Roč. Abb. 1: Landkarte Istriens mit Markierung für Roč

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1 Roč Die Kleinstadt Roč liegt im Nordosten der Halbinsel Istrien auf kroatischem Staatsgebiet, knapp südlich der Grenze zu Slowenien. Das Städtchen hat nur rund 180 Einwohner 1. Abb. 1: Landkarte Istriens mit Markierung für Roč Glagolitische Schrift Die Brüder Konstantin und Method wurden im Jahr 862 n. Chr. vom byzantinischen Kaiser Michael als Boten zum mährischen Fürsten Ratislav gesandt, der Michael um gebildete Theologen gebeten hatte, die die christliche Lehre im slawischen Mähren verfestigen sollten 2. Die Wahl des Kaisers fiel auf die beiden Brüder, weil sie sich bereits früher durch Vertrauenswürdigkeit und diplomatisches Geschick ausgezeichnet hatten und weil sie aus Thessaloniki stammten, einer Stadt, deren Umgebung Mitte des 9. Jahrhunderts fast zur Gänze slawisch war 3. Die slawische Sprache war den Brüdern deshalb vertraut. Damals waren die Unterschiede zwischen den verschiedenen slawischen Sprachen geringer als heute, sodass Konstantin und Method sich in dem makedonischen Dialekt, den sie ihrer slawischen Standardsprache zu Grunde legten, problemlos mit den Slawen in Mähren und Pannonien verständigen konnten. Konstantin stellte dem Kaiser die Bedingung, dass er den Slawen das Evangelium unbedingt in ihrer eigenen Sprache näher bringen wollte. Dies hätte als häretisch gelten können, daher sicherte sich Konstantin beim Kaiser ab Internet 4: Wikipedia, Roč, F. GRIVEC, Konstantin und Method, Lehrer der Slaven, Wiesbaden 1960, S. 54. GRIVEC, S. 18. GRIVEC, S

2 Da die Slawen keine eigene Schrift besaßen, war es bis dahin vor allem im von Byzanz stark beeinflussten Bulgarien üblich gewesen, slawische Texte mit griechischen Buchstaben zu schreiben 5. Der andersartige Konsonantenbestand zwischen dem Griechischen und dem Slawischen (viel mehr Zischlaute) erlaubte jedoch nur eine unvollkommene Transkription. Für ihre Übersetzung der Bibel ins Slawische entwickelten die Brüder vor ihrer Abreise nach Mähren deshalb eine eigenständige Schrift, die später die glagolitische genannt wurde (kroat. und slowen. glagol, russ. глагол [glagól] "Verb" 6 ). Sie orientierten sich dabei zwar am Grundprinzip der griechischen Schrift (Buchstabenschrift, den einzelnen Zeichen kam darüber hinaus ein spezifischer Zahlwert zu), vermieden aber weitgehend äußere Ähnlichkeiten mit dem griechischen oder lateinischen Alphabet (siehe Abbildung 2). Das phonetisch erstaunlich genau auf das Slawische abgestimmte System deutet darauf hin, dass seiner Entstehung sorgfältige Planung und die Mitarbeit slawischer Muttersprachler zu Grunde lagen. Die Schrift fand mit Konstantin und Method zunächst in Mähren und Pannonien Verbreitung, konnte sich dort aber nicht lange halten, weil diese Gebiete wenige Jahrzehnte später in den Einflussbereich des westlichen Kaisertums deutsch-lateinischer Prägung gerieten 7. Konstantin starb 869 n. Chr. in Rom während einer theologisch-diplomatisch motivierten Reise zum Papst 8. Erst kurz vor seinem Tod nahm er den Mönchsnamen Kyrillos an 9. Method blieb in Mähren und starb dort Wenige Jahre später wurden die Schüler Konstantins und Methods aus Mähren vertrieben, weil die neue Obrigkeit sich mehr an die lateinische Kirche anlehnen wollte. Sie setzten das Missionswerk auf der Balkanhalbinsel fort. Im Osten, in Bulgarien, konnte sich die komplizierte glagolitische Schrift nicht gegen die bereits seit Jahrzehnten eingeübte griechische Schrift durchsetzen. Konstantin Presbyter, ein Schüler von Konstantin und Method, dürfte daher um 893 als Kompromisslösung eine neue Schrift entwickelt haben, die sich ans Griechische anlehnte und nur einzelne Zeichen für typisch slawische Laute aus dem Glagolitischen entnahm 11. Diese Schrift wurde später als kyrillische bezeichnet und hat sich in Serbien, Bulgarien und den weiter östlich gelegenen Ländern Ukraine, Weißrussland und GRIVEC, S Internet 3: Pons.eu, Suchbegriff glagol (slowenisch), глагол (russisch), ; Internet 1: Dict.cc, Deutsch-Kroatisch, Suchbegriff glagol (kroatisch), GRIVEC, S GRIVEC, S. 83. GRIVEC, S. 82. GRIVEC, S GRIVEC, S

