8. OKTOBER ELLEN EXNER The Sophies of Hanover and Music for Berlin

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1 8. OKTOBER 2016 ELLEN EXNER The Sophies of Hanover and Music for Berlin Friedrich Wilhelm I has been cast in the role of villain for having dismissed his father Friedrich I s virtuosic court orchestra and for having brutally denied his own son, Friedrich II, access to longed-for musical opportunities. Friedrich Wilhelm I was unlikable for many reasons but it would be mistaken to conclude that he hated music.1 In reality, the situation was more complex. Friedrich Wilhelm had a royal prince s musical education and the two women most fundamental to his existence were great lovers of music. Without these women, the Sophies of Hanover, musical life at the Prussian court might never have come into being. Working from the sidelines of political power as the wives and mothers of kings they both made an impact through different musical legacies that sprang from the same source. Friedrich Wilhelm s mother, Sophie Charlotte, and her niece (later his wife) Sophie Dorothea, were both daughters of the House of Hanover. Thus, they grew up surrounded by sumptuous court music, which both hoped to have in Prussia as well. Before her unexpected death in 1705, Sophie Charlotte and her husband together constructed the first Royal Prussian Kapelle, the memory of which remained in Berlin long after its dissolution at the hands of her son. Her niece/daughter-in-law, Sophie Dorothea, never had the same opportunity. Instead, Sophie Dorothea s musical legacy became the secret musical education of her children, among whom was Friedrich II. She passed onto Friedrich and his siblings the love of music she and her late-mother-in-law had learned at the Hanoverian court. The history of royal Prussian music is deeply indebted to the Sophies of Hanover. This paper will demonstrate continuity between the generations and its impact through reference to the royal family s correspondence.

2 CHRISTOPH HENZEL Musik am Hof der Königin Sophie Dorothea Friedrich Wilhelm I. legte entgegen einem populären Vorurteil durchaus Wert auf herrscherliche Repräsentation, nahm allerdings die Musik davon aus - mit den bekannten Folgen. Es entwickelte sich eine dezentrale Musikkultur, die vor allem von den markgräflichen Hofhaltungen getragen wurde. Musik spielte aber auch im Umkreis der Königin, die in Hannover in einem musisch vielfältigen Klima aufgewachsen war und Preußen in dieser Hinsicht als Einöde empfunden haben dürfte, eine wichtige Rolle. Wie man sie in Anbetracht einer äußerst schmalen Quellenbasis beschreiben kann, versucht der Beitrag zu umreißen. RASHID S. PEGAH Christian Ludwig oder Musikpflege als Chance? Dass Markgraf Christian Ludwig von Brandenburg (Schwedt) ( ), Prinz in Preußen, auch im 21. Jahrhundert noch bekannt ist, verdankt er seiner Musikpflege. Für Johann Sebastian Bach ( ) muss sie derartig attraktiv gewesen sein, dass er dem Markgrafen seine Aufwartung machte (Februar 1719). Der damalige fürstlich-anhalt-köthen sche Hofakpellmeister war es wohl auch, der ein oder anderthalb Jahre später einen seiner Musiker zum Studium nach Berlin schickte. Sollte jener Köthener Hofmusiker bei den Mitgliedern des Ensembles von Christian Ludwig lernen? Denn der Königshof unterhielt zwischen 1713 und 1740 keine nennenswerte Musikpflege. Sahen also Markgraf Christian Ludwig und sein Bruder Markgraf Albrecht Friederich ( ) ihre Stunde gekommen: wollten sie das angeblich bestehende musische Vakuum ausfüllen, um ihre eigene jeweilige Hofhaltung damit aufzuwerten? Während der jüngeren Vergangenheit erschlossene Äußerungen von Zeitgenossen lassen erstmals konkrete