Bremssysteme für Schienenfahrzeuge sicher, zuverlässig, einzigartig
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- Linus Weber
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1 Bremssysteme für Schienenfahrzeuge sicher, zuverlässig, einzigartig DMG Seminar am IFS der RWTH Aachen, 08. Dezember 2015 Dr.-Ing. Peter Berger
2 Inhalt Anforderungen an die Bremssysteme der Schienenfahrzeuge Historische Entwicklung Besonderheiten im Güterverkehr Besonderheiten im Personenverkehr Zusammenfassung und Entwicklungsfelder 2
3 Anforderungen an die Bremssysteme der Schienenfahrzeuge Die Hauptaufgabe des Bremssystems der Schienenfahrzeuge ist es: Fahrzeuge/Züge verzögern und Energie umwandeln: die Geschwindigkeit des fahrenden Zuges oder Fahrzeuges entsprechend den betrieblichen Gegebenheiten, gegebenenfalls bis zum Stillstand, zu verringern, die Geschwindigkeit des fahrenden Zuges oder Fahrzeuges in einem Gefälle konstant zu halten Fahrzeuge/Züge festhalten: stillstehende (haltende) Züge oder Fahrzeuge zeitlich begrenzt gegenüber unbeabsichtigter Bewegung zu sichern, stillstehende (abgestellte) Züge oder Fahrzeuge zeitlich unbegrenzt gegenüber unbeabsichtigter Bewegung zu sichern. Es wird eine solide Zuverlässigkeit erwartet. 3
4 Anforderungen an die Bremssysteme der Schienenfahrzeuge und weitere wesentliche Anforderungen an das Bremssystem der Schienenfahrzeuge Durchgängigkeit Die Bedienung aller Bremsen im Zug erfolgt von einer zentralen Stelle des Zuges, üblicherweise aus dem besetzten, aktiven Führerraum. Selbsttätigkeit Im Falle einer unbeabsichtigten Zugtrennung legen die Bremsen beider Zugteile an, bringen den Zug zum Stillstand und halten ihn fest, bis die Bremsen durch beabsichtigte Vorgänge gelöst werden. Unerschöpfbarkeit Verfügbarkeit einer ausreichend großen Bremskraft bei Anforderung der Bremsung. 4
5 Anhalteweg Anforderungen an die Bremssysteme der Schienenfahrzeuge Darüber hinaus ergeben sich Anforderungen auch aus dem Betrieb der Fahrzeuge, z.b. aus der Art der Zugsicherung hier Fahren auf Sicht Grundsatz: Es ist jederzeit mit Hindernissen im Fahrweg, insbesondere einem weiterem Fahrzeug (besetztes Gleis, andere Verkehrsteilnehmer bei Fahrten im Straßenverkehrsraum) bzw. einer Anhaltestelle zu rechnen. Der Fahrzeugführer hat die Geschwindigkeit so zu wählen, dass ein rechtzeitiges Anhalten im einsehbaren Abschnitt möglich ist. Straßenbahnen: Fahren auf Sicht ist die am weitesten verbreitete Betriebsart und bedingt damit besondere Anforderungen an das Bremsvermögen dieser Fahrzeuge. Vollbahnfahrzeuge, Hochund U-Bahnen: Fahren auf Sicht ist eine Betriebsart beim Rangieren oder im Falle von Störungen am Signalsystem. Das Bremsvermögen der Fahrzeuge/Züge bestimmt in der Regel die maximal zulässige Geschwindigkeit. 5
6 Anforderungen an die Bremssysteme der Schienenfahrzeuge Darüber hinaus ergeben sich Anforderungen auch aus dem Betrieb der Fahrzeuge, z.b. aus der Art der Zugsicherung hier Fahren im raumabstand Eine Strecke ist in Abschnitte (Blöcke) eingeteilt. Grundsatz: in jedem Blockabschnitt darf sich nur ein Zug/Fahrzeug befinden. Der Fahrzeugführer erhält eine Zustimmung zum Befahren des nächsten Blockabschnittes (z.b. durch ein Hauptsignal). Ein Vorsignal kann die Stellung des nächsten Hauptsignales anzeigen. Vorsignal Hauptsignal Vorsignalabstand: Feste Abstände: z.b , 1.000, 700, 400 m Vorsignalabstand definiert das Bremsvermögen der Fahrzeuge/Züge. Flexible Abstände: z.b. abhängig von max. Geschwindigkeit, Neigung, etc. Vorsignalabstand ergibt sich aus dem üblichen Bremsvermögen der Fahrzeuge/Züge. 6
