Bauten im Nachbarrecht
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- Chantal Sternberg
- vor 7 Jahren
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1 Bauten im Nachbarrecht Fassung 3.11 Reproduktion nur mit schriftlicher Zustimmung gestattet! 1. Inhalt Fragestellungen zum Nachbarrecht können meist in drei Bereiche aufgeteilt werden: Pflanzen, Immissionen im eigentlichen Sinn (wie z. Bsp. Lärm) und Bauten. In diesem Merkblatt geht es um die letztgenannte Kategorie, wobei besonders auch Grenzvorrichtungen eine grosse praktische Rolle spielen.* 1 Natürlich geht es auch bei Bauten und Anlagen letztlich um Immissionen wie z. Bsp. Schattenwurf, Lärm durch die damit verbundene Nutzung, usw. Nicht alle möglichen Fragestellungen können im Rahmen dieses Merkblattes behandelt werden. Es beschränkt sich auf die in der Praxis häufigsten Probleme. 2. Zwei Rechtsgebiete massgeblich In den letzten Jahrzehnten hat sich, gestützt auf die Rahmengesetzgebung des Bundes (Raumplanungsgesetz v , nachfolgend RPG), eine Fülle von Bau- und Umweltvorschriften sog. öffentlich-rechtlicher Natur entwickelt. Solche Vorschriften zeichnen sich dadurch aus, dass die zuständige Behörde von Amtes wegen für deren Einhaltung sorgen muss. Anders ist es beim sog. Zivilrecht, wo der Grundsatz gilt: Wo kein Kläger, da kein Richter. Beim Thema Bauten im Nachbarrecht sind sowohl die öffentlich-rechtlichen wie auch die zivilrechtlichen Vorschriften zu beachten. Es liegt auf der Hand, dass ein sich beeinträchtigt fühlender Nachbar zunächst versuchen wird, eine z. Bsp. störende Baute über die öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften zu kippen : Es genügt, wenn er nötigenfalls die Behörde verständigt; er muss nicht, wie im Zivilrecht, einen Prozess selbst in Gang bringen und das Risiko von evtl. erheblichen Verfahrenskosten auf sich nehmen. Zwar vertritt das Bundesgericht die zu begrüssende Auffassung, dass ein gewisser Einklang unter diesen zwei Rechtsgebieten herrschen sollte. Eine Baute, die den örtlichen (öffentlichen) Vorschriften entspricht, wird daher meist auch zivilrechtlich in Ordnung sein. Allerdings ist dies nicht generell so: Gerade dort, wo auch das Zivilrecht detaillierte Bestimmungen enthält, z. Bsp. betreffend Höhe und Abstand von Grenzvorrichtungen, kann es passieren, dass eine Anlage zwar zivilrechtlich in Ordnung ist, jedoch dennoch eine Baubewilligung erfordert. Beispiel: Im Kanton ZH darf eine Grenzmauer zivilrechtlich 1.5m hoch sein, dennoch ist ab 0.8m Höhe eine Baubewilligung einzuholen. 1 * vgl. zu den Themenkreisen Pflanzen bzw. Immissionen die separaten Merkblätter.
