Insulin glargin noch einmal signifikant um ca. 30%, bei gleich gutem HbA 1c -Ergebnis. Der Aufbau des stabilen Insulingleichgewichts ist die Grundlage für eine weitere Besonderheit von Insulin degludec: Im Gegensatz zu allen anderen verfügbaren Basalinsulinen ist eine flexible Anpassung des täglichen Injektionszeitpunktes möglich, sofern der Abstand zur letzten Injektion zwischen 8 und 40 Stunden beträgt. Somit können Insulininjektionen problemlos vorgezogen oder nachgeholt werden, ja sogar versehentlich vergessene bzw. ausgefallene Injektionen bleiben i. d. R. ohne gefährliche Folgen für den Patienten. Insulin degludec ist auch in einer Fixkombination mit dem Inkretin Liraglutid in einer Spritze zugelassen. Die Fixkombination erleichtert die Handhabung für den Patienten aufgrund nur einer Injektion täglich und zeigte in den Studien besonders günstige Ergebnisse bei Gewichtsverlauf und Unterzuckerungsrisiko. Praktisches Vorgehen Generell wird für Basalinsuline der Beginn mit zehn Einheiten täglich bzw. 0,1 0,2 Einheiten pro kg Körpergewicht als einmal tägliche Injektion empfohlen. Ein- bis zweimal pro Woche sollte die Dosis um zwei bis vier Einheiten oder 10 15% erhöht werden, bis der Zielwert für die Nüchtern-Blutglukose erreicht wird. Für das Gelingen der Therapie mit Basalinsulin ist es von größter Bedeutung, dass ein niedriger Blutglukose- Zielwert um 100 mg/dl (5,5 mmol/l) nüchtern erreicht wird! Beim Auftreten von Unterzuckerungen oder Nüchtern- Werten von unter 80 mg/dl soll die Dosis an Basalinsulin um vier Einheiten oder 10 20% verringert werden. Die Kombination von Basalinsulin mit oralen Antidiabetika ist vorteilhaft. Metformin sollte möglichst immer beibehalten werden, je nach individuellem Fall auch DPP-4-Hemmer oder SGLT2-Inhibitoren. Nebenwirkungen der oralen Antidiabetika sind im Falle von Metformin häufig gastrointestinale Beschwerden sowie sehr selten Laktatazidosen (in erster Linie bei Verstoß gegen die Kon traindikation Niereninsuffizienz). Bei SGLT- 2-Inhibitoren können Infek tionen im äußeren Genitalbereich auftreten, selten Hypotonien und Polyurie mit Dehydratation. Bei DPP-4-Hemmern treten i. d. R. kaum relevante Nebenwirkungen auf. Eine weitergehende Intensivierung der Spritzentherapie ist im nächsten Schritt erforderlich, falls trotz guter Kontrolle des Nüchtern-Blutglukose- Spiegels das HbA 1c -Ziel nicht (mehr) erreicht wird oder i. d. R. bei Überschrei- MMW-Fortschr. Med. 2015; 157 (7) 67

FORTBILDUNG_SEMINAR ten einer Basalinsulin-Dosis von 0,5 Einheiten pro Kilogramm Körpergewicht. In diesen Fällen kann entweder die zusätzliche Gabe eines injizierbaren Inkretins erwogen werden (Vorteile bei Gewicht und Unterzuckerungsrisiko), oder die schrittweise Zugabe von einem schnell wirkenden Insulin-Analogon vor einer oder mehreren Mahlzeiten. Auch ein Wechsel auf eine konventionelle Insulintherapie unter Verwendung von zweimal täglich injiziertem analogen Mischinsulin kann eine Option sein, wenn eine intensivierte Mehrfachspritzen-Therapie unter Verwendung verschiedener Pens nicht durchführbar ist. Die Flexibilität im Tagesablauf und beim Essen ist hier aber geringer als bei intensivierten Insulintherapien. Ausblick Bei den Basalinsulinen befinden sich einige Neuerungen bereits in fortgeschrittener Entwicklung oder stehen aktuell unmittelbar vor der Einführung. Demnächst in den Handel kommt Insulin glargin U300, eine konzentriertere Version von Insulin glargin. Durch die höhere Konzentration bietet dieses Insulin Vorteile bei besonders übergewichtigen und insulinresistenten Patienten. Diese müssen übermäßige Volumina eines Insulins in der üblichen Konzentration U100 spritzen und manchmal den Inhalt eines gesamten Pens und mehr für nur eine Injektion aufbrauchen. Darüber hinaus führt die Konzentrierung zu einer wesentlich verlängerten Wirkungsdauer, ähnlich der des Insulin degludec, und gleichzeitig zu einem Rückgang von Unterzuckerungen im Vergleich zum normal konzentrierten Insulin glargin. Eine weitere vielversprechende Entwicklung ist pegyliertes Insulin lispro: Hierbei wird Insulin lispro an Polyethylenglykol gebunden. Diese Modifikation führt ebenfalls zu einer stark verlängerten Halbwertszeit, die sogar die von Insulin degludec überschreitet, und zu einem Rückgang nächtlicher Hypoglykämien im Vergleich zu Insulin glargin. Vorteilhaft ist darüber hinaus eine stärkere Wirkung im Leberbereich im Vergleich zur Peripherie ( präferenziell hepatischer Effekt ), was eine günstigere Gewichtsentwicklung zur Folge hat. Getrübt werden die bisherigen Erfahrungen allerdings durch vereinzelt beobachtete Erhöhungen der Leberenzyme und Triglyzeride, ohne dass deren klinische Bedeutung bisher klar ist. Weil die Patentbindung von Insulin glargin in nächster Zukunft endet, haben zahlreiche Hersteller weitgehend identische Kopien dieses Insulins (sog. Biosimilars ) entwickelt, um sie demnächst auf den Markt zu bringen. Damit sind sinkende Preise zu erwarten. Nach den bisher vorgelegten Daten ist von einer hohen pharmakologischen Qualität dieser Biosimilars auszugehen. Literatur unter mmw.de Anschrift des Verfassers: Dr. med. Andreas Liebl, Chefarzt Abteilung Innere Medizin, Zentrum für Diabetes- und Stoffwechselerkrankungen, m&i-fachklinik Bad Heilbrunn, Wörnerweg 30, D-83670 Bad Heilbrunn, E-Mail: andreas. liebl@fachklinik-bad-heilbrunn.de Lang wirksame Insuline Fazit für die Praxis 1. Der Einstieg in eine Insulintherapie bei Typ-2-Diabetes sollte mit einmal täglich injiziertem Basalinsulin erfolgen, i. d. R. kombiniert mit oralen Antidiabetika. 2. Eine Insulintherapie ist indiziert, wenn mit oralen Antidiabetika oder injizierbaren Inkretinen das individuelle Therapieziel nicht mehr erreicht werden kann. 3. Im Vergleich zum NPH-Insulin bieten die Insulin-Analoga Insulin glargin, detemir und degludec wesentliche Vorteile: Einfachere und sicherere Handhabung, weniger Unterzucker und teilweise Gewichtsvorteile sowie flexible Anpassung der Injektionszeitpunkte. Keywords Long-acting insulins in the treatment of type 2 diabetes: a hard choice Basal insulin insulin glargin insulin detemir insulin degludec type 2 diabetes 68 MMW-Fortschr. Med. 2015; 157 (7)