Vorwort zur 4. Auflage. Teil I Grundlagen. 2011 W. Kohlhammer, Stuttgart



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Vorwort zur 4. Auflage Teil I Grundlagen

Teil I Grundlagen

1 Das Studium der Psychologie und Berufsperspektiven 1 Das Studium der Psychologie und Berufsperspektiven Astrid Schütz, Jörg Wolstein und Stefan Lautenbacher 1.1 Das Fach Psychologie 1.2 Studienangebote 1.3 Aufbau des Studiums 1.4 Inhalte des Studiums 1.5 Zulassung zum Studium 1.6 Berufsfelder 1.7 Beschäftigungsperspektiven 1.8 Zusatzausbildungen Empfehlungen zum Weiterlesen Weitere Informationen Literatur 1.1 Das Fach Psychologie. Wovon hängt es ab, ob wir die guten Vorsätze zum neuen Jahr auch wirklich umsetzen?. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Aggressivität einer Person im Alltag und ihrer Vorliebe für Gewaltdarstellungen in den Medien?. Wie entstehen Gefühle?. Wie funktioniert ein Intelligenztest?. Kann Schlaf unsere Gedächtnisleistung verbessern?. Warum können wir dreidimensionale Objekte wahrnehmen, obwohl das Abbild unserer Umwelt auf der Netzhaut nur zweidimensional ist?. Ist Denken ohne Sprache möglich?. Kann sich die Persönlichkeit eines Menschen im Erwachsenenalter noch verändern?. Ist Bestrafung ein gutes Erziehungsmittel?. Wie zuverlässig ist ein Lügendetektor? Vielleicht haben Sie sich schon einige der oben genannten Fragen gestellt, die Themen aus unterschiedlichen Teilbereichen der Psychologie ansprechen. In diesem Buch wird ein Überblick über das Fach Psychologie und seine Teildisziplinen gegeben. Dabei werden auch Fragen wie die oben angeführten behandelt. 19

Teil I Grundlagen Aufgabe der Psychologie ist es, menschliches Verhalten und Erleben zu beschreiben, zu erklären, vorherzusagen und zu beeinflussen. Psychologie als Wissenschaft ist in Deutschland teilweise den philosophischen, teilweise den naturwissenschaftlichen Fakultäten zugeordnet. Dieses Phänomen spiegelt die Tatsache wider, dass die Wurzeln des Fachs zum einen in den Geisteswissenschaften und zum anderen in den Naturwissenschaften liegen. Aus diesem Grund wird die Psychologie oft als Brückenfach bezeichnet. Unterschiedliche Traditionen zeigen sich unter anderem in der Verwendung quantitativ oder qualitativ orientierter Methoden. Verschiedene Akzentsetzungen finden sich in einzelnen Forschungsteams bezüglich der Fragen, ob Erleben und Verhalten auf kognitiv-affektiver oder auf Verhaltensebene untersucht werden sollen und ob hierfür korrelativ, experimentell oder einzelfallorientiert vorgegangen wird. Häufig wurden in den letzten Jahren verhaltensgenetische, evolutionsbiologische oder neurowissenschaftliche Zugänge verfolgt, die eine größere Nähe zur Biologie als zu den Sozialwissenschaften aufweisen. Krampen (2004) bezeichnet die Psychologie als transdisziplinäre Wissenschaft und sieht gerade die Vielfalt der Zugänge, Theorien und Methoden als Chance, um Phänomene mit natur-, geistes- oder sozialwissenschaftlichen Konzepten und Methoden zu bearbeiten. Während der letzten Jahre hat in starkem Maße eine Internationalisierung der Psychologie eingesetzt. Als Fachsprache hat sich dabei das Englische etabliert. Durchschnittlich werden derzeit mit steigender Tendenz etwa 27 % der Publikationen im deutschsprachigen Raum in englischer Sprache veröffentlicht (Krampen & Schui, 2009). Neue Erkenntnisse werden regelmäßig in Fachzeitschriften und auf Tagungen vorgestellt (s. z. B. www.dgps.de). 