2 Seite 2/5 3. Quellen: Wo finde ich die massgeblichen Vorschriften? Öffentlich-rechtliche Bauvorschriften: Diese finden sich auf den Stufen Bund, Kanton und Gemeinde (vereinzelt auch noch Region). Auf Bundesebene stellt das RPG eine Rahmengesetzgebung dar, welche in der ganzen Schweiz wichtige Grundsätze aufstellt, so z. Bsp. die Baubewilligungspflicht als solche in Art. 22. Eine weitere wichtige Quelle sind die kantonalen Baugesetze mit den zugehörigen Verordnungen. Auf Gemeindestufe finden sich, besonders in den Städten, ebenfalls viele wichtige Bestimmungen. Die Gesetze von Bund und Kantonen sind ausnahmslos im Internet aufzufinden (Bund: >>> Systematische Sammlung des Bundesrechts; die kantonalen Portale können via Bund aufgesucht werden oder direkt nach dem Muster usw.; die Vorschriften auf Gemeindeebene können noch nicht landesweit per Internet abgerufen werden. Bauvorschriften bestehen einerseits aus Plänen, andererseits aus Text. Bei den öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften hat die örtliche Baubehörde (Gemeinde) vielfach einen weiten Ermessensspielraum, besonders bei Gestaltungsfragen. Es ist also sinnvoll, sich direkt dort zu erkundigen. Aus dem öffentlichen Recht können sich ferner ganz orts-spezifische Vorschriften ergeben, indem z. Bsp. ein Gartenschopf in einem bestimmten Bereich des Grundstückes aufgrund einer Baulinie nicht erstellt werden darf, an einer anderen Stelle des Grundstücks jedoch schon. Zivilrechtliche (privatrechtliche) Vorschriften Wichtige Grundsätze und Spezialfälle sind auf Bundesebene im Zivilgesetzbuch (ZGB) geregelt. Bei den Grenzvorrichtungen belässt das ZGB den Kantonen jedoch einen grossen Spielraum zur regionaltypischen Regelung. Die entsprechenden Vorschriften finden sich meist in den kantonalen Einführungsgesetzen zum ZGB (EG ZGB; Kt. TG: Flurgesetz). Auf der Homepage >>> Beratung >>> Nachbarrecht findet sich eine Linkliste zu diesen kantonalen Gesetzen (jeweiliges Kantonswappen anklicken). Vereinbarungen, Dienstbarkeiten, Reglemente, spezielle Vorschriften usw. Bei Fragestellungen zu Bauten und Anlagen im Nachbarrecht ist zu prüfen, ob eventuell besondere Vereinbarungen wie z. Bsp. Dienstbarkeiten /Näherbaurechte, Reglemente (z. Bsp. bei Überbauungen) oder dergleichen vorhanden sind. In diesem Fall gehen diese der gesetzlichen Regelung fast immer vor. Denkbar sind auch öffentlich-rechtliche Auflagen, welche z. Bsp. im Rahmen der (früheren) Baubewilligung gemacht wurden. Spezielle Regeln gelten im Mit- und Stockwerkeigentum, wo viele bauliche Massnahmen nur auf der Grundlage eines Versammlungsbeschlusses erlaubt sind. Nicht selten findet man auch private Baubeschränkungen und verbote, welche in der Regel in Form von Dienstbarkeiten (Servituten) auftreten. 4. Baubewilligungspflicht Ob eine Baute oder Anlage bewilligungspflichtig ist, ergibt sich grundsätzlich aus dem Bundesrecht. Die Kantone haben in ihren Erlassen meistens konkretisierende Vorschriften (Beispiel: Kleinbaute im Kt. ZH nicht bewilligungspflichtig, wenn überstellte Fläche
3 Seite 3/5 nicht grösser als 2m 2 und Maximalhöhe 1.5m ist). Allgemein kann gesagt werden, dass es auf die Raumwirksamkeit des Vorhabens ankommt. Ob die Baute fest mit dem Boden verbunden (eingemauert) ist, gibt daher keineswegs den Ausschlag. Auch kann nicht nur auf die geometrischen Abmessungen abgestellt werden, sondern es spielt, etwa bei spezielleren Projekten, auch das Erscheinungsbild (Beispiel: Farbgebung) und die funktionale Auswirkung (Beispiel: Autoabstellplatz) eine Rolle. In städtischeren Gebieten sind die Behörden punkto Baubewilligungspflicht meist strenger als auf dem Land. 5. Verfahren, Bauen ohne die nötige Bewilligung Findet ein Baubewilligungsverfahren statt, muss der betroffene Nachbar peinlich darauf achten, keine Fristen zu verpassen. Die Verfahren sind kantonal unterschiedlich; massgeblicher Zeitpunkt ist jeweils die amtliche