Stoppen Sie Unkraut-Exoten!

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1 Ackerbau Stoppen Sie Unkraut-Exoten! Beobachten auch Sie auf Ihren Flächen, dass bestimmte Unkräuter aus dem Ruder laufen? Schauen Sie nicht tatenlos zu! Tipps zur Bekämpfung bei begrenzter Wirkstoffpalette gibt Günter Klingenhagen, LWK Nordrhein-Westfalen. Unkrautexoten, die in Getreideoder Rapsbestände einwandern, lassen sich schlecht wieder verbannen. Standort- oder jahresbedingt treten sie oft massenhaft auf. So fühlt sich Ackerschachtelhalm in den wenig sauerstoffhaltigen Marschböden besonders wohl. Erdrauch lief z. B. bei optimaler Bodenstruktur nach traumhafter Sommergare im Jahr 2009 verstärkt auf. Auf strukturarmen, verdichteten Böden treten dagegen Vogelknöterich- und Kamillepflanzen in den Vordergrund. Dazu kommt, dass sich spezielle Unkräuter nur von wenigen Herbiziden erfassen lassen. Über ihre Wirkung gegen Problemunkräuter informiert die Übersicht auf Seite 90. Ackerschachtelhalm tritt häufig auf staunassen Böden auf. Seine Bekämpfung ist schwierig, da er sich mit bis zu 2 m langen Wurzelausläufern vermehrt. Fotos: Klingenhagen 86 top agrar 2/2012

2 Haariger Hundskerbel Links: Die Dolden von Hundskerbel stehen scheinbar gegenständig und sind drei- bis fünfstrahlig. Rechts: In Getreide kann sich das Unkraut massenhaft vermehren. Hundskerbel ist mit Hundspetersilie verwandt und daher nicht immer leicht von ihr zu unterscheiden. Bei genauem Hinsehen fällt aber auf, dass seine Blätter feiner, stärker eingekerbt und heller sind als die der Hundspe- tersilie. An Blättern, Stängeln und Fruchtständen befindet sich zudem eine feine Behaarung, die der Hundspetersilie fehlt. Das Unkraut läuft vornehmlich im Herbst auf. Hundskerbel lässt sich im Raps nicht, im Getreide nur mit wenigen Produkten bekämpfen. Besonders geeignet ist das Herbizid Artus. Mit Dirigent SX/ Pointer SX und Hoestar Super sind Wirkungsgrade von ca. 70 % zu erreichen. Giftige Hundspetersilie Hundspetersilie haben bislang meist nur Rübenanbauer beachtet. In den letzten Jahren tritt das Unkraut aber auch vermehrt in Raps und Getreide auf. Das Doldengewächs ist einjährig, kann aber auch einmal überwintern. Es keimt ganzjährig bei Temperaturen von 3 bis 35 C und kann mehr als zwei Generationen pro Jahr hervorbringen. Jede Pflanze bildet etwa 500 Samen, die 8 Jahre im Boden keimfähig bleiben und aus bis zu 5 cm Bodentiefe auflaufen können. Stängel und Blätter der Hundspetersilie sind unbeharrt. Die Unterseite der Blätter glänzt. Die Pflanze bildet eine kräftige Pfahlwurzel und ist auf nahezu allen Standorten anzutreffen. Gängige Herbst- Herbizide wie Bacara Forte, Herold und Malibu wirken nicht ausreichend. Durch Zusatz von IPU lässt sich die Wirkung teils deutlich verbessern. Über gute Wirkungsgrade im Herbst verfügen die Mittel Lexus, Absolute M oder Ciral. Im Frühjahr laufen in lichten Beständen oft neue Pflanzen auf. Mit Nachbehandlungen sollten Sie daher etwas warten. Bewährt haben sich Anwendungen gegen Ende April bis Anfang Mai. Dann treffen Sie noch die Unkräuter. Mit einsetzendem Massenzuwachs nimmt die Konkurrenzkraft des Getreides zu und unterstützt damit die Wirkung. Geeignet für diese Behandlung sind z. B. Kombinationen aus 0,5 l/ha Tomigan + 30 g/ha Pointer SX/Dirigent SX. Mit dieser Kombination lassen sich neben Hundspetersilie auch andere Unkräuter wie Winde, Die giftige Hundspetersilie breitet sich schnell auf nährstoffreichen, neutralen bis alkalischen Lehmböden aus. Im Blütenstadium kann sie bei starkem Auftreten den Raps überwuchern. top agrar 2/