3 Russland durchgesetzt, während die nordwestlichen Slawen die lateinische Schrift annahmen (Tschechien, Slowakei, Polen, Slowenien). Im Westen der Balkanhalbinsel insbesondere in Kroatien, und dort wiederum besonders stark in Istrien lebte die glagolitische Schrift noch über Jahrhunderte weiter. Ein Zentrum der Glagoliza in Kroatien war über Jahrhunderte hinweg Roč, dort gab es um 1500 auch eine Buchdruckerei, die Bücher in dieser Schrift herstellte. In einigen Gebieten Istriens war das Glagolitische sogar bis Ende des 19. Jahrhunderts in Gebrauch, bevor es auch dort von der lateinischen Schrift verdrängt wurde. Entlang der 7 km langen Straße zwischen Roč und der Nachbarstadt Hum sind vor einigen Jahren zahlreiche Steine mit glagolitischen Inschriften aufgestellt worden ("glagolitische Allee"). Das Wirtshaus im Zentrum von Roč führt seine Bezeichnung in lateinischer und glagolitischer Schrift (Abbildung 3). Abb. 2: Glagolitische Alphabete in runder (links) und eckiger (rechts) Ausprägung Abb. 3: Eingangsschild des Wirtshauses in Roč. Neben der lateinischen Schrift ist eine genaue Transkription ins Glagolitische angegeben. 3

4 Kirchen Neben der Pfarrkirche, die dem Hl. Bartholomäus geweiht ist (14. Jh.), gibt es eine kleinere Kirche für den Hl. Antonius (11. Jh.), in der sich ein mittelalterlicher glagolitischer Abecedarius befindet. Ein Abecedarius ist üblicherweise ein Gedicht, dessen Verse der Reihe nach mit den Buchstaben des Alphabets beginnen. In diesem Fall handelt es sich jedoch lediglich um eine ungelenke Graffiti-Zeichnung sämtlicher Buchstaben in alphabetischer Reihenfolge, die nur unvollständig lesbar ist (Abbildung 4). Römersteine Abb. 4: Glagolitischer Abecedarius (Graffiti) in der Antoniuskirche von Roč aus dem 12. bis 15. Jh. Am Nordtor durch die vollständig erhaltene mittelalterliche Stadtmauer befindet sich eine kleine Sammlung römischer Grabsteine. Die von anderen Stationen unserer Exkursion bereits bekannte Symbolik eines in sich verwundenen Fischschwanzes wird auch hier aufgegriffen (Abb. 5). Die Abb. 5: Römische Grabsteine am Nordtor von Roč Abkürzung H. S. S., die auf einem dieser Steine begegnet, steht für hic siti sunt ( liegen hier begraben, Abb. 6). 4

5 Literatur: Abb. 6: Grabstein mit Inschrift: Abkürzung H. S. S. = Hic Siti Sunt, am Nordtor von Roč. B. FUČIĆ, Glagoljski natpisi, Jugoslavenska akademija znanosti i umjetnosti, Zagreb F. GRIVEC, Konstantin und Method, Lehrer der Slaven, Wiesbaden D. ŽUBRINIĆ, Hrvatska glagoljitsa, biti pismen biti svoj, Zagreb Internetquellen: Internet 1: Dict.cc, Deutsch-Kroatisch, Internet 2: Google Maps, Internet 3: Pons.eu, Internet 4: Wikipedia, Roč, Abbildungsnachweis: Abb. 1: Suchbegriff "Roč, Buzet, Croatia" ( ) Abb. 2: Abbildung aus Žubrinić, S. 88 f. Abb. 3: Eigenes Foto Abb. 4: Abbildung und Transkription aus Fučić, S. 304 Robert Knapp Alexander Rehrl 5