Prof. em. Martiny SS 2013. Internationales Zivilverfahrensrecht Arbeitspapier Internationales Zustellungsrecht



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Transkript:

Prof. em. Martiny SS 2013 Internationales Zivilverfahrensrecht Arbeitspapier Internationales Zustellungsrecht A. Schrifttum Lehrbücher: Geimer IZPR 6 S. 634 ff.; Hess 8 I; von Hoffmann/Thorn IPR 9 3 Rn. 113; Junker IZPR 25; Kegel/Schurig IPR 9 22 III; Linke/Hau IZPR 5 5; Rauscher IPR 4 14; Schack, IZPR 5 13; Siehr IPR 54 III 2 Zur Vertiefung: Heckel, Die fiktive Inlandszustellung auf dem Rückzug : Rückwirkungen des europäischen Zustellungsrechts auf das nationale Recht, IPRax. 2008, 218-225; Heinze, Keine Zustellung durch Aufgabe zur Post im Anwendungsbereich der Europäischen Zustellungsverordnung, IPRax 2013, 132-135; Hess, Übersetzungserfordernisse im europäischen Zivilverfahrensrecht, IPRax 2008, 400-403; Jastrow, Europäische Zustellung und Beweisaufnahme 2004 - Neuregelungen im deutschen Recht und konsularische Beweisaufnahme, IPRax 2004, 11-13; Kondring, Von Scania zu Alder: ist die fiktive Inlandszustellung in Europa am Ende?, EWS 2013, 128-135; Oberhammer, Deutsche Grundrechte und die Zustellung US-amerikanischer Klagen im Rechtshilfeweg, IPRax 2004, 31; Rahlf/Gottschalk, Das Europäische Zustellungsrecht, EWS 2004, 303-310; Roth, Remise au parquet und Auslandszustellung nach dem Haager Zustellungsübereinkommen von 1965, IPRax 2000, 497-499; Schack, Ein unnötiger transatlantischer Justizkonflikt die internationale Zustellung und das Bundesverfassungsgericht, Die Aktiengesellschaft 2006, 823-832; Schmidt, Parteizustellung im Ausland durch Einschreiben mit Rückschein Ein gangbarer Weg? Anmerkungen zum neuen Zustellungsrecht und dem EG- Beweisaufnahmedurchführungsgesetz, IPRax 2004, 13-20; Stadler, Die Reform des deutschen Zustellungsrechts und ihre Auswirkungen auf die internationale Zustellung, IPRax 2002, 471-478; Tsikrikas, Probleme der Zustellung durch die Post im europäischen Rechtsverkehr, ZZPInt 2003, 309-327. B. Fälle Fall 1: Der Napster-Fall Der Bertelsmann-Konzern hatte sich bei der Online-Tauschbörse Napster eingekauft. Daraufhin reichten die Musik-Konkurrenten EMI und Universal in den USA gegen Bertelsmann eine Sammelklage mit einer Schadensersatz-Forderung von 17 Milliarden US-Dollar ein. Bertelsmann beantragte eine einstweiligen Anordnung des BVerfG und verlangte, die Zustellung der Klage zunächst auszusetzen. (BVerfG 25.7.2003, BVerfGE 108, 238 = IPRax 2004, 61 m. Aufs. Oberhammer (40)) (Nach Rücknahme der Verfassungsbeschwerde wurde später die einstweilige Anordnung aufgehoben.) Vgl. auch BVerfG 9.1.2013, NJW 2013, 990 (Zustellung von US-Klage auf Punitive Damages und Haager Zustellungsübereinkommen: Kein Schutz) Fall 2: Post aus Portugal Am 10.7.2000 erging aufgrund eines Zivilverfahrens in Lissabon, auf das sich die beklagte Schuldnerin S nicht eingelassen hatte, ein mittlerweile rechtskräftiges - Urteil, in dem S zur Zahlung von 5 Millionen Escudos verurteilt wurde. Das Urteil wurde S im Jahre 2000 (also noch vor Inkrafttreten der EuZVO) mittels einfacher Post per Einschreiben und nur in portugiesischer Sprache übermittelt. Die Gläubigerin