Des Volkes Blut verströmt in Bächen Und bittre Tränen rinnen drein Doch kommt der Tag da wir uns rächen Dann werden wir die Richter sein
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- Victor Fromm
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1 WIDERSPRUCH 55 Das revolutionäre Subjekt Des Volkes Blut verströmt in Bächen Und bittre Tränen rinnen drein Doch kommt der Tag da wir uns rächen Dann werden wir die Richter sein Boleslaw Czerwienski (1881) deutsche Nachdichtung von Rosa Luxemburg
2 Zum Thema Das revolutionäre Subjekt 9 Artikel Georg Fülberth 13 Transformationssubjekte Jan Völker 19 Unsere Zeit ist die Zeit für neue Erfindungen politischer Subjektivität Alain Badiou und die kommunistische Hypothese Philipp Lenhard 31 Aufstand gegen das Gesetz Zur Kritik des Neopaulinismus Jean-Luc Nancy 47 Von der Geburt neuer Subjekte (Gespräch) Christopher Knoll 53 Dialektischer Denkprozess als Performance Slavoj Žižeks öffentlich-kritische Intelligenz Bücher zum Miguel Abensour 61 Thema Demokratie gegen den Staat Percy Turtur Alain Badiou 62 Die kommunistische Hypothese Konrad Lotter Alain Badiou, Fabien Tarby 64 Die Philosophie und das Ereignis Olaf Sanders Colin Crouch 65 Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus Marianne Rosenfelder Terry Eagleton 68 Warum Marx recht hat Percy Turtur
3 Bücher zum Dominik Finkelde 69 Thema Slavoj Žižek zwischen Lacan und Hegel Alexander von Pechmann Alex Gruber, Philipp Lenhardt (Hg) 72 Gegenaufklärung Georg Koch Gruppe INEX (Hg) 76 Nie wieder Kommunismus? Jonas Dörge Wolfgang Kraushaar 78 Der Aufruhr der Ausgebildeten Marianne Rosenfelder Jean-Luc Nancy 81 Identität. Fragmente, Freimütigkeiten Ignaz Knips Karl Reitter 82 Prozesse der Befreiung Helga Sporer Beat Ringger 85 Maßt Euch an! Udo Wieschebrink Paolo Virno 86 Exodus Franco Zotta Raul Zelik 88 Nach dem Kapitalismus? Udo Wieschebrink Slavoj Žižek 90 Die bösen Geister des himmlischen Bereichs Ottmar Mareis
4 Bücher zum Slavoj Žižek 93 Thema Gewalt Sechs abseitige Reflexionen Ottmar Mareis Slavoj Žižek 96 Totalitarismus Csanád Bartos Slavoj Žižek 97 Willkommen in interessanten Zeiten! Percy Turtur Gespräch: Jörg Blumtritt, Roland ValiDOM Jungnickel 101 Sonderthema Nicht-Repräsentativität, Creative Commons und Liquid Democracy Gespräch mit Piraten über Piraten Neu- Sven Ellmers, Ingo Elbe (Hg) 123 erscheinungen Die Moral in der Kritik Udo Wieschebrink Michel Foucault 126 Der Mut zur Wahrheit Ottmar Mareis Jürgen Habermas 129 Zur Verfassung Europas Christian Marxsen 129 Geltung und Macht Percy Turtur Richard Klein, Johann Kreuzer, 131 Stefan Müller-Doohm (Hg) Adorno-Handbuch Lothar Butzke
5 Neu- Bernd Ladwig 134 erscheinungen Gerechtigkeitstheorien zur Einführung Fritz Reheis Jocelyn Maclure, Charles Taylor 135 Laizität und Gewissensfreiheit Helga Sporer Hartmut Rosa 138 Weltbeziehungen im Zeitalter der Beschleunigung Fritz Reheis Hartmut Scheible 140 Kritische Ästhetik Konrad Lotter Gerhard Scheit 141 Quälbarer Leib Ottmar Mareis Michel Terestchenko 143 Der dünne Putz Menschlichkeit Helga Sporer Elmar Treptow 146 Die widersprüchliche Gerechtigkeit im Kapitalismus Konrad Lotter Anhang AutorInnen 149 Impressum 150
6 Zum Thema Das revolutionäre Subjekt Weltweit regt sich der Protest. Auf dem Tahrirplatz in Kairo und dem Habima Square in Tel Aviv, auf dem Syntagmaplatz in Athen und der Puerta del Sol in Madrid, im Zucotti Park vor der Wall Street in New York wie vor der Europäischen Zentralbank in Frankfurt versammelten sich vergangenes Jahr keine Gruppen oder Parteien, sondern das Volk. Während die arabischen Revolutionäre freilich gewalttätige Regime stürzten und die Demokratie einfordern, haben die westlichen Protestbewegungen die Herrschaft des Finanzkapitals im Visier. Mit dem Schlachtruf Wir sind die 99% besetzte Occupy die großen Plätze vor den globalen Finanzzentren. Nicht ohne Grund musste das New Yorker TIME Magazine die Demonstranten als Symbolfigur und damit die globale Protestbewegung als bedeutendstes Ereignis des vergangenen Jahres