Der schnelle Weg z. Leiterplatten-Prototypen: Selbst ätzen, fräs

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1 Der schnelle Weg z Leiterplatten-Prototypen: Selbst ätzen, fräs Von Ernst Krempelsauer Wenn eine Schaltungsentwicklung bis zur fertigen Platinen-Datei gediehen ist, braucht man meist relativ kurzfristig eine Leiterplatte für den Bau und Test eines Labormusters oder Einzelstücks. Wir gehen hier der Frage nach, wofür sich die verschiedenen Möglichkeiten eignen und welche Vor- und Nachteile es bei der Entscheidung zu berücksichtigen gilt. Wer bereits über eine chemische oder mechanische Prototypenfertigung im Haus verfügt, weiß aus eigener Erfahrung, was er daran hat und vielleicht auch, was er nicht hat. So oder so gibt es Gründe, die bisherige Verfahrensweise zu überdenken. Bei der Vorbereitung dieses Beitrags haben wir die Erfahrungen des ELEKTOR-Labors ausgewertet und uns bei Anwendern und Anbietern umgehört. Geheimhaltung, wie sie bei der militärischen und zuweilen auch bei der zivilen Produktentwicklung gefordert wird. Der häufigste Grund ist aber der Zeitfaktor. Wenn es nach zwei oder drei Vorserien noch Probleme gibt, wird die Zeit schnell knapp - und je kürzer die geforderten Lieferzeiten, desto teurer wird es auch bei den externen Platinenherstellern. Grundsätzliches Am Anfang aller Überlegungen steht die Frage, ob man überhaupt eine eigene Prototypenfertigung braucht oder nicht. Der einfachste Weg ist heute mit Sicherheit die Außer-Haus-Lösung, also die Fertigung bei einem der zahlreichen Leiterplatten-Serviceanbieter. Bewährte Technologien und ein funktionierender Wettbewerb sorgen dafür, dass es in der Regel mit Qualität und Lieferzuverlässigkeit wenig Probleme gibt und das auf einem akzeptablen Preisniveau. Es muss also besondere Gründe geben, um Platinen in Kleinstückzahlen selbst zu fertigen. Ein klarer Fall ist die Isolationsfräsen ist teuer, langsam und technisch rückständig - Dietmar Bungard (Bungard Elektronik GmbH & Co.KG) Weitere Gründe für das Selbermachen können edukative Aspekte im Bereich Ausbildung sein oder auch einfach die Freude am Selbermachen und der Ehrgeiz, mit eigenen Mitteln ein perfektes Ergebnis zu erzielen. Letzteres spielt natürlich im professionellen Bereich keine so große Rolle, auch wenn sich schon so mancher Unterneh- 22 elektor - 5/2006

2 ur Platine en oder Schnellservice? sen) kommt natürlich ohne Chemie aus. Dem steht eine Reihe von weniger positiven Punkten gegenüber, die wohl für die relativ geringe Verbreitung der Fräsmethode mit verantwortlich sind. Das beginnt bei den Anschaffungskosten. Die günstigste Maschine für den eher privaten Gebrauch kommt auf etwa 750, und beim Marktführer für den Industriebereich (LPKF aus Hannover) liegt das Einstiegsmodell schon bei einem Basispreis von rund Auch die Kosten für die Fräser sind mit acht bis 14 pro Stück nicht zu unterschätzen. Bungard gibt zum Beispiel für seine Gravurstichel eine Standzeit von etwa 25 m Fräsweg an, was etwa einer dicht belegten Europakarte entsprechen soll. Für die Fräsdauer einer solchen aufwendigen Platine werden etwa 20 Minuten pro Plattenseite angegeben. Eventuell kommt dazu auch noch Zeitaufwand für eine Anpassung der Layoutdaten. Allerdings achten die Anbieter bei ihren Maschinen meist darauf, dass mit den Daten von gängigen Layout-Programmen ohne großen Zusatzaufwand gefräst werden kann. Layoutprogramme wie zum Beispiel TARGET 3001! enthalten bereits gerätespezifische Frästools, und TARGET unterstützt ebenso wie EAGLE auch die Ausgabe der Konturen und Bohrdaten im Standard-Plotterformat HPGL. Für die schnelle Fertigung von Prototypen oder kleine Serien ist das chemiefreie Strukturieren mit dem Fräsbohrplotter ideal Kian Kazemzadeh (LPKF Laser & Electronics AG) Ein kontroverses Thema ist die Feinstaubbelastung, die natürlich nicht nur das Isolationsfräsen betrifft. Die Einhaltung der neuesten Grenzwerte (TRGS 900 