7 Historische Entwicklung Vorläufer der Eisenbahnen - Pferdekutschen und Pferdebahnen als Massentransportmittel Durch Pferdebahnen (ab Ende des 18. Jh.) Verminderung des Rollwiderstandes, dadurch Zugbildung mit Erhöhung der Massen möglich Verwendete Bremstechnik bei Pferdekutschen und Pferdebahnen: - Handbetätigte Reibungsbremsen (Hebelbremsen und Spindelhandbremsen) - Dynamische Bremsen (Bremskraft der Pferde) - Hemmschuhe Höchstgeschwindigkeit ca. 10 bis 15 km/h Foto: Deutsches Museum 7
8 Historische Entwicklung Bremstechnik der ersten Eisenbahnen abgeleitet von den Pferdekutschen Foto: Deutsches Museum Antriebstechnik (Dampfmaschine) erlaubt Höchstgeschwindigkeiten bis ca. 60 km/h Verwendete Bremstechnik: - Handbetätigte Reibungsbremsen Hebelbremsen und Spindelhandbremsen auf der Lokomotive - Bremskraftmanagement (Durchgängigkeit) im Zug durch Besetzung mehrerer Handbremsen der Wagen mittels Bremsern akustische Bremssignalübertragung Technisch und betrieblich beherrschbare Höchstgeschwindigkeit ca. 20 bis 30 km/h Als durchgehende Bremse in Europa bis zum ersten Viertel des 20. Jh. im Einsatz (Güterverkehr) 8
9 Historische Entwicklung Meilenstein bei der Eisenbahn Einführung der durchgehenden, automatischen (selbsttätigen, indirekt wirkenden) Druckluftbremse Führerbremsventil Hauptluftleitung Bremszylinder Bremsluftvorratsbehälter Druckluftbeschaffung Steuerventil erstes Patent von George Westinghouse um ca. 1870, Grundprinzip auch heute noch vielfältig in weiter entwickelter Form weltweit im Einsatz (Güterzüge, Personenzüge, Hochgeschwindigkeitszüge), Technische Grenzen: - Regelbarkeit und Ansprechzeiten (pneumatische Signalübertragung und erforderliche Reduzierung der Längskräfte im Zug), - Erschöpfbarkeit, vor allem bei der einlösigen Druckluftbremse. 9
10 Historische Entwicklung Weiterentwicklung Einführung der mehrlösigen Druckluftbremse Maßgeblich entwickelt von Georg Knorr (Bauart: Kunze-Knorr Bremse) Erstmalig eingeführt um ca Wesentliche Verbesserung: - Mehrlösigkeit und damit erhebliche Reduzierung der Neigung der selbsttätigen Druckluftbremse zur Erschöpfbarkeit bei relativ häufigem Wechsel zwischen Brems- und Lösevorgängen Anhebung der Höchstgeschwindigkeit der Güterzüge von 30 auf 65 km/h 10
11 Historische Entwicklung Straßenbahnen sind baulich kompakt (kurze Triebwagen, Niederflur, ) und haben kaum Platz für Kompressoren, Führerbremsventile, klassische Druckluftbremszylinder etc. es entstehen spezifische Bremssysteme: - alsbald Einführung der generatorischen Bremse ( Kurzschluß bremse elektro-dynamische Bremse), - Bedienung mit Fahr-/Bremsschalter und ggf. Handbremshebel, - Reibungsbremse, anfangs als Handbremse, - Einführung von Schienenbremsen (in Tiefaufhängung) als Zusatzbremse. Fotos: Thomas Reschke 11
12 Historische Entwicklung Längere Nahverkehrszüge (z.b. Hoch- und Untergrundbahnen) nehmen Anleihe bei der Druckluftbremse zur besseren Regelbarkeit für den Fahrzeugführer kann die Druckluftbremse elektrisch im gesamten Zugverband angesteuert werden (durchgehende, direkt wirkende elektro-pneumatische Bremse), diese werden anfangs häufig ergänzt durch eine einfache, indirekt wirkende Druckluftbremse als sichere (selbsttätige) Rückfallebene. 12