anerkennen. Zur gleichen Zeit fanden weltweit Kongresse und Tagungen statt, die die alte Frage nach dem revolutionären Subjekt unter den gegenwärtigen Bedingungen neu diskutierten. Auf die Frage nach dem revolutionären Subjekt hatten Marx und Engels im 19. Jahrhundert die klassische Antwort gegeben: Mit der Entwicklung der großen Industrie wird also unter den Füßen der Bourgeoisie die Grundlage selbst hinweggezogen, worauf sie produziert und die Produkte sich aneignet. Sie produziert vor allem ihren eigenen Totengräber. Ihr Untergang und der Sieg des Proletariats sind gleich unvermeidlich. Die Konstitution des revolutionären Subjekts erschien als ein objektiv notwendiger, durch die gesellschaftliche Produktion selbst erzeugter Prozess. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts trat dann die Frage nach den subjektiven Faktoren des revolutionären Subjekts, das Klassenbewusstsein und der revolu-
7 Das revolutionäre Subjekt 7 tionäre Wille, und damit die Frage nach der revolutionären Partei hinzu. Dabei konnten Rosa Luxemburg ( Sozialreform oder Revolution ), W.I. Lenin ( Partei neuen Typs ), Georg Lukács ( Geschichte und Klassenbewusstsein ) oder Antonio Gramsci (der organische Intellektuelle ) an Marx und Engels anschließen: Die Kommunisten sind also praktisch der entschiedenste, immer weitertreibende Teil der Arbeiterparteien aller Länder; sie haben theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung voraus. In der ersten Hälfte des Jahrhunderts vollzogen sich, unter der Führung kommunistischer Parteien, vor allem in Europa und Asien revolutionäre Umwälzungen, die jedoch in Bürokratien bzw. Diktaturen erstarrten und schließlich großenteils kollabierten. Damit war das Konzept der kommunistischer Partei als revolutionäres Subjekt diskreditiert. In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts entstanden neue Phänomene und ein neuer Diskurs: Die weltweite Studentenbewegung der 60er Jahre erhob, zumindest kurzzeitig, einen revolutionären Führungsanspruch, der sich auf das fortgeschrittene Bewusstsein gründete. In der Folge entstand eine Vielzahl lokaler und partikularer Protestbewegungen von Bürgern und revolutionären Gruppen, die sich in Auseinandersetzung mit der Globalisierung locker zu einem globalen Netzwerk verbanden. Neue Aktualität hat die Frage nach dem revolutionären Subjekt nun durch den Arabischen Frühling und die Occupy-Bewegung gefunden. Unter den zahlreichen Kongressen, Tagungen und Gesprächsforen, die diese neue geschichtliche Situation diskutierten, waren insbesondere zwei, die auch das Interesse der Philosophen auf sich zogen. Der eine Kongress fand vom 13. bis 15. März 2009 in London, der andere vom 25. bis 27. Juni 2010 in Berlin statt. Ihr Titel lautete: Die Idee des Kommunismus, und ihr Ziel war, die Idee des Kommunismus wieder als einen positiven Wert darzustellen. Unter den Teilnehmern befanden sich Bruno Bosteels, Terry Eagleton, Michael Hardt, Toni Negri, Jacques Rancière, Gianni Vattimo, Cécile Winter, Glyn Daly und Frank Ruda. Organisiert wurden beide Veranstaltungen von den Philosophen Alain Badiou und Slavoj Žižek, die deshalb im Zentrum des vorliegenden Heftes stehen. Eröffnet wird die Reihe der Beiträge mit Georg Fülberths Überlegungen zum Thema Transformationssubjekte. Am Beispiel der europäischen Revolutionen wird darin zwischen indirekten den tatsächlich kämpfenden
8 8 Zum Thema und direkten den profitierenden Subjekten unterschieden: eine Unterscheidung, die den Blick auf die geschichtlichen Realitäten richtet. Von Warlam Schalamows Erzählungen aus dem Gulag und ihrer Interpretation durch Alain Badiou handelt der nächste Beitrag. Jan Völker diskutiert darin die kommunistische Hypothese als Möglichkeit, der geistlosen Welt des demokratischen Materialismus zu entkommen und politische Subjektivität auszubilden. Als Gegenthese dazu kann die Kritik des Neopaulinismus gelesen werden. Darin wendet sich Philipp Lenhard entschieden gegen Badiou, Agamben und Žižek, die in Paulus, seinem Universalismus und seinem