der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin) ist möglicherweise problematisch. mer mit einem übermäßigen Hang zur Perfektion und Unabhängigkeit ruiniert haben soll Wenn aus einem der genannten Gründe eine eigene Prototypen-Fertigung angestrebt wird, bleibt die Wahl zwischen Ätzen und Fräsen. Am wenigsten verbreitet dürfte (nicht nur unter ELEKTOR-Lesern) das Fräsen von Leiterplatten sein. Die Resonanz auf die Veröffentlichung von Produktneuheiten in diesem Bereich zeigt aber, dass zumindest an Informationen über diese Methode ein größeres Interesse besteht. Auch bei Vorführungen von Leiterplattenfräsern auf Messen findet man diesen Eindruck bestätigt. Grund genug, mit diesem Thema zu beginnen. Spanabhebend Beginnen wir mit ein paar Fakten. Ein Vorteil beim Fräsen ist sicher die schnelle Verfügbarkeit und die Tatsache, dass mit der Maschine auch gebohrt werden kann, außerdem ist ein Bohr-Fräsgerät eventuell auch noch anderweitig verwendbar. Die rein mechanische Strukturgestaltung des Platinenlayouts (das so genannte Isolierfrä- Prinzipbedingt weicht ein in Frästechnik gefertigter Prototyp von der in Ätztechnik gefertigten Serienplatine ab. Das kann bei Hochfrequenzanwendungen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, weil die Fräskanten von den Flanken geätzter Strukturen abweichen. Jedenfalls muss man sich der Unterschiede bewusst sein, ebenso der gegenüber konventionellen Platinen schlechteren Lötbarkeit. Ebenfalls prinzipbedingt erfordert das Fräsen doppelseitiger Platinen zwei Arbeitsgänge, also die doppelte Fräszeit und vor allem eine stabile Spannvorrichtung und ein präzises Ausrichten nach dem Wenden. Durchkontaktierungen müssen in einem separaten Arbeitsgang nach dem Fräsen geschaffen werden. Bekannt ist die mechanische Methode durch Einsetzen von kleinen Hohlnieten und die chemische (galvanische) Nachbearbeitung. LPKF bietet auch eine halbchemische Methode an, bei der über eine Lochmaske eine leitfähige Paste aufgebracht und durch Auflegen der Leiterplatte auf einen Vakuumtisch in die Löcher gesaugt wird. Beim Aushärten der Paste im Heißluftofen bilden sich die Durchkontaktierungen durch eine leitende Schicht an den Lochwänden. LPKF bietet auch komplette Systeme zur Herstellung von mehrlagigen Platinen in Frästechnik an. 5/ elektor 23

3 Klein und groß Bild 1. Eine umgebaute Proxxon MF70 ist mit 750 die billigste CNC-Maschine zum Platinenfräsen. (Bild: Usovo) Der günstigsten Einsteig stellt die Fräsmaschine Proxxon MF70 CNC XXL (Bild 1) von Usovo dar, bei der es sich um eine umgebaute Proxxon MF70 handelt. Wer schon eine MF70 hat, kann auch einen Umbausatz bekommen. Im Gegensatz zu den fürs Platinenfräsen gebräuchlicheren Portalanlagen hat man es hier mit einer Kreuztisch-Fräsmaschine zu tun, bei der sich das Werkstück unter dem feststehenden Fräser bewegt. Der Verfahrweg von 162 mm (X-Achse) x 84 mm (Y-Achse) lässt nur das Fräsen von halben Europakarten zu. Für das volle Eurokarten-Format benötigt man die Version MF70 CNC Euro (Aufpreis 150 ). Der Verfahrweg der Z-Achse beträgt 88 mm, was erklärt, dass die Maschine vielfach von Modellbauern verwendet wird. Das gelegentliche Platinenfräsen kann als möglicher Zusatznutzen angesehen werden. Peter Urban von Usovo hält das Fräsen von doppelseitigen Leiterplatten auf dieser Maschine auch für ziemlich anspruchsvoll, betont aber die hohe Stabilität im Vergleich zu Portalanlagen einfacher Bauart, die ein gute Genauigkeit ermögliche. Die Fräsdauer für eine aufwendige einseitige Eurokarte beziffert er auf etwa eine Stunde. Bei den Portalanlagen - etwa von Dr. Gert Müller (Stepwalk) oder von Haase - liegen die günstigsten Basispreise bei etwa 2.000, je nach Ausstattung (z.b. Antriebsmotor) und Modell geht es schnell nach oben. Mit den teureren Schnellfrequenzspindeln (bis min -1 ) ist die Selbst ätzen scheint mir in der heutigen Zeit etwas zu sein, womit man Laien erklären könnte, wie die Leiterplattenherstellung