13 Besonderheiten im Güterverkehr Ständige Weiterentwicklung der selbsttätigen Druckluftbremse bei Beibehaltung des Grundprinzips (Hauptluftleitung) Weiterentwicklung der Antriebstechnik führt zu höheren Zugkräften und Antriebsleistungen Bremstechnik der Lokomotiven wird an moderne Fahrzeugleittechnik angepasst (elektronische Steuerungen) Weiterentwicklung der selbsttätigen Druckluftbremse, z.b. Einführung des KNORR KE-Ventilbaukastens: - Erhöhung der Durchschlagsgeschwindigkeit durch Beschleunigungseinrichtungen - Erhöhung der Verfügbarkeit durch reduzierten Wartungsaufwand (verbesserte Ventiltechnik) 13
14 Besonderheiten im Güterverkehr Güterverkehr weltweit die wesentlichen Standards für Bremssysteme AAR-System UIC-System GOST-System AAR-China ARA-System Vakuum-System 14
15 Besonderheiten im Güterverkehr Regionale Besonderheiten in der Bremstechnik der Güterzüge (Beispiele) UIC AAR GOST Kürzere, schnellere Güterzüge bis zu ca. 800 m Zuglänge, viele Gefällestrecken Mehrlösigkeit G/P Umstellung (veränderliches Zeitverhalten) Lange, schwere Güterzüge bis zu mehreren km Zuglänge Einlösigkeit Schnellbremsbeschleuniger Betriebsbremsbeschleuniger Lösebeschleuniger Lange Züge bis m Zuglänge Einlösigkeit Mehrlösigkeit für Gefällestrecken (umstellbar) Betriebsbremsbeschleuniger Lösebeschleuniger 15
16 Besonderheiten im Güterverkehr Weiterentwicklung der Bremstechnik für lange Güterzüge Beginn der Einführung der elektronischen Güterzugbremse ECP für sehr lange Güterzüge (Knorr Bauart EP60) Eigenschaften: - Verkürzte Brems- und Lösezeiten, Mehrlösigkeit, Integration der Lastabbremsung, Diagnosefähigkeit - Reduzierung der Längskräfte (Vermeidung von Zugtrennungen) und Verringerung der erforderlichen Traktionsenergie Erhöhung der Durchschnittsgeschwindigkeit der Züge und damit Steigerung der Streckenkapazität 16
17 Besonderheiten im Personenverkehr Erhöhung der Höchstgeschwindigkeit auf bis zu 160 km/h erfordert neue technische Lösungen in der Bremstechnik Foto: Bundesarchiv Erhöhung der Höchstgeschwindigkeit erfolgt bei weitestgehend unveränderter Infrastruktur, der Bremsweg ist damit bestimmt durch den vorhandenen Vorsignalabstand Einführung neuer Technologien - Magnetschienenbremse für Vollbahnen - Hochleistungsklotzbremse mit geschwindigkeitsabhängiger Umschaltung der Bremskraft - Blockierschutzeinrichtungen (mechanischer Gleitschutz) - Versuche mit Trommelbremsen und Scheibenbremsen zur thermischen Entlastung der Räder 17
18 E kinetisch [MJ] Besonderheiten im Personenverkehr Weiterentwicklung der Schienenfahrzeugtechnik und der Zugsicherungstechnik ermöglichen Geschwindigkeiten von 200 km/h und mehr * Begrenzung des Verschleißes der Reibungsbremse - Berücksichtigung der Wirkung von dynamischen Bremsen in der Bremssteuerung Hohe umzusetzende kinetische Energien - Einführung und Weiterentwicklung der Scheibenbremse Erhöhung des Fahrkomforts - Einführung der elektropneumatischen Zusatzbremse Beherrschung des Kraftschlusses Rad/Schiene beim Bremsen - Entwicklung und Einführung von Gleitschutzeinrichtungen Bremsenergie je Radsatz bei 15 t bzw. 20 t Radsatzlast Geschwindigkeit [km/h] * Foto: Deutsches Museum 18
19 Besonderheiten im Personenverkehr Geschwindigkeitssteigerungen bis zu ca. 350 km/h führen zu einer zunehmenden Einführung von verteilten Antrieben Reduzierter Einbauraum insbesondere bei den in einem zunehmenden Anteil verwendeten angetriebenen Fahrwerken - Bremsscheiben aus Stahlguss und ISOBAR -Bremsbeläge zur Reduzierung der Anzahl der erforderlichen Krafterzeuger trotz höherer umzusetzender Bremsenergien - Entwicklung und Einführung von kompakten Bremszangeneinheiten für Wellen- und Radscheibenbremsen Serienmäßige Einführung der linearen Wirbelstrombremse Zugweites Bremskraftmanagement 19