3 Ackerbau Ampfer, Klette, Kornblume, Vogelmiere, Storchschnabel, Mohn, Hundskerbel, Wilde Möhre, Distel, Melde, Gänsefuß, Knöterich und Kamille sehr gut bis ausreichend bekämpfen. Beide Mittel sind zudem für späte Einsätze zugelassen. Alternativ bietet sich an dieser Stelle auch Ariane C an. Wollen Sie gleichzeitig Hundskerbel bekämpfen, empfiehlt es sich, 25 g/ha Pointer SX/Dirigent SX zuzumischen. Ampfer-Alarm! Unterschätzter Storchschnabel Gegen Storchschnabel gilt es, den Anfängen zu wehren. Ampfer konnte sich in der Vergangenheit gut auf Stilllegungsflächen ausbreiten. Werden diese Flächen wieder bewirtschaftet, dauert es einige Zeit, bis man das hartnäckige Unkraut wieder los wird. Die mehrjährigen Pflanzen bilden enorme Wurzelkörper, die sich mit einer einmaligen Herbizidbehandlung nur schwer abtöten lassen. Mit kontinuierlichen Behandlungen auch im Mais, kombiniert mit Bodenbearbeitungs-Maßnahmen, kann man den Altbewuchs auszehren. Allerdings müssen Sie auch den Neuauflauf aus Samen beachten! Gut entwickelte Ampferpflanzen bilden bis zu Samen, die im Boden bis zu 70 Jahre überdauern. Produkte mit guter Ampferwirkung für den Einsatz im Getreide sind z. B. Hoestar Super, Concert SX, Kombinationen aus Tomigan + Pointer SX/Dirigent SX sowie Ariane C. Der optimale Einsatztermin ist, wenn der Ampfer das große Rosettenstadium erreicht hat. Waschküchenwetter begünstigt die Aufnahme und den Transport der Wirkstoffe. Auf ehemaligen Stilllegungsflächen tritt Ampfer als hartnäckiges Unkraut auch in Getreide auf. Storchschnabelarten stehen gern in Raps oder Mais. In dichten Getreidebeständen kommen sie weniger zum Zuge, können aber auch hier bei ausreichend Licht zu einem bedeutenden Unkraut werden. Storchschnabel bildet 100 bis 300 Samen, die 5 bis 10 Jahre im Boden überdauern. Er keimt ganzjährig. Als Flachkeimer lässt sich Storchschnabel in der Auflaufphase gut mit Diflufenikan-haltigen Produkten erfassen. Dies gilt, bei rechtzeitigem Einsatz, auch für Orbit, Activus, Stomp Aqua und Malibu. Gute Wirkungsgrade erreichen vor allem Kombinationsprodukte wie Picona bzw. Trioflex. Wichtig ist dabei der Einsatz im Vor- bzw. sehr frühen Nachauflauf. Bereits aufgelaufene Pflanzen etablieren sich dagegen schnell und bilden eine beachtliche Pfahlwurzel. Die genannten Windige Winden Bodenherbizide werden ihnen dann nicht mehr gefährlich. Gegen diese größeren Stadien wirken Lexus, Ciral, Absolute M und Harmony Millenium sehr gut. Für die Frühjahrsanwendung sind vor allem Broadway, Gropper SX, Concert SX, Artus, Refine Extra und U 46 M- Fluid geeignet. Pointer SX und Dirgent SX sind bevorzugt in Kombination mit Tomigan zu nutzen. Grundsätzlich empfiehlt es sich, Unkräuter und Ungräser auch zwischen Ernte und neuer Saat mit Bodenbearbeitung bzw. Glyphosateinsatz an der Vermehrung zu hindern. Gegen etwa handgroße Storchschnabelpflanzen benötigen Sie rund 70 % der maximal zugelassenen Glyphosatmenge. Zur Wirkungsverstärkung ist es sinnvoll, 5 bis 10 kg/ha Schwefelsaures Ammoniak zuzusetzen. Acker- und Zaunwinden lieben es warm. Gegen Anfang Mai kommt es zum Austrieb aus beachtlichen Wurzelausläufern. Besonders wohl fühlen sich die Schlingpflanzen in Sommerungen wie Mais. Aber auch im Getreide können sie sich oft vom lichten Rand ausgehend zu lästigen Begleitern mausern. Im wachsenden Getreide können Sie den Aufwuchs mit Tomigan, Hoestar Super oder U 46 M-Fluid unterdrücken. Die Winden sollten zum Zeitpunkt der Behandlung eine Trieblänge von mindestens 15 cm aufweisen. Bei der Spritzung sollte es warm und feucht sein. Der Einsatztermin ist vergleichbar mit dem Termin zur Distelbekämpfung. Auch Mischungen aus Tomigan + Pointer oder aus Tomigan + U 46 M-Fluid sind geeignet. Bis etwa 10 Tage vor der Ernte können Sie Winden mit Glyphosat-haltigen Produkten bekämpfen. Nach der Ernte hilft intensives Grubbern bei trockenen Bedingungen. Unter eher feuchten Verhältnissen ist es besser, den Neuaustrieb auf der Stoppel mit 0,5 kg/ha Mais Banvel WG zu behandeln. Auch hier gilt: Je mehr Aufwuchs Sie bei warmem, wüchsigem Wetter treffen, desto mehr Wirkstoff gelangt in die Wurzel des Übels. 88 top agrar 2/2012

4 Ackerwinde, hier zusammen mit Vogelknöterich, wandert oft vom Feldrand ein. Winde bevorzugt warme, trockene, nährstoffreiche und lockere Lehmböden. Hartnäckiger Schachtelhalm Ackerschachtelhalm gehört zu den Sporenunkräutern und damit zu den ältesten Pflanzen. Während die oberen Teile nach ersten Frösten absterben, sind die unterirdischen Ausläufer mehrere Jahre überlebensfähig. Schachtelhalm verbreitet sich in erster Linie über diese Wurzelausläufer. Tritt Ackerschachtelhalm mas senhaft auf, sind oft was ser führende Schichten vor han den. In den Küstenmarschen und auf staunassen Böden ist das Unkraut daher häufiger anzutreffen. Bevorzugt tritt er in lichten Beständen auf. Über das Schadpotenzial der Pflanze ist wenig bekannt. Ertragsbegrenzend sind die Bedingungen, die massenhaftes Auftreten ermöglichen. Oberirdischer Aufwuchs lässt sich gegen Mitte Mai mit 1,5 l/ha U 46-M Fluid bekämpfen. Dies ist in Winterweizen auch ein guter Termin zur Distelbekämpfung. Behandeln Sie möglichst weiche Pflanzenteile bei warmem Wetter. Dann ist auch von einer Tiefenwirkung bis in die Wurzel auszugehen. j Foto: Faber Massenhaftes Auftreten von Ackerschachtelhalm führt zu Ertragseinbußen. top agrar 2/

5 Ackerbau Übersicht: So wirken die Herbizide gegen Problemunkräuter Mittel Artus Dirigent SX Pointer SX Biathlon U 46 + Additiv M-Fluid Hoestar Super Tomigan Tomigan + Pointer SX / Dirigent SX Ariane C Einsatz bis EC Ackerschachtelhalm Ackerwinde Ampfer Beifuß Distel Erdrauch Hundskerbel Hundspetersilie Kamille Klatschmohn Klette Kornblume Melde/Gänsefuß Storchschnabel Vogelknöterich Wilde Möhre = gute Wirkung; = oft ausreichend; = Teilwirkung Wählen Sie die Herbizide gegen Problemunkräuter gezielt aus! Resistente Kamille und Vogelmiere Kamille und Vogelmiere gehören zwar nicht zu den Exoten, der Grund für ihre Nominierung liegt in einer abzusehenden Resistenzentwicklung gegenüber Wirkstoffen aus der Gruppe der ALS- Hemmer. So wirkt diese Gruppe auf Einzelflächen