im Prinzip funktioniert Dirk Stans (Eurocircuits) Fräsgeschwindigkeit deutlich höher als bei langsameren 230-V- oder DC-Motoren. Auch diese Fräsmaschinen sind für vielfältige Anwendungen ausgelegt, zu denen auch das Isolierfräsen zählt. Bild 2. Die Preisliste für das Einstiegsmodell von LPKF beginnt bei etwa Im Gegensatz dazu sind die Maschinen von LPKF speziell für das Leiterplatten-Prototyping konzipiert. Bild 2 zeigt das schon erwähnte Basismodell ProtoMat S42, für das der Hersteller als weitere Anwendungen das Gravieren von Frontplatten und das Fertigen von Feinst-Leiterplatten mit 100-µm-Strukturen angibt. Die Spindel rotiert mit min -1 und ermöglicht eine Fräsgeschwindigkeit von 50 mm/s. Bild 3. Platinenfräser in Aktion. (Bild: Charlyrobot) Traditionell 24 Das Ätzen von Leiterplatten ist in der Großserie durch nichts zu ersetzen und auch für das Entwicklungs-Labor mit eigenem Fertigungsbedarf in vielen Fällen die erste Wahl. Die Einstiegskosten sind vergleichsweise niedrig, und für alle Fertigungsgänge wie Lötstoppmaske, Bestückungsaufdruck und Multilayer gibt es dank des größeren Markts bewährte Angebote von verschiedenen Lieferanten. Der Unterschied zwischen Prototyp und Serie ist systembedingt geringer als beim Fräsen, und die Chemikalienentsorgung ist klar geregelt und relativ einfach umzusetzen. Wie beim Fräsen lohnt sich die Anschaffung auch nur bei regelmäßielektor - 5/2006

4 gerem Bedarf (oder wenn die externe Vergabe generell ausscheidet). Gegenüber dem Fräsen ist der Platzbedarf und der logistische Aufwand etwas größer, und wenn es sauber bleiben soll, braucht man eine zeitgemäße Ausrüstung und etwas Disziplin. Über den Zeitaufwand kann man sich streiten. Bei gutem Equipment und einem eingespielten Ablauf sollte es möglich sein, den Fräser zu überholen zumindest bei Eurokarten ab zwei Lagen. Auch für die speziellen Bedürfnisse von Schulen und privaten Anwendern gibt es kostengünstige Angebote, die es ermöglichen, mit vertretbarem Aufwand zu guten Ergebnissen zu kommen. Es gilt die alte Regel, dass sich gutes Werkzeug immer bezahlt macht und der Ärger über schlechte Qualität bleibt, wenn die Freude über den niedrigen Preis schon lange vergessen ist! Bild 4. Typische einlagige Platine in Frästechnik (Bild: Charlyrobot) Schnell und Service Lieferzeit und Serviceumfang sind die beiden Faktoren, durch die sich die Angebote und Preise der Leiterplatten- Prototypenhersteller am meisten unterscheiden. Wer schnellste Lieferung und umfassenden Service fordert, der muss auch den entsprechenden Preis bezahlen und sich möglicherweise mit wenigen Anbietern begnügen. Wer hingegen Zeit hat und mit einer Website als Ansprechpartner zufrieden ist, der kann von günstigen Die Selbstherstellung von Leiterplatten im Kleinlaborumfeld ist besonders gut geeignet, wenn man schnelle Entwicklungszyklen braucht Jochen Lutz (Radix GmbH) Bild 5. Etwas aufwendiger ist diese gefräste Leiterplatte. Preisen profitieren, ohne auf Qualität verzichten zu müssen. Die Bandbreite der Lieferzeiten liegt zwischen minimal vier Stunden (Superblitz-Service von Contag) und drei Wochen (Privatkundenservice Plot&Go von ThePCBShop). Durch die Einführung des Pool-Modells zur Verringerung der Einrichtkosten (Zusammenfassen von Einzelaufträgen zu großen Nutzen) und des Online-Modells zur Verringerung der Auftrags-Bearbeitungskosten konnten die Preise für Einzelstücke drastisch gesenkt werden. Dadurch ist das Bestellen bei einem der bekannten Anbieter wie Beta- Layout/PCB-Pool oder ThePCBShop/Eurocircuits zum Normalfall geworden und die Eigenfertigung eher die Ausnahme. Natürlich gibt es Unterschiede im Preis/Leistungsverhältnis, die bei speziellen Anforderungen technischer oder terminlicher Art auch schon mal größer ausfallen können. Für den Kunden ist neben der Zuverlässigkeit und der Qualität des Lieferanten natürlich auch der eigene Zeitaufwand für die Bestellabwicklung wichtig. Hier setzen Kooperationen zwischen Platinenherstellern und Layoutprogramm-Anbietern an, die es dann zum Beispiel ermöglichen, aus dem Layout-Programm heraus die Platine online zu bestellen. Auf den Webseiten von Layout-Programmen wie EAGLE, TARGET und Abacom/Sprint-Layout findet man auch Übersichten mit Links zu Platinenherstellern. Ergänzend zu diesem Artikel bieten wir auch auf Bild 6. Platine mit gefrästen 100-µm-Strukturen. Bild 7. Ein Bestückungsaufdruck (Positionsdruck) ist auch bei eigenen Musterplatinen kein Problem. (Bild: Bungard) 5/ elektor 25