1.2 Studienangebote 20 An 44 deutschen Universitäten besteht die Möglichkeit, Psychologie zu studieren, an zahlreichen Fachhochschulen gibt es spezialisierte Studiengänge wie Wirtschafts-, Kommunikations- oder Rehabilitationspsychologie. Psychologie mit schulpsychologischem Schwerpunkt (Abschluss Staatsexamen) wird an den Universitäten Bamberg, Eichstätt und München als eigenständiges Fach für ein Lehramtsstudium angeboten. Ein Fernstudium der Psychologie ist an der FernUniversität Hagen möglich (s. auch Kap. 29 in diesem Band). Die Zahl der Studierenden im Hauptfach hat sich in den vergangenen Jahrzehnten auf über 31 000 erhöht, die von etwa 3 000 hauptberuflichen Lehrkräften unterrichtet werden (Statistisches Bundesamt, 2009a). Im Jahr 2008 haben 3 602 Studierende einen Diplomabschluss in Psychologie an einer Universität erreicht, davon waren 656 (18 %) männlich (Statistisches Bundesamt, 2009b). Wenn man bedenkt, dass sich fünf Jahre zuvor (also 2003) im ersten Fachsemester 3 849 Studienanfänger immatrikuliert hatten, ist die Zahl der Studienabbrecher gering (Statistisches Bundesamt, 2004). Die Regelstudienzeit im Diplomstudiengang waren neun Semester, die durchschnittliche Studiendauer betrug allerdings 11,9 Fachsemester (Statistisches Bundesamt, 2009c). Gründe für das Überschreiten der Studiendauer sind nach einer Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Psychologie vor allem Nebenjobs und Praktika (Schneider, 2005). Die Zahl der Promotionen lag 2008 bei 512, das wären 14 % der Absolventen im gleichen Jahrgang.

1.3 Aufbau des Studiums 1 Das Studium der Psychologie und Berufsperspektiven Während 2006 noch 93 % der Studierenden in dem Diplomstudiengang eingeschrieben waren, ist inzwischen der Einstieg in das Psychologiestudium nur noch mit einem sechssemestrigen Bachelorstudiengang möglich. Der Abschluss wird meist Bachelor of Science (B. Sc.) genannt und ist grundsätzlich berufsqualifizierend. Allerdings gibt es zum Berufseinstieg von Bachelor-Absolventen bisher in Deutschland wenige Erfahrungen und die europäischen Fachgesellschaften für Psychologie vertreten die Auffassung, dass dieser Abschluss nicht für eine unabhängige, selbstständige psychologische Berufstätigkeit qualifiziert. Deshalb folgt wohl in der Regel noch ein viersemestriges Masterstudium, das an vielen Universitäten eine spätere berufliche Spezialisierung vorwegnimmt, aber dennoch meist mit einem allgemeinen Master of Science in Psychologie abschließt. Insbesondere bei einer angestrebten Weiterbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten handelt es sich dabei um den eigentlichen berufsqualifizierenden Abschluss. Eine Unterscheidung in eher forschungsoder eher praxisorientierte Masterstudiengänge lässt sich meist nicht mehr aufrechterhalten. In den neuen Studiengängen sind deutliche Überschreitungen der Regelstudienzeit nur noch eingeschränkt möglich. Die Studiengänge sind modularisiert; das bedeutet, dass mehrere Lehrveranstaltungen zu einem Modul zusammengefasst und studienbegleitend geprüft werden. Für erbrachte Leistungen werden Punkte nach dem European Credit Transfer and Accumulation System (ECTS) vergeben, um eine Vergleichbarkeit mit anderen europäischen Ländern zu vereinfachen. An der Höhe der vergebenen ECTS-Punkte lässt sich der Aufwand für die Studierenden erkennen, den sie für ein Modul erbringen müssen. Dabei entspricht 1 ECTS-Punkt 30 Zeitstunden, wobei hier nicht nur der Besuch von Lehrveranstaltungen, sondern