Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) e.v. 11. August 2004 Birgit Büttner Abteilungsleiterin



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Transkript:

Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) e.v. 11. August 2004 Birgit Büttner Abteilungsleiterin An den Innen- und Rechtsausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtags Per E-Mail Schleswig-Holsteinischer Landtag Umdruck 15/4794 Stellungnahme des Verbandes für das Deutsche Hundewesen (VDH) e.v. zum Entwurf eines Gesetzes zur Vorbeugung und Abwehr der von Hunden ausgehenden Gefahren (Gefahrhundegesetz GefHG) in Schleswig-Holstein Gesetzentwurf der Landesregierung Schleswig-Holstein Drucksache 15/3471 Ihr Zeichen L 215 1. Grundsätzliches Wir begrüßen es sehr, dass der Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) e.v. als Fachverband und Interessenvertretung der Hundehalter Gelegenheit hat, in der o.a. Angelegenheit Stellung zu nehmen. Dem VDH gehören 160 Rassehundezuchtvereine und Hundesportverbände an, die ca. 650.000 Mitglieder repräsentieren. Neben der Zucht von gesunden und wesensfesten Rassehunden setzt sich der VDH für eine artgerechte und verantwortungsvolle Hundehaltung ein. Der VDH übernimmt eine wichtige gesellschaftspolitische Rolle, wenn es um ein harmonisches Miteinander von Hundehaltern und Nichthundehaltern geht. Dies erfordert einerseits ein rücksichtsvolles Auftreten von sachkundigen Hundehaltern mit gut ausgebildeten und sozialverträglichen Hunden, aber andererseits auch die Schaffung und Erhaltung von entsprechenden Rahmenbedingungen für eine artgerechte Hundehaltung, die der zunehmenden großen Bedeutung der Hundehaltung für viele Menschen und der Gesellschaft insgesamt gerecht werden. Dem VDH geht es bei den Regelungen zur Hundehaltung und insbesondere bei der Gefahrenabwehr darum, sachgerechte Gesetze und Verordnungen zu schaffen, die die Bevölkerung vor rücksichtslosen Hundehaltern und gefährlichen Hunden wirksam schützen, ohne die verantwortungsvollen Hundehalter mit gut erzogenen und sozialverträglichen Hunden mit überzogenen und unnötigen Restriktionen zu reglementieren. Hierzu bringt der VDH als kompetenter und größter Fachverband seinen Sachverstand in allen relevanten Bereichen der politischen Entscheidungsebenen und der Verwaltungen ein und wendet sich gegen populistische und fachlich / wissenschaftlich nicht abgesicherte Regelungen zur Hundehaltung. 2. Rasseliste ( 3 Erlaubnispflicht) Seite 1

Der VDH lehnt es grundsätzlich ab, alle Vertreter bestimmter Rassen als gefährlich einzustufen. Die Gefährlichkeit eines Hundes ist ein individuelles Merkmal eines Hundes (Siehe hierzu auch die wissenschaftlichen Gutachten im Buch Kampfhunde? Gefährliche Hunde ). Es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis, dass bestimmte Rassen a priori gefährlich sind auch alle Statistiken zu Hundezwischenfällen geben diesbezüglich keinerlei verwertbaren Aufschluß. 3. Gefährliche Hunde im Einzelfall ( 3 Abs. 3) In 3 Abs.3 werden die Voraussetzungen aufgeführt, nach denen Hunde im Einzelfall unabhängig von ihrer Rassezugehörigkeit aufgrund bestimmter Vorfälle als gefährlich einzustufen sind. Dies wird vom VDH ausdrücklich befürwortet und sollte im Zentrum des Gesetzes stehen. Auflagen und Kontrollen für solche Hunde sind im Sinne einer Gefahrenabwehr sinnvoll und effektiv. Solche Auflagen wirken auch wenn häufig abgestritten präventiv. Eine Analyse der schweren Zwischenfälle mit Hunden zeigt eindeutig, dass einem schweren Zwischenfall fast immer Auffälligkeiten von Hundehalter und/oder Hund vorausgeht. Das wirksamste Instrument zur Vermeidung schwerer Zwischenfälle mit Hunden ist und bleibt eine konsequente Umsetzung und Kontrolle von Auflagen für auffällig gewordene Hundehalter bzw. Hunde. 