Jan Jochymski VERGIß MEIN NICHT
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- Justus Bäcker
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1 Jan Jochymski VERGIß MEIN NICHT 1
2 henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 1994 Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Alle Rechte am Text, auch einzelner Abschnitte, vorbehalten, insbesondere das der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der Buchpublikation und Übersetzung, der Übertragung, Verfilmung oder Aufzeichnung durch Rundfunk, Fernsehen oder andere audiovisuelle Medien. Das Vervielfältigen, Ausschreiben der Rollen sowie die Weitergabe der Bücher ist untersagt. Eine Verletzung dieser Verpflichtungen verstößt gegen das Urheberrecht und zieht zivil- und strafrechtliche Folgen nach sich. Die Werknutzungsrechte können vertraglich erworben werden von: 2 henschel SCHAUSPIEL Marienburger Straße Berlin Wird das Stück nicht zur Aufführung oder Sendung angenommen, so ist dieses Ansichtsexemplar unverzüglich an den Verlag zurückzusenden. F1
3 PERSONEN ORT Ehemalige Schulaula, zum Möbellager umfunktioniert (13 SZENEN ohne PAUSE) 3
4 Der Raum zeigt diverse Möbel, wahllos angeordnet, eine hohe Eingangstür ist sichtbar und ein Notausgang der ins Off führt, dort wird der ehemalige Schulgang angenommen. Auftritt und durch die große Tür. s Arme sind gefesselt, seine Augen verbunden; schiebt ihn auf die Bühne, verschließt die Tür. I Hier ist es, Katze! Reiß dir den Lappen von der Linse. Hier weißt du noch? Sie sind verrückt. Sie müssen irgend so was sein. Die Städte machen das aus euch, ich verstehe Sie. Verstehen Sie? Hallo, wer seid ihr? Du bist die Katze, klar! Woher wissen Sie, die Katze, das ist lange her. Ein halbes Leben, Katzen haben aber sieben und du? (Stößt an die Möbel.) Was ist das? Wo sind wir? Ich dachte nicht, daß es so schlimm kommt. Ich dachte an einen Überfall, dachte an eine Schlägerei, ich natürlich Opfer; dachte schon, daß was passiert, vorhin, als Sie mich ansprachen, von hinten; dachte, das wird Zeit, endlich ist es soweit, ein Leben lang verschont zu bleiben, von derart Vorfällen, das gehört sich nicht, stimmts? Freilich, jeder ist mal an der Reihe. Warum haben Verrückte solche Menge an Möbeln im Zimmer? Aus Vergnügen umzuräumen. Wieviele seid ihr? Genug, um aufzuräumen. Ich komme euch gern zuvor. Mein Freund, gelernter Psychiater. Mein Freund, eure Hilfe. Mein Freund ist freundlich. Deine Freunde sind windig. Gestern noch Sekretär, Funktionär, heute ein Leben mit Aftersaftverzehr! Arschkriechen ohne Knieschutz. Zeig mal deine Wunden! Geht nicht, meine Hände. Eine wäscht die andere. Also Sie mit Ihren Bildern, jetzt verstehe ich erst. Na, daß dauert lang bei mir, Sie müssen schon entschuldigen, die grauen Zellen, graumelierte Schläfen und der graue Star das wird nicht weniger, da stirbt was ab, wo führt das hin, was wollt ich... ja, habe verstanden, ihr braucht Arbeit, ich spreche mit meinen Freunden und schwups, da ist der Job! (Stolpert.) 5
5 Paß auf wo du hintrittst! Geht nicht, meine Augen. Streif dir den Hanf vom Gelenk. Reiß dir den Lappen von der Linse, Streif dir den Hanf vom Gelenk wie denn?! Und überhaupt, wie Sie reden, mit Grammatik hat das nichts am Hut. Katze, du kannst es noch! Komm, mach mir den Lehrer! Wir sind mittendrin, schneller als ich dachte, rede, rede! Rede über Anschauung, rede aus der Vogelperspektive, oben auf deinem Pult, rede über Welt. Da habt ihr euch den Falschen rausgepickt. Da müßt ihr die Studierten fragen. Da kann ich leider... Da kannst du die Schnauze halten und mitspielen! Ich kann nicht mehr. Womit habe ich das verdient? Was