zum Beispiel auch das Aufarbeiten des Stoffes und die Prüfungsvorbereitung berechnet werden. In der Regel summieren sich alle Tätigkeiten während eines Semesters auf 30 ECTS, also 900 Zeitstunden. Das entspricht einer Vollzeit- Arbeitstätigkeit. Insgesamt müssen im Bachelorstudiengang 180 und im Masterstudiengang weitere 120 ECTS erreicht werden. Gemäß den ländergemeinsamen Strukturvorgaben in der Fassung des KMK-Beschlusses vom 04.02.2010 sollen Module einen Umfang von mindestens 5 ECTS aufweisen und werden in der Regel mit einer einzigen Prüfung abgeschlossen. Dadurch soll die Belastung der Studierenden durch Prüfungen erträglich gehalten werden. Die Inhalte der Module sowie die Struktur des Studiengangs werden von den Hochschulen in einem Modulhandbuch bekannt gemacht. Somit können Studierende auch schon vor dem Studium einen Überblick über die unterrichteten Fächer und hochschulspezifische Besonderheiten bekommen. Einige Studiengänge beinhalten die Belegung von Nebenfächern oder ein Studium Generale, das einen ersten Einblick in andere Disziplinen erlaubt. Auch gibt es Wahlpflichtmodule, die meist erste Erfahrungen mit den verschiedenen Praxisfeldern der Psychologie ermöglichen und je nach Interessenlage gewählt werden. Immer erwartet wird die Teilnahme an einem Praktikum, das zum Beispiel in einer Therapieeinrichtung oder einem Betrieb unter Anleitung einer Psychologin 1 oder eines Psychologen 1 Wir werden im Folgenden nicht in allen Fällen beide Geschlechter explizit erwähnen, sondern Psychologinnen und Psychologen unter den Begriff»Psychologen«subsumieren, soweit wir uns nicht ausdrücklich auf ein Geschlecht beziehen. 21

Teil I Grundlagen abgeleistet werden kann. Typisch ist auch das Empirie- oder Experimentalpraktikum, in dem unter Anleitung die Planung und Durchführung von empirischen Untersuchungen geübt werden. Inzwischen bieten immer mehr Hochschulen auch virtuelle Lehrveranstaltungen an, die entweder komplett (»E-Learning«) oder teilweise (»Blended Learning«) online durchgeführt werden. Eine weitere Möglichkeit, sich über das Profil der verschiedenen Hochschulen im Fach Psychologie einen Eindruck zu verschaffen, ist das Hochschulranking des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE), das zuletzt 2010 aktualisiert wurde (Zeit Studienführer 2010) 2. Auch wenn sich viele Qualitäten eines Studiengangs einer objektiven Messung entziehen, gibt das Ranking einen guten ersten Eindruck. In einigen Bundesländern werden Studiengebühren erhoben. Diese sollen für die Verbesserung der Lehre eingesetzt werden, also zum Beispiel, um zusätzliches Lehrpersonal einzustellen oder die Bibliotheksausstattung zu verbessern. 1.4 Inhalte des Studiums Die einzelnen Fächer der Psychologie, die im Buch genauer vorgestellt werden, sind im Folgenden im Überblick genannt. Eine Zuordnung zum Grund- und Hauptstudium wie beim Studium der Diplompsychologie ist aber bei den neuen Studiengängen nicht mehr möglich. Die Fächer werden in der Regel sowohl im Bachelor- als auch im Masterstudium angeboten, zuerst grundlegend und dann vertiefend. Voraussetzungen für alle Anwendungsfächer stellen die Methodenlehre sowie die Teildisziplinen Allgemeine Psychologie, Entwicklungs-, Sozial- und Persönlichkeitspsychologie sowie Biologische Psychologie dar. Teilgebiete der Allgemeinen Psychologie sind Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Lernen, Gedächtnis, Motivation, Emotion und Denken sowie Sprache und Motorik. Die Allgemeine Psychologie, die in der Regel experimentell arbeitet, beschäftigt sich aus universeller Perspektive mit grundlegenden kognitiven, motivationalen und emotionalen Strukturen und Prozessen. Individuelle Besonderheiten und Unterschiede zwischen 2 Details finden sich auch unter http://ranking.zeit.de/che2010/de/. 