Lothar Trolle. K.s KASPERLSPIELE

Transkript

1 Lothar Trolle K.s KASPERLSPIELE

2 (c) henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Alle Rechte am Text, auch einzelner Abschnitte, vorbehalten, insbesondere die der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der Buchpublikation und Übersetzung, der Übertragung, Verfilmung oder Aufzeichnung durch Rundfunk, Fernsehen oder andere audiovisuelle Medien. Werknutzungsrechte können vertraglich erworben werden von: henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH Alte Jakobstraße 85/ Berlin Tel.:

3 Die Stimme seines Herrn K. (Kasperl) mit seinem Kassettenrekorder/Tonbandgerät K. (Hantiert mit seinem Gerät herum, probiert die verschiedensten Möglichkeiten des Geräts aus, bis diese Beschäftigung ihn langweilt und er auf die Aufnahmetaste des Geräts drückt und mit leicht verstellter Stimme in das Mikrofon des Geräts spricht.) Nun, Kasperl, was ist? Langweilt dich jetzt deine Lieblingsbeschäftigung? Erwartest du jetzt von mir, daß ich dir sage, was du machen sollst, um die nächsten Stunden einigermaßen zu überstehen? Aber setz dich doch erst einmal, und jetzt denke in aller Ruhe nach! Wer weiß besser als du selber, was dir heute abend fehlt? Was mache ich, wenn ich mich langweile und nicht weiß, was ich machen soll, damit ich mich nicht mehr länger langweile? Nun, weißt du jetzt des Rätsels Lösung? Nein? Da stehe ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor! Doch ist das gleich ein Grund, dazusitzen, sich die Haare zu raufen und an sich und der Welt zu verzweifeln! Wer Abwechslung in sein Leben bringen will, bringe Abwechslung in sein Leben! Los, steh auf und bewege dich! Selbst Goethe fielen die besten Ideen ein, wenn er sich ein bißchen Luft verschaffte! Jetzt schlaf nicht ein! Schneller! Oder bist du müde und willst ins Bett? Und warum probierst du nicht aus, ob du noch einen Kopfstand zustande bringst? Oder bist du dafür schon zu alt? mit leicht verstellter Summe in das Mikrofon des Geräts.) Bravo! Aber einen Handstand kriegst du garantiert nicht mehr hin! 3

4 Bravo! Bravo! Wer in deinem Alter noch Handstand kann, darf sich mit ruhigem Gewissen einen Schluck genehmigen! Aber paß auf, was zuviel ist, ist zuviel! Und langweilt der Herr sich jetzt noch immer? Oh, dann nutze die Gunst der Stunde und hole nach, was du schon lange nachholen wolltest: Spucke endlich aus, was du bis heute herunterschlucktest! Lauter! Ich weiß doch, was tief im verborgenen in dir schlummert! Und jetzt auf das Fenster, jetzt verrate der Welt, was du von ihr hältst! Lauter! Auch dort hinten die, die du von deinem Fenster aus kaum noch erkennst, wollen hören, wie sehr du sie verachtest! Und gehts dem jungen Mann jetzt etwas besser? Nein, ich armer Tor fühle mich schlechter als je zuvor! Weißt du übrigens, du hast seit Monaten kein Buch mehr gelesen! Habe ich vor, heute abend lese ich ein Buch, grapsche ich nicht wie blind in mein Bücherregal und nehme mir unter all meinen Büchern irgendeine x-beliebige Schwarte heraus und schlage dann wahllos irgendeine x-beliebige Seite auf und lese dann los, bis ich keine Lust mehr zum Lesen habe. Nehme ich mir vor, ich lese heute abend ein Buch, suche ich unter all meinen Büchern mir den Roman oder den Erzählungsband heraus, den ich seit langem lesen wollte, doch den ich aus Zeitgründen immer wieder aus der Hand legen mußte. Habe ich das gewünschte Buch gefunden, setze ich mich (Legt eine kurze Pause ein.) und lese noch einmal den Text auf der Klappseite, (Legt eine längere Pause ein.) dann blättere 4

