Zwischenbericht. January 29, 2018

Transkript

1 Zwischenbericht Michigan State University, USA, 2017/2018 Zunächst ein kleines bisschen etwas über mich: ich studiere seit 2014 Sport, Englisch und Chemie auf Lehramt (GymPO) an der Uni Freiburg, bin 26 Jahre alt und befinde mich aktuell an der Michigan State University (MSU) in den USA: Ich werde ein paar meiner Kurse hier in Deutschland anrechnen lassen können, jedoch bin ich mehr für die Auslandserfahrung und die Verbesserung meiner Englischkenntnisse her gekommen. Als ich im Dezember 2016 die Zusage für die Michigan State University bekommen habe, habe ich mich sehr gefreut. Ich hatte die MSU sehr bewusst als meine erste Wahl angegeben, da ich zu Michigan bereits eine persönliche Geschichte und emotionale Bindung hatte. Und zwar war ich im Schuljahr 2008/2009 ein Jahr lang an einer High School in Michigan und habe dort sehr gute Erfahrungen gemacht. Ich hatte und habe eine sehr gute Beziehung zu meiner Gastfamilie und habe sie seit dem auch schon öfters in Michigan besucht. Seit meinem High School Year und spätestens seit dem ich Englisch auf Lehramt an der Uni Freiburg studiere hatte ich vor, nochmal ein Jahr im englischsprachigen Ausland an einer Uni zu verbringen. Die MSU war für mich daher die perfekte Mischung aus einem neuen Abenteuer und einer vertrauten Heimat. Natürlich wohne ich dieses Mal nicht bei meiner Gastfamilie, aber dennoch kann ich so nun mehr Zeit mit ihnen verbringen und sie öfter besuchen als wenn ich in Deutschland wäre oder woanders ins Ausland gegangen wäre. Trotz, dass ich schon viele Dinge in Michigan kannte und der Staat meine zweite Heimat geworden ist, ist dieser Auslandsaufenthalt natürlich komplett anders als damals und ich lerne immer noch weiter neue Dinge über Michigan, Amerika, Deutschland und mich selbst. Aber nun möchte ich von vorne anfangen zu erzählen. 1

2 Die Vorbereitungsphase Schon während meiner Bewerbung hat sich in den USA ja bekanntlich politisch relativ viel getan. Nachdem Trump im November 2016 zum Präsidenten gewählt wurde, habe ich aus meinem Umfeld sehr oft die Frage gehört Möchtest du unter diesen Umständen wirklich in die USA gehen? Was passiert, wenn...?. Natürlich habe ich mir auch selbst diese Fragen gestellt, und obwohl ich selbst der politischen Situation auch etwas kritisch gegenüberstehe, ist meine Meinung jedoch die Folgende: Auch und vor allem in Zeiten der Unsicherheit und Verwirrung ist es unerlässlich und wichtig, sich die Meinung anderer Menschen anzuhören. Das beruht auf Gegenseitigkeit. Ich denke, dass es für Amerikaner spannend, gut und bereichernd ist, mit Menschen aus anderen Ländern zu reden und in Kontakt zu kommen, sowie es auch für uns Besucher oder Ausländer wichtig ist, mit den Menschen hier in Kontakt zu kommen und sich auszutauschen. Selbst wenn man dann schlussendlich unterschiedlicher Meinung sein sollte, entstehen dadurch produktive Gespräche und kulturelles Verständnis, was ich für zwei sehr wichtige Grundlagen halte und was unter anderem auch meine Motivation war, ins Ausland zu gehen und mit Leuten zu reden. Natürlich ist Politik, wie bei uns ja auch, ein sensibles Thema und man sollte nicht unbedingt im übertragenen Sinne mit der Tür ins Haus fallen. Dennoch ergeben sich solche Gespräche manchmal ganz von selbst und ich halte es für außerordentlich wertvoll, aus erster Hand von Amerikanern zu erfahren, wie sie die Situation für sich persönlich empfinden. Deswegen war meine persönliche Meinung und Antwort zu der Frage willst du da wirklich hin? letztenendes Ja, denn gerade jetzt ist zwischenmenschliches und interkulturelles Verständnis sehr wichtig. Schlussendlich ist ja genau das der zentrale Sinn eines Auslandsaufenthaltes. Was die weitere Vorbereitung betrifft, ist es natürlich eine sehr große Herausforderung, alles, was man für ein Jahr braucht, in einen einzigen Koffer zu packen, ohne etwas ganz Wichtiges zu vergessen. Mir scheint das jedoch ganz gut gelungen zu sein, und man freut sich dann natürlich auch, wenn man sich in den USA dann auch ein paar neue Dinge zulegen kann. Ein weiterer großer Aspekt ist die Wohnungssuche. Buchstäblich auf der anderen Seite des Atlantiks eine Bleibe für ein Jahr zu finden ist nicht so einfach es sei denn, man weiß schon von Anfang an, dass man auf dem Campus leben möchte. Die Unterteilung in on-campus und off-campus housing funktioniert hier etwas anders als in Deutschland und ist nicht mit 2