20 Bremsleistung [MW] Besonderheiten im Personenverkehr Bremsmanagement Beispiel für die Verteilung der Bremsleistung über der Geschwindigkeit beim ICE3 bei einer mittleren Bremsanforderung Scheibenbremse Wirbelstrombremse Elektrodynamische-Bremse Geschwindigkeit [km/h] 20
21 Zusammenfassung und Entwicklungsfelder In Schienenfahrzeugen verwendete Bremssysteme Bremssysteme für Schienenfahrzeuge Kraftschlussabhängig * Kraftschlussunabhängig * Reibungsbremsen Dynamische Bremsen Schienen Bremsen Sonstige Klotzbremse Scheibenbremse Kombinierte Klotz-/Scheibenbremse Trommelbremse Elektrodynamische Bremse Hydrodynamische Bremse Rotierende Wirbelstrombremse Magnetschienenbremse Lineare Wirbelstrombremse Aerodynamische Bremse Fahrwiderstand * Kraftschluss zwischen Rad und Schiene 21
22 Zusammenfassung und Entwicklungsfelder Bauarten der Reibungsbremse bei Schienenfahrzeugen (Prinzip der Ansteuerung, Wirkmedium ) Bremsbauart Handbremse Druckluftbremse Elektro- Hydraulische Bremse Sonstige Direkt Wirkend Indirekt Wirkend Aktiv Passiv Vakuumbremse Seilzugbremse Pneumatisch Elektro- Pneumatisch Pneumatisch Elektro- Pneumatisch Elektromechanische Bremse Aktiv Passiv 22
23 Zusammenfassung und Entwicklungsfelder Heute verwendete Bremssysteme in den verschiedenen Fahrzeugen Indirekte Druckluft- Bremse Direkte EP- Bremse Fahrzeuggattung Elektrohydraul. Bremse Dynam. Bremse Schienenbremse Federspeicherbremse Nahverkehrsfahrzeuge Straßenbahn - - X X X X Stadtbahn - (x) (x) X X X U-Bahn - X - X - x Eisenbahnfahrzeuge (Vollbahnfahrzeuge) Lokbesp. Zug X - - (x) (x) (x) S-Bahn Triebzug (x) X - X (x) X Regionaltriebzug (x) X - X X X HGV-Triebzug X (x) - X (x) X (x) Verwendung ein einigen Fahrzeugen 23
24 Zusammenfassung und Entwicklungsfelder Stand der Entwicklung in der Bremstechnik der Schienenfahrzeuge Foto: Thomas Reschke Moderne Hochleistungselektronik in der Antriebstechnik erlaubt die Möglichkeit der Energierückspeisung der elektro-dynamischen Bremse (regenerative Bremse), Die Verwendung elektronischer Bremssteuerung ermöglicht insbesondere eine verschleißoptimierte Bremskraftverteilung zwischen den verfügbaren Bremssystemen (Blending, Zugbremsmanagement) und eine einfachere Integrierbarkeit von Zusatzfunktionen (z.b. Gleitschutz, Haltebremse, Bremsproben, Diagnose) für beinahe alle Fahrzeuggattungen, Kompakter, modulare und mechatronische Produkte führen zu universellerem Einsatz, einfacherer Montage und reduzierten Einbauräume. 24
25 Zusammenfassung und Entwicklungsfelder Entwicklungsfelder der Bremstechnik im Güterverkehr Priorität: - Geringer Beschaffungspreis - Lärmreduzierung - Optimierung der LCC für Fahrzeuge und Betrieb Foto: Georg Krause - Erhöhung der Laufleistung der Güterwagen, z.b. durch Reduzierung notwendiger Stillstandszeiten im Betrieb (z.b. für Bremsproben) 25
26 Zusammenfassung und Entwicklungsfelder Entwicklungsfelder im Personenverkehr Foto: Thomas Reschke weitere Automatisierungen im Betrieb der Züge, zum Teil auch durch fahrerlose Systeme, Gewährleistung einer hohen Fahrzeugverfügbarkeit, weitere Reduzierung der LCC (Beschaffungs- und Betriebskosten, Energieverbrauch, Verschleiß, etc.), weitere Systemoptimierung hinsichtlich der Reibung zwischen Bremsbelag und Bremsscheibe, weitere Optimierung der Kraftübertragung im Aufstandspunkt zwischen Rad und Schiene, integrierte, baulich kompakte Bremseinheiten. 26
27 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Knorr-Bremse Systeme für Schienenfahrzeuge GmbH Herr Dr.-Ing. Peter Berger Moosacher Straße 80 D München Tel: E-Fax: Mobil:
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