Carolin Jelden: Gurkes Glück

Transkript

1 "Lampen! Laternen! In allen Farben und Formen... alles hier, alles dabei... Es kommen dunkle Zeiten auf uns zu, meine Damen und Herren!" Carolin Jelden: Gurkes Glück 12 Rollen, mind. 3D 2H, ab 6 Jahren, geeignet auch für große Gruppen (Massenszenen möglich), frei zur UA Gurke ist ein Pechvogel: Gerade hat er eine Anstellung beim Lampenmeister Lamprecht gefunden, da läuft er ausgerechnet Gwendolin über den Weg! Die hält gar nichts von Lamprechts neuer Geschäftsidee, der "G lühwürmchenlampe", und befreit kurzerhand alle kleinen Tiere aus den Gläsern. Natürlich muss Gurke für den Schaden den Kopf hinhalten! Arbeits- und mittellos streift er jetzt durch den Arvenwald, in dem es immer dunkler wird. Denn der große Berg hinter dem Wald wächst und wächst. Die Menschen sind in großer Sorge. Schon bald wird nichts mehr gedeihen im kühlen Schatten. Gwendolin wird darum vom königlichen Boten beauftragt, dem großen Berggeist Opfergaben zu bringen, um ihn milde zu stimmen. Als sie im dunklen Wald in Schwierigkeiten gerät, ist Gurke zum Glück zur Stelle. Mit Hilfe einer hübschen Flatterfee, einem etwas einfach gestrickten Steinmonk und einem klugen Kerzenkobold lösen die beiden das Rätsel um den Berggeist, dessen wütendes Grollen den Berg in die Höhe treibt. Am Ende retten Gurke und Gwendolin nicht nur den Arvenwald, sondern finden ihr ganz persönliches Glück. Mit humorvollen Dialogen und einer sehr bühnenwirksamen Szenerie gelingt der Autorin erneut ein märchenhaftes, farbiges Stück für die Große Bühne. Ideal als Weihnachtsspiel oder Freilichttheater. Aufführungsrechte beim Verlag für Kindertheater Weitendorf GmbH, Max-Brauer-Allee 34, Hamburg / kindertheater@vgo-kindertheater.de

2 1. AKT - IM WALD Ein grüner, dichter Wald. Felsen, verschlungene Pflanzen. Es ist dunkel, aber hier und da blinken geheimnisvolle Lichter auf. Eine grün gekleidete Gestalt tritt auf die Bühne, Blätter am Kostüm, aus den Ärmeln ragen kleine Äste wie die Finger einer Hand: Ein Kerzenkobold.. Er hat ein kleines Licht auf dem Kopf, in Form einer Kerze, tänzelt herum und wendet sich mit einleitenden Worten ans Publikum. KERZENKOBOLD: Weit weg, im fernen Lichterland, verborgen hinter einer Wand aus Bergen, himmelhoch und dunkel, zeigt sich ein wundersam' Gefunkel. Gar viele Wesen leben dort an diesem zauberhaften Ort, der voller Schatten ist, seit je, und dunkler wird, oh weh, oh weh! Ein Laut ist zu hören, ein Knacken, ferne Stimmen. Der Kerzenkobold erschrickt und sieht sich um. KERZENKOBOLD: Schaut nur hin und höret zu: Der Lampenmeister, er gibt keine Ruh, jagt Glühwürmchen im Arvenwald, ich muss nun fort, bis bald, bis bald Er dreht sich ein letztes Mal und verschwindet schnell von der Bühne. Im nächsten Moment tritt Lampenmeister Lamprecht auf, ein geschäftiger Händler, immer auf seinen Gewinn und Nutzen bedacht, ohne moralische Grundsätze. Er schiebt seinen voll beladenen Verkaufswagen vor sich her: Bunte Laternen hängen daran, Leuchtstäbe und Lichterketten. Er trägt einen Hut und einen schicken Mantel, aber das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass er mehr aus sich machen will als er eigentlich ist. Hinter ihm tritt Gurke auf, sein Lehrling, einfach und ärmlich gekleidet. Er ist gerade dabei, eine Lichterkette aufzuwickeln, die heruntergefallen ist, macht das aber sehr umständlich. Überhaupt ist Gurke ein ungeschickter Junge, dem nicht viel gelingt, ein liebenswerter Verlierer, der sich sehnlichst mal ein wenig Glück wünscht (ruft, wie auf dem Markt) Lampen! Laternen! In allen Farben und Formen Lampen, Kerzen, Fackeln alles hier, alles dabei Es kommen dunkle Zeiten auf uns zu, meine Damen und Herren, das Licht verschwindet aus dem Tal, also kaufen sie ein! Bei 2