3 Studentenwohnheimen und Wohngemeinschaften zu vergleichen. On-campus housing ist hier sehr viel wörtlicher zu verstehen. Wie das dann im Detail organisiert ist, hängt mit Sicherheit von der entsprechenden Uni ab. Die MSU ist so organisiert, dass der Campus ein eigener, separater Bereich ist und beinahe ein eigenes Dorf bildet. Auf dem Campus befindet sich alles, was man sich als Student wünschen kann Vorlesungssäle, Seminarräume, Fitnessstudios und andere Sportstätten, Bibliotheken, Lernräume, riesige Cafeterias, Cafés, Lebensmittelläden und eben auch On-Campus Housing. Die sogenannten residence halls sind dementsprechend gewissermaßen Studentenwohnheime, die sich direkt auf dem Campus befinden. Es kostet etwas mehr, dort zu wohnen und man teilt sich fast immer ein Zimmer mit einer weiteren Person, jedoch hat man damit dann auch das all-inclusive Paket, in dem unbegrenztes Essen in den Cafeterias miteinbegriffen ist. Alternativ gibt es auch einige Apartments, die zwar außerhalb, jedoch meist in der Nähe des Campus sind. Dort kommt man etwas günstiger unter, hat dafür jedoch nicht den Vorteil, direkt auf den Campus zu sein und the real American college experience zu erleben. Ich persönlich wollte lieber off-campus wohnen und hatte das Glück, über drei Ecken jemanden zu kennen, bei der ich unterkommen konnte. Zwar bin ich nun etwa 2 Meilen vom Campus entfernt, jedoch sind meine Mitbewohnerinnen sehr lieb und der Campus ist per Fahrrad oder Bus sehr gut zu erreichen. Die Eingewöhnungsphase Die erste Woche an der MSU bestand aus einer Welcome Week. In dieser Zeit wurden einige Aktivitäten und Infoveranstaltungen für uns organisiert. Diese reichten vom Trip zur großen Supermarktkette und Walmart Konkurrent Meijer über einen Karaokeabend und eine Campustour bis hin zu formellen Vorträgen über unser Visum und darüber, wie und wo wir einen Führerschein in Michigan beantragen können. (An dieser Stelle ein kurzer Zwischenschub dazu: mit einem deutschen Führerschein muss man nur die Gebühr von $25 zahlen und beim Secretary of State ein paar Dokumente einreichen und bekommt den Führerschein dann innerhalb ein paar Wochen zugeschickt. Michigan und Deutschland haben da wohl eine spezielle Vereinbarung. Mit einem Führerschein aus einem anderen Land muss man nämlich sowohl den praktischen als auch den schriftlichen Test ablegen um einen Führerschein für Michigan zu bekommen. Daher lohnt es sich als Deutsche/r in jedem Fall, vor allem, wenn man für ein Jahr 3

4 hier ist der Führerschein ist ein offizielles Ausweisdokument und sehr praktisch, wenn man sein Alter nachweisen muss. Mit deutschen Dokumenten ist das immer etwas umständlich, man muss erklären, wo das Geburtsdatum steht, und dann ist zusätzlich auch noch das Format anders, da in den USA ja der Monat vor dem Tag genannt wird.) Außerdem gibt einem die Orientation Week die Möglichkeit, andere Austauschstudenten und -innen aus vielen anderen Ländern kennenzulernen und so neue Kontakte zu knüpfen. Das Unileben In der zweiten Woche ging dann die Uni offiziell los. So sah mein Stundenplan für das Fall Semester 2017 aus: Monday Tuesday Wednesday Thursday Uhrzeit Fach Uhrzeit Fach Uhrzeit Fach Uhrzeit Fach 8:00 9:50 Film and Society 8:00 9:50 The Healthy Lifestyle 8:00 9:50 Film and Society 8:00 9:50 The Healthy Lifestyle 10:20-12:10 Golf 10:20 11:40 Readings in North American Literature 10:20 12:10 Golf 10:20 11:40 Readings in North American Literature 18:00 North 18:00 North 19:30 American 19:30 American History History (20th (20th century) century) Die Vorlesungen sind hier etwas anders organisiert als ich es aus den Geistes- und Sozialwissenschaften an der Uni Freiburg kenne. Die meisten Veranstaltungen finden zwei Mal pro Woche statt, meistens entweder montags und mittwochs oder dienstags und mittwochs. 4