G will nun aus dem Urteil vollstrecken. Kann S dies verhindern? (OLG Köln 3.1.2003, OLGR Köln 2003, 111) Fall 3: Dänische Versäumnisurteile B wurde durch Versäumnisurteil eines dänischen Amtsgerichts zu einer Geldzahlung an K verurteilt, wobei nach dänischem Recht solche Urteile nicht von Amts wegen zugestellt werden. K versucht daher über einen deutschen Rechtsanwalt, das Urteil zustellen zu lassen. Dessen Antrag bei einem deutschen Amtsgericht auf Zustellung wird jedoch abgelehnt. Zu Recht? (OLG Düsseldorf 14.11.2003, IPRax 2005, 148 und OLG Hamm 6.6.2003, IPRax 2005, 146 m. Aufs. Fogt (118)) Fall 4: Wo bleibt der Gewinn? K hatte von der in England ansässigen B eine Gewinnmitteilung bekommen, den sie einklagen möchte. Die Klageschrift wurde mittels Einschreiben mit Rückschein nach England übermittelt. Zwar kam der Rückschein nicht zurück, allerdings antwortete B in deutscher Sprache, dass er die Annahme der Sendung verweigere, da die Dokumente nicht in englischer Sprache verfasst seien. K möchte nun wissen, ob die Klage wirksam zugestellt wurde. (OLG Celle 5.1.2004, NJW 2004, 2315) Fall 5: Zustellung bei Bertelsmann - wenn der Postbote zweimal klingelt A, ein ehemaliger leitender Angestellter eines puertoricanischen Tochterunternehmens der Bertelsmann AG (B), verklagte seinen direkten Arbeitgeber und die B vor einem U.S.-amerikanischen Gericht wegen seiner Entlassung und Nichtberücksichtigung bei der Besetzung eines Führungspostens auf Schadensersatz in Höhe von

2 mehr als 11 Mio. US- Dollar. Die U.S.-amerikanische Klageschrift wurde der B im Wege der Rechtshilfe auf der Grundlage des Haager Zustellungsübereinkommens durch den Präsidenten des AG Darmstadt zugestellt. Die B beantragte die Aufhebung der Zustellung. Zu Recht? (BVerfG 24.01.2007, RIW 2007, 211 m. Aufs. von Hein [249]) Fall 6: Zustellung einer Klageschrift in London K und B, eine in London ansässige und nach englischem Recht gegründete Gesellschaft, schlossen einen Architektenvertrag. In diesem wurde Deutsch als Vertragssprache vereinbart. Nunmehr wollte K die B gerichtlich auf Schadensersatz wegen mangelhafter Leistung in Anspruch nehmen. Nachdem B zunächst die Annahme der Klage wegen Fehlens einer englischen Übersetzung abgelehnt hatte, wurden ihr daraufhin der Klageschriftsatz in englischer Übersetzung und die in deutscher Sprache abgefassten Anlagen (ohne Übersetzung) Ende Mai 2003 in London ausgehändigt. Mit Schriftsatz vom 13.06. beanstandete sie die Zustellung als fehlerhaft, weil die Anlagen nicht ins Englische übersetzt worden seien. Sie hat die Annahme der Klage aus diesem Grund unter Berufung auf Art. 8 I EuZVO verweigert und hält deren Zustellung für unwirksam. Hat sie Recht? (EuGH 8.5.2008 - C-14/07 - Weiss und Partner, IPRax 2008, m. Aufs. Hess (400). - Vorlagebeschluss BGH 21.12.2006, NJW 2007, 775 = EuZW 2007, 187) Fall 7: Zustellung durch Ablage in der Gerichtsakte Die in Deutschland wohnenden Eheleute Alder haben beim Sąd Rejonowy w Koszalinie (Polen) eine Zahlungsklage gegen die in Polen wohnenden Eheleute Orlowski erhoben. Trotz Belehrung benannten sie keinen Zustellungsbevollmächtigten. Daraufhin wurden die für sie bestimmten gerichtlichen Schriftstücke (insbes. die Ladung) in der Gerichtsakte belassen und galten damit als zugestellt (Art. 1135-5 poln. ZVG) Zulässig? (EuGH, 19.12.2012 - C-325/11 - Alder/Orlowska - NJW 2013, 443 Anm. Düsterhaus = IPRax 2013, 157 m. Aufs. Heinze, 132 = ZZP 126 (2013) 235 m. Aufs. M. Stürner, 137) Dazu Kondring EWS 2013, 128 C. Zum internationalen Zustellungsrecht I. Problematik und Rechtsquellen 1. Aufgaben Zustellung ist die Bekanntgabe eines Schriftstücks an eine Person, wobei eine gesetzlich bestimmte Form einzuhalten ist. In der ZPO ist dies in den 166 ff. n.f. geregelt. Aufgabe der Zustellung ist es, dem Empfänger Gelegenheit zur Kenntnisnahme eines Schriftstücks und damit zu seiner Rechtsverteidigung oder verfolgung zu verschaffen. Zudem soll der Veranlasser der Zustellung die Möglichkeit bekommen, nachweisen können, dass und in welcher Weise der Adressat diese Gelegenheit hatte. Als staatlicher Hoheitsakt kann die Zustellung im Ausland grundsätzlich nur im Wege der Rechtshilfe erfolgen. Regelungen dazu finden sich in der Rechtshilfeordnung für Zivilsachen (ZRHO), einer von Bund und Ländern erlassenen Verwaltungsvorschrift (Text im Internet). 183 I ZPO sieht zur Vereinfachung die Möglichkeit der Zustellung mittels Einschreiben mit Rückschein vor, soweit dies aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarung zulässig ist. Mit der Zustellung treten bestimmte Rechtswirkungen ein (Klageerhebung ( 253 ZPO), Fristlauf). Zustellungsmängel können dazu führen, dass die Entscheidung im Ausland nicht anerkannt wird (siehe u.a. Art. 34 Nr. 2 EuGVO), vgl. auch Fall 2. 2. Rechtsquellen - Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 vom 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten ( Zustellung von Schriftstücken ) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates (EuZVO), ABl.EU 2007 L 324/79 (JH Nr. 224); Ausführungsvorschriften in 1067-1069 ZPO; - Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 15. November 1965 (HZÜ), BGBl. 1977 II 1453 (JH Nr. 211); Deutsches AusfG von 22.12.1977, 1-6, BGBl. 1977 I 3105 (JH Nr. 212a); - Haager Übereinkommen über den Zivilprozeß vom 1. März 1954 (HZPÜ), 1-7, BGBl. 1958 II 577 (JH Nr. 210); Deutsches AusfG von 18.12.1958, 1-3, BGBl. 1958 I 939 (JH Nr. 210a); - 183 ff. ZPO II. Internationale Zustellung nach EuZVO 1. Die EuZVO ist anwendbar bei Zustellungen von einem EU-Mitgliedstaat (MS) in einen anderen, soweit die Anschrift des Empfängers bekannt ist (Art. 1 I). Im Verhältnis zu Dänemark findet die VO aufgrund eines Abkommens zwischen der EU und Dänemark (ABl. EU 2005 L 300/55) Anwendung. 183 V ZPO stellt den Vorrang der VO klar. Zur Durchführung sind in jedem MS Empfangs- sowie

3 Übermittlungsstellen einzurichten (Art. 2). In Deutschland ist Empfangsstelle das AG, in dessen Bezirk das Schriftstück zugestellt werden soll ( 1069 II ZPO); Übermittlungsstelle ist für gerichtliche Schriftstücke das die Zustellung betreibende Gericht, für außergerichtliche Schriftstücke das AG, in dessen Bezirk die Person, die die Zustellung betreibt, ihren Wohnsitz oder gewöhnl. Aufenthalt hat bzw. bei notariellen Urkunden auch das AG, in dessen Bezirk der beurkundende Notar seinen Amtssitz hat ( 1069 