in Schleswig-Holstein und einem Standort in Ostfriesland bereits jetzt nicht mehr ausreichend gegen Kamille. Zu den ALS-Hemmern gehören neben Sulfonylen wie Pointer SX und Atlantis auch die so genannten Triazolpyrimidine, denen Primus und Broadway zuzurechnen sind. Die Unempfindlichkeit der betroffenen Populationen beruht auf einer so genannten target-site Mutation. Diese Art der Resistenz wird oft als absolut beschrieben. Das ist in diesen Fällen aber nicht richtig. Der Grund: Mit höheren Aufwandmengen werden auch resistente Pflanzen teils noch stark geschädigt. Zudem sind Triazolpyrimidine derzeit weniger betroffen als Sulfonyle. Kamillearten sind typische Flachkeimer. Jede Pflanze bildet oft weit über Samen. Diese verbleiben größtenteils auf dem Feld, werden aber auch über Wind und Erntemaschinen verbreitet. Im Boden sind die Samen bis zu 10 Jahre lebensfähig. Die verschiedenen Kamillearten sind häufig auf zur Verschlämmung neigenden Böden zu finden. Nach längeren Feuchtephasen treten sie verstärkt auf. Vogelmiere steht in Deutschland noch nicht im Focus. Allerdings finden sich Populationen mit ALS-Resistenz in Dänemark, England und Norwegen. In diesen Ländern stehen kaum alternative Wirkstoffe zu den ALS-Hemmern zur Verfügung. Das Besondere an der Stickstoffliebenden Vogelmiere ist, dass Sie das Kamille zeigt, derzeit noch auf Einzelflächen, Resistenzen gegenüber ALS-Hemmern. In Getreide ist der Wirkstoff Diflufenikan ein wichtiger Baustein. 90 top agrar 2/2012

6 Schnell gelesen Laufen bei ihnen bestimmte Unkrautarten aus dem Ruder, sollten Sie zügig handeln. Spezielle Unkräuter wie Hundskerbel, -petersilie, Storchschnabel und Co. können massenhaft auftreten. Wählen Sie Herbizide gegen Problemunkräuter gezielt aus. Die Übersicht auf Seite 90 zeigt die Wirkung der Mittel. Beugen Sie der Resistenzgefahr von Kamille und Vogelmiere gegen ALS-Hemmer vor, indem Sie das Samenpotenzial gering halten und die Wirkstoffklassen über die Fruchtfolge nutzen. Auch in Mais kann sich Kamille stark ausbreiten. ganze Jahr über keimt, blüht und sich vermehren kann. Dadurch kann sie jährlich bis zu drei Generationen bilden. Eine Pflanze erzeugt bis Samen, die bis zu 50 Jahre im Boden keimfähig sind. Um auf Ihren Flächen einer Resistenzentwicklung von Kamille und Vogelmiere gegenüber ALS-Hemmern entgegenzuwirken, empfiehlt es sich, das Samenpotenzial gering zu halten und die vorhandenen Wirkstoffklassen der Herbizide über die Fruchtfolge zu nutzen. Im Getreide ist der Wirkstoff Diflufenikan ein wichtiger Baustein. Für eine gute Wirkung ist ein Einsatz im Vor- bzw. sehr frühem Nachauflauf erforderlich. Hervorzuheben ist das Herbizid Bacara Forte, das mit Flurtamone einen weiteren, unkrautwirksamen Bestandteil enthält. Auf die ergänzende Wirkung von IPU-/ CTU- haltigen Mitteln sollten Sie nicht verzichten, sofern ein Einsatz möglich ist (Auflagen beachten). In späteren Weizenbeständen liegen zudem sehr gute Erfahrungen mit dem Einsatz von Sumimax vor. Im Frühjahr erreicht das Herbizid Ariane C die sicherste Wirkung gegen Kamille. Auch gegen Vogelmiere kommen damit zwei Wirkmechanismen zum Tragen. Behandeln Sie möglichst bei weichen Blättern, wenn warmes, wüchsiges Wetter herrscht. top agrar 2/