5 Somit hatte ich die Ehre, freitags frei zu haben. Meine Kurse haben mir alle Spaß gemacht, waren jedoch nicht allzu anspruchsvoll, da man für die schwierigeren Kurse entsprechend prerequisites vorweisen muss. Was Tests, Klausuren und Hausaufgaben angeht, ist die Organisation hier auch fundamental anders. Es gibt normalerweise zwei große Klausuren das midterm exam, das bezeichnenderweise etwa zur Hälfte des Semesters geschrieben wird, und das final exam. Beide tragen zwar relativ viel zur Endnote bei, jedoch entsteht der größere Teil der Note aus der Summe der anderen Noten, die man über das Semester hinweg erhält. Dazu zählen meist mehrere Tests, kurze essays oder papers, die man einreichen muss, oder in-class assignments. Die Anwesenheit wird häufig dadurch überprüft, dass es einen Abzug bei der Note gibt, wenn man eine gewisse Anzahl an Abwesenheiten erreicht hat. Bei manchen Kursen führt das dann entsprechend sogar dazu, dass man den Kurs nicht besteht. Die Freizeitgestaltung Die Uni bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten, sich in der Freizeit zu engagieren oder zu amüsieren, oder beides. Es gibt mehrere hundert Clubs, in denen jegliche Sportarten vertreten sind, sowie auch eine Vielzahl an anderen Aktivitäten. Ich habe mich für den Outdoors Club angemeldet, der beinahe jedes Wochenende einen Trip organisiert, der meist campen beinhaltet und meist in Michigan stattfindet. Einige Trips gehen jedoch auch über die Staatsgrenzen hinweg. Der Outdoors Club ist eine sehr gute Gelegenheit, ein bisschen rumzukommen, ohne selbst ein Auto zur Verfügung zu haben, da die öffentlichen Verkehrsmittel hier nicht besonders gut sind. Darüber hinaus organisiert auch das OISS (Office for International Students and Scholars) immer wieder Aktivitäten. Es werden mehrere Trips nach Chicago und Detroit angeboten und es finden auch kleinere Veranstaltungen auf dem Campus statt, so wie beispielsweise ein Thanksgiving Dinner und eine Ugly Sweater Party. Mit einer kleineren Gruppe von Austauschstudierenden und einem amerikanischen Ambassador (das sind amerikanische Studierende, die als Ansprechpartner für die Austauschstudierenden da sind und auch diverse Events organisieren) bin ich im November nach Toronto und die Niagara Fälle gefahren. Die Fahrt dorthin dauert etwa 6 Stunden, weswegen wir eine Nacht in Toronto übernachtet haben, am nächsten Tag zu den Niagara Fällen gefahren sind, und dann von dort aus 5

6 wieder nach East Lansing zurückgekehrt sind. Es war das erste wirklich kalte Wochenende dieses Winters, aber es war trotzdem wunderschön. Das Fall Semester ist zudem sehr stark vom Football und dem dazugehörigen Tailgting geprägt. Traditionell treffen sich Familien und Freunde (auch bei kleineren Spielen von beispielsweise Schulmannschaften oder Mannschaften von kleineren Colleges) vor dem Spiel in der Nähe des Stadions. Jeder bringt sein Auto, Essen und Trinken mit. Die Kofferräume der Autos werden geöffnet und dienen als Sitzfläche und/oder Ablagefläche. Von den offenen Kofferräumen stammt der Begriff Tailgating. Auf dem Niveau der MSU findet das Ganze dann in einem überwältigend großen Rahmen statt, sodass praktisch der gesamte Campus zu einer einyigen Tailgating Fläche wird. Wenn das Spiel beginnt geht man entweder hin und schaut es sich im Stadion an, oder man bleibt beim Auto und schaut es dort auf einem Fernseher an. Zusätzlich gibt es auch viele Tailgating Parties, die dann normalerweise in Häusern und 6