I ZPO). Für die Erteilung von Auskünften an Übermittlungsstellen sowie zur Abwicklung von Problemen wird eine Zentralstelle eingerichtet (Art. 3, 1069 III ZPO). In Brandenburg ist dies das Justizministerium (VO v. 19.12.2001, GVBl. II/02 S.6). Weitere Hinweise finden sich auch unter http://europa.eu.int/comm/justice_home/judicialatlascivil/html/index.htm Die Übermittlung von Schriftstücken erfolgt direkt zwischen Übermittlungsstelle und Empfangsstelle (Art. 4), den Schriftstücken ist ein Formblatt beizufügen. Beglaubigungen oder gleichwertige Formalitäten sind nicht erforderlich. Die Empfangsstelle bestätigt den Erhalt und veranlasst die Zustellung des Schriftstücks nach ihrem Recht oder soweit nach ihrem Recht zulässig, in einer von der Übermittlungsstelle gewünschten besonderen Form (Art. 7). Nach der Erledigung wird der Übermittlungsstelle eine entsprechende Bescheinigung übersandt (Art. 10). Der Empfänger darf die Annahme des Schriftstücks verweigern, wenn dieses weder in der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats abgefasst ist, noch in einer Sprache des Übermittlungsstaates, die der Empfänger versteht (Art. 8). Dabei gilt für Zustellungen im Ausland eine Notfrist zur Erklärung dieser Verweigerung von einer Woche ab Zustellung. In Fall 6 hatte der EuGH zu entscheiden, ob das Annahmeverweigerungsrecht des Zustellungsempfängers gem. Art. 8 EuZVO auch dann besteht, wenn zwar die zugestellte Klageschrift, nicht jedoch die Anlagen der Klageschrift übersetzt sind. Der EuGH entschied, dass eine Übersetzung der Anlagen nur dann erforderlich ist, wenn die Klageschrift ohne die Anlagen aus sich heraus nicht hinreichend verständlich ist. Das Erfordernis der Übersetzung soll lediglich den Justizgewährungsanspruch des Bekl. erfüllen und diesem die Möglichkeit einräumen, sich ausreichend gegen die Klage zu verteidigen. Ist der mit der Klage geltend gemachte Anspruch jedoch auch ohne die Anlagen verständlich, so ist eine ausreichende Verteidigungsmöglichkeit gewährleistet und ein Annahmeverweigerungsrecht des Bekl. besteht nicht. Ob die Klage auch ohne Anlagen verständlich ist, muss in jedem Einzelfall vom nationalen Gericht geprüft werden. 2. Neben diesem Verfahren finden sich Regelungen über andere Zustellungsarten für gerichtliche Schriftstücke (Art. 12-15). Zustellungen durch diplomatische oder konsularische Vertretungen (Art. 13), die in der BRD bewirkt werden sollen, sind nur an Staatsangehörige des ÜbermittlungsMS zulässig ( 1067 ZPO). Zustellungen durch die Post (Art. 14) müssen sowohl aus als auch nach Deutschland mittels Einschreiben mit Rückschein erfolgen. Zudem sind weitere Bedingungen einzuhalten (siehe 1068 ZPO). Parteizustellungen aus dem Ausland (Art. 15) sind nunmehr auch in Deutschland zulässig. In Fall 4 reichte die Übermittlung mittels Einschreiben mit Rückschein nach England für eine wirksame Zustellung aus, bei der Übermittlung nach Art. 14 ist die Beifügung einer Übersetzung nicht vorgesehen. 3. Fiktive Inlandszustellungen wie Ablage in der Gerichtsakte, remise au parquet (Zustellung an die Staatsanwaltschaft), Zustellung durch Aushang im Gericht etc sind im Anwendungsbereich der EuZVO nicht zulässig (Fall 7). 