3 Lampenmeister Lamprecht finden Sie alles, was Sie brauchen! Äh Herr Lamprecht Hm? Hier ist niemand. Noch nicht. Wir sind im Wald, aber die Stadt ist nicht mehr weit. Und da hinten stehen ein paar Hütten, das weiß ich, da hab ich mal drei Laternen verkauft. Das musst du dir merken: Leute, die kaufen, gibt es überall. Man muss nur auf sich aufmerksam machen. Natürlich. Das musst du dir merken, Zucchini! Gurke. Ich heiße Gurke. Lamprecht winkt ab und schüttelt den Kopf. Gurke Was ist das für ein Name! Wenn du Geschäftsmann werden willst, nenne dich Gunter. Sonst wird das nichts. Sonst lachen alle über dich und du landest zwischen dem Gemüse auf dem Markt. Gurke Willst du nichts aus dir machen? Willst du kein Geld verdienen? Doch. Doch natürlich. Dann fang an zu arbeiten. Lamprecht wirft ihm einen Kescher zu und drückt ihm einen durchsichtigen Behälter in die Hand. In diesem Teil des Waldes findet man immer viele Leuchtschnecken und Funkenfalter da! Da ist einer. Na warte Du gehörst mir. (zu Gurke) Und du fängst ein paar Glühwürmchen! Der Lampenmeister geht gierig auf die Jagd und verschwindet von der Bühne. Gurke bleibt allein zurück und seufzt. Die Arbeit scheint ihm nicht zu gefallen. Glühwürmchen schon wieder. 3

4 Gurke sieht sich um. Im Hintergrund blinken immer wieder Lichter auf. Gurke schwingt sein Netz durch die Luft, bleibt aber erfolglos und fängt nichts. Plötzlich taucht der Kerzenkobold wieder auf, dreht sich und tanzt um Gurke herum, dann schnappt er sich schnell eines der leuchtenden Gläser vom Verkaufswagen und verschwindet wieder. Gurke erschrickt. Er sieht sich hektisch um, nimmt den Kescher wie eine Waffe in die Hand und geht rückwärts. Dabei geht er in Richtung Gwendolin, die inzwischen am Rand der Bühne am Boden kniet. Sie ist ebenfalls ärmlich gekleidet (brauner Rock, Fellweste) und hat einen Korb dabei, den sie neben sich abgestellt hat. Gurke läuft rückwärts auf sie zu, bemerkt sie nicht und stolpert über sie. Gwendolin schreit auf. Beide liegen am Boden. Was soll das? Pass doch auf Tut mir Leid, ich hab dich nicht gesehen. Was machst du hier? Ich sammle Pilze. Hier, siehst du? Ich hab sogar drei Steinpilze gefunden. Hm.. die mag ich. Er beugt sich über den Korb, aber Gwendolin zieht ihn schnell weg. Sind aber nicht für dich! Tut mir leid, aber wir haben nicht viel zu essen, meine Eltern und meine Schwester Seit der Berg wächst, kommt keine Sonne mehr auf unser Feld. Und das große Unwetter vor ein paar Wochen, das hat die Hälfte der Ernte zerstört. Also geh ich jeden Tag in den Wald und sammle Beeren und Nüsse. Plötzlich wird sie von einem lauten Grollen unterbrochen, wie ein Donner bei einem Gewitter, dumpf, bedrohlich. Gwendolin zuckt zusammen und klammert sich an Gurke. Einen Moment stehen sie so zusammen da, Gurke hält sie fest. Wie heißt du? Gwendolin. Keine Angst, Gwendolin, es ist nur der Berg. Er wächst wieder. Gwendolin löst sich von Gurke und nimmt wieder ihren Korb. 4

