Inhalt. Die Erinnerung. Die Soldaten. Die Fotografien. Die Wissenschaft. Anhang. 6 Vorworte JAN GERCHOW, KARL-HEINZ KOHL, PIERRE MONNET
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- Max Kopp
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1 Inhalt 6 Vorworte JAN GERCHOW, KARL-HEINZ KOHL, PIERRE MONNET 10 Zum Konzept der Ausstellung BENEDIKT BURKARD / CÉLINE LEBRET Die Soldaten 14 Die französischen Afrikatruppen im Ersten Weltkrieg ANTOINE CHAMPEAUX / ÉRIC DEROO 24 Kolonialsoldaten in Gefangenschaft und Lager MARGOT KAHLEYSS Die Fotografien 52 Den Feind im Auge PETER STEIGERWALD 58 Afrikanische Kriegsgefangene in der deutschen Propaganda JANÓS RIESZ 72 Das offizielle Bild der afrikanischen Truppen in Frankreich HÉLÈNE GUILLOT Die Wissenschaft 80 Kriegsgefangenenlager als frühes wissenschaftliches Terrain JEAN-LOUIS GEORGET 84 Physische Anthropologie und Völkerkunde KATJA GEISENHAINER 94 Die Gefangenen als Untersuchungsobjekte BRITTA LANGE 102 Leo Frobenius und der Erste Weltkrieg RICHARD KUBA Die Erinnerung 118 Die wiedergefundenen Stimmen der muslimischen Gefangenen SOPHIE BAJART 122 Kolonialsoldaten im Rheinland SANDRA MASS 126 Der französische Ehrenfriedhof in Mainz ANNA-MARIA BRANDSTETTER 128 Das Denkmal für die Helden der Schwarzen Armee in Reims CHEIKH SAKHO 132 Die Gruft, von der niemand weiß JULIE COULOMBEL 134 Senegalesische Kriegsgefangene erzählen JOE LUNN 138 Die staatliche Erinnerung im Senegal IBRAHIMA THIOUB 142 Der letzte Tirailleur, das Dorf und die Medaille ( ) MARTIN MOURRE 146 Ein Kunsthistoriker im Gefangenenlager ADOLPH GOLDSCHMIDT Anhang 152 Zeittafel 154 Landkarte: Die Welt Über die Autoren 158 Leihgeber, Dank, Impressum, Partner und Förderer
2 Die französischen Afrikatruppen im Ersten Weltkrieg Antoine ChAmpeAux / éric Deroo im Jahr 1914 erstreckt sich das französische Kolonialreich über nord-, West- und Zentralafrika, madagaskar, die Komoren, Asien und auch über einige pazifische inseln. Die französischen Kolonien weisen nach Status, Funktionsweise und Verwaltung eine starke heterogenität auf. Algerien als Siedlungskolonie ist ein Sonderfall und besteht aus Departements, die als eine Verlängerung Frankreichs im südlichen mittelmeer gelten. Die institutionen, mit denen Algerien zwischen 1898 und 1900 ausgestattet wird, sollen seine integration verstärken. tunesien und marokko dagegen sind protektorate, die dem Außenministerium unterstehen; Verteidigung und innere Sicherheit obliegen dem Kriegsministerium. Alle anderen territorien des Kolonialreichs unterliegen 1914 dem 1894 gegründeten Kolonialministerium. es werden vier große Generalgouvernements neu geschaffen: ab 1887 Französisch-indochina (Annam, Cochinchina, tongking, Kambodscha und Laos); 1895 Französisch-Westafrika (AoF); 1910 schließlich FranzösischÄquatorialafrika (AeF), madagaskar und die Komoren; die übrigen unterstehen dem Kolonialgouverneur. Dieses Kolonialreich, insbesondere Afrika, lieferte neben rohstoffen und landwirtschaftlichen produkten auch Arbeitskräfte und truppen. Schon bei den militärischen eroberungen der Kolonien haben alle großen Kolonialnationen, insbesondere Frankreich, Deutschland und england, einheimische einheiten aus Berufssoldaten, Wehrpflichtigen und hilfstruppen gebildet. Gründe dafür waren Verluste durch tropische Krankheiten, mangelnde Kenntnisse über das jeweilige Land, unangemessene Ausrüstung