wollt ihr von mir?! Warum gerade ich? Das hattest du vergessen, in deiner Jammerreihe. Sie brauchen einen Arzt. Dacht ich auch, bis letzten Monat, dann fiels mir ein und ich habe dich gesucht, Wochen recherchiert, versucht, eine Zeitspanne von zwanzig Jahren zu füllen; Leben in Erinnerung, Leben unter Kopfnarkose. Einen Arzt, wie komisch. Du bist da, die Operation kann beginnen! Mach mir den Lehrer! (Mit Verzweiflung.) Meine Note eine Fünf, mein Aufsatz am Thema vorbei, meine Aussage unweltlich das versteh ich nicht, HERR DIREKTOR?! Herr Direktor Olmstet... ( löst ihm die Handfesseln, er will sich die Augenbinde abreißen, läßt es.) Wer sind Sie? Ich habe meinen früheren Schimpfnamen nicht überhört, Katze, habe meinen Vatersnamen vernommen, woher kennen Sie mich, was meinen Sie mit Recherchen?! Wer seid ihr? Reiß dir den Lappen von der Linse. Aber sicher, wie recht Sie haben, und ich tue es, tue es jetzt! (Setzt an.) Meine Weltanschauung soll ich finden?! Wo? Wo soll ich suchen, mein Atlas bremst mit dicken Grenzen, HERR DIREKTOR! 6
6 Heinicke? Heinicke, sind Sie das? Sie wollen mir Angst machen, wegen früher, längst vergessen, Schwamm drüber. (Pause.) Röhricht, sind Sie das?! Röhricht, alter Junge, nun mal aus das Spiel. Wir sind erwachsene Menschen, es gibt keinen Grund, warum ich nicht dieses Tuch (Lacht.) von der Linse reißen sollte. Röhricht, Heinicke oder wer sonst hier Weihnachten spielt, ich tue es! (Reißt die Augen frei. Sie mustern sich, fixiert den Raum, entdeckt die Eingangstür.) Sie? Nur Sie? Alleine? Jetzt bin ich ein wenig enttäuscht, unter dem Tuch waren Sie der große Killer, ich sah Sie so tätowiert, so mit Ohrring, ja Lippenring sogar; ich sah das in Videos, meine Söhne gucken viel. Daß Sie volles Haar haben entsetzt mich, ich sah Sie mehr mit ohne, also Glatze, modern eben, wie Jugend aussieht... Was du in Jugend siehst, bin ich nicht, wollte ich nie sein. Typisch erwachsene Blindheit. Wer bin ich? Ja, wenn Sie das nicht selber wissen... Ich merk schon, wir müssen ganz von vorn beginnen. Das machen Sie mal schön alleine. ( versucht die Flucht. Da die Eingangstür verschlossen ist, ruft er um Hilfe. baut aus vorhandenem Mobiliar ein Klassenzimmer, also Lehrerpult und Schülerbank. Er verändert das Licht im Raum. Sein Handeln verrät, daß er sich hier auskennt.) II. Hilfe, ist da wer?! Hilfe, hört denn keiner?! Nein, keiner. Abgeschlossen. Natürlich. Ich will meinen Anwalt sprechen. (Gütig.) Das geht jetzt nicht. (Rennt zu.) Ich kenn Sie nicht, ehrlich, ein Irrtum! 7
7 Glaubst du ich glaub dir. Lenk nicht ab. Ich Schüler, zehn Jahre unter deinem Pult ständige Spannung. Du Direktor, mein Lehrer Rohrstockphilosoph. (Setzt sich und schlüpft in die Rolle des Schülers.) Warum schimpfen Sie mich bewußtlos, nein, bewußtseinslos? Dieses Wort gibt es nicht. Gut, Katze. Warum schimpfen Sie, ich hätte kein Bewußtsein dem Staate gegenüber, nur weil meine Gesinnung christlich ist? Sie sind Christ, Gott sei Dank! Das wußtest du. Stell dir deine Schüler vor, fünfte Klasse, 106. Oberschule Oberschule? Rauf auf dein Pult! Sie sind verrückt. Katze?! Lassen Sie mich dann? Nach dem Unterricht. Jetzt das Spiel und ohne Zwischentöne! ( bemüht sich auf das Pult.) Übergewicht, gell?! (Für sich.) Ich schimpfe dich hiermit ohne Bewußtsein. Lauter! (Tut das.) Du hast ja kein Bewußtsein! Mehr Ausdruck! (Versucht das.) Alle, die dem Kirchgang frönen, aufstehen! (Springt auf.) Was wollen Sie von mir, Herr Direktor, bin christlich erzogen und steh dazu. Und wenn dich deine Eltern anders gefärbt hätten, wärst du jetzt vielleicht... Faschist?! 8
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