22 Individuen sind Gegenstand der Persönlichkeitspsychologie. Die Entwicklung dieser Prozesse und Strukturen über die Lebensspanne ist Thema der Entwicklungspsychologie. Mit sozialen Bedingungen und Konsequenzen menschlichen Erlebens und Verhaltens beschäftigt sich die Sozialpsychologie. Die Biologische Psychologie untersucht das Verhältnis von Erleben und Verhalten zu biologischen Prozessen. Es geht dabei z. B. um Gehirnfunktionen und deren Steuerung psychischer Prozesse oder um den Zusammenhang von Emotionen mit vegetativen, neuroendokrinen und neuroimmunologischen Prozessen sowie zerebralen Funktionen. Die allgemeinen Methoden der Psychologie beinhalten Formen der Datenerhebung, wie Experimente oder Beobachtungsmethoden, sowie Auswertungsmethoden und statistische Verfahren. Wesentliche Anwendungsfächer sind die Arbeits- und Organisationspsychologie, die Wirtschaftspsychologie, die Klinische und die Pädagogische Psychologie sowie die speziellen Methoden der Psy-

1 Das Studium der Psychologie und Berufsperspektiven chologie, nämlich Diagnostik, Evaluation und Forschungsmethoden. Weitere, nicht an allen Studienorten vertretene Anwendungsfächer sind z. B. die Gesundheits-, Neuro-, Medien-, Rechts-, Sport- und Verkehrspsychologie. In der Arbeits- und Organisationspsychologie geht es um die Wechselbeziehungen zwischen Arbeitsbzw. Organisationsbedingungen und dem menschlichen Erleben und Verhalten. Die Wirtschaftspsychologie untersucht Ursachen und Änderungen menschlichen Verhaltens im wirtschaftlichen Kontext. Die Klinische Psychologie beschäftigt sich mit den Bedingungen seelischer Krankheit und Gesundheit sowie der Behandlung psychischer Probleme. Die Pädagogische Psychologie befasst sich mit dem Erwerb pädagogisch beeinflussbarer Kompetenzen, Überzeugungen und Werthaltungen. Die Gesundheitspsychologie untersucht personale und strukturelle Faktoren körperlicher und seelischer Gesundheit. Dabei wird Gesundheit nicht nur als Abwesenheit von Krankheit verstanden, es wird vielmehr von einem positiven Verständnis von Gesundheit ausgegangen. Die Neuropsychologie beschäftigt sich mit den Grundlagen, der Diagnostik und Therapie psychischer Funktionsminderungen in Folge von Hirnschädigungen und -erkrankungen. Die Medienpsychologie befasst sich mit menschlichem Erleben und Verhalten im Zusammenhang mit der Nutzung von Medien, wobei hier Printmedien und Fernsehen, aber auch Internet und Multimedia gemeint sind. In der Rechtspsychologie geht es um Anwendungen der Psychologie auf das Rechtswesen. Dabei spielen u. a. 1.5 Zulassung zum Studium Der Studiengang Psychologie an Universitäten ist zulassungsbeschränkt (zurzeit mit die Beurteilung von Zeugenaussagen, die Betreuung von Polizeibeamten und die Begutachtung von Straftätern eine Rolle. Der Gegenstand der Sportpsychologie sind die psychischen Funktionen und Eigenschaften des sporttreibenden Menschen, die das Trainieren und wettkampfmäßige Vergleichen von Leistung motivieren und regulieren, wobei sie sich weiterentwickeln und ihre spezifische Ausprägung erfahren. Die Verkehrspsychologie untersucht die