und fehlende Freiwillige aus europa. Was Frankreich anbelangt, stellte man im 19. Jahrhundert eine Vielzahl besonderer militärischer Formationen auf: im maghreb die sogenannte Afrikaarmee (Armée d Afrique) und die Kolonialarmee überall sonst.1 Dieser Beitrag konzentriert sich auf die afrikanischen truppen. Von der Geografie zur Ethnografie Das 1845 geglückte experiment, senegalesische truppen zu schaffen, veranlasst den hauptmann der pioniere (und späteren Gouverneur Senegals) Louis Faidherbe, ein Bataillon unter dem na- Gloire à la plus grande France Französische Postkarte (Ausschnitt), 1914 (Sammlung Riesz) Der kleine Krieger (Junger Serer) Französische Postkarte, um 1910 (Sammlung Riesz) men tirailleurs sénégalais zu bilden, das 1857 von Kaiser napoleon iii. amtlich anerkannt wird. Die von den alten handelsniederlassungen ausgehenden militärexpeditionen erobern immer umfänglichere Gebiete, und die tirailleure spielen dabei eine entscheidende rolle. Dem 1884 im Senegal gebildeten 1. tirailleur-regiment folgen eine Vielzahl weiterer. Die rekrutierten Soldaten werden ursprünglich je nach ursprungsregion bezeichnet: Senegal-, hausa-, tschad-, Gabun-, madagaskar-tirailleure usw. einige Jahre über wurde auch die Bezeichnung Kolonialtirailleure verwendet. in der praxis und aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung setzte sich ab 1900 die Bezeichnung Senegaltirailleure durch. Der Begriff tirailleur, der ursprünglich einen außerhalb der geordneten Gefechtsformation schießenden Kämpfer mit größerer Bewegungsfreiheit meinte, fand später unterschiedslos Anwendung auf infanteristen, Kavalleristen, Artilleristen und selbst Fahrer, Sanitäter oder Arbeiter von truppenteilen in der etappe. Sehr rasch jedoch werden die tirailleure von den rekrutierungsoffizieren nicht mehr nach ihrer geografischen herkunft benannt, sondern nach ihrer Zugehörigkeitsethnie: es entwickelt sich eine rangfolge zwischen den tirailleuren, die rassen angehören, die als kriegerischer oder Frankreich wohlgesonnen gelten in der Saharazone etwa die Bambara, mossi, malinke, Susu, Sara oder Banda, und solchen, deren ethnien als weniger kämpferisch eingeschätzt werden, so die der äquatorialen oder tropischen Wälder wie die Gruppe der pahouin. Die seit längerem islamisierten Bevölkerungsgruppen wie die peuhl-toucouleur gelten im Übrigen als wenig zuverlässig.2 im Jahr 1910 schreibt der oberstleutnant mangin in seinem Buch La Force noire: Zweifellos sind diese rassen sehr unter-
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4 18 Die SoLDAten 19 Die FrAnZöSiSChen AFriKAtruppen im ersten WeLtKrieG Vorhergehende Doppelseite: Vorder- und Rückseite einer Landkarte aus: La Dépêche coloniale illustrée, Februar 1917 (Collection Éric Deroo) Staatsbürger oder Eingeborene schiedlich und ihre besonderen Charaktereigenschaften stark ausgeprägt. Die ethnografische Karte Westafrikas zeigt ein regelrechtes mosaik [ ]. Doch die unaufhörlichen Kämpfe haben der schwarzen rasse seit unvordenklichen Zeiten einen kriegerischen Charakter eingeprägt, den sie zwangsläufig über Jahrhunderte bestätigen wird. 3 Diese Kategorisierung in kämpferische rassen spiegelt die in jener Zeit in europa herrschenden, wissenschaftlich verbrämten Bestrebungen wider, eine auf den vom Darwinismus inspirierten theorien der natürlichen Auswahl oder dann, gegen 1900, auf den Forschungen