5 eine aktuelle Übersicht mit Links zu Anbietern im Bereich Leiterplatten, Fräsen und Ätzen. Fazit Die Leiterplatten-Schnelldienste sind heutzutage gut und preiswert und damit in den meisten Fällen die erste Wahl. Dennoch kommt man in vielen Fällen nicht ohne eine (zusätzliche) eigene Fertigung aus oder möchte (noch) nicht ganz darauf verzichten. Das ist auch der aktuelle Stand im ELEKTOR- Labor: Wurden noch in den 90er-Jahren praktisch alle Musterplatinen inklusive doppelseitig und Bestückungsaufdruck selbst gefertigt, ist heute die Online- Bestellung beim Leiterplatten-Dienstleister die Regel. Wie es sich für eine Zeitschrift mit mehreren Ausgaben in Europa gehört, haben wir einen Lieferanten in Deutschland und einen in Benelux, wobei diese Unternehmen inzwischen auch schon mehrere Standorte inner- und außerhalb Europas haben. Die eigene Ätzanlage dient als Backup für Einseitig SMD ist das Optimum zum selber Ätzen. Schnellservice ist der einzig vernünftige Weg bei doppelseitigen Prototypen Kurt Harders (ELEKTOR-Leser) Auf der Website Die Info-Seite zu diesem Artikel finden Sie bei unter: Zeitschrift > 2006 > Der schnelle Weg zur Platine Dort haben wir für Sie noch zusammengestellt: - Übersicht Leiterplattenhersteller - Übersicht Fräsmaschinenhersteller - Links auf andere Verzeichnisse - Links auf Beiträge zum Ätzen und Fräsen - Einen Beitrag von Jochen Lutz mit vielen praktischen Tipps fürs Heimlabor (und ein bisschen Eigenwerbung) - Einen Beitrag von Claudio Hediger für die Heimwerker Und sobald es Feedback zu diesem Artikel gibt, werden Sie es dort auch finden (Termin-)Problemfälle und als schnelle und kostengünstige Lösung für einseitige Platinen, was auch die Freizeitelektroniker unter den ELEKTOR-Mitarbeitern zu schätzen wissen Das Fräsen von Platinen ist ein Sonderfall für spezielle Umfelder. Da sind zum einen Anwender wie zum Beispiel Modellbauer, die eine ohnehin vorhandene Fräsmaschine bei Bedarf auch für die Platinenfertigung nutzen. Von einem anderen Anwenderkreis berichtet Markus Friedrich vom Ing.-Büro Friedrich (Anbieter von TARGET): Nach unserer Erfahrung sind es hauptsächlich Schulen und Universitäten, die im Unterricht das Layouten mit einem CAD-System und gleichzeitig das Bedienen eines CNC-Fräsautomaten lehren. Für industrielle Anwender bietet LPKF als einziger Anbieter ein Gesamtkonzept für die Fertigung von Leiterplatten mit speziellen Anforderungen in Frästechnik, das aber mit vergleichsweise hohen Investitionen verbunden ist e Zu diesem Artikel haben mit Informationen und Stellungnahmen beigetragen: Dietmar und Jürgen Bungard (Bungard Elektronik GmbH & Co.KG) Markus Friedrich (Ing.-Büro Friedrich) René Drescher (Contag GmbH) Kurt Harders Claudio Hediger Kian Kazemzadeh (LPKF Laser & Electronics AG) Burkhard Lewetz (Ing.Büro für technische Software-Entwicklungen) Jochen Lutz (Radix GmbH) Dirk Stans (Eurocircuits Bvba) Peter Urban (Usovo) Literatur: Michael Möge: Leiterbahnen & Co. - Tipps zur Platinenherstellung, ELEKTOR 9/2002, S. 36 Ätzen und Umwelt, ELEKTOR 5/1999, S. 70 und 6/1999, S. 74 Professionelle Platinenherstellung, ELEKTOR 11/1994, S. 66 Links: (TARGET) (Proxxon MF70 CNC XXL) (LPKF ProtoMat S42) (Bungard Elektronik) (EAGLE) (Datentechnik Dr.Gert Müller GmbH) (Haase) (Charlyrobot SA) (Radix GmbH) (Contag) (Beta Layout/ PCB-POOL) (Eurocircuits/ThePCBShop) (Abacom/Sprint-Layout) 26 elektor - 5/2006