4. Besondere Pflichten für das Halten und Führen gefährlicher Hunde ( 10 Abs. 5) Wesenstest ( 11) Es ist sehr wichtig, dass Hunde durch bestandenen Wesenstest vom Maulkorbzwang befreit werden können; es wäre jedoch wünschenswert, Hunde mit bestandenem Wesenstest auch vom generellen Leinenzwang zu befreien. Für eine art- und tierschutzgerechte Haltung ist es unbedingt notwendig, dass Hunde ihre Umwelt in Bereichen, in denen es erlaubt ist, auch ohne Leine erkunden zu können. In der Begründung zum Gesetzentwurf wird zum 10 Abs. 5 ausgeführt, dass Hunde bis zum 6 Monat vom Maulkorbzwang befreit sind. Was ist mit der Zeit vom 6. Lebensmonat bis zur Durchführung des Wesenstest? Gerade in dieser Zeit ist es für eine gesunde Entwicklung und gute Sozialisierung wichtig, dass der Hund auf jeden Fall ohne Maulkorb und Leine geführt werden kann. 5. Weitergehende Forderungen des VDH Der VDH setzt sich dafür ein, in den Gesetzentwurf folgende weitergehenden Maßnahmen aufzunehmen: Kennzeichnungspflicht Jeder Hund in Deutschland muss identifizierbar sein; sei es durch Tätowierung oder Transponder diese Maßnahme wird jedoch nur bei gleichzeitiger Schaffung eines zentralen Registers wirksam sein. Hundehalter-Haftpflichtversicherung Eine generelle Versicherungspflicht gewährleistet, dass die Regulierung von Schäden von der finanziellen Situation des Halters unabhängig ist. 6. Grundsatzpositionen des VDH Gefährliche Hunde Maßnahmen zur Prävention Seite 2

Schaffung von Frühwarnsystemen Im Sommer 2000 wurde in Hamburg der kleine Volcan von einem Hund tot gebissen. Im Klima allgemeinen Entsetzens und entstandener Ratlosigkeit, das mit entsprechender Medienbegleitung daraufhin in weiten Teilen der Bevölkerung entstand, wurden in nahezu allen Bundesländern innerhalb kürzester Zeit Verordnungen oder Gesetze zur Bekämpfung gefährlicher Hunde verschärft oder neu gefasst. Auch der Bund änderte in der Folge das Tierschutzgesetz, verabschiedete das Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde und sprach ein Zuchtverbot für bestimmte Hunderassen aus. Da eine Koordination zwischen den einzelnen Bundesländern unterblieben war, entstand ein Flickenteppich von unterschiedlichen Regelungen, die zwar einen erheblichen Verwaltungsaufwand nach sich zogen, objektiv den Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Hunden jedoch nicht erhöhten und nicht nur die betroffenen Hundehalter überforderten. Auch wenn dieser Missstand in den zuständigen Ministerien schnell erkannt wurde, gelang es der Innenminister-Konferenz erst Ende 2001, scheinbar einen Konsens herzustellen, dem sich jedoch nicht alle Bundesländer anschließen wollten. Die gefassten Beschlüsse zur Vereinheitlichung der Bestimmungen führten in Nordrhein-Westfalen sogar dazu, den Entwurf eines Landeshundegesetzes zu entwickeln, der in seinen Restriktionen weit über die bisher geltende Verordnung hinausgeht und die Mehrheit der Hundehalter betrifft. Offenbar ist es für die Politik als Geisel einer öffentlichen Stimmung in unserer Mediendemokratie inzwischen unmöglich geworden, bei von Menschen verursachten Katastrophen nicht sofort in Aktionismus zu verfallen. Sorgfältige Analysen und die Suche nach den die Ereignisse auslösenden Ursachen fehlen im Bereich der Hundeverordnungen wie auch in anderen Problemfeldern. Die Ignoranz, die z. B. bei der Expertenanhörung zum Landeshundegesetz NRW deutlich wurde, ist leider ein sehr deutliches Indiz dafür, dass in der Politik zur Zeit kaum Raum für sinnvolle Schritte zur Beseitigung von Missständen besteht. Nahezu alle Zwischenfälle, bei denen Hunde Menschen angegriffen, verletzt oder getötet haben, geschehen aber nicht "aus heiterem Himmel". Sie haben immer eine Vorgeschichte. Die auslösenden Hunde und Halter sind fast ausnahmslos bereits vor dem ersten gravierenden Ereignis auffällig geworden. Wenn man schon nicht bereit ist, gegen die zunehmende urbane Gewalt - und gefährliche Hunde sind nur eine Facette dieses gesellschaftlichen Problems - vorzugehen oder aber seine Hilflosigkeit ihr gegenüber eingestehen muss, dann sollte man zumindest versuchen, durch echte Prävention zur Risikominimierung beizutragen. Eine Gesetzgebung, die in erster Linie unbescholtene Bürger und die ohnehin Gesetzestreuen trifft, wird dies nicht leisten. Daher erscheint es heute angebracht über Maßnahmen nachzudenken, deren sukzessive Einführung auf der einen Seite Behörden und Verwaltung nicht überfordern, andererseits aber geeignet sind, die Sicherheit der Bürger und den Schutz der Tiere zu verbessern. Kein Hund wird gefährlich geboren, er wird so gemacht - von Menschen! Prävention verlangt zunächst also die Schaffung eines Frühwarnsystems, das auffällige Halter und Hunde an der Schwelle zur Gefährlichkeit enttarnt. Hierzu sind zunächst bestimmte Voraussetzungen zu schaffen, wie etwa die Einführung einer generellen Kennzeichnungspflicht von Hunden. Lösungsansätze Konsequente Anwendung vernünftiger Regeln Gerade der die Verordnungsflut auslösende Fall in Hamburg macht deutlich, dass es zu der Seite 3

schrecklichen Tötung des Kindes nicht deshalb kam, weil die Hansestadt bis zum Jahr 2000 nur über unzureichende Bestimmungen zur Gefahrabwehr verfügte, sondern weil es dem auffällig gewordenen Halter möglich war, sich über Auflagen hinwegzusetzen, ohne dass dies zu Konsequenzen geführt hat. Seine Hunde waren bereits vorher mehrfach durch Beißattacken aufgefallen. Die zuständigen Behörden hatten jedoch den verhängten Maulkorb- und Leinenzwang nicht kontrolliert, obwohl entsprechende Hinweise und Beschwerden aus der Bevölkerung vorlagen. Bei der einschlägigen Vorgeschichte des Halters wäre zudem ein generelles Haltungsverbot möglich und zwingend erforderlich gewesen. Aber auch in diesem Fall wäre die tatsächliche Durchsetzung Voraussetzung für den Schutz der Bevölkerung gewesen. Auch wenn man einräumen muss, dass es den absoluten Schutz vor dem "Faktor Mensch" nicht geben kann, so war der "Fall Volcan" auf jeden Fall vermeidbar und mit ihm viele vergleichbare, die nicht zuletzt an Fehlern und mangelnder Konsequenz in Behörden und Verwaltung gescheitert sind. Wenn dort also Lücken bestehen, so ist es zunächst angemessen und sinnvoll, hier Verbesserungen zu schaffen. Sollten - wie zu unterstellen ist - fehlendes Personal und finanzielle Ausstattungen als Ursachen zu betrachten sein, wird man diesen Mangel mit Verordnungen, die den Verwaltungsaufwand erhöhen, nicht beheben können - das Gegenteil wird die Folge sein: die wenigen vorhandenen Ressourcen werden noch weiter gebunden. Kennzeichnungspflicht Die Bereitschaft, eine generelle Kennzeichnungspflicht von Hunden in Deutschland einzuführen, wird im politischen Raum inzwischen erkennbar. Um Hunde, nicht nur im Rahmen des Ordnungsrechts, eindeutig identifizieren zu können und ggf. auch deren Ursprung nachvollziehen zu können, fordern Experten des VDH und anderer Institutionen bereits seit langem eine Kennzeichnungspflicht, wie sie z. B. in Frankreich bereits besteht. Dabei ist es unerheblich, in welcher Weise diese umgesetzt wird (Tätowierung oder Implantation eines ISO- Transponders). Entscheidend ist vielmehr, dass die Kennzeichnung mit der Schaffung eines zentralen Registers verknüpft wird, damit einmal auffällig gewordene Hunde eindeutig als solche auch identifiziert und verhängte Auflagen nicht durch Halterwechsel oder Umzug des Halters unterlaufen werden können. Hundehalter-Haftpflichtversicherung Ebenso unumstritten wie die Kennzeichnungspflicht dürfte heute die Forderung nach einer generellen Halter-Haftpflichtversicherung sein. Unabhängig von der Problematik gefährlicher Hunde, können durch Tiere, die sich im öffentlichen Raum bewegen, Sach- und auch Personenschäden verursacht werden. Eine generelle Versicherungspflicht gewährleistet, dass die angemessene Entschädigung Betroffener nicht von der finanziellen Lage des für einen Schaden verantwortlichen Hundehalters abhängig ist. Darüber hinaus sollte es dann mittelfristig durchaus möglich sein, analog zur Kraftfahrzeug-Versicherung, Bonus- und Rabattsysteme zu installieren, die einen zusätzlichen Anreiz für Hundehalter bilden dürften, verantwortungsbewusst mit ihrem Tier umzugehen und in der Öffentlichkeit aufzutreten. Ähnliche Auswirkungen sind ebenfalls durch Nachlässe bei der Hundesteuer zu erwarten (s. u. "Ausbildungsangebote"). Kontrollen von Hundezucht und -handel Es ist bemerkenswert, dass der Gesetzgeber auf der einen Seite bereit ist, äußerst umfassende Regelwerke zur Bekämpfung gefährlicher Hunde zu schaffen, andererseits aber akzeptiert, dass sowohl die Hundezucht als auch der Import von und der Handel mit Hunden weitgehend unkontrolliert möglich sind. Da die Entwicklung des Hundes in seinen ersten Lebenswochen, seine Prägung und Sozialisation ganz entscheidenden Einfluss auf sein späteres Verhalten ha- Seite 4

ben, ist dies umso unverständlicher. Nur etwa ein Fünftel der Zucht in Deutschland wird unter der freiwilligen Kontrolle der Mitgliedsvereine des VDH durchgeführt. Zwar gelten auch für den übrigen Teil der Zucht und insbesondere für den Handel mit Hunden die Bestimmungen des Tierschutzgesetzes und der Ende 2001 verabschiedeten Tierschutz-Hundeverordnung, die jedoch beide erhebliche Lücken im Hinblick auf die Sachkunde von Züchtern und Händlern aufweisen und insbesondere keine routinemäßigen Kontrollinstrumente bereitstellen, wie es etwa innerhalb der VDH-Vereine durch das Zuchtwartsystem gegeben ist. Selbst wenn die Schaffung eines dem Tierzuchtgesetz vergleichbaren Regelwerkes für den Bereich der Heimtiere derzeit noch keine Chancen eingeräumt werden, sollte für Hundezucht und -handel vordringlich eine Lösung gesucht werden. Die Tierschutz-Hundeverordnung hätte durchaus