Josep Maria Miró i Coromina. Das Archimedische Prinzip ( El Principi d Arquimedes ) Aus dem Katalanischen von Nicola Tuschwitz

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1 Josep Maria Miró i Coromina Das Archimedische Prinzip ( El Principi d Arquimedes ) Aus dem Katalanischen von Nicola Tuschwitz

2 Für Xavier Pujolràs, Pol Vinyes und Roberto Pescador, meine Jungs, ausgezeichnete Freunde und Liebhaber von Magners, Negronis und Patxarán (Jeweils). XXXVI Theaterpreis Born 2011 Inszenierungsprojekt-Preis des Theaterinstituts Barcelona, Der Autor erhielt für das Schreiben dieses Stückes 2011 eine Subvention durch das Institut für Katalanische Sprache (ILC). (c) henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Alle Rechte am Text, auch einzelner Abschnitte, vorbehalten, insbesondere die der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der Buchpublikation und Übersetzung, der Übertragung, Verfilmung oder Aufzeichnung durch Rundfunk, Fernsehen oder andere audiovisuelle Medien. Werknutzungsrechte können vertraglich erworben werden von: henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH Alte Jakobstraße 85/ Berlin Tel.:

3 Die Auftriebskraft eines Körpers in einem Medium ist genauso groß, wie die Gewichtskraft des vom Körper verdrängten Mediums. Archimedes

4 PERSONEN David ORT Umkleideraum eines Schwimmbades. Die Eingangstür, halb offen, gibt den Blick auf einen langen Flur frei. Auf der einen Seite befinden sich große Fenster, die die Schwimmhalle abgrenzen, auf der anderen Seite befinden sich Türen zu Büroräumen und anderen Umkleideräumen. / Deutet auf die unmittelbare Unterbrechung des Sprechers durch einen anderen hin. (...) Deutet auf eine nonverbale Antwort oder Reaktion hin: Ein Seufzen, ein Blick oder eine kleine Geste.

5 1. und räumen gerade Schwimmhilfen in Kisten (Schwimmflügel, Schwimmkissen und Schwimmnudeln aus Schaumstoff, etc.). Bist du dir sicher? Worüber? Über das, was ich dir vorhin vorgeschlagen habe. Lass es uns versuchen. Nur einen Monat. Du die Delfine, und ich die Seepferdchen. Finger weg von den Seepferdchen. Die gehören mir. Pause Ach... Und mit dem Gollum in der Gruppe... Keine Chance. Die zwei jungen Männer lachen. kommt herein. Was ist denn so lustig? Ich wollte gerade zu dir. zu Hatte ich dir nicht gesagt / Ja, schon... Ich war schon auf dem Weg. Was riecht denn hier so? Ich rieche nichts. zeigt auf eine Kiste voller Schwimmhilfen Ich bringe das nur schnell weg. Lass mal. Das macht. Wenigstens das, oder? Dauert doch nicht lange. Ich muss mit dir reden., kannst du das bitte wegbringen? schweigt. Er nimmt ein paar Kisten und verlässt den Raum. versichert sich, dass wirklich draußen ist. Was ist denn? Was ist mit Alex passiert? Was passiert ist? 5

6 Ja. Was ist mit Alex passiert? Nichts. Wie nichts? Ich weiß nicht / Es riecht so nach... Habt ihr etwa geraucht? Nein. Natürlich nicht. Nein? Ich rieche nichts. Ja. Pause Was ist heute Morgen geschehen? Pause. Er hat Angst vor dem Wasser. Das meine ich nicht. Dann weiß ich nicht / Was? Was ist heute Morgen mit Alex passiert? Er hat geweint. Er hat geweint, und dann? Nichts weiter. Er hat gesagt, er hätte Angst.... Was? Das meine ich nicht. Na, wenn du es mir nicht erklärst, dann keine Ahnung. Setz dich lieber hin. 6

