BABY HAT NICHTS GEMACHT
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- Gretel Arnold
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1 Georges Feydeau BABY HAT NICHTS GEMACHT (Originaltitel: On purge Bébé) Stück in einem Akt Aus dem Französischen von Wolfgang Schuch Neu durchgesehene Übersetzung 2006 henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 1
2 On purge Bébé wurde am 12. April 1910 im Pariser Théâtre des Nouveautés uraufgeführt. henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 2006 Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Alle Rechte am Text, auch einzelner Abschnitte, vorbehalten, insbesondere die der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der Buchpublikation und Übersetzung, der Übertragung, Verfilmung oder Aufzeichnung durch Rundfunk, Fernsehen oder andere audiovisuelle Medien. Das Vervielfältigen, Ausschreiben der Rollen sowie die Weitergabe der Bücher ist untersagt. Eine Verletzung dieser Verpflichtungen verstößt gegen das Urheberrecht und zieht zivil- und strafrechtliche Folgen nach sich. Die Werknutzungsrechte können vertraglich erworben werden von: henschel SCHAUSPIEL Marienburger Straße Berlin Wird das Stück nicht zur Aufführung oder Sendung angenommen, so ist dieses Ansichtsexemplar unverzüglich an den Verlag zurückzusenden. F1 2 henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH
3 PERSONEN Follavoine, Porzellanfabrikant, seine Frau Toto, der siebenjährige Sohn, s Dienstmädchen Adhéaume Chouilloux, hoher Beamter im Kriegsministerium Clémence, seine Frau Horace Truchet, ihr Geliebter Die Szene ist in Paris um 1910 henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 3
4 Das Arbeitszimmer von Follavoine. Die Dekoration hat eine schräge linke Wand und eine rechtwinklige Wand rechts. Vorn links die Tür zum Zimmer von Follavoine. In der Mitte hinten die Tür zum Flur. Zu beiden Seiten der hinteren Tür verglaste Bücherschränke, deren Türflügel mit plissiertem Taft bespannt sind, so daß man nicht hindurchsehen kann; der linke Flügel des rechten Schranks muß verriegelt sein, dahinter verbergen sich die beiden Nachtgeschirre, die dem Publikum vorerst verborgen bleiben. Rechts, fast die ganze Seite der Dekoration einnehmend, ein großes Fenster mit vier Flügeln, In der Mitte rechts ein großer Schreibtisch, den Zuschauern zugewandt, darauf Akten, Bücher, ein Lexikon, verstreute Papiere und ein Kästchen mit Gummiringen. Unter dem Tisch ein Papierkorb. Hinter dem Tisch der Schreibtischsessel. Vor dem Tisch rechts ein Sessel. Links auf der Bühne ein schräg stehendes Kanapee. Links davon ein niedriger runder Tisch. Rechts neben dem Kanapee ein Schaukelstuhl. 4 henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH
5 (1), dann Beim Aufgehen des Vorhangs blättert Follavoine in seinem Lexikon, über den Schreibtisch gebeugt, das linke Bein auf dem Schreibtischsessel, den Hintern auf der Armlehne. (Sein Lexikon vor sich.) Also die Fidschi-Inseln? Die Fidschi-Inseln Die Fidschi-Inseln. (Es klopft. Ärgerlich, ohne den Kopf zu heben.) Ptt! Herein! (Zu, die erscheint.) Was willst du? (Von schräg links kommend.) Madame wünscht Monsieur. (Wieder in sein Lexikon versunken, schroff.) Na gut, soll sie kommen! Wenn sie mich sprechen will: Sie weiß, wo ich bin. (Bis in die Mitte gekommen.) Madame ist in ihrem Ankleidezimmer beschäftigt, sie kann sich nicht herbemühen. Tatsächlich? Also, ich auch nicht. Bedaure, ich arbeite. (Unentschieden.) Gut, Monsieur. (Aufsehend, ohne das Lexikon aus den Händen zu lassen, im gleichen brüsken Ton.) Übrigens, was will sie eigentlich? Ich weiß nicht, Monsieur. Ah, dann geh sie fragen. Ja, Monsieur. (Geht nach hinten.) Wirklich. Nein! (Als beim Abgehen ist.) Ach, sag doch mal (Zurückkommend.) Monsieur? So nebenbei, die die Fidschis? (Die nicht versteht.) Wie? Die Fidschis? Weißt du nicht, wo die sind? (Verblüfft.) Die Fidschis? Ja. henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 5