5 Wann hört das endlich auf? Wir werden alle verhungern. Mein Herr sagt, der wachsende Berg ist das Beste, was ihm passieren kann. Ach ja? Ja, Herr Lamprecht verkauft Lampen, und seit der Berg wächst und es immer dunkler wird, läuft das Geschäft so gut wie noch nie. Dann geht es aber nur ihm gut. Und vielleicht dem König, oben auf seiner Burg. Der bekommt noch ein paar Sonnenstrahlen ab, aber das ganze Tal liegt im Schatten. Ich weiß. Gwendolin ist inzwischen einmal um den Verkaufswagen gegangen und hat sich alle Lichter und Lampen angesehen. Bei den Gläsern, in denen es hell schimmert, schaut sie genau hin, irritiert. Was ist denn das? Oh, das sind Glühwürmchenlampen. Glühwürmchenlampen?! Ja, in der Stadt werden sie gerne gekauft. Sie machen ein schönes Licht und sehen ungewöhnlich aus, eine neue Erfindung von meinem Herrn. Gwendolin nimmt eines der Gläser. Sie wird immer misstrauischer. Und die Glühwürmchen in dem Glas dürfen die auch wieder raus? Nein. Sie bleiben da drin, bis sie Was Na ja, bis sie aufhören zu leuchten. Sterben. 5

6 Ja. Und der Funkenfalter, der da eingesperrt ist? Das ist eine Funkenfalterlampe. (gereizt) Und wenn der Falter ein bisschen Licht gemacht hat, darf er auch sterben, ja? Mir gefällt die Erfindung doch auch nicht! Aber sie verkauft sich gut. Gwendolin hat genug gehört. Wütend öffnet sie das Glas, schüttelt es und hält es hoch. Halt halt! Was machst du da? Spinnst du? Du lässt ja die ganzen Tiere frei! Weißt du wie lange es dauert, die einzufangen? Gwendolin lässt sich nicht aufhalten, sie öffnet ein Glas nach dem anderen. Und weißt du, was für zauberhafte, seltene Geschöpfe das sind? Die muss man beschützen! Die darf man doch nicht einfach in ein Glas stecken, wo sie ersticken! Los fliegt, fliegt zurück in den Wald! Gib das Glas her! Ich denk nicht dran! Mein Herr kommt gleich zurück Na und? Das ist Diebstahl! Er wird dich einsperren lassen! Ha! Er wird mich nicht erwischen! Sie schnappt sich ihren Korb und läuft davon. Gurke bleibt allein zurück, verzweifelt und überfordert, was er nun tun soll. Gwendolin! Halt! Warte Was Was soll ich denn jetzt tun? Oh nein, das gibt Ärger. Warum muss immer mir so was passieren, warum? So eine kleine Kratzbürste. Warum kann mir nicht einfach mal eine schöne Prinzessin begegnen? 6

7 WAS IST HIER LOS?! Lampenmeister Lamprecht kommt polternd auf die Bühne. Gurke lässt vor Schreck ein Glas fallen. Meister, das Das war ich nicht, wirklich, ich kann das erklären. WO! Wo sind meine Funkenfalter meine Glühwürmchen, wo? Da da war ein Mädchen, das hat sie freigelassen. Ich hab versucht, sie aufzuhalten, aber Was Es ging nicht. Dann wirst du mir den Verlust ersetzen. Ich?! Du. Natürlich. Du hast den Überfall nicht verhindert. Aber ich habe doch kein Geld. Ich habe gar nichts! Kein Haus, nicht mal eine Hütte. Die ist bei dem großen Sturm in sich zusammengefallen und meine Sachen wurden fort geweht, ich habe alles verloren. Ich habe nur diese Kleider, die ich trage. Lamprecht sieht ihn von oben bis unten an, wirkt aber wenig mitfühlend. Du armes Gürkchen Da kann ich dir auch nicht helfen. (Er geht drohend auf ihn zu) Du zahlst deine Schulden oder ich lass dich einsperren. Gurke zuckt zusammen, dann dreht er sich schnell um und rennt weg. Bleib stehen! Ha! Den krieg ich schon. Der stolpert über die erste Wurzel, die ihm im Weg liegt, und fällt auf die Nase. Glück hat er nicht, der Junge, nein. Das hat er noch nie gehabt. Wieder ertönt ein lautes Grollen. Der Berg wächst. Es wird dunkler. Licht aus. 7