der pariser Anthropologieschule begründete rassenhierarchie zu etablieren. Daneben zeugen sie aber auch vom spezifischen interesse der militärs für die Bevölkerungsgruppen, die sie anwerben und deren organisationsformen und Funktionsweisen sie zu verstehen versuchen. Schließlich sind militärs auch die ersten, die nicht nur Studien veröffentlichen und Fotografien herstellen, sondern die auf die in den Dörfern gesammelten rituellen Gegenstände aufmerksam werden und damit eine besondere, auf das interesse europäischer Sammler ausgerichtete produktion in Gang setzen. 4 Diese Werturteile in Bezug auf die afrikanischen Bevölkerungen verweisen sowohl auf eine französische Besonderheit, eine spezifische, gleichermaßen politische wie philosophische Weltsicht, als auch auf die rolle, die Frankreich darin zu spielen gedenkt. offiziell strebte man eine Assimilation an. Dabei nimmt die Armee in den Kolonien eine zentrale Stellung ein. Sie trägt dazu bei, den rekruten eine reihe von Werten und idealen zu vermitteln, die dem republikanischen universalismus zugrunde liegen: Assimilation, später integration der Bevölkerungen, Ausbildung einer gesellschaftlichen mittelklasse, einer gewissen elite. Diese besondere Auffassung von den Beziehungen zwischen Frankreich und den kolonisierten Bevölkerungen erklärt auch, warum dieses Land als einziges schon im 19. Jahrhundert den einsatz einheimischer einheiten auf den Schlachtfeldern europas vorbereitet und dann auch in die tat umsetzt: 5 im Krim-Krieg ( ) und im Deutsch- Französischen Krieg (1870/71) mit rekruten aus nordafrika und von 1914 an mit tirailleurs sénégalais, indochinesen, madagassen und Komorern. 6 Da dieser text dem einsatz der einheimischen afrikanischen truppen der französischen Armee im ersten Weltkrieg gewidmet ist, bleiben die Senegalesen der sogenannten Vier Gemeinden (Dakar, Gorée, rufisque und Saint-Louis) unberücksichtigt, denn sie waren als französische Staatsbürger in die nichteinheimischen einheiten der Kolonialtruppen eingeglie- Gloire à la plus grande France Französische Postkarte, 1914 (Sammlung Riesz) Tirailleurs aus Indochina an der Front im Nordosten Frankreichs, Postkarte, um 1916/17 (Collection Éric Deroo) dert. Dieses recht hatten sie dank ihres Abgeordneten Blaise Diagne 7 erlangt, dem es gelang, dass 1915 ein entsprechendes Gesetz verabschiedet wurde. 8 Alle anderen Soldaten sind vom Code de l indigénat betroffen. Als indigénat wird die Gesamtheit der regelungen bezeichnet, die auf die indigene Bevölkerung Algeriens und der seit 1833 errungenen Kolonien anwendbar sind. in diesem juristischen regelwerk wurden die eingeborenen als eine Kategorie eingestuft, die unter den französischen Bürgern stand, mit der Folge etwa einer erweiterten Liste von Delikten und schwereren Strafen. Analoge regelungen wurden den Bevölkerungen der Kolonien im subsaharischen Afrika, madagaskar und indochina im Zuge ihres organisatorischen Aufbaus aufgezwungen. Dies hatte Folgen auch für den Status der Soldaten. Bis 1912 werden die einheimischen einheiten aus Afrika auf freiwilliger Basis rekrutiert. Da die Kolonialexpansion immer mehr truppen erforderlich macht, erhöhen die regimenter die Zahl ihrer Bataillone: So umfasst das 1. regiment der algerischen tirailleure bis zu acht Bataillone. Zur Bereitstellung der erforderlichen mannschaftsstärken kommt es zu einberufungen unter