Allgemeine Hamburger Arbeitgebervereinigung e.v.
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1 Allgemeine Hamburger Arbeitgebervereinigung e.v. An alle Mitgliedsfirmen der Allgemeinen Hamburger Arbeitgebervereinigung e. V. Kapstadtring 10, Hamburg Telefon: 040 / Telefax: 040 / Hamburger Bank Konto-Nr (BLZ ) Telefon: Telefax: Sachbearbeiter: Herr Schwenke Durchwahl: schwenke@chemienord.de 19. April 2011 Unser Zeichen: AHA Sch/be Rechtsprechungsübersicht Nr. 7/11 1. Schadensersatz für altersbedingte Benachteiligung bei Bewerbungen 2. Entschädigungsanspruch eines schwerbehinderten Bewerbers nach Stellenbesetzung 3. Tarifvertragliche Ausschlussfrist und Entgeltanspruch eines Betriebsratsmitglieds Im Einzelnen: 1. Schadensersatz für altersbedingte Benachteiligung bei Bewerbungen BAG-Urteil vom 19. August AZR 530/09 I. Sachverhalt Unternehmen sucht jungen Bewerber Ein Unternehmen hatte in einer Stellenanzeige zur Besetzung einer Position in der Rechtsabteilung zunächst auf ein Jahr befristet eine(n) junge(n), engagierte(n) Volljuristin/Volljuristen gesucht. Die Stellenanzeige beschrieb des Weiteren die erwarteten fachlichen und beruflichen Qualifizierungen. Die Bewerbung eines damals 49-jährigen Rechtsanwalts war erfolglos. Nachdem eine 33-jährige Mitbewerberin die Stelle erhalten hatte, klagte dieser auf Schadensersatz wegen des entgangenen Gehalts für ein Jahr sowie Schmerzensgeld wegen der erlittenen Altersdiskriminierung in Höhe von Euro. Dem abgelehnten Bewerber wurde eine Entschädigung in Höhe eines Monatsgehalts zugesprochen, die darüber hinaus geltend gemachten Ansprüche wurden abgewiesen. 1/5
2 II. Entscheidungsgründe AGG anwendbar Das BAG stellt zunächst fest, dass sich der abgewiesene Bewerber in einer vergleichbaren Situation zu der letztlich eingestellten Bewerberin befunden habe. Den Einwand des Arbeitgebers, der abgewiesene Bewerber habe entgegen der Aufforderung in der Stellenanzeige seine Gehaltsvorstellungen nicht mitgeteilt, weshalb der Bewerbung die subjektive Ernsthaftigkeit fehle, ließ das BAG nicht gelten, da der abgewiesene Bewerber darauf verwiesen habe, er habe sich bessere Einstellungschancen ausgerechnet, wenn er seine Gehaltsvorstellungen erst in einem persönlichen Gespräch darlege. Dies sei nachvollziehbar. Arbeitgeber muss Zugang einer Ablehnung beim Bewerber darlegen und beweisen Nach 15 Abs. 4 AGG müssen Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Zugang der Ablehnung geltend gemacht werden. Die Einhaltung dieser Frist war im konkreten Fall streitig. Das BAG führte aus, dass nach allgemeinen Grundsätzen der Arbeitgeber darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen habe, dass und wann diese Frist durch Zugang der Ablehnung beim Bewerber in Lauf gesetzt worden ist, während der Arbeitnehmer darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen habe, wann seine schriftliche Geltendmachung dem Arbeitgeber zugegangen ist. Ansprüche können auch über Telefax, Computerfax oder geltend gemacht werden Nach 15 Abs. 4 AGG muss ein Bewerber seine Ansprüche schriftlich geltend machen. Das BAG legt die Regelung dahin aus, dass dieses Schriftformgebot nicht die gesetzliche Schriftform (d.h. mit Original-Unterschrift) erfordert, sondern vielmehr die Textform nach 126 b BGB ausreicht. Die Geltendmachung von Ansprüchen im Sinne von 15 Abs. 4 AGG sei keine Willenserklärung sondern eine geschäftsähnliche Handlung. Auf solche finde das gesetzliche Schriftformgebot nicht unmittelbar Anwendung. Eine analoge Anwendung sei nicht geboten, vielmehr die entsprechende Anwendung von 126 b BGB völlig ausreichend. Stellensuche nach jungem(r) Bewerber(in) indiziert Benachteiligung wegen des Alters Weiterhin geht das BAG von einer unmittelbaren Benachteiligung des abgewiesenen Bewerbers wegen eines verpönten Merkmales aus. Indem er abgelehnt wurde, ohne zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein, habe er eine weniger günstige Behandlung erfahren als die eingestellte Bewerberin. Eine Benachteiligung könne auch in der Versagung einer Chance liegen. Durch die Nichteinladung sei dem abgewiesenen Bewerber diese Chance versagt worden. Seiner Darlegungslast genügt der abgewiesene Bewerber nach 22 AGG schon dadurch, dass er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines verbotenen Merkmals vermuten lassen. Dies ist nach dem BAG der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schlie- 2/5
3 ßen lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist. Es genüge, Hilfstatsachen vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zuließen, die aber die Annahme rechtfertigten, dass die Kausalität gegeben ist. Da ein Arbeitsplatz nach 11 AGG nicht unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ausgeschrieben werden darf, begründe eine solche fehlerhafte Ausschreibung die Vermutung dafür, die Benachteiligung sei wegen des in der Ausschreibung bezeichneten verbotenen Merkmals erfolgt. Werde in einer Stellenanzeige ein(e) junge(r) Bewerber(in) gesucht, so bestehe grundsätzlich die Vermutung, dass ein abgelehnter Bewerber wegen seines Alters benachteiligt worden sei, wenn eine deutlich jüngere Person eingestellt wurde. Zwar ist es dem Arbeitgeber in einem solchen Falle gestