Kriegskinder in Nordirland

Transkript

1 FWU Schule und Unterricht VHS min, Farbe Kriegskinder Kriegskinder in Nordirland FWU das Medieninstitut der Länder

2 Lernziele Überblick über die Hintergründe des Nordirlandkonflikts Erkennen, dass Jugendliche in Nordirland ganz anders aufwachsen als Jugendliche in Deutschland Nachdenken über Lösungen des Konflikts: Erziehung zur Toleranz Zum Inhalt Zu Beginn des Films sprechen Kinder und Jugendliche über ihre Hoffnungen für die Zukunft. Die Stimmen werden begleitet von Bildern von Wohngebieten in Belfast; großflächig bemalte Häuserwände fallen auf. Die Bilder haben alle politische Themen: Die meisten rufen zum Frieden auf, aber auch Durchhalteparolen und Aufrufe, die politischen Gefangenen freizulassen, sind zu sehen. Die Kinder hoffen auf Frieden, man solle miteinander reden, sich gegenseitig vertrauen, der Bombenterror soll endlich aufhören. In einer Schule werden Friedenstauben gebastelt ein Versuch, irgendwie dem dringenden Wunsch nach dem Ende des Terrors Ausdruck zu verleihen. Diese Kinder haben Frieden nie erlebt. Seit 1969 dauern die aggressiven Auseinandersetzungen nun schon an. Dass sich die Hoffnungen und Wünsche der Kinder nicht leicht erfüllen lassen, wird in der nächsten Szene klar. Die 15-jährige Patricia zeigt, wie sie in Belfast wohnt. Ganz in der Nähe ihres Hauses verläuft eine 6 Meter hohe Mauer, die das katholische Viertel, in dem Patricia aufwächst, von einem protestantischen Viertel abtrennt. Es gibt mittlerweile 30 solcher Friedensmauern in Belfast. Patricia ist traurig darüber, wie ihre Kindheit verlaufen ist. Sie hätte gerne auch protestantische Freunde, würde gerne ein Leben wie Jugendliche in einem friedlichen 2 Land führen. Sie glaubt nicht an eine bessere Zukunft und bezweifelt, dass sich die Zustände in Nordirland zu ihren Lebzeiten ändern werden. Das folgende Interview mit der 17-jährigen Karen zeigt, dass auch Jugendliche sich ganz klar auf eine radikale politische Seite stellen. Karen ist in einem nationalistischen Viertel aufgewachsen, ihr Vater sitzt schon seit vier Jahren im Gefängnis, weil bei ihm Material, das man zum Herstellen von Bomben benötigt, gefunden worden ist. Karen kämpft für die Freilassung der politischen Gefangenen und steht ohne wenn und aber auf der Seite der IRA. Ein ähnliches Schicksal hat auch der 11-jährige David, der aus einer protestantischen Familie stammt. Auch sein Vater sitzt im Gefängnis; er hat einer paramilitärischen Gruppe angehört und ist des versuchten Mordes an einem Katholiken beschuldigt worden. Im Gegensatz zu Karen jedoch ist David mit den Taten seines Vaters nicht einverstanden. Er möchte, dass die Kampfhandlungen aufhören und dass sein Vater und alle anderen Väter zu ihren Familien zurückkehren. Um die Kluft, die die Bevölkerung Nordirlands spaltet, zu überwinden, wurde 1981 auf Elterninitiative hin eine integrierte Schule gegründet. Anfangs wurde das Experiment kritisch gesehen; mittlerweile aber gibt es 30 Schulen, in denen katholische und protestantische Kinder gemeinsam unterrichtet werden. Beim Gespräch mit den Schülern und Schülerinnen einer solchen Schule kommt zum Ausdruck, was eine gemeinsame Erziehung leisten kann: Die Jugendlichen haben ihre eigene Meinung, aber akzeptieren und tolerieren den Anderen; sich gewaltsam auseinander zu setzen, käme für sie nicht in Frage.

3 Dieser vielversprechenden Szene folgen Bilder einer Parade der Protestanten durch Belfast, die drei Monate nach dem Friedensabkommen von 1998 abgehalten wurde. Britische Truppen sollten verhindern, dass die Parade durch katholische Viertel zog. Als Reaktion darauf setzten Protestanten 10 katholische Kirchen in Brand. Kurz darauf starben drei Brüder bei einem Brandanschlag auf ihr Elternhaus. Protestanten verübten die Tat, weil die katholische Mutter der Jungen mit einem Protestanten zusammenlebte und ihre Kinder auf eine protestantische Schule schickte. Mit Aufnahmen von der Explosion einer Autobombe vor einem Einkaufszentrum in einer religiös gemischten Gemeinde endet der Film. 29 Menschen kamen ums Leben, 220 wurden verletzt. Eine Splittergruppe der IRA bekannte sich zu dem Anschlag. Der Weg zum Frieden in Nordirland ist mühsam. Zur Verwendung Dieser Film über den Nordirlandkonflikt spricht Schüler/innen besonders deshalb an, weil die Jugendlichen vor der Kamera auch zu dieser Altersgruppe gehören. Die Bedingungen, unter denen sie heranwachsen, unterscheiden sich erheblich von denen deutscher Jugendlicher. Die Schüler/innen können sich durch den Film in die Ghettosituation in Belfast hineinversetzen. Der Film kann ohne Vorbereitung gezeigt werden; bei der anschließenden Besprechung wird zunächst die Situation der Jugendlichen in Belfast im Vordergrund stehen. Daran schließt sich die Frage nach den Ursachen des Konflikts an. Je nach Fach und Kenntnisstand der Schüler/innen kann dazu ein kurzer Überblick gegeben oder gemeinsam erarbeitet werden. Als dritter Schritt folgt das Gespräch über mögliche Lösungen für die Zukunft, wobei weniger die politische Seite, sondern die Notwendigkeit des Umdenkens der jungen Generation im Vordergrund steht. Weiterführende Informationen Geschichtlicher Hintergrund 1) Schon im 12. Jahrhundert begann die Eroberung Irlands durch anglo-normannische Ritter. Wirklich erfolgreich aber war die Kolonialisierung der Insel nur im Norden, in der Provinz Ulster. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts begann der englische König James I. englische und schottische Siedler dort anzusiedeln, um in Irland eine starke protestantisch-loyale Macht zu etablieren. Dazu trieb ihn die Sorge, dass sich die katholischen Feinde Englands, Frankreich und Spanien, mit einem katholischen Irland verbünden und Irland als Basis für einen Angriffskrieg nützen könnten. Durch Sprache und Religion waren die beiden Gruppen, die protestantischen englischen und schottischen Siedler und die katholische gälische Bevölkerung, voneinander getrennt. Dieser Gegensatz ist bis heute nicht überwunden, vor allem weil die Zugehörigkeit zu einer Religion immer zugleich die Zugehörigkeit zu einer sozialen Klasse bedeutet hat. Dietrich Schulze Marmeling vergleicht die Situation mit der Apartheid in Südafrika 2). Die Religion habe in Nordirland die Rolle übernommen, die in Südafrika die Hautfarbe spiele. Im 19. Jahrhundert versuchten die Katholiken immer wieder ihre Rechte zu erweitern, man forderte ein eigenes Parlament für Irland (Home Rule) und schließlich gingen Irlands Republikaner so weit, die völlige Loslösung von Großbritannien anzustreben. Die 3

4 Unionisten aber stellten sich massiv gegen Home Rule, da sie mit Recht fürchten mussten, ihren politischen Einfluss aufgrund der Mehrheitsverhältnisse zu verlieren. Am Ostermontag 1916 kam es in Dublin zum Aufstand; irische Republikaner riefen die irische Republik aus. Der Aufstand scheiterte, die Anführer der Rebellen wurden erschossen. Eine Folge dieser missglückten Rebellion war die Gründung der IRA, die dann im Januar 1919 den Unabhängigkeitskrieg begann, der die Teilung Irlands 1921 zur Folge hatte, da England sich weigerte auch aus wirtschaftlichen Gründen Irland ganz in die Unabhängigkeit zu entlassen. Grund für den Beginn des Nordirlandkonflikts ( The Troubles ) Ende der 60er Jahre Die katholischen Iren fühlten sich von der unionistischen Regierung in Belfast benachteiligt. Mitte der 60er Jahre formierte sich eine Bürgerrechtsbewegung, die inspiriert war von der schwarzamerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Die protestantisch-unionistische Regierung reagierte hart auf die zunächst friedlichen Proteste, es kam zu gewalttätigen Zusammenstößen. Seitdem greifen die radikalen Kräfte beider Seiten immer wieder zu terroristischen Mitteln. Position Englands heute Lange Zeit hat England Nordirland als Teil des UK s angesehen. Heute würde es Nordirland in die Selbstständigkeit entlassen, wenn eine Mehrheit für diesen Weg zustande käme. Position Irlands heute Irland hat nach dem Karfreitagsabkommen von 1998 seinen verfassungsmäßig festgelegten Anspruch auf Wiedervereinigung gestrichen. Die Nordiren sollen selbst entscheiden, welchen Weg sie gehen wollen. 4 Charakter des Konflikts Der Nordirlandkonflikt ist kein Bürgerkrieg; er beschränkt sich hauptsächlich auf die großen Städte wie Belfast, Londonderry und Newry. Er ist auch kein religiöser Konflikt, da sich Katholiken und Protestanten nicht wegen ihres Glaubens bekämpfen. Die Begriffe katholisch und protestantisch werden hier weniger im religiösen Sinne gebraucht, denn als Bezeichnung der antagonistischen Bevölkerungsgruppen (nämlich Unionisten und Nationalisten), deren Religiosität mit einer bestimmten politischen Einstellung einhergeht. 3) Das Verhältnis von Protestanten und Katholiken in Belfast heute Eine Studie der Royal Geographical Society von ) besagt, dass die Gegensätze zwischen Protestanten und Katholiken in Belfast sich seit Beginn des Friedensprozesses, dem Waffenstillstand der IRA im Jahr 1994, verschärft haben. 62% der Bewohner von Vierteln, die durch Friedensmauern getrennt sind, finden, dass die Beziehungen sich verschlechtert haben; 68% der Jährigen haben noch nie ein echtes Gespräch mit einem Angehörigen der anderen religiösen Gruppe geführt, 62% sind seit 1994 schon einmal Opfer entweder körperlicher oder verbaler Gewalt gewesen. Nur 1 /5 würde eine Arbeitsstelle jenseits der Friedensmauer annehmen, nur 5% Katholiken und 8% Protestanten arbeiten im jeweils anderen Stadtteil. Die Mehrzahl beider Gruppen würde niemals Geschäfte, Ärzte oder Freizeiteinrichtungen in der falschen Gegend aufsuchen, auch wenn sie viel günstiger gelegen wären. Interessant ist, dass viel mehr ältere Menschen Beziehungen zu Menschen der anderen religiösen Gruppe haben. Sie haben vor 1969, als die Auseinandersetzungen begannen, schon Beziehungen aufgebaut und behalten.

5 Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, dass die Bemühungen um eine Zusammenführung der Jugendlichen intensiviert werden. Neben den Bemühungen um eine gemeinsame schulische Erziehung, die nur langsam in die Tat umgesetzt werden, da die Fördermittel knapp sind (erst 10% aller Schulen sind bislang integrierte Schulen), gibt es private Initiativen wie z. B. das Projekt CFPNI, das Children s Friendship Project for Northern Ireland 5). Der Teufelskreis von Vorurteilen und Misstrauen soll dadurch aufgebrochen werden, dass nordirische Jugendliche, die aus allen Gesellschaftsschichten kommen, sechs Wochen in amerikanischen Familien verbringen. Es werden immer zwei Jugendliche in eine Familie geschickt, jeweils ein protestantischer und ein katholischer. So können sie sich auf neutralem Gelände kennen lernen, ihre Gemeinsamkeiten entdecken, die Gegensätze treten in den Hintergrund. Diese Freundschaften oder Bekanntschaften werden dann weitergepflegt; man trifft sich nach dem Aufenthalt in Amerika zu Hause bei Veranstaltungen, die das CFPNI organisiert. Herausgabe FWU Institut für Film und Bild, 2002 Produktion, Buch und Regie Susan und Alan Raymond Produktion der deutschen Fassung KICK Film München 2000 Sprecherin Senta Berger Begleitkarte Ulrike Liegl Kempter Bildnachweis KICK Film Pädagogischer Referent im FWU Dr. Wolf Theuring Verleih durch Bildstellen, Medienzentren und konfessionelle Medienzentren Verkauf durch FWU Institut für Film und Bild, Grünwald Nur Bildstellen/Medienzentren: öv zulässig Literatur: 1) 2) Schulze-Marmeling, Dietrich: Nordirland: Geschichte, Landschaft, Kultur, Touren. Göttingen ) Kübler, Bettina: Der Nordirlandkonflikt: Keine Chance für den Frieden? Voraussetzungen für eine politische Lösung. München ) ire-jo7.shtml 5) FWU Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht gemeinnützige GmbH Geiselgasteig Bavariafilmplatz 3 D Grünwald Telefon (0 89) Telefax (0 89) info@fwu.de Internet /08.02 ARS

6 FWU Schule und Unterricht VHS min, Farbe FWU Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht gemeinnützige GmbH Geiselgasteig Bavariafilmplatz 3 D Grünwald Telefon (0 89) Telefax (0 89) info@fwu.de Internet zentrale Sammelnummern für unseren Vertrieb: Telefon (0 89) Telefax (0 89) vertrieb@fwu.de Kriegskinder Kriegskinder in Nordirland Als die Kinder, die heute in Nordirland zur Schule gehen, geboren wurden, tobte schon 15 Jahre der Bürgerkrieg. Die Friedensbemühungen der letzten Jahre geben den Kindern Hoffnung, dass der schreckliche Bombenterror der Vergangenheit angehört. Immer noch trennen Mauern die verfeindeten Parteien, doch die Bereitschaft, zuzuhören und miteinander zu sprechen, werden weiter entwickelt. Damit steigen die Chancen für einen dauerhaften Frieden. Schlagwörter Krieg, Opfer, Flüchtling, Konflikt, Frieden, Terror, IRA MATTHIAS-FILM Gemeinnützige GmbH Gänsheidestraße 67 D Stuttgart Telefon (0711) Telefax (0711) schuchardt@matthias-film.de Internet Politische Bildung Politikfelder Internationale Beziehungen, Konflikte Religion Kirche und Gesellschaft Allgemeinbildende Schule, (8-13) Kinder- und Jugendbildung (16-18) Erwachsenenbildung GEMA Alle Urheber- und Leistungsschutzrechte vorbehalten. Keine unerlaubte Vervielfältigung, Vermietung, Aufführung, Sendung! Weitere Medien Kriegskinder Kriegskinder in Israel. VHS, 26 min, f Kriegskinder in Ruanda. VHS, 22 min, f Kriegskinder in Bosnien. VHS, 24 min Freigegeben ab 12 Jahren gemäß 7 JÖSchG FSK 00