entsprechend präzisiert und erweitert werden können. Die Vorschläge der Fachverbände wurden jedoch von der Politik nicht aufgegriffen. Nachdem inzwischen der Tierschutz Eingang in das Grundgesetz gefunden hat, sollte dies zum Anlass genommen werden, diese Initiative erneut aufzugreifen. Denn abgesehen davon, dass eine wirksame Kontrolle von Zucht und Handel den effektivsten Schutz vor verhaltensauffälligen Hunden darstellt, ließen sich auch die übrigen relevanten Forderungen des Tierschutzgesetzes so besser durchsetzen. Verbesserung der Aus- und Weiterbildungsangebote Die Forderung nach einer generellen Sachkundeprüfung für alle oder die meisten Hundehalter erscheint auf den ersten Blick als wirksames Instrument, den Ausbildungsstand von Haltern und ihren Hunden zu verbessern. Bei einer Gesamtzahl von fünf Millionen Hunden in Deutschland wird jedoch die Schaffung eines flächendeckenden Systems am Fehlen entsprechender Angebote entweder zwangsläufig scheitern oder dazu führen, dass diese nur rudimentäre Inhalte anbieten und vermitteln können. Ferner wird die Einführung eines obligatorischen Sachkundenachweises für jeden Hundehalter nicht zwangsläufig dazu führen, dass sich verantwortungslose Halter dieser Auflage tatsächlich stellen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass jede denkbare Möglichkeit der Umgehung gerade von diesem Personenkreis gesucht und genutzt werden wird, mit dem Ergebnis, dass eine derartige Maßnahme wiederum nur den verantwortungsvollen und gesetzestreuen Bürger treffen würde. Bei der Betrachtung der Gesamtproblematik darf ferner nicht unberücksichtigt bleiben, dass es in Deutschland keine geschützten Berufsbilder für Hundeausbilder oder Qualitätsanforderungen für die Betreibung von so genannten Hundeschulen oder vergleichbarer Einrichtungen bestehen. Gerade in diesem sensiblen Bereich sind jedoch Qualitätssicherungssysteme Voraussetzung für seriöse Ausbildungsangebote, wie sie z. B. der VDH-Hundeführerschein darstellt. Hier sind in Zukunft alle Beteiligten gefordert, entsprechende Lösungen zu entwickeln. Unabhängig von der Forderung, für die Hundehalter gerade in diesem sensiblen Bereich mehr Sicherheit herzustellen, eine vernünftige und sinnvolle Ausbildung beginnen zu können, sollten bereits heute mehr Anreize geschaffen werden, bestehende Angebote zu nutzen. Wie bereits weiter oben ausgeführt, bieten hier insbesondere finanzielle Vergünstigungen - etwa durch Rabatte bei der Hundehalter-Haftplichtversicherung und Nachlässe bei der Hundesteuer - einfache und wirksame Möglichkeiten. Fazit Im Hinblick auf gesetzliche Vorschriften zu Fragen der Hundezucht, des Hundehandels und insbesondere der Hundehaltung befinden wir uns derzeit in Deutschland in einem Dilemma. Auf der einen Seite verweigert der Gesetzgeber die Schaffung entsprechender Regelungen für Seite 5

die Bereiche Zucht, Aufzucht und Ausbildung - insbesondere wohl auch im Hinblick auf die aus dem Vollzug resultierenden Aufwendungen; andererseits ist er aber bereit, detaillierte Vorschriften und immer feiner ziselierte Gesetze zur Gefahrabwehr zu erlassen, ohne anzuerkennen, dass in der Vergangenheit in erster Linie Missstände in Behörden und Verwaltung dazu führten, schwerwiegende Unfälle, die von Hunden und ihren Haltern ausgelöst wurden, zu verhindern. Auch hier wird man einräumen müssen, dass hauptsächlich fehlende