Lungenkarzinome aktuelle histologische Klassifikation J. Knolle, St. Hege, S. Hippe Institute für Pathologie Städtisches Klinikum Dessau und Leipzig
Die sind weise zu nennen, die Dinge in die rechte Ordnung bringen. Thomas von Aquin 1225-1274
Ich misstraue allen Systematikern und gehe ihnen aus dem Weg. Der Wille zum System ist ein Mangel an Rechtschaffenheit. Friedrich Nietzsche 1844-1900 Götterdämmerung, Spruch 26
Schon gut! Nur muß man sich nicht allzu ängstlich quälen; Denn eben wo Begriffe fehlen, Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein. Mit Worten läßt sich trefflich streiten, Mit Worten ein System bereiten, An Worte läßt sich trefflich glauben, Von einem Wort läßt sich kein Jota rauben. Johann Wolfgang von Goethe 1749 1832 Mephisto in Faust. Ein Fragment, V.1994-2000
Klassifikation Systematisches Vorgehen zur planmäßigen Sammlung von abstrakten Klassen, die zur Abgrenzung und Ordnung verwendet werden. Wikipedia 11.09.12
Arten der Klassifikation Monohierarchisch - Baumstuktur Polyhierarchisch - mehrdimensional Analytische K. Synthetische K. - vom Allg. zum Bes. - vom Bes. zum Allg. Genetische K. - nach Ursprung, Entstehung
Klassifikationssysteme Verbale Benennung aus der natürlichen Sprache Künstliche Bezeichnung durch Notation, die aus Zahlen, Sonderzeichen oder Buchstaben besteht
Einsatz und Leistungen von Klassifikationen Zusammenfassung isolierter Inhalte zu Klassen Eindeutigere Begriffsbeschreibungen Umgehung scheinbarer Verwandtschaftsbeziehungen Verbesserte Präzision
Nachteile von Klassifikationen Systematik rel. festgelegt, ev. unflexibel Hierarchische Strukturen Schwierige Umsetzbarkeit der Fortschritte Sachverhalte werden in Klassen gezwängt Restobjekte, die in keine der Klassen passen machen unbefriedigende Residualkategorien erforderlich
Vorteile von Klassifikationen Universalität Kontinuität Aktualität Flexibilität (durch Expansivität) In der Morphologie: prognostische und prädiktive Aussagen
Prognosefaktoren Aussage zum Risiko, ein Rezidiv oder eine Metastasierung bei einer bösartigen Erkrankung zu erleiden Vorhersage des wahrscheinlichen Krankheitsverlaufes
Prädiktoren relative Vorhersage eines Effektes auf eine therapeutische Intervention (kann ein Medikament überhaupt wirken??) Bestimmung prädiktiver Faktoren in der Pathologie ist die Voraussetzung für eine individualisierte Therapie (klassisches Bsp.: EGFR-Mutationstatus beim nichtkleinzellgen Lungenkrebs)
Plattenepithelkarzinom Papillär Klarzellig Kleinzellig basaloid
CK 5/6
Großzellige Karzinome Großzelliges neuroendokrines Karzinom Kombiniertes großzelliges neuroendokrines Karzinom Basaloides Karzinom Lymphoepithelioma-like Carcinoma Klarzelliges Karzinom Großzelliges Karzinom mit rhabdoidem Phänotyp
Adenoid-zystisches Karzinom LymphoepithelialesKarzinom
Adenosquamöses Karzinom Sarkomatoides Karzinom Pleomorphes Karzinom Spindelzellkarzinom Riesenzelliges Karzinom Carcinosarkom Pulmonales Blastom
Definition (WHO): Adenokarzinom Maligner epithelialer Tumor mit glandulärer Differenzierung oder Schleimproduktion, der ein azinäres, papilläres, bronchioloalveoläres oder solid-muzinöses Baumuster, oder eine Mischung dieser Muster zeigt.
