Untersuchungsbericht

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1 Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung Untersuchungsbericht Identifikation Art des Ereignisses: Unfall Datum: 26. September 2012 Ort: Luftfahrzeug: Segelfluggelände Hangensteinerhof bei Mühlacker Flugzeug Hersteller / Muster: privater Eigenbau / ST 87 Vega 1830 Personenschaden: Sachschaden: Drittschaden: Informationsquelle: zwei Luftfahrzeugführer tödlich verletzt Luftfahrzeug zerstört Scheune ausgebrannt Untersuchung durch Beauftragte der BFU Aktenzeichen: BFU 3X Sachverhalt Ereignisse und Flugverlauf Das Luftfahrzeug startete um 12:20 Uhr 1 am Flugplatz Pattonville (EDTQ) zu einem Übungsflug nach 4 der Verordnung über Luftfahrtpersonal (LuftPersV). 1 Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, entsprechen Ortszeit.

2 An Bord befanden sich der zu überprüfende Pilot und ein Lehrer für Klassenberechtigungen (CRI). Nach Angaben von Zeugen überflog das Luftfahrzeug gegen 12:40 Uhr die Piste des Segelfluggeländes Hangensteinerhof in niedriger Höhe von Ost nach West und ging danach in den Steigflug über. Kurze Zeit später sei es zunächst nach Süden und anschließend nach Osten geflogen. Flugweg und Unfallstelle Foto: Polizei/ BFU Als sich die ST 87 Vega querab des Segelfluggeländes befand, soll das Motorgeräusch schlagartig verstummt sein. Anschließend sei das Flugzeug nach links abgekippt und nach ca. zwei Umdrehungen aus dem Blickfeld verschwunden. Das Luftfahrzeug prallte auf das Dach einer Scheune und geriet in Brand. Die Scheune fing ebenfalls Feuer und brannte aus. Die beiden Insassen wurden tödlich verletzt und das Luftfahrzeug zerstört

3 Angaben zu Personen Der 72-jährige verantwortliche Luftfahrzeugführer (Lehrer für Klassenberechtigungen) war seit dem Inhaber einer Erlaubnis für Privatflugzeugführer. In dem nach den Regelungen der ICAO ausgestellten PPL (A) waren die Berechtigungen SE piston (land) und Reisemotorsegler (TMG) sowie eine Schleppberechtigung ohne Fangschlepp eingetragen. Die Erlaubnis war bis zum , die darin eingetragenen Klassenberechtigungen SE piston (land) und TMG waren jeweils bis zum und die Einträge als Lehrer für Klassenberechtigungen jeweils bis zum gültig. Der zu überprüfende 83-jährige Pilot war seit dem Inhaber einer Erlaubnis für Privatflugzeugführer. In dem nach den Regelungen der ICAO ausgestellten PPL (A) war die Berechtigung SE piston (land) einschließlich einer Schleppberechtigung ohne Fangschlepp eingetragen. Die Erlaubnis war bis zum gültig. Weitere Angaben wie z.b. zur aktuellen Gültigkeit der Klassenberechtigung SE piston (land) lagen hierzu nicht vor. Er war weiterhin Inhaber eines unbefristet gültigen Luftfahrerscheins für Segelflugzeugführer. Die Lizenz enthielt die Berechtigungen für Segelflugzeuge und Segelflugzeuge mit Hilfsantrieb. Laut Angaben im Hauptflugbuch von Pattonville hatte er 2012 insgesamt sechs Flüge mit einer Flugzeit von rund fünf Stunden durchgeführt, davon zwei Flüge von zusammen zwei Stunden Dauer in den letzten 90 Tagen. Angaben zur Flugerfahrung und zu der fliegerärztlichen Tauglichkeit der beiden Besatzungsmitglieder standen nicht zur Verfügung. Angaben zum Luftfahrzeug Die ST 87 Vega ist ein zweisitziges Motorflugzeug und als Experimental unter der Nummer als Einzelstück 1999 beim Luftfahrt-Bundesamt (LBA) zugelassen worden. Das Luftfahrzeug wurde als Eigenbau gefertigt. Es verfügte über einen Continental-C-90-Motor mit einem MTV-1-F/ Propeller. Der Motor hatte zum Zeitpunkt der letzten Jahresnachprüfung am eine Betriebszeit von 404 Stunden

4 Das Luftfahrzeug war in Deutschland zum Verkehr zugelassen und befand sich in privater Halterschaft. Seit der letzten 100-Stunden-Kontrolle wurde es 20 Stunden betrieben. Das Luftfahrzeug war vor dem Flug aus Kanistern mit ca. 70 Liter Kraftstoff betankt worden. Nach Angaben des Halters wurde das Luftfahrzeug mit einem Gemisch betrieben, bestehend aus 40 Prozent Avgas und 60 Prozent Mogas. Das Leergewicht betrug am im Rahmen der Jahresnachprüfung 454,3 kg. Das Abfluggewicht wurde bei einer angenommenen Zuladung von 195 kg (Besatzung 145 kg, Kraftstoff 50 kg) mit 649,3 kg ermittelt. Meteorologische Informationen Die Bodensicht war über zehn Kilometer, der Wind kam aus 230 bis 270 Grad mit ein bis drei Knoten. Die Lufttemperatur betrug 17 Grad und der Luftdruck (QNH) am Flughafen Stuttgart (EDDS) betrug hpa. Die Bewölkung wurde mit einem Bedeckungsgrad von 1-2 Achtel in ft angegeben. Funkverkehr Es bestand kein Funkkontakt mit der Flugleitung des Segelfluggeländes Hangensteinerhof. Beim Abflug hatte es eine Funkverbindung mit der Flugleitung von Pattonville gegeben. Der Funkverkehr wurde nicht aufgezeichnet. Angaben zum Flugplatz Das Segelfluggelände Hangensteinerhof liegt ca. 10 km nordöstlich von Pforzheim bzw. am südwestlichen Stadtrand von Mühlacker. Es befindet sich in einer Höhenlage von 295 m AMSL und verfügt über eine 630 x 30 m lange Grasbahn mit der Ausrichtung 070/250 Grad. Flugdatenaufzeichnung Aus der Radaraufzeichnung des Flugsicherungsunternehmens ließ sich der Flugweg teilweise nachvollziehen