Angaben zu musikalischen Veranstaltungen des Markgrafen Christian Ludwig zu. Diese musikalischen Veranstaltungen erscheinen nunmehr in einem anderen Licht. Denn sie waren offenbar deutlich ambitionierter als bislang angenommen. MAGDALENA STROBEL Wilhelm Friedrich Ernst Bach als Kammercembalist und Kapellmeister der Königinnen Friederike Luise und Luise Beleuchtung seines Wirkens innerhalb der Hofmusik Wilhelm Friedrich Ernst Bach als Kammercembalist und Kapellmeister der Königinnen Friederike Luise und Luise Beleuchtung seines Wirkens innerhalb der preußischen Hofmusik Wilhelm Friedrich Ernst Bach ( ) war der letzte musikalische Vertreter der beruḧmten Musikfamilie und zugleich der letzte direkte männliche Nachfahre Johann Sebastian Bachs. Seine Ausbildung erhielt er zunächst vor allem bei seinem Vater Johann Christoph Friedrich Bach, Kapellmeister der

3 Bu ckeburger Hofkapelle. Zwischen 1778 und 1782 studierte er bei seinem Onkel Johann Christian Bach in London, nach dessen Tod er in die Heimat zuru ckkehrte und in Minden als Dirigent des»liebhaber-concerts«wirkte, wo er auch eigene Werke zu Gehör brachte. Der erfolgreichen Auffuḧrung seiner Festkantate»Westphalens Freude ihren vielgeliebten König bey sich zu sehen«folgte die Berufung Bachs an den preußischen Hof, wo er ab 1789 als Kapellmeister und Kammercembalist der jeweils amtierenden Königin sowie als Musiklehrer derselben und der königlichen Kinder beschäftigt war. Seine Pensionierung erfolgte im Jahre 1810 mit dem Tod der Königin Luise. Über Bachs konkrete Arbeitsumstände am Hof gibt es so gut wie keine gesicherten Erkenntnisse. Eine 1795 erfolgte Bewerbung um die freigewordene (aber zum Zeitpunkt der Bewerbung schon vergebene) Kapellmeisterstelle in Bu ckeburg spricht dafu r, dass er um Veränderung seiner beruflichen Lage bemuḧt war. Im Vergleich zu den musikalischen Umständen am Bu ckeburger Hof du rfte das ihm zur Verfu gung stehende Orchester klein und fu r größere Auffuḧrungen nicht geeignet sowie sein Aktionsspielraum eingeschränkt gewesen sein. Dies spiegelt sich auch in seinem Werk wieder, das weniger größer angelegte Kompositionen aufweist als vielmehr einige fu r den Unterricht geeignete und kammermusikalische Werke, kurze Klavierstu cke und Lieder, die er auch in musikalischen Zeitschriften veröffentlichte und sich damit dem Berliner Musikleben zuwendete. Im Mittelpunkt des Vortrages steht die Beleuchtung des Wirkungskreises Bachs innerhalb der Hofmusik. SEBASTIAN WERR Kulturtransfer aus Frankreich und Sachsen. Die Blasinstrumente der Preußischen Hofkapelle und die friderizianische Gewerbepolitik Eine nach dem Regierungsantritt Friedrichs II. erlassene Instruktion forderte,»die jetzigen Manufakturen im Lande zu verbessern die Manufakturen, so darin noch fehlen, einzuführen so viel Fremde von allerhand Konditionen, Charakter und Gattung in das Land zu ziehen, als sich immer nur thun lassen will.«das Ziel war es,»recht geschickte manufacturiers«nach Preußen zu ziehen, um das Land von Einfuhren unabhängig zu machen auch hinsichtlich von Musikinstrumenten. Der Mangel an geeigneten einheimischen Klanghölzern behinderte die Entwicklung des Streichinstrumentenbaus und Carl Friedrich Zelter beklagte noch 1799 die»seltenheit, vortreffliche preußische Violinen zu finden«; jeder Musiker bezahle»lieber italienische Instrumente mit Goldstücken als er ein inländisches für eigenen Gebrauch behielte«. Erfolgreicher war das Bestreben, den Import ausländischer Blasinstrumente zu beschränken durch die Ansiedlung sächsischer Instrumentenmacher in Potsdam (Freyer, 1747; Kirst, 1771; Krause, 1780), die den Hof und das Militär, aber auch Stadtpfeifer und Musikliebhaber belieferten.