Wechselbeziehung zwischen menschlichem Erleben und Verhalten einerseits und technischen Verkehrssystemen und dem Verkehrsumfeld andererseits. Die speziellen Methoden der Psychologie sind die Evaluation, Diagnostik und Forschungsmethoden. In der Evaluation geht es um wissenschaftliche Methoden und Modelle für die Qualitätssicherung von (psychologischen) Maßnahmen. Die psychologische Diagnostik liefert Kenntnisse über testtheoretische Grundlagen, diagnostische Prozesse und Strategien und beschäftigt sich mit diagnostischen Methoden, mit ihrer Konstruktion, Evaluation und Normierung. In einer Befragung der Absolventinnen und Absolventen des Jahrgangs 2003 (Schneider, 2005) rangierten in Bezug auf Interessenschwerpunkte die folgenden Gebiete auf den ersten Plätzen: 1. Klinische Psychologie, 2. Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie, 3. Pädagogische Psychologie, 4. Intervention und 5. Diagnostik. Ausnahme der Fernhochschule Hagen) und es gibt etwa viermal so viele Bewerber wie 23

Teil I Grundlagen Studienplätze. Zulassungsvoraussetzung ist in der Regel das Abitur, aber auch eine Berufsqualifikation (zum Beispiel eine Meisterprüfung) ist möglich. Die Zulassungsverfahren sind meist örtlich, das heißt, dass eine Hochschule oder mehrere Hochschulen im Verbund die Bewerberauswahl selbst durchführen. Zulassungskriterien sind überwiegend die Abschlussnote der Hochschulzugangsberechtigung (also zum Beispiel des Abiturs); durch Wartezeiten oder Berufsausbildungen können eventuell Bonuspunkte erreicht werden. Studienzeiten in einem anderen Fach werden nicht als Wartezeit angerechnet. Studieneignungstests haben sich bisher als Alternative zu den Schulnoten kaum durchgesetzt. Aufgrund der örtlichen Vergabeverfahren bietet es sich an, sich an mehr als einer Hochschule für das Psychologiestudium zu bewerben, was wiederum zur Folge hat, dass zu Semesterbeginn viele Studienplätze frei bleiben und dann in Nachrückverfahren noch einige Wochen lang Zulassungen erfolgen können. Einzelheiten zur Zulassung werden in den Hochschulgesetzen der Länder geregelt und finden sich in den Webauftritten der Hochschulen zum Beispiel unter dem Stichwort»örtliches Vergabeverfahren«. Für eine Bewerbung zum Wintersemester liegt der Termin teils schon im Juli. Da der Masterstudiengang ein eigenständiger Studiengang ist, ist hier eine erneute Bewerbung notwendig. Die Zulassung zum Masterstudium wird allerdings je nach Hochschule sehr unterschiedlich gehandhabt. 1.6 Berufsfelder Für viele Studierende der Psychologie war das Motiv, Menschen zu helfen, bei der Studienwahl besonders bedeutsam. Studierende in ersten Semestern haben aber insofern häufig falsche Vorstellungen vom Studium, als sie den Umfang biologischer und mathematischer Inhalte unterschätzen. Grundsätzlich gibt es eine Reihe klassischer Bereiche, in denen eine Tätigkeit möglich ist, sowie einige neuere Bereiche (s. Kasten 1.1). Kasten 1.1: Berufsfelder für Psychologen. Psychotherapeutische Praxen. Psychologische Dienste von Behörden und Gebietskörperschaften: Justiz, Polizeiverwaltungen, Jugendämter, schulpsychologische Dienste etc.. Psychologische Beratungsstellen in kommunaler, kirchlicher und freier Trägerschaft (Ehe-, Lebens-, Familienberatung). Krankenhäuser und Rehabilitationseinrichtungen. Behindertenheime, Heime und Institutionen für Sozial- und Sonderpädagogik, Seniorenheime. Lehr- und Forschungseinrichtungen, Einrichtungen der Erwachsenenbildung, Schulen und vorschulpädagogische Einrichtungen. Unternehmen, z. B. betriebspsychologische Dienste, im Personalwesen, in innerbetrieblichen Aus- und Weiterbildungen, in der Moderation internationaler Teams. Öffentliche Hand, z. B. in der Bundesagentur für Arbeit oder bei Kommunen 24