finanzielle Mittel und dünne Personaldecken als wesentliche Ursachen anzusehen sind. Einfacher, kostengünstiger und in der Öffentlichkeit besser darstellbar ist es natürlich, Steuer zahlenden Hundehaltern immer neue Vorschriften zu machen, auch wenn hierdurch nur eine Scheinsicherheit hergestellt werden kann. Da sich die Hundehalter in der Minderheit befinden, ist jedoch von einer breiten Akzeptanz auszugehen, auch wenn man in Kauf nimmt, den überwiegenden Teil der seriösen und unbescholtenen Hundehalter an Maßstäben zu messen, die von wenigen Kriminellen und einigen Unverantwortlichen gesetzt wurden. Es sollte inzwischen jedoch möglich sein, den erforderlichen Abstand herzustellen, um bestehende Probleme an ihren Ursachen anzugehen. Für den gesamten Bereich der Hundezucht, dem Handel mit Hunden und der Hundehaltung sind Lösungsansätze vorhanden. Im Bereich der Gefahrabwehr sind vernünftige Regelungen zu schaffen, die es ermöglichen, wirkliches Gefahrenpotential bei Halter und Hund frühzeitig zu erkennen. Dort, wo lediglich Fehler in der Ausbildung und Erziehung des Hundes durch den Halter als Ursache für kleinere Unfälle anzusehen sind, können entsprechend qualifizierte Aus- und Weiterbildungsangebote eine weitere Eskalation verhindern. In Fällen, wo kriminelle Energien den Hintergrund für ein entstehendes Gefahrenpotential bilden, müssen durch wirksame und konsequente Kontrollen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung und zum Schutz anderer Tiere durchgesetzt werden - hierzu gehört auch die Aussprache und Durchsetzung von Hundehaltungsverboten. Es bleibt auch festzuhalten, dass der Schutz der Bevölkerung effektiver hergestellt werden kann, wenn vorhandene Mittel und Ressourcen dafür eingesetzt werden, sich auf den Personenkreis zu konzentrieren, von dem ein Gefährdungspotential tatsächlich ausgeht, statt sie mit der Verwaltung der Vielzahl verantwortungsvoller Hundebesitzer zu binden. Eine generelle Kennzeichnungspflicht, sei es durch Tätowierung oder die Implantation von Transpondern (Mikrochips) verbunden mit der Schaffung eines zentrales Registers, muss diese Maßnahmen begleiten, um die Umgehung verhängter Auflagen zu vermeiden. In diesem Zusammenhang ist auch die Einführung einer Versicherungspflicht für Hundehalter zu sehen. Neben diesen Schritten, deren sofortige Umsetzung anzustreben ist, sollte mittelfristig erreicht werden, dass präventive Maßnahmen bereits vor der Entstehung von Verhaltensauffälligkeiten bei Hunden wirksam werden können. Hier stellen insbesondere die Einführung entsprechender Sachkundenachweise für alle Personenkreise, die sich mit der Zucht, dem Handel und der Ausbildung von Hunden beschäftigen, sinnvolle Instrumente dar. Darüber hinaus muss darauf hin gewirkt werden, dass jeder, der in Deutschland einen Wurf aufzieht, entsprechend überprüft und kontrolliert wird. Nur so kann vermieden werden, dass bereits bei Paarung und vor allem in der sensiblen Aufzuchtphase Fehler entstehen, die beim erwachsenen Hund zu fatalen Auswirkungen führen können. Die bislang bevorzugte Strategie, auf die Selbstkontrolle der vorhandenen Systeme zu setzen, muss inzwischen als gescheitert betrachtet werden, da immer mehr Hunde in nicht kontrollierten Bereichen gezüchtet werden und der Anteil der freiwilligen Selbstkontrolle, wie sie innerhalb des VDH gegeben ist, deutlich zurückgeht. Seite 6