4 Mit Blick auf den Zeitraum von 1744 bis 1806 und anhand exemplarischer Instrumente, die sich der Hofkapelle zuordnen lassen, fragt der Beitrag nach den Konsequenzen dessen, dass die Musiker ihre Instrumente nicht mehr aus den europäischen Musikzentren beziehen konnten, sondern dass sie von technischen Innovationen nur noch vermittels der einheimischen Instrumentenmacher profitieren konnten. An welchen Vorbildern orientierten sich diese und wie ordnet sich das Instrumentarium der Hofkapelle in den europäischen Kontext ein? Ein Gutachten bescheinigte, Krauses Hörner erfreuten sich,»eines guten Rufs. Seiner Hörner waren nach Art der Pariser Hörner gearbeitet«und kamen diesen»in der Güte ganz gleich«. Der Blick wird einerseits nach Frankreich gerichtet, an deren Blasinstrumentenbau sich schon die einzige preußische Werkstatt (Heitz) im frühen 18. Jahrhunderts orientiert hatte. Andererseits wird er nach Sachsen geworfen, von wo Preußen die Holzblasinstrumentenmacher abgeworben hatte und wo europaweit gefragte Blasinstrumente hergestellt wurden (so bestellte Leopold Mozart Oboen und Fagotte für die Salzburger Hofkapelle bei Grenser in Dresden). WALTER KURT KREYSZIG The Eminent Pedagogue Johann Joachim Quantz as Instructor of Frederick the Great During the Years : The Solfeggi (1729) of Quantz and the Flötenbuch ( pre-1773) of Frederick the Great and Quantz The development of Prussian Court Music prior to the Seven-Year-War ( ) was made possible to a large extent by the flutist, organologist, and pedagogue Johann Joachim Quantz, who, on the occasion of a visit of Crown Prince Frederick of Prussia with his Father to the Court of Dresden, made his first acquaintance with his future employer and student, King Frederick the Great. Quantz s display of virtuosity on the flute as part of the entourage of August der Starke during a visit to Berlin in May 1728 resulted in an invitation for Quantz to join the Prussian State Court. However, because the Dresden Court refused to grant Quantz permanent departure from Dresden, he was only granted permission to travel to Berlin twice annually, prior to his permanent lifetime appointment to the Court in Potsdam in A record of the lessons which Frederick the Great enjoyed with his teacher Quantz between 1728 and 1741, the Solfeggi (1729) provide a seminal record of the curriculum for eighteenth-century flute instruction, and as such underscores the vast knowledge and astute pedagogical skills of Quantz. Indeed, the Solfeggi display his musical cosmopolitanism, resulting from his travels to England, France, and Italy. Interspersed within the numerous musical excerpts mentioned are written comments emanating from the pen of Quantz, and the occasional complete movements, largely from Quantz s own workshop, which serve as a means of placing technical aspects discussed in the context of the prevailing flute repertory. A second volume, the Flötenbuch Friedrich des Grossen, komponiert von Friedrich dem Grossen und Johann Joachim Quantz, with the comments by Charles Burney in his Diary of a Musical Tour of 1773 providing a terminus postquem for the completion of this volume, includes further daily exercises, composed by Quantz and the King himself. The Flötenbuch, mentioned only twice in two eighteenth-century Verzeichnisse, namely by Johann