6 Nein. (Um sich zu rechtfertigen.) Ich räum hier nichts weg, das macht Madame. (Sich wieder aufrichtend, mit dem Zeigefinger im geschlossenen Lexikon.) Was was, wer räumt hier was weg? Die Fidschis! Inseln! Dumme Gans. Ein Stück Erde, mit Wasser ringsum, weißt du nicht, was das ist? (Große Augen.) Erde mit Wasser ringsum? Ja. Erde mit Wasser ringsum, wie heißt das? Schlamm? Aber nein, nicht Schlamm! Erde und viel Wasser ringsum das ist? eine Insel! (Verblüfft.) Ach! Und die Fidschis, ja, das sind Inseln! Folglich sind sie nicht in der Wohnung. Ach, sie sind draußen? (Achselzuckend.) Natürlich draußen. Aber nein, nein, ich habe sie nicht gesehen. (Seinen Schreibtisch verlassend und hin zur Tür schräg links drängend.) Ja gut, ist schon gut. (Um sich zu rechtfertigen.) Ich bin noch nicht lange in Paris, und Ja ja. und ich hab so selten Ausgang. Ist ja gut! Geh wieder zu Madame! Ja, Monsieur! (Geht ab.) Sie weiß nichts, diese Trine! Nichts! Was hat sie bloß in der Schule gelernt! (Bis vor den Schreibtisch kommend und sich anlehnend.) Sie hat die Fidschis nicht weggeräumt! Glaub ich dir wirklich! (Sich wieder in sein Lexikon vertiefend.) Fidschis Fidschis (Zum Publikum.) Das ist seltsam. Ich finde Victor, Victoria, Viehzucht! Aber die Fidschis kommen mir nicht unter die Augen. Und dabei müßten sie vor Viehzucht stehen. Es taugt nichts, dieses Lexikon! (Sicherheitshalber überfliegt er noch einmal die aufgeschlagene Seite.) 6 henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH
7 (2), (Wie ein Wirbelwind in der Tür auftauchend. Sie sieht ziemlich schlampig aus: offener Morgenrock, die lose Kordel hinterherschleifend, kurzer seidener Unterrock, über das darunter hervorguckende Nachthemd gezogen, Lockenwickler in den Haaren, Strümpfe auf die Pantoletten heruntergerutscht. Sie hat einen zugedeckten Eimer mit Waschwasser in der Hand.) So, du kannst dich nicht bemühen? (Fährt hoch.) Ach. Ich bitte dich, platz doch nicht immer wie eine Bombe herein (Ironisch.) Oh, Verzeihung! (Den Mund gespitzt und zuckersüß.) Du kannst dich nicht bemühen, nein? (Unlustig.) Und du? Warum muß ich es sein, der sich mehr bemüht als du? (Spitz.) Das ist nun mal so, wir sind schließlich verheiratet. Wo ist da der Zusammenhang? Sind wir etwa nicht verheiratet? Laß mich zufrieden, ich bin beschäftigt. (Stellt den Eimer mitten ins Zimmer und geht nach links.) Beschäftigt! Monsieur ist beschäftigt! Das ist herrlich! Ja, beschäftigt. (Bemerkt den Eimer.) Oh! (Zurückkommend.) Ja? Das da! Bist du noch zu retten, schleppst mir hier deinen Eimer her? Was, meinen Eimer, wieso meinen Eimer? Na das! (Zeigt darauf.) Ach, das ist nichts. Das ist mein Waschwasser. Und was soll ich damit machen? Es muß ausgeschüttet werden. Hier? henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 7
8 Doch nicht hier! Du bist ungezogen. Ich wüßte nicht, daß ich schon jemals hier mein Waschwasser ausgeschüttet hätte! Also, warum schleppst dus herein? Weil ich den Eimer in der Hand hatte, als kam und deine charmante Antwort überbrachte, und weil ich dich nicht warten lassen wollte Konntest du ihn nicht an der Tür abstellen? Ach, und überhaupt. Du hättest ja nur zu kommen brauchen, wenn ich dich mal bitte: Aber Monsieur ist beschäftigt! Womit, frage ich. (Sie geht nach hinten.) (Knurrig.) Mit meinen Angelegenheiten wahrscheinlich. Mit welchen? Ach, also, ich habe die Fidschi-Inseln im Lexikon gesucht. Die Fidschi-Inseln. Bist du verrückt? Hast du die Absicht, dort hinzugehen? Nein, die Absicht habe ich nicht. (Geringschätzig, während sie sich aufs Kanapee setzt.) So was macht dir Kopfzerbrechen. Was kann es einen Porzellanfabrikanten kümmern, wo die Fidschis sind. (Weiter knurrig.) Wenn du meinst, das kümmert mich! Ich versichere dir, wenn es um mich ginge Aber es geht um Baby. Er kommt mit solchen Fragen. Kinder bilden sich eben ein, Eltern wüßten alles. (Imitiert seinen Sohn.) Papa, wo sind die Fidschis? (Seinen knurrigen Ton wieder aufnehmend.) Was? (Stimme des Sohnes.) Wo sind die Fidschis, Papa? Oh, ich hatte schon verstanden, ich hatte ihn nur erst mal wiederholen lassen (Schimpfend.) Woher soll ich das wissen, wo die Fidschis sind. Weißt du denn, wo sie sind? Aber ja, ich habe sie schon mehrmals im Atlas gesehen, ich erinnere mich nur nicht, wo. (Setzt sich wieder an den Tisch und schlägt im Lexikon wieder die gleiche Stelle auf.) Ach so, und ich auch nicht. Aber das konnte ich ihm nicht antworten, diesem Kind. Was hätte es gedacht! Ich habe versucht, mich aus der Schlinge zu ziehen: Psst, frag nicht so, die Fidschis, das ist noch nichts für Kinder! 8 henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH
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