Ausschreibung des Vorhabens. Teilweise (ZH) muss dann rechtzeitig der baurechtliche Entscheid bestellt werden, sonst verwirkt man sein Rekursrecht und hat nichts mehr zu melden. Man darf also nicht darauf vertrauen, man werde als Nachbar noch von der Behörde persönlich um seine Meinung gefragt! Wurde ohne die erforderliche Bewilligung gebaut, dann ist auch keine Frist gelaufen bzw. verstrichen. Diesfalls muss das Verfahren nachgeholt werden und der Bauherr riskiert zudem eine Busse. Gemäss Bundesgericht sind unbewilligte Bauten erst nach 30 Jahren unantastbar jedoch nur dann, wenn sie nicht sonstwie gefährlich o. dgl. sind. Gegen eine erteilte Baubewilligung stehen, je nach Kanton unterschiedliche, Rechtbehelfe / Rechtsmittel zur Verfügung (Einsprache, Rekurs). Es empfiehlt sich eine Beratung durch spezialisierte Juristen wenn es darum geht, ob dieser Weg beschritten werden soll. Bei manchen Vorhaben ist die schriftliche Zustimmung des Nachbars erforderlich. Hier wird oft der Fehler gemacht, dass leichtfertig irgendein Plan unterzeichnet wird und sich im Nachhinein herausstellt, dass das Projekt doch nicht so harmlos ist, wie zuvor dargestellt. 6. Zivilrechtliche Vorschriften: speziell bei Grenzvorrichtungen wichtig Alle Kantone haben in ihren EG ZGB (vgl. vorn Ziff. 3) Bestimmungen über zulässige Höhen und Abstände erlassen. Anders als bei Pflanzen, finden sich hier fast nie Verjährungsregeln (es gibt auch Ausnahmen, z. Bsp. TG = 1 Jahr). Diskussionen gibt es manchmal beim Messen des massgeblichen Terrains. Einzelne Kantone haben dies explizit geregelt (z. Bsp. BE), bei anderen muss auf die Gerichtspraxis oder die öffentlichrechtlichen Spezialvorschriften zurückgegriffen werden. Mehrheitlich kann dabei vom ursprünglichen / gewachsenen Boden ausgegangen werden verallgemeinern kann man das aber nicht. 7. Sonderfall: Grenzvorrichtung genau auf der Grenze Nach Art. 670 ZGB wird an solchen Grenzvorrichtungen Miteigentum der Nachbarn vermutet. Dementsprechend kommen die gesetzlichen Vorschriften über diese Eigentumsform (Art. 646 ff. ZGB) zur Anwendung. Meistens ist dies von Nachteil, weil z. Bsp. Unterhaltsmassnahmen dann nur bei Einstimmigkeit (zwei Miteigentümer) möglich sind.
4 8. Sonderfall: Einrichtungen etc. bei Wegrechten und anderen Dienstbarkeiten Seite 4/5 Zur Ausübung von Dienstbarkeiten gehören oft auch bauliche Vorrichtungen (z. Bsp. Tore, Wegbeleuchtung, usw.). Fehlt es an einer ausreichend genauen Regelung, gelten die gesetzlichen Vorschriften gemäss Art ZGB. Entsprechende Vorrichtungen sind nach Gesetz vom berechtigten zu unterhalten, wenn sie aber auch dem Belasteten (=Eigentümer) diesen, ebenfalls von ihm. 9. Sonderfall: Überragende Bauten Regelmässig betrifft dies ältere / vorbestehende Situationen. Der Überbau ist in Art. 674 ZGB geregelt. Überragende Bauteile (auch unterirdische) gehören ins Eigentum des Ausgangsgrundstückes. Bei Unklarheiten in solchen Konstellationen ist zu raten, möglichst rasch fachmännische Hilfe einzuholen, da evtl. unerwünschte Rechtsfolgen eintreten können. 10. Was gilt bei Leitungen? Leitungen verbleiben gemäss Art. 676 ZGB mangels anderer Regelung im Eigentum des Werkes, von welchem Sie ausgehen. Bei sichtbaren Leitungen entsteht direkt Kraft Gesetz (ohne Grundbucheintrag) eine Dienstbarkeit zulasten des betroffenen Grundstückes. Im Übrigen stellt das Erschliessungswesen, gestützt auf Art. 19 RPG, eine hoheitliche Aufgabe dar, bei welcher die Gemeinden erhebliche Kompetenzen haben. 11. Haftungsfragen, technische Normen Bauten und Anlagen stellen rechtlich gesehen Werke dar. Ihr Eigentümer ist gemäss Art. 58 OR haftbar für Schäden, die sich aus Fehlern oder mangelhaftem Unterhalt ergeben. Als Grundeigentümer haftet er zudem auch nach Art. 679 ZGB. Für manche Einrichtungen gibt es technische Fachnormen oder Empfehlungen, die bezüglich Haftpflicht klugerweise zu befolgen sind. Beispielsweise gibt es von der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU) Empfehlungen zu Gartenbiotopen oder vom Schweizerischen Ingenieurund Architektenverein (SIA) eine Norm über Geländer (SIA Norm 358). 