5 Christoph Westphal (Hamburg, 1782) and by Johann Traeg (Vienna, 1799), was considered an important document in the late eighteenth century and throughout the nineteenth century. In the Musicalisches Kunstmagazin (1791), Johann Friedrich Reichardt, who had assumed the position of Kapellmeister of the Berlin Court Orchestra in 1786, described the daily musical endeavors of King Frederick the Great. Indeed these exercises are most unusual for the time, which explains their explicit mention in a number of later sources, including the eminent lexicographer Ernst Ludwig Gerber in his Historisch-Biblographisches Lexikon der Tonkünstler (Leipzig, 1790) and the Bach biographer Philipp Spitta in the preface of his editions of the works of Frederick the Great (Leipzig, 1899). PANJA MÜCKE»eine vortrefliche Oper«Friedrich II. und die Berliner Aufführungen von Hasses Opern Der preußische Hof war nach dem sächsisch-polnischen Hof das wichtigste Aufführungszentrum für Opern Johann Adolph Hasses außerhalb Italiens. Friedrich II. schätzte Hasses Opern außerordentlich, die ihn spätestens bei einem Besuch Dresdens 1742 so beeindruckt hatten, dass er nach seiner Rückkehr die preußische Hofkapelle neu strukturierte und nach dem Vorbild Dresdens einrichtete. In Potsdam und Berlin kamen zwischen 1743 und 1786 zwölf verschiedene Opern Hasses auf die Bühne, wobei es sich ausnahmslos um Wiederaufnahmen handelte. Schon während der Kapellmeistertätigkeit Hasses in Dresden bot man am preußischen Hof einige seiner Opern; die Hasse-Pflege intensivierte sich indessen nach dem Ausscheiden des Komponisten aus sächsischen Diensten ganz erheblich und hielt bis über seinen Tod hinaus an. Im Zentrum des Vortrags wird die detaillierte Aufarbeitung des Bearbeitungsprozesses der Opern für Berlin stehen und die Erörterung der damit verbundenen Intentionen Friedrichs II., der seiner Hofoper mit der Präsentation der teils 30 Jahre alten Opern Hasses ein spezifisches Profil verlieh. Dabei sind Fragen der interhöfischen Kommunikation ebenso zu berühren wie die nach dem Verhältnis von»werk«und Aufführung. MICHELE ROVETTA Johann Seyffarth: Ein Violinist als»korrepetitor der Ballette«Johann Seyffarth ( ), zunächst Kammermusikus des Prinzen Heinrich von Preußen und dann Mitglied der königlichen Kapelle sowie der Musikübenden Gesellschaft, prägte als Violinist und Komponist das Berliner Musikleben für mindestens ein halbes Jahrhundert mit. Der Sekundärliteratur ist zu entnehmen, dass er für den Hof nicht nur Violine spielte, sondern auch Ballettmusik komponierte und kopierte. Vernachlässigt wurde bisher jedoch die Tatsache, dass er in zeitgenössischen Quellen auch als Ballettkorrepetitor bezeichnet wird, was nicht nur von biographischem, sondern auch von organisationsgeschichtlichem Interesse

6 ist. Mit der mehr oder weniger regelmäßigen Aufführung von Opern und Balletten ist ab dem 18. Jahrhundert nämlich nicht nur ein Wandel des Aufgabenbereichs der Hofkapelle verbunden, sondern auch der Einsatz einzelner Musiker für die zeitaufwendige Einstudierungsarbeit mit den Bühnendarstellern. Obliegt die Ballettkorrepetition heutzutage in der Regel darauf spezialisierten Pianisten, die nicht dem Orchester angehören, so wurde sie in der Vergangenheit oft von Orchestermusikern übernommen am Berliner Hof zwischen 1740 und 1806 unter anderen von Johann Seyffarth und von Karl Benda ( ), der 1802 zum Konzertmeister ernannt wurde. Ein Vergleich mit der organisatorischen Struktur anderer Hoftheater (Mannheim, Wien, Stuttgart etc.) sowie mit derjenigen des Berliner Nationaltheaters zeigt, dass die Übertragung der Ballettkorrepetition insbesondere an Orchesterviolinisten im 18. Jahrhundert üblich war, und dass die damit verbundene Gehaltserhöhung 50% des Ausgangsgehalts betragen konnte. Eine bislang nicht ausgewertete archivalische Quelle gibt Auskunft über sämtliche Aufgaben eines Violinisten-Ballettkorrepetitors.