Wissenswertes: 25-30% aller Lungenkrebserkrankungen, Tendenz steigend Rauchen hat keinen Einfluss weibliches Geschlecht bevorzugt, somit häufigster Lungenkrebs von nichtrauchenden Kaukasierinnen
Historie der WHO- Klassifikation pulmonaler Adenokarzinome
S3 Leitlinie Lungenkarzinom (2010)
Probleme der WHO- Klassifikation fehlende Zusammenführung pathologischermolekularer- klinischer- therapeutischer Anforderungen nicht für die Diagnostik an Biopsien und kleinen Proben gedacht, nur für Resektate daher 2007-2010 gemeinsame Task Force von IASLC = International Agency for the Study on Lung Cancer ATS = American Thoracic Society ERS = European Respiratory Society Ergebnis:
Kernpunkte: Unterscheidung: präinvasiv minimal invasiv invasiv Berücksichtigung, dass Adenokarzinome überwiegend gemischte Wachstumsmuster aufweisen Neubewertung dieser histologischen Wachstumsmuster
Die präinvasiven Läsionen Atypische Adenomatöse Hyperplasie wenige Millimeter groß erfüllt nicht alle Kriterien des BAC (geringer Atypien) Adenocarcinoma in situ (AIS) entspricht ehemaligem, reinem bronchioloalveolären Karzinom BAC hat früher zu Verwirrung geführt, weil einmal als Entität, einmal als Wachstumsmuster aufgeführt daher jetzt entweder AIS oder bei Karzinom: lepidisches ( kriechendes ) Wachstumsmuster
Ganzheitliche IASLC/ATS/ERS- Klassifikation des Adenokarzinoms der Lunge an Resektaten:
Präinvasive Läsionen im CT: ground glass opacity
Atypische Adenomatöse Hyperplasie: aus: Travis 2006 aus: Travis 2006
Adenocarcinoma in situ/ BAC: aus: Travis 2006
Die minimal- invasiven Läsionen minimal- invasives Adenokarzinom (MIA) invasiver Anteil < 5mm insgesamt meist < 2cm groß oft charakteristisches CT- Bild verlangt vollständige Aufarbeitung des Tumors
Minimal- invasive Läsionen im CT: ground glass opacity mit zentraler Konsolidierung
Die invasiven Adenokarzinome 80-90% heterogene Tumoren mit gemischtem histologischen Bild nach prädominantem Wachstumsmuster klassifizieren mikropapillär als eigener Subtyp hinzugekommen alle im Tumor vorhandenen Wachstumsmuster quantifizieren, dadurch entfällt gemischter Subtyp
Wachstumsmuster: lepidisch
azinär
papillär
mikropapillär
solide
Prognostische Relevanz Wuchsmuster im grading berücksichtigen: prädominant lepidisch ~ G1 prädominant papillär, prädominant azinär ~ G2 prädominant mikropapillär, prädominant solide ~ G3
Varianten: fetal: muzinös/ kolloidal:
Beurteilung von Biopsien/ Zytologien in 70-80% Diagnose an Biopsie gestellt nicht nur kleinzellig/ nichtkleinzellig unterscheiden möglichst Festlegen auf Adenokarzinom oder SQCC, weil Hämorrhagien unter Bevacizumab bei SQCC Pemetrexed nur bei AC und LC-Ca effektiv EGFR-Mutation assoziiert mit AC-Histologie wenn nicht möglich: NSCLC-NOS
HE 20x HE 100x Diagnose: Frage: Adenokarzinom G3 Primär pulmonal? HE 200x
TTF-1 200x
HE 40x HE 100x Vorläufige Diagnose: Nichtkleinzelliges Karzinom, am ehesten Adenokarzinom
CK7 100x TTF-1 100x Abschließende Diagnose: Großzelliges neuroendokrines Karzinom (LCNEC) Chromogranin 100x
IASLC/ATS/ERS- Klassifikation für kleine Biopsien und Zytologien:
Immunhistochemisches Panel Adenokarzinom Plattenepithelkarzinom TTF-1 P63 CK5/6 CK7 weitere: + + + + Thyreoglobulin, CDX2, CK20
Probleme: TTF-1 thyroid transcription factor-1: 80-85% pulmonaler AC positiv 20-30% großzelliger, undifferenzierter Karzinome positiv 50% neuroendokrine Karzinome positiv einige AC- Metastasen positiv p63: in allen Plattenepithelkarzinomen positiv aber auch in 1/3 der AC
Molekulargenetische Marker: EGFR- Mutationen bei nichtkleinzelligen Karzinomen erstmals 2004 beschrieben heute Nachweis einer aktivierenden Mutation Voraussetzung für Therapie mit Tyrosinkinase/EGFR- Inhibitoren (z.b. Gefitinib) EGFR- Mutation eher bei Nichtrauchern bei KRAS- Mutation MEK-Inhibitoren therapeutisch einsetzbar KRAS- Mutation eher bei Rauchern eindeutige Mutationen bei insgesamt nur 15-30% der Patienten!
Weitere molekulargenetische Marker: eine Studie an 623 Adenokarzinomen zeigte 580 (!) biologisch relevante somatische Mutationen ERCC1, BRCA1 Expression: Ansprechen auf platinhaltige Chemotherapie RRM1 Expression: Ansprechen auf Gemcitabine EML4-ALK- Fusion wirkt aktivierend auf ALK diese Tumoren dann sensitiv für ALK-und MET- Inhibitoren in Diskussion: epigenetische und RNA-vermittelte Effekte
pitfall: Metastasen Pulmonales Adenokarzinom oder Metastase? HE 100x HE 40x
TTF-1 100x CK7 100x CK20 40x cdx2 100x
Fazit für die Praxis Diagnose an Biopsie möglich, Subtypisierung verlangt in der Regel Zusatzfärbungen prädominanten histologischen Wachstumstyp angeben und im Grading berücksichtigen Wachstumsmuster quantifizieren Korrelation Bildgebung Histolgie (in Situ??) molekulargenetische Untersuchungen (EGFR, KRAS) als prädiktive Marker für zielgerichtete Therapie durchführen
Warum ist eine subtile Klassifikation der Lungenkarzinome notwendig? 1. Der Subtyp ist prädiktiv für das Ansprechen auf eine zytotoxische Chemotherapie(AC besseres Ansprechen für Pemetrexet, SQCC für Gemcitabine). 2. Der Subtyp ist prädiktiv für das Auftreten potentiell fataler Nebenwirkungen (Bevacizumab kontrainiziert beim SQCC). 3. NSCLC-Subtyp entscheidet über die molekulare Analyse, da EGFR-Mutationen und ALK-Gen- Rearrangements, die prädiktiv für das Ansprechen von EGFR- und ALK-TKI sind, praktisch nur beim AC vorkommen. In Anlehnung an Savic et al. 2012
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!