7 Warum soll ich mich denn hinsetzen? Ich will nicht sitzen. Warum hast du dich denn so? Ich hab mich überhaupt nicht. Du bist total defensiv... Angespannt. Ich finde, du bist angespannt. Pause Ich hab dir doch schon gesagt: Erkläre es mir, sonst verstehe ich es nicht. Ich habe verdammt noch mal keine Ahnung, worum es hier eigentlich geht. Normalerweise redest du nicht so. Ich bitte dich nur darum, dich deutlicher auszudrücken. Worauf willst du hinaus? Du kommst hier rein mit diesem Gesicht... Mit was für einem Gesicht? So, als wärst du böse. Böse? Nein. Dieses Gesicht, und das erste, was du mich fragst, ist, was mit Alex passiert ist. Ich sag dir, er hat geweint, und du meinst, das wäre es nicht. Was ist es dann? Man hat sich bei mir beschwert. Über mich? Ich habe ihm gesagt, er soll ohne Schwimmgürtel ins Schwimmbecken. Nur das. Dann hat er angefangen zu weinen und gesagt, er habe Angst. Das ist alles. Das ist alles? Pause. Am Montag habe ich den Kindern gesagt, dass wir diese Woche die Schwimmgürtel ablegen würden, aber nur wenige haben sich getraut, sie gleich abzunehmen. Ist ja auch in Ordnung. Ich habe gesagt, dass wir dann während der Woche alle versuchen würden, ohne Gürtel zu schwimmen. Ich wollte, dass sie sich schon mal langsam gedanklich darauf vorbereiten, ohne Schwimmhilfe auszukommen. Am Mittwoch waren es dann schon eine ganze Menge. Ohne weitere Probleme. Wir wollten heute, am Freitag, alle ohne Gürtel ins Wasser gehen. Und Alex / 7

8 Alex war der Einzige, der auch heute nicht ohne seinen Gürtel ins Wasser wollte. Und was hast du gemacht? Lange Pause. Erklärst du es mir? Pause.... Ich arbeite jetzt seit fünf Jahren hier. Was hast du gemacht? Zweifelst du an mir, oder wie? Niemand zweifelt an dir. Scheint aber so. Der Zwerg hat angefangen zu weinen, weil ich ihm den Schwimmgürtel abnehmen wollte. Ich hab mit ihm geredet, ich war einfühlsam. Du weißt, wie ich mit den Jungs umgehe. Ich hab gesagt, er soll keine Angst haben und gut ists. Alle anderen Kinder hatten ihn bereits ab. Punkt. Ich weiß nicht, wo hier das Problem ist. Reg dich nicht so auf. Mann! Diese Situation... Du machst mich ein bisschen nervös.... Pause Beruhige dich. Lass uns ganz vernünftig darüber reden. setzt sich Diese Situation hier ist echt lächerlich. Bist du sicher, dass du mir alles erklärt hast? Es gibt nichts zu erklären. Ehrlich? Ehrlich. Pause. Ich hab dir ja bereits gesagt, man hat sich beschwert. Ehrlich... Ich weiß nicht, wie seine Eltern sich darüber beschweren können. Sie kennen mich und... Ich werde mit ihnen reden. Ich erkläre es ihnen, genau wie ich es dir auch erklärt habe. Sie werden es sicher verstehen. 8

9 Es waren nicht Alex' Eltern, die sich beschwert haben. Pause. Wer dann? Paulas Mutter / Paulas Mutter? Aber, Paula hat den Gürtel schon am Montag abgenommen und war überglücklich. Und auch / Verstehe ich nicht /... Es geht nicht um den Schwimmgürtel. Wenn es nicht darum geht, worum dann? / Der Vater von Arnau / Von welchem Arnau? Arnau Bosch. Der war hier, vor ein paar Minuten. Der Typ war doch noch nie im Schwimmbad. Immer nur Arnaus Mutter. Was hast du gemacht, als Alex angefangen hat zu weinen? Das will ich wissen. kommt rein. Er nimmt noch ein paar Kisten mit. Mir ist kalt, ich hole mir einen Bademantel.... Bin schon weg. Bin gleich zurück. Keine Angst. Oder willst du, dass ich mich auch noch erkälte? geht raus. Du hast uns unterbrochen. Entschuldigung, ich dachte / Nimm die Kisten da mit. Und ich wäre dir dankbar, wenn du uns nicht nochmal unterbrechen würdest! 9

