Marc Pommerening DIE NIBELUNGEN

Transkript

1 Marc Pommerening DIE NIBELUNGEN 1

2 henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 2002 Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Alle Rechte am Text, auch einzelner Abschnitte, vorbehalten, insbesondere die der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der Buchpublikation und Übersetzung, der Übertragung, Verfilmung oder Aufzeichnung durch Rundfunk, Fernsehen oder andere audiovisuelle Medien. Das Vervielfältigen, Ausschreiben der Rollen sowie die Weitergabe der Bücher ist untersagt. Eine Verletzung dieser Verpflichtungen verstößt gegen das Urheberrecht und zieht zivil- und strafrechtliche Folgen nach sich. Die Werknutzungsrechte können vertraglich erworben werden von: henschel SCHAUSPIEL Marienburger Straße Berlin Wird das Stück nicht zur Aufführung oder Sendung angenommen, so ist dieses Ansichtsexemplar unverzüglich an den Verlag zurückzusenden. F1 2

3 PERSONEN Brunhild Siegfried Mönch Etzel Ein Hunne 3

4 Erster Akt Erste Szene Sarg König Dankrats. Nacht... Du läßt dich gehn. Weil ich nicht schlafen kann. Warum kannst du nicht schlafen? Weil ich träume. Dein Bruder träumt mit offnen Augen. Harmlos Ist tags zu träumen. Die Gespenster schwirrn Bloß nachts. Wollt Vater wäre schon im Grab. Der lebt, solange seine Welt nicht tot ist. Kann ich ihn deuten, Tochter, deinen Traum? Da ist ein Falke, den ich trag auf Händen. Schlagartig greifen ihn zwei Adler an Und stechen auf ihn ein mit blanken Schnäbeln Und ein Gemisch von Blut und Federn klebt mir an der Hand. O Federn. Roter Schnee. O dunkle Prophezeiung. Deut den Traum mir. (Da schweigt.) Hast du den selben Traum gehabt wie ich? Der Hang zu Träumen liegt in der Familie. Träume wie dieser liegen uns im Blut. Töten muß was er liebt, der diesen Traum hat. Der Hang zum Töten liegt in der Familie. Ein Hang zum Tod, der Liebe beigemischt. Ein Nibelunge tötet was er liebt Und liebt was tötet. Alle lieben wir was tötet. Wir sind Nibelungen. 5

5 Kam Dein Falke? Adler führen wir im Schild. Und Adler leiden eines Falken Flug nicht. (Pause.) Ich hab geheiratet. Ihn? Deinen Vater. ( ab, ohrfeigt die Leiche ihres Vaters, läuft in die Nacht hinaus.) Zweite Szene Beim Frühstück.,,,,, Mönch. Erzähl uns,, was vom Krieg! Von welchem? Von dem, der kommt. Kriege sind abgeschafft. Als Preis fürs Privileg, im Bett zu sterben Haben wir preisgegeben Schwert und Schild. O Deutschland, Zwergenstaat von Etzels Gnaden! Hustet er, gehn bei uns die Lichter aus. Zieht er die Stirn kraus, bebt bei uns die Erde. Vorbei die Zeit, als es noch Drachen gab. Als Riesen, nicht gestutzt von Menschenhand Auf Menschenmaß, in Siebenmeilenstiefeln Die Kontinente überquerten. Zwerge In Höhlen tief der Ahnen Hort verbargen Und Heldentum mehr galt als Politik. Mit eurem Vater starb der letzte Krieg. 6

6 Und ist heut früh mit ihm begraben worden. (Pause.) Ein Mann war unser Vater, wir sind Knaben. Wie solln wir Männer werden ohne Krieg. Ein Popanz Ausgestopft mit Sägemehl Ist doch kein Feind Ein Schwert! Aus Holz geleimt / Kein Schwert! Solln wir krepiern an Langeweile?! Nichts ist so langweilig wie Krieg. Kein Feind So unerbittlich wie die Langeweile Erzähl uns,, von der letzten Schlacht Erzähl uns,, von der Schlacht Ein Schlachten. Doch gabs der deutschen Recken Edelmut. Schimmernde Wehr! Und Schwerter, blankgezogen Die sich im Feindblut färbten, rostigrot! Wenn Stahl ist, was ihr in der Hose habt Und Blut ihr sehn wollt, sucht euch eine Jungfrau Und tragt ihr Tuch als Fahne vor euch her! Der Friede hat ihn weich gemacht und bitter. So bitter, Knaben, diese Wahrheit ist Die Kriege eurer Jugend sind geschlagen. 7

7 / Tot ist der letzte König, der ein Mann war. Sollen wir anstatt Söhne unsrer Väter Die Brüder unsrer Schwester sein? Unten am Fluß badet sie in der Menge Macht mit den Fremden sich gemein am Fluß Stets ging sie ihren eignen Weg, die Schwester. Wo Tiere auf zwei Beinen gehn am Fluß Am Tag, da Vater wir zu Grabe tragen. Es sind die Träume. Sie braucht einen Mann. Ein Machtwort wird zu sprechen sein vom König. (Alle bedrängen.) Ein Machtwort! Macht, was sie will! Drauf mein Wort! Dritte Szene Auftritt. Schweigen. Du stinkst nach Knoblauch, Schwester! Gut ist Knoblauch (Zu.) Gegen Gespenster! Spricht man über mich? Haben den Eindruck, daß dir Vaters Tod Nicht wirklich naheging. Ist Vaters Tod Für dich ein Grund zum Feiern? 8

8 Grund genug Wär König s erster Tag als König! Die ersten Stunden einer neuen Zeit. Ein Mann war unser Vater. Er ist kein Mann. Was den Mann angeht, den ihr Vater nennt, Käm mir ein Pflock, ihm durch das Herz geschlagen Grad recht, um auszuschließen, daß er spukt Untot in unsern Köpfen. Nicht sehr christlich: Knoblauch. Gespenster. Mönch Brauchte seine Zeit Bis jeder Dämon eine Sau fand,. Untot ins Neue ragt Vergangenheit Mönch Christus der Herr Der dein Herr ist, nicht meiner. Mönch Christus der Herr wies die Dämonen an Statt Menschfleisch Schweinekörper heimzusuchen. Ein Fortschritt, wie ich finde. Nicht für mich. (Zu.) Weiß nicht, wieso du den am Hof noch duldest. Bin ich ein Dämon, der dich heimsucht, ich Ein Alp, der dich bedrückt so haß mich,! Helden sind rar. Fürs Volk ist er ein Held. Der seinen Krieg als Fetzen zähen Fleischs Wieder und wiederkäut, der aus dem Mund Mein Mund trinkt heimlich mit an deiner Quelle Mein Schatten, über deinen Tag gebeugt Stinkt nach dem Blut, das er gesoffen hat 9