12. Bautätigkeit auf dem Nachbargrundstück Neben den Fragen rund um die Baubewilligung stellen auch die zwar vorübergehenden, aber nicht selten massiven Beeinträchtigungen durch das Bauen oft ein Problem dar. Grundsätzlich ist bei grösseren, z. Bsp. mit Erschütterungen, Erdbewegungen etc. verbundenen Vorhaben die Dokumentation des vorherigen Zustandes anzuraten. Nötigenfalls kann man auch einen sog. amtlichen Befund (kantonal verschieden) erheben lassen, der bei den Gerichten eine äusserst hohe Glaubwürdigkeit geniesst. Was die Beanspruchung des Nachbargrundstückes durch den Bauherrn angeht, haben die meisten Kantone eigene Regeln, gestützt auf den Vorbehalt in Art. 695 ZGB, erlassen. Manchmal finden sich die Vorschriften im Baugesetz (z. Bsp. 229 f. Planungs- und Baugesetz ZH). Man spricht hier auch vom sog. Hammerschlags- oder Leiterbaurecht. Vereinzelt ist dann auch nicht der eigentliche Zivilrichter, sondern die Baubehörde zuständig (Bsp. ZH). Natürlich darf der Bauherr das Eigentum des Nachbarn grundsätzlich nicht schädigen (Art. 685 ZGB). Allerdings sind manche Beeinträchtigungen beim Bauen unvermeidlich, und praktisch jeder Grundeigentümer baut irgendwann ja einmal. In diesem Umfang
5 Seite 5/5 muss der betroffene Nachbar die Schädigung dulden, hat aber Anspruch auf vollen Ersatz des Schadens. Was Lärm-Immissionen beim Bauen angeht, haben diverse Kantone spezielle Verordnungen, die den Einsatz lauter Baumaschinen zeitlich einschränken. 13. Bei vermieteten Liegenschaften Das Mietrecht schreibt für Veränderungen an der Mietsache zwingend vor, dass eine schriftliche Zustimmung des Vermieters vorliegen muss (Art. 260a OR). Für den betroffenen Nachbar bedeutet dies, dass er, falls das Gespräch mit den bauenden Mietern nichts bringt, sich am besten an den Eigentümer (Vermieter) hält, da dieser falls die schriftliche Zustimmung fehlt relativ leicht Druck auf die bauenden Mieter ausüben kann. Im Verhältnis Vermieter Mieter ist es, falls der Mieter Veränderungen an der Mietsache vornehmen will, sehr wichtig, dass nicht nur eine Blanko-Zustimmung erteilt wird, sondern alle wichtigen Punkte im Voraus schriftlich geregelt werden (z. Bsp. Rückbaupflicht, Entschädigung, Versicherungen, Bewilligungen usw.). Es empfiehlt sich eine fachmännische Beratung. 14. Vorgehen im Streitfall Soweit es um öffentlich-rechtliche Bauvorschriften geht (Baubewilligung usw.), ist die örtliche Baubehörde (evtl. auch der Kanton) zuständig. Der weitere Instanzenzug führt kantonal letztlich zum Verwaltungsgericht, alsdann evtl. zum Bundesgericht. Geht es hingegen um zivilrechtliche Ansprüche (z. Bsp. aus kantonalem EG ZGB), ist in erster Instanz der Friedensrichter (Vermittleramt) zuständig (Sonderfall TG: Flurkommission). Die meisten Kantone sehen in einfachen, klaren Fällen als Alternative auch das summarische Verfahren vor dem Einzelrichter (Stufe Bezirks- bzw. Amtsgericht) vor. So oder so ist zu empfehlen, sich von einem spezialisierten Juristen beraten zu lassen, bevor man die Risiken eines Rechtsmittelverfahrens oder eines Zivilprozesses eingeht. Vor allem sollte man bedenken, dass auch ein gewonnenes Verfahren nur vorbestehende Probleme löst, aber nie ein friedvolles Zusammenleben in der Zukunft garantiert! Weiterführende Fragen & Beratung Das Beratungszentrum HAUS CLUB SCHWEIZ bietet zu allen Fragen rund um den Verkauf einer Liegenschaft Informationen und Dienstleistungen an. Kurze Auskünfte zu diesem Themenkreis sind kostenlos. Mitglieder des HAUS CLUB SCHWEIZ erhalten Schätzungen, die Betreuung von Verkaufsaufträgen, diesbezüg-liche Rechtsberatung usw. zu einem Vorzugstarif. HAUS CLUB SCHWEIZ Beratungszentrum Tel. 043/
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