10 Ich dachte, dass / Hast du den Erste-Hilfe-Koffer schon kontrolliert? War gerade dabei / / das zu erledigen. Wie gebe ich Bescheid, hm? Pause Es fehlt Jodtinktur und Alkohol. Ah... Du hast / Ja. Der muss immer kontrolliert werden,. Ein Kind könnte ausrutschen und... Es kann nicht angehen, dass wir nichts zum Desinfizieren haben. Diesen Monat warst du dran, oder nicht? Ja. Also? Ich wollte gerade... Du musst aufmerksamer sein,. Es kann nicht sein, dass ich immer hinter dir her sein muss bei diesen Dingen. Da muss doch nur mal nachgesehen werden, das kann doch nicht so schwer sein. Wird nicht wieder / Habt ihr hier geraucht? Nein.... Ich rieche es doch. Nein. Pause Ich nicht.? kommt wieder rein. Er trägt einen Bademantel. Die bring ich dann schon weg. Wir sind hier fertig. Nein, wir sind hier noch nicht fertig. Los,... verlässt den Raum ohne etwas zu sagen. Du hast gesagt, du hättest hier drinnen nicht geraucht. Hat dir das erzählt? 10

11 Nein. Das hast du gerade. Nur vier Züge. Du weißt, das ist verboten. Ich habe sie nicht mal zu Ende geraucht. Hier / Ich weiß ja. Und als ich dich danach gefragt habe, hast du nein gesagt. Ja. Hier drinnen darf niemand rauchen, weder du noch andere. Ich weiß. Und dann lügst du mich auch noch an. Das stört mich am meisten. Wird nicht wieder vorkommen. Das hoffe ich. Lange Pause. Habe ich dir jemals erzählt, was mein Trainer gemacht hat, als ich klein war? Nein. lacht Ich hatte Angst vor dem Wasser, echt panische Angst. In meinem Dorf gabs jeden Sommer Schwimmkurse. Für mich war der Sommer immer der Horror, weil ich dann ins Schwimmbad musste. Gleich am Anfang wollte ich immer gleich die Flucht ergreifen und bin weggelaufen. Mein Lehrer, Ares / Ares? Wie der Gott des Krieges... Das war sein Nachname. Aber im Dorf nannten ihn alle Ares, so, als wäre es sein Vorname. Also, Ares ist mir wie ein Irrer hinterhergelaufen, hat mich gepackt, und ist mit mir im Arm ins Wasser gesprungen. So sollte ich die Angst verlieren... Pause Und weißt du, was das gebracht hat? Ich hatte nur noch mehr Angst. Morgens brauchte ich nur an den Kurs zu denken, und schon hab ich das Frühstück wieder ausgespuckt und angefangen zu heulen. Ich habe meine Mutter angefleht, mich nicht zum Schwimmen zu 11

12 schicken. Ich habe sie ganz wahnsinnig damit gemacht. Erst mit 12 habe ich es dann gelernt, da konnten meine Klassenkameraden schon seit Jahren schwimmen. Ein paar Freundinnen meiner Mutter haben es mir schließlich beigebracht. Das waren ältere Frauen, die sich im Sommer immer mittags im Schwimmbad getroffen haben, um ein wenig zu quatschen und ein paar Bahnen zu ziehen. Ziemliche Klatschbasen, aber ansonsten ganz in Ordnung. Siehst du, wer hätte gedacht, dass ausgerechnet ich mal Schwimmlehrer werde. Ich bin nicht sicher, worauf du jetzt hinaus willst. Auf das, worüber wir gesprochen haben. Ein Kindheitstrauma? Nein! Jetzt bin ich diejenige, die nicht weiß, worauf du hinaus willst. Na, auf das, auf was du bei Alex angespielt hast... Pause Ich würde niemals mit Absicht ein Kind erschrecken. Das, auf was ich bei Alex angespielt habe. Das war keine Anspielung. Ich habe gesagt, man hat sich bei mir beschwert. Du kennst mich. Ja? Ja. Pause Was willst du damit andeuten? Nichts. Ich habe ihn nicht ausgeschimpft, nicht angeschnauzt, nichts dergleichen. Du hast ihn umarmt und ihm einen Kuss gegeben. Darüber hat man sich beschwert. 12