4. Art. 16 stellt klar, dass auch außergerichtliche Schriftstücke (z.b. notarielle Urkunden) nach Maßgabe der VO übermittelt werden können. III. Internationale Zustellung nach HZÜ 1. Zustellung nach HZÜ a) Außerhalb der EU kann hinsichtlich der Übermittlung von gerichtlichen sowie bestimmten außergerichtlichen Schriftstücken zwecks Zustellung das Haager Zustellungsübereinkommen von 1965 (HZÜ) anwendbar sein. Das HZÜ regelt derzeit auch die Zustellung in Bezug auf Dänemark. 183 I ZPO stellt den Vorrang der VO klar. b) Die Übermittlung erfolgt über eine Zentrale Behörde im Zustellungsstaat, die die Zustellung bewirkt bzw. veranlasst (Art. 2, 5 HZÜ). In Brandenburg ist dies das Justizministerium ( 1 der VO v. 4.6.1991, GVBl. /91 S. 288). Die Zustellung erfolgt dann in einer der Formen, die das Recht des Zustellungsstaats vorsieht, oder ggf. in einer von der ersuchenden Stelle gewünschten besonderen

4 Form, wenn dies mit dem Recht des ersuchten Staates vereinbar ist (Art. 5 I HZÜ). Die Zentrale Behörde kann bei Zustellung nach Art. 5 I HZÜ verlangen, dass das Schriftstück in der Amtsprache des ersuchten Staates abgefasst ist bzw. in diese übersetzt ist (Art. 5 III HZÜ; bei förmlicher Zustellung in Deutschland muss das Schriftstück in dt. Sprache oder dt. Übersetzung vorliegen, 3 AusfG). Wird keine besondere Form der Zustellung gewünscht und ist der Empfänger zur Annahme bereit, kann die Zustellung durch einfache Übergabe bewirkt werden (Art. 5 II HZÜ). Über die Zustellung ist von der Zentralen Behörde und einer sonstigen dazu bestimmten Behörde ein Zustellungszeugnis auszustellen (Art. 6 HZÜ; Muster in Anlage zum HZÜ). c) Nach Art. 8 HZÜ besteht auch die Möglichkeit, Personen im Ausland, Schriftstücke unmittelbar durch dipl. oder konsul. Vertreter ohne Anwendung von Zwang zustellen zu lassen. Mit Ausnahme einer solchen Zustellung an Angehörige des Ursprungsstaates kann jeder Staat aber einer solchen Art der Zustellung widersprechen (so Deutschland, 6 S. 1 AusfG). d) Art. 10 HZÜ sieht ferner vor, dass gerichtliche Schriftstücke unmittelbar per Post an Personen im Ausland übersandt werden dürfen sowie unmittelbar Aufträge von Justizbeamten, etc. des Ursprungstaats oder durch sonstige Verfahrensbeteiligte durch Justizbeamte, etc. des Bestimmungslandes bewirkt werden. Hiergegen kann der Bestimmungsstaat Widerspruch erklären (so Deutschland, 6 S. 2 AusfG; in Fall 2 erfolgte damit keine ordnungsgemäße Zustellung; auch in Fall 3 ist eine Zustellung daher abzulehnen gewesen). Art. 15, 16 HZÜ regeln Vorgaben für das gerichtliche Verfahren, für das die Zustellung veranlasst wurde, und soll einem Beklagten ausreichendes rechtliches Gehör bieten. e) Außergerichtliche Schriftstücke, die von Behörden und Justizbeamten eines Vertragsstaats stammen, können zum Zweck der Zustellung in einem anderen Vertragsstaat nach den in diesem Übereinkommen vorgesehenen Verfahren und Bedingungen übermittelt werden (Art. 18 HZÜ). 