5 Medizinische und pathologische Angaben Die beiden Insassen der ST 87 Vega 1830 wurden obduziert. Hierbei wurde festgestellt, dass sich beide Personen beim Aufprall tödliche Verletzungen zugezogen hatten. Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug Die Unfallstelle befand sich in einer Höhenlage von 315 m AMSL ca. 450 m südlich der Graspiste des Segelfluggeländes Hangensteinerhof. Sie lag in Waldrandlage innerhalb einer baulichen Anlage (Scheune). Die Längsachse des Flugzeuges war ca Grad nach Nordosten ausgerichtet. Das Luftfahrzeug war bis auf das Heck mit Höhen- und Seitenleitwerk ausgebrannt. Die Durchgängigkeit der Steuerung und die Stellung von Schaltern und Bedienhebeln konnten durch den hohen brandbedingten Zerstörungsgrad nicht bzw. nur eingeschränkt nachvollzogen werden. Unfallstelle Foto: Polizei - 5 -

6 Das Triebwerk wurde, soweit dies durch die brandbedingten Schäden möglich war, in einem Fachbetrieb zerlegt und im Detail untersucht. Die Überprüfung der mechanischen Motorenbauteile zeigte keine Beschädigungen, welche eine Störung oder den Ausfall des Motors hätten verursachen können. Der Zylinder Nr. 4 war bedingt durch den Aufschlag herausgerissen. Unfallstelle Foto: BFU Brand Das Luftfahrzeug fing nach dem Aufprall Feuer und brannte aus. Zusätzliche Informationen Nach Angaben eines Mitgliedes des Vereins, in dem der an Bord befindliche Lehrer für Klassenberechtigungen beheimatet war, soll dieser das Segelfluggelände Hangensteinerhof regelmäßig bei Übungsflügen angeflogen haben. Nach Anflügen auf die Graspiste mit anschließendem Durchstarten habe er in der Platzrunde dem zu überprüfenden Piloten die Leistung herausgezogen, um aus dieser Position erneut die Piste anzusteuern

7 Beurteilung Der verantwortliche Luftfahrzeugführer (Lehrer für Klassenberechtigungen) hatte alle vorgeschriebenen Erlaubnisse und Berechtigungen, um den Flug durchzuführen. Eine Bewertung der allgemeinen und aktuellen Flugerfahrung sowie der Flugerfahrung auf dem Muster ST 87 Vega 1830 war nicht möglich, da hierüber keine Angaben vorlagen. Ebenso fehlten die Angaben zur Flugerfahrung und Gültigkeit der Klassenberechtigung des auf dem linken Sitz befindlichen, zu überprüfenden Luftfahrzeugführers. Das Luftfahrzeug war ordnungsgemäß zum Verkehr zugelassen und nachgeprüft. Die Abflugmasse sowie die Lage des Schwerpunktes befanden sich innerhalb des zulässigen Bereiches. Hinweise auf mögliche technische Ursachen wurden nicht gefunden. Die vorliegenden Fakten sprechen für folgenden Ablauf des Unfallgeschehens: Nachdem das Luftfahrzeug die Graspiste 25 für einen Übungsanflug angesteuert und überflogen hatte, drehte es in die südliche Platzrunde ab. Nach den vorliegenden Zeugenaussagen und ermittelten Fakten könnte mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit der verantwortliche Luftfahrzeugführer dem zu überprüfenden Piloten die Leistung im südlichen Gegenanflug herausgezogen haben, um einen erneuten Anflug auf die Piste des Segelfluggeländes zu simulieren. Dafür spricht, dass er dies in der Vergangenheit bereits bei Übungsflügen so gehandhabt hatte. In der unmittelbaren Folge ist das Luftfahrzeug in eine unkontrollierte Fluglage gelangt, aus der es abkippte und auf den Boden prallte. Schlussfolgerungen Der Unfall ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit darauf zurückzuführen, dass die Besatzung im Rahmen einer Übung die Kontrolle über das Luftfahrzeug verlor. Das Luftfahrzeug geriet in einen überzogenen Flugzustand, kippte ab und prallte auf den Boden. Ein erfolgreiches Ausleiten war infolge der geringen Flughöhe nicht möglich. Als beitragende Faktoren kommen altersbedingte Defizite bei der Reaktionszeit des steuernden Piloten sowie des Lehrers für Klassenberechtigungen in Betracht

8 Untersuchungsführer: Mitwirkung: Untersuchung vor Ort: Klaus-Uwe Fuchs Thomas Karge Walter Nerdinger, Uwe Reibel Braunschweig, 25. Juni 2013 Die Untersuchung wurde in Übereinstimmung mit dem Gesetz über die Untersuchung von Unfällen und Störungen beim Betrieb ziviler Luftfahrzeuge (Flugunfall-Untersuchungs-Gesetz - FlUUG) vom 26. August 1998 durchgeführt. Danach ist das alleinige Ziel der Untersuchung die Verhütung künftiger Unfälle und Störungen. Die Untersuchung dient nicht der Feststellung des Verschuldens, der Haftung oder von Ansprüchen. Herausgeber Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung Hermann-Blenk-Str Braunschweig Telefon Telefax Mail Internet box@bfu-web.de