5 ich um und lese die Überschrift des ersten Kapitels oder den Titel der ersten Erzählung, bevor ich dann mit dem Lesen des Buches beginne. Du hältst mich wohl für blöd! Meinst du, ich merke nicht, wie dich die Schwarte langweilt! Los, dann genier dich nicht, ich sehe dir doch an, auf was du jetzt Lust hast! Meinetwegen nimm Platz und schalte den Fernsehapparat ein! Und wenn das Fernsehen dich langweilt, los, dann schalte das Radio ein, aber unternimm etwas! Und wenn das Radio dir nichts bietet, dann los, singe selber, tanze, aber bitte unternimm etwas! Oder willst du jeden Abend zu Hause herumsitzen wie das traurigste Geschöpf der Welt! (Brüllt hysterisch.) Oh, seht euch nur Kasperl an, der nicht einmal abends zu Hause nach Feierabend sich des Lebens freuen kann. Und wenn er nicht bald findet, was er so verzweifelt sucht, dann wär besser, er verschwindet für immer und verschont endlich die Welt mit seinem mitleiderregenden Clownsgesicht! Los, und jetzt denke nach und handle! (Lacht hysterisch auf, spult dann die Kassette zurück bis zum Anfang, schließt die Augen, drückt dann auf die Wiedergabetaste des Geräts, so daß sich aus dem Lautsprecher des Geräts seine eigene leicht verstellte Stimme meldet.) Nun Kasperl, was ist? Langweilt dich jetzt deine Lieblingsbeschäftigung? Erwartest du jetzt von mir, daß ich dir sage, was du machen sollst, um die nächsten Stunden einigermaßen zu überstehen? Aber setz dich doch erst einmal, und jetzt denke in aller Ruhe nach! Wer weiß besser als du selber, was dir heute abend fehlt. (Denkt mit geschlossenen Augen nach, bis sich aus dem Lautsprecher des Geräts seine eigene leicht verstellte Stimme meldet.) Was mache ich, wenn ich mich langweile und nicht weiß, was ich machen soll, damit ich mich nicht mehr länger langweile? (Denkt mit geschlossenen Augen nach, bis sich aus dem Lautsprecher des Geräts seine eigene leicht verstellte Stimme meldet.) 5

6 Nun, weißt du jetzt des Rätsels Lösung? Nein? Da stehe ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor! Doch ist das gleich ein Grund, dazusitzen, sich die Haare zu raufen und an sich und der Welt zu verzweifeln? Wer Abwechslung in sein Leben bringen will, bringe Abwechslung in sein Leben. Los, steh auf und bewege dich! Selbst Goethe fielen die besten Ideen ein, wenn er sich ein bißchen Luft verschaffte! (Geht mit geschlossenen Augen auf und ab, bis sich aus dem Lautsprecher des Geräts seine eigene leicht verstellte Stimme meldet.) Jetzt schlaf nicht ein! Schneller! Oder willst du ins Bett? (Läuft mit geschlossenen Augen im Dauerlauf, bis sich aus dem Lautsprecher des Geräts seine eigene leicht verstellte Stimme meldet.) Und warum probierst du nicht aus, ob du noch einen Kopfstand zustande bringst? Oder bist du dafür schon zu alt? (Stellt sich mit geschlossenen Augen auf den Kopf, bis sich aus dem Lautsprecher des Geräts seine eigene leicht verstellte Stimme meldet.) Bravo! Aber einen Handstand kriegst du garantiert nicht mehr hin? (Macht mit geschlossenen Augen einen Handstand, bis sich aus dem Lautsprecher des Geräts seine eigene leicht verstellte Stimme meldet.) Bravo! Bravo! Wer in deinem Alter noch Handstand kann, darf sich mit ruhigem Gewissen einen Schluck genehmigen! Aber paß auf, was zuviel ist, ist zuviel! (Trinkt mit geschlossenen Augen, bis sich aus dem Lautsprecher des Geräts seine eigene leicht verstellte Stimme meldet.) Und langweilt der Herr sich jetzt noch immer? Oh, dann nutze die Gunst der Stunde und hole nach, was du schon lange nachholen wolltest: Spucke endlich einmal aus, was du bis heute herunterschlucktest! (Schreit mit geschlossenen Augen, bis sich aus dem Lautsprecher des Geräts seine eigene leicht verstellte Stimme meldet.) Und jetzt auf das Fenster, jetzt verrate endlich der Welt, was du von ihr hältst! (Reißt mit geschlossenen Augen ein Fenster auf und schreit mit geschlossenen Augen aus dem Fenster, bis sich aus dem Lautsprecher des Geräts seine eigene leicht verstellte Stimme meldet.) Lauter! Auch dort hinten die, die du von deinem Fenster aus kaum noch erkennst, wollen hören, wie sehr du sie verachtest! (Schreit mit geschlossenen Augen lauter aus dem Fenster, bis sich aus dem Lautsprecher des Geräts seine eigene leicht verstellte Stimme meldet.) 6