Zwang. Den Zwangseinberufenen werden im Gegenzug bestimmte Vorteile eingeräumt: Wahlrecht in den heimatgemeinden, ihnen bislang vorenthaltene Beschäftigungen; die volle Staatsangehörigkeit wird ihnen allerdings weiterhin verwehrt. per Gesetz vom 19. Dezember 1912 sind nur die Algerier, die ihren militärdienst geleistet haben, vom regelwerk des indigenats befreit. Die Truppen des Maghreb nahezu eine halbe million männer aus den französischen Kolonien nehmen an den Kämpfen des ersten Weltkriegs teil; die überwiegende mehrheit von ihnen ist in Afrika rekrutiert worden. Je länger der Krieg andauert, umso stärker wird auf die Kolonialtruppen zurückgegriffen. ein teil der truppen wird zur Aufrechterhaltung der ordnung in den Kolonien oder in den Kämpfen gegen die deutschen Kolonien in Afrika eingesetzt; der andere wird zu Kampfeinsätzen in europa und im mittleren osten geschickt. Am Vorabend des Krieges kommen die in nordafrika stationierten truppen in marokko, wo Aufstände ausbrechen, bereits zum einsatz; daneben obliegt ihnen weiterhin die Aufrechterhaltung der französischen hoheitsgewalt in Algerien. um dem mobilisierungsbefehl vom 1. August 1914 nachzukommen, werden marschregimenter 9 aufgestellt. Sogleich werden drei infanteriedivisionen sowie zwei Brigaden algerischer und marokkanischer Soldaten an die Front geschickt algerische tirailleure gelangen so an die nordöstlichen Grenzen des mutterlands. in der mehrheit Freiwillige, bilden sie die ersten der indigenen bereits unter den Fahnen, einberufene und Freiwillige, die Algerien im Verlauf des ersten Weltkriegs bereitstellt. Schon bald macht der totale Krieg einberufungen erforderlich, in der Folge auch häufig Zwangsrekrutierungen, was insbesondere in Algerien zu revolten führt. Auch tunesien und marokko stellen ihr Kontingent an Kämpfenden zur Verfügung: tunesier und nahezu marokkaner werden an allen Fronten in Frankreich und im orient kämpfen. Die Afrikaarmee bringt ab 1915 auch einen Gutteil der truppen auf, die gegen die türken bei den Dardanellen geschickt, dann innerhalb der orientarmee gegen die Deutschen, österreicher und Bulgaren eingesetzt werden. Das 1917 der Armee des Generals Allenby integrierte französische Sonderkommando palästina-syrien, das auch afrikanische truppen umfasst, nimmt an der einnahme von Damaskus teil, bevor es in den Libanon zurückkehrt. Den in den Dörfern und längs der Strecken zur Front stationierten etappeneinheiten obliegt der transport der Verstärkungstruppen, des proviants, die evakuierung der Kranken und Verwundeten sowohl in Frankreich als auch in der orientarmee. Die etappeneinheiten bestehen aus indigenen und französischen Soldaten, die altersbedingt nicht im Kampf eingesetzt werden können. Sie haben auch bei den weitergehenden Kriegsanstrengungen eine große rolle gespielt, so dienten die tirailleure in pulverfabriken und anderen kriegswichtigen Fabriken, bei der eisenbahn, als Forst- und Landwirtschaftsarbeiter. Am ende des Krieges gehören die einheiten der nordafrikanischen tirailleure zu den am meisten Dekorierten der französischen Armee. ihre Verluste betragen tote unter den Algeriern, unter den tunesiern und unter den marokkanern, nicht zu vergessen die Zehntausende von Schwerverwundeten und invaliden.
5 40 41 Französischer Kolonialsoldat aus dem Nigerbogen (FoA und 8304)
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