1 Das Studium der Psychologie und Berufsperspektiven. Markt- und Meinungsforschungsinstitute, Werbeagenturen, Verlage. Verkehrspsychologie, insbes. Verkehrspsychologische Psychotherapie und Beratung nach 71 VeV und Fahreignungsbegutachtung. Bundeswehr. Notfallpsychologie (z. B. bei Geiselnahmen, Flugzeugabstürzen). Sport- und Freizeitpsychologie. Existenzgründungen Beratungsleistungen. Mediation bei Trennungen und Scheidungen, Mediation in der Wirtschaft oder in der Schule Viele Studierende der Psychologie planen, im Bereich der Klinischen Psychologie tätig zu werden. In diesem Tätigkeitsfeld steht die Behandlung psychischer Probleme im Vordergrund. Nach einer zusätzlichen Ausbildung in der Psychotherapie besteht die Möglichkeit der Approbation als Psychologischer Psychotherapeut. Außer der Tätigkeit in der eigenen Praxis ist es im klinischen Bereich auch möglich, im Angestelltenverhältnis in Kliniken für Psychotherapie und Rehabilitation oder in Beratungsstellen (Drogen-, Erziehungs-, Familien- und Ehefragen) beschäftigt zu sein. In der Wirtschafts-, Arbeits- und Organisationspsychologie findet die Tätigkeit i. d. R. in Wirtschaftsunternehmen oder Unternehmensberatungen statt. Aber auch die psychologischen Dienste der Bundes- und Landesverwaltungen, der Bundesanstalt für Arbeit oder der Bundeswehr sind Arbeitgeber. Die Tätigkeit beinhaltet die Personalauswahl, Personal- und Organisationsentwicklung, innerbetriebliche Aus-, Fort- und Weiterbildungen sowie Arbeitsgestaltung, Arbeitsschutz und berufliche Rehabilitation. Wirtschafts,- Arbeits- und Organisationspsychologen arbeiten in Personalabteilungen, selbstständig in der Personalauswahl und -entwicklung, in Unternehmensberatungen sowie in Einrichtungen zur Förderung der Arbeitssicherheit, im Marketing und in Weiterbildungseinrichtungen. Klassische Arbeitsfelder der Pädagogischen Psychologie sind die Erziehungsberatung und Schulpsychologie, aber auch Arbeit an Evaluationsprojekten sowie in der Erwachsenenbildung und Weiterbildung. Arbeitgeber sind Kinder- und Jugendheime, Rehabilitationseinrichtungen, die schulpsychologischen Dienste der Bundesländer sowie Beratungsstellen verschiedener Träger (Familien-, Erziehungs-, Bildungs- und Studienberatung) und Institute für Lernförderung. Die Tätigkeiten beinhalten u. a. die Prävention und Intervention bei Lernschwierigkeiten. In der Gesundheitspsychologie sind Psychologen bei der Erstellung von Programmen zur Aufklärung über Gesundheitsrisiken tätig. Ihr Betätigungsfeld umfasst auch den Aufbau gesundheitsbezogener Kompetenzen, z. B. Stressbewältigung, Ernährungsverhalten und Raucherentwöhnung. Arbeitgeber sind Krankenkassen oder öffentliche Einrichtungen. Auch die Tätigkeit in freier Praxis ist möglich. Eine wichtige Aufgabe der Verkehrspsychologie ist die Begutachtungstätigkeit im Hinblick auf die mentale und persönliche Eignung von Verkehrsteilnehmern auf der Basis einer medizinisch-psychologischen Untersuchung. Weitere Tätigkeitsfelder sind Training und Schulung im Zusammenhang mit der Wiederbeantragung der Fahrerlaubnis sowie die Gestaltung von Mensch-Maschine-Systemen in öffentlichen, aber auch privaten Forschungs- und Weiterbildungseinrichtungen. Rechtspsychologen arbeiten für Justizbehörden, Polizei und Strafvollzug. Unter anderem begutachten sie Angeklagte hinsicht- 25