2. Ablehnung eines Zustellungsantrags a) Nach Art. 13 HZÜ kann ein Zustellungsersuchen ausnahmsweise abgelehnt werden, wenn der ersuchte Staat die Zustellung für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden. Kein alleiniger Ablehnungsgrund ist es, wenn der Staat eine ausschließliche Zuständigkeit seiner Gerichte in Anspruch nimmt oder ein Verfahren nicht kennt, das dem entspricht, für das der Antrag gestellt wurde. b) Die Gewährung von Rechtshilfe durch die Zustellung einer Klage, mit der Ansprüche auf Strafschadensersatz nach US-amerikanischem Recht geltend gemacht werden, verletzt grundsätzlich nicht die allgemeine Handlungsfreiheit in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (BVerfGE 91, 335, 340). Die Zustellung einer solchen Klage ist mit Art. 2 I GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip aber dann nicht zu vereinbaren, wenn das mit der ausländischen Klage angestrebte Ziel offensichtlich gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats verstößt (siehe dazu BVerfGE 108, 238). In Fall 5 verneinte das BVerfG einen solchen evidenten Verstoß gegen unverzichtbare rechtsstaatliche Grundsätze. Ein evidenter Rechtsmissbrauch ergebe sich nicht allein aus der Höhe der geltend gemachten Schadenssumme, da diese nicht ohne jeden Bezug zur behaupteten Rechtsverletzung und dem behaupteten Schaden stehe. Auch die Unterwerfung unter ein pre-trial discovery (Beweis- und Beweisermittlungsverfahren, das zwischen Klageerhebung und mündlicher Verhandlung durchgeführt wird) stelle keinen offensichtlichen Verstoß dar. Vor einer konkret gegen B gerichteten Beweisaufnahme müssten weitere Rechtshilfeentscheidungen deutscher Hoheitsträger ergehen. Hier würden auch die Rechte der B ausreichende Beachtung finden. Des Weiteren stellt die Tatsache, dass B ihre außergerichtlichen Kosten - selbst bei Unzulässigkeit der Klage - nicht ersetzt bekommt, keinen Verstoß gegen unverzichtbare rechtsstaatliche Grundsätze dar. Bei der Teilnahme am internationalen Wirtschaftsverkehr falle das Risiko gerichtlicher Entscheidungen grds. in die Sphäre des Unternehmers. Werden dagegen Verfahren vor staatlichen Gerichten in einer offenkundig missbräuchlichen Art und Weise genutzt, um mit publizistischem Druck und dem Risiko einer Verurteilung einen Marktteilnehmer gefügig zu machen, könnte dies deutsches Verfassungsrecht verletzen. In Fall 1 erließ das BVerfG daher eine einstweilige Anordnung. IV. Internationale Zustellung nach ZPO ( 183 ff. ZPO) In der ZPO finden sich Vorschriften zur Zustellung im Ausland in den 183 ff., wobei aber

5 vorrangige staatsvertragliche Vorschriften (insb. HZÜ) sowie die EuZVO zu beachten sind. Soweit zulässig, werden Schriftstücke nach 183 I ZPO unmittelbar mittels Einschreiben mit Rückschein durch die Post versandt, ansonsten auf Ersuchen des Vorsitzenden des Prozessgerichts durch die Behörden des fremden Staates oder die diplomatische oder konsularische Vertretung der BRD. Nach 184 ZPO kann der im Ausland ansässigen Partei aufgegeben werden, einen Zustellungsbevollmächtigten im Inland zu benennen. Die Vorschrift ist jedoch im Geltungsbereich der EuZVO nicht anwendbar (BGH 2.2.2011, BGHZ 188, 164 = NJW 2011, 1885 m. zust. Aufs. M. Stürner, 137). 185 ZPO sieht die Möglichkeit der öffentlichen Zustellung u.a. für den Fall vor, dass die Zustellung im Ausland nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht. PAP izpr_zustell - 14.06.2013