doppelten Kampf gegen den römischen Imperialismus und die Enge des jüdischen Gesetzes das Urbild des revolutionären Subjekts erkennen wollen. Von der Bedeutung des Subjekts als autonomer Entscheidungs- und Handlungsinstanz, die in den Lauf der Geschichte einzugreifen vermag, spricht der französische Philosoph Jean-Luc Nancy im Interview, das der Widerspruch mit ihm geführt hat. Nancy begreift Revolutionen nicht als Verwirklichung, sondern als Geburt neuer Subjekte. In einer Reihe von Thesen stellt Christopher Knoll schließlich Slavoj Žižek als einen öffentlichen Intellektuellen vor, der seine Denkbewegungen als eine Art von Performance vollzieht. Darin wird das Ausgeschlossen-Sein vom politischen Agon als Voraussetzung (nicht als hinreichender Grund) für die Entstehung revolutionärer Subjekte bezeichnet. Der Schwerpunkt des Hefts wird durch einen umfangreichen Rezensionsteil von Büchern zum Thema abgeschlossen. Das Sonderthema, das seiner Länge wegen in diesem Heft mit der Rubrik Münchner Philosophie zusammenfällt, bildet das Gespräch, das der Widerspruch mit Mitgliedern der Münchner Piratenpartei, dem Politikwissenschaftler Jörg Blumtritt und dem Informatiker Roland ValiDOM Jungnickel, über die Vorstellungen und Ziele der Partei geführt hat. Wie immer schließen Besprechungen von interessanten Neuerscheinungen das Heft ab. Die Redaktion
9 AutorInnen WIDERSPRUCH 55 Das revolutionäre Subjekt CSANÁD BARTOS, M.A., Doktorand der Philosophie, München JÖRG BLUMTRITT, Pressesprecher der Piratenpartei Deutschland, München LOTHAR BUTZKE, M.A., EDV-Fachmann und freier Autor, München JONAS DÖRGE, Politikwissenschaftler, Kassel GEORG FÜLBERTH, Dr. phil., Professor für Politikwissenschaft (em.), Uni Marburg ROLAND VALIDOM JUNGNICKEL, Informatiker, Piratenpartei, München IGNAZ KNIPS, Lehrbeauftragter der Uni Köln, Abt. Internationale Beziehungen, Köln CHRISTOPHER KNOLL, B.A., Lehrbeauftragter für Germanistik und deutsche Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt GEORG KOCH, M.A., Antiquar und freier Autor, München PHILIPP LENHARD, M.A., Kollegiat des IGK Religiöse Kulturen im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts, Uni München KONRAD LOTTER, Dr. phil., Privatgelehrter, München OTTMAR MAREIS, Dr. phil., Sozialpsychologe und freier Autor, München JEAN-LUC NANCY, Ph.D., Professor für Philosophie (em.), Université Marc Bloch, Strasbourg ALEXANDER VON PECHMANN, Dr. phil. habil., Privatdozent für Philosophie, LMU München FRITZ REHEIS, Dr. phil. habil., OstR, Fachvertreter für Didaktik der Sozialkunde, Uni Bamberg MARIANNE ROSENFELDER, M.A., freie Journalistin, München
10 OLAF SANDERS, Dr. phil. habil., Privatdozent für Philosophie, Uni Köln MICHAEL SCONDO, Magistrand der Philosophie, LMU München HELGA SPORER, Dr. phil., freie Journalistin, Geretsried/München PERCY TURTUR, M.A., freier Autor, München JAN VÖLCKER, Dr. phil., Mitarbeiter am Peter Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, FU Berlin UDO WIESCHEBRINK, M.A., freier Autor, München FRANCO ZOTTA, Dr. phil., freier Autor, Voerde/Niederrhein Impressum Widerspruch Münchner Zeitschrift für Philosophie 31. Jahrgang 2012 Herausgeber Münchner Gesellschaft für dialektische Philosophie, Tengstr. 14, München Redaktion Jadwiga Adamiak, Csanád Bartos, Georg Koch (Rezensionen), Konrad Lotter (verantwortlich), Ottmar Mareis, Wolfgang Melchior, Alexander von Pechmann, Franz Piwonka, Fabian Schmidt (Internet), Helga Sporer, Percy Turtur (Layout), Sibylle Weicker, Udo Wieschebrink (Anzeigen) Widerspruch Verlag Tengstr. 14, München. Tel & Fax: (089) ; info@widerspruch.com Erscheinungsweise halbjährlich / Auflage: 500 Druck: TOPP KOPIE, München ISSN Preis Einzelheft: 10,-- EUR Abonnement: 9,-- EUR (zzgl. Versand) Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Für unaufgefordert zugesandte Manuskripte wird keine Haftung übernommen. Nachdruck von Beiträgen aus Widerspruch ist nur nach Rücksprache, mit Genehmigung der Redaktion und des Autors gestattet.
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