Teil I Grundlagen lich ihrer Schuldfähigkeit, beurteilen die Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen und unterstützen familiengerichtliche Fragen (z. B. Sorgerecht) und Entscheidungen im Strafvollzug (z. B. bzgl. Vollzugslockerung oder Haftentlassung). Auch therapeutische Arbeit mit Strafgefangenen gehört zu den Aufgaben von Rechtspsychologen. Die Medienpsychologie beschäftigt sich mit der Mediennutzung und -wirkung sowie der Schaffung von Kompetenzen für die Gestaltung und Nutzung medialer Angebote. Tätigkeitsbereiche sind das IT-Consulting sowie die Markt- und Werbepsychologie. Mögliche Arbeitgeber sind v. a. die Medienwirtschaft der IT-Branche und Medienanstalten. Bei der Betreuung aktiv tätiger Sportler hat sich neben der Sportmedizin auch die Sportpsychologie etabliert. Sportpsychologen beraten z. B. Leistungssportler bei der Gestaltung ihres Trainingsplans und der Optimierung ihres Leistungsstands, aber auch bei Motivationstiefs. Sportpsychologisches Training und entsprechende Beratung werden im Wettkampf-, Gesundheitsoder Behindertensport eingesetzt und von Vereinen sowie Sportverbänden angeboten. Neue Betätigungsfelder sind in den letzten Jahren in der Freizeitbranche, der Umweltpsychologie sowie der Interkulturellen Psychologie entstanden. Noch immer ist der größte Beschäftigungsbereich die Klinische Psychologie. Allerdings hat der Bereich der Arbeits- und Organisationspsychologie in den letzten Jahren zugenommen. Im April 2004 gingen 20 % der 2 800 Absolventinnen und Absolventen in die Arbeits-, Betriebs- und Organisations-(ABO)-Psychologie, vier Jahre vorher waren es nur 8 %. Stellenangebote kommen zu ca. 60 % aus dem Gesundheits- und Sozialwesen, 9 % aus der öffentlichen Verwaltung, 7 % aus der Erwachsenenbildung und 6 % aus Hochschulen (ZVA, 2003, Januar Juli). Entsprechend ist knapp die Hälfte (40 50 %) derjenigen, die das Studium abgeschlossen haben, anschließend klinisch tätig. 15 30 % gehen in die Arbeits- und Organisationspsychologie, 5 15 % in die Rechtspsychologie und 5 15 % nehmen Tätigkeiten in Forschung und Lehre auf. Gute Zukunftsperspektiven spricht man der Marktforschung sowie der Umwelt-, Freizeit- und Sportpsychologie zu (Schneider, 2005). 1.7 BeschaÈ ftigungsperspektiven 1993 gab es im Bundesgebiet 29 000 Psychologinnen und Psychologen, 2004 waren es fast 50 000. Bedarf und Nachfrage sind besonders in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts stark gestiegen. Das Bewusstsein um den Wert psychologischer Dienstleistungen und die Bereitschaft, diese zu bezahlen, scheinen insgesamt gewachsen zu sein (Studierendendaten Sonderauswertung ISA 5.01, Statistisches Bundesamt 10/ 2003). Im Jahr 2000 waren 30 % der tätigen Psychologen älter als 50 Jahre, so dass sich altersbedingt in den nächsten Jahren 26 ein deutlicher Bedarf an Nachwuchskräften ergibt (Mikrozensus-Projektion 2000 Sonderauswertung ISA 3.01, Statistisches Bundesamt 7/2001). Wie Schneider (2005) anhand einer Übersicht aus verschiedenen Datenquellen aufzeigt, ist die Zahl arbeitsloser Psychologen über die Jahre hinweg weitgehend gleich geblieben, die Zahl beschäftigter Psychologen hat aber relativ stetig zugenommen. Immer neue Arbeitsfelder wurden erschlossen. Allerdings kann nicht von einem ungebrochenen Trend in diese Rich-