7 Wohngemeinschaften stattfinden. Vor den Footballspielen ist also immer etwas los, und auch die Footballspiele selbst sind gut besucht. Man lernt sehr schnell den MSU Fight Song und alle chants kennen und auch, dass die University of Michigan der größte Rivale der MSU ist. Das Spartan Stadium hat Platz für etwa Zuschauer und ist somit in der Größe vergleichbar mit der Allianz Arena in München. Zudem habe ich angefangen, mich für ein Programm zu engagieren, das ISpeak heißt. Dabei geht es darum, internationale Studierende unter anderem in Schulen und Altersheime zu bringen, um dort ihr Herkunftsland vorzustellen. Die Möglichkeiten sind jedoch relativ vielfältig und unterschiedlich. Ich war beispielsweise in einer Anstalt, die an sich eigentlich ein Jugendgefängnis ist, in der die Kinder aber gleichzeitig auch zur Schule gehen. Ich habe meinen Vortrag zwei Mal vor Gruppen von jeweils ca Jugendlichen gehalten. Alle waren sehr interessiert und aufmerksam und haben viele Fragen gestellt, was in jedem Falle eine positive Überraschung war. Es war sehr schön, die eigene Kultur und das eigene Land so und vertreten zu können. 7

8 Wenn man mal Heimweh nach Deutschland und der deutschen Sprache hat, kann man zur German Coffee Hour gehen, die vom German department hier organisiert wird. Dort treffen sich deutsche Austauschstudierende, amerikanische Deutschstudenten der MSU, und all diejenigen, die gerne einmal die Woche Deutsch miteinander sprechen wollen in einem sehr gemütlichen und offenen Rahmen. Die Feiertage Der erste große Feiertag im Herbst ist Labor Day, der auf den ersten Montag im September fällt. Nach diesem Tag fängt traditionell das Schuljahr an. An der MSU ging es jedoch schon in der Woche davor los. Trotzdem durfte ich so direkt am Anfang schon ein langes Wochenende genießen. Halloween ist in den USA auch nicht zu unterschätzen. Schon Wochen vorher sieht man überall Kürbise und andere Dekoration stehen. Meine Mitbewohnerinnen und ich haben mit einigen Freunden einen kleinen Pumpkin Carving Abend organisiert. An Halloween selbst waren wir bei einer Halloween Party vom Bruder einer meiner Mitbewohnerinnen eingeladen. 8

9 Einige aus meinem Bekanntenkreis hatten an Thanksgiving die Möglichkeit, gemeinsam mit amerikanischen Freunden zu deren Familienfeiern mit zu gehen. Ich selbst habe diesen sehr typischen und wichtigen Feiertag bei meiner Gastfamilie verbracht, was natürlich auch sehr schön war. Über die Winterferien, die ca. Von Mitte Dezember bis Mitte Januar gehen, hat man dann die Möglichkeit, entweder selbst nach Hause zu fliegen oder sich von jemandem in den USA 9

10 besuchen zu lassen. Mein Freund Malte hat mich für vier Wochen besuchen können, was super schön war. Wir hatten die Möglichkeit, ein langes Wochenende in Chicago zu verbringen, meine Gastfamilie an Weihnachten zu besuchen und über Silvester einen Roadtrip von Michigan nach Florida zu starten. Der Roadtrip war etwa 2500 km lang auf eine Strecke. D.h. insgesamt haben wir etwa 5000 km innerhalb von einer Woche zurückgelegt. Da es zu der Zeit in Michigan sehr kalt war (ca. -15⁰ C) war es schön, ein paar sonnige Tage bei 20⁰ C und inklusive baden im Atlantik in Florida zu verbringen. The Bean / Cloudgate, Chicago, Illinois 10

11 Winter an den Falls of Hills Creek, West Virginia Sommer in West Palm Beach, Florida Auf die nächsten Monate! 11

12 Bisher war mein Aufenthalt hier sehr schön, ich habe viele neue Leute kennengelernt, die amerikanische Kultur weiter besser kennengelernt und mich auch sprachlich etwas verbessert. In diesem Sinne freue ich mich sehr darauf, was die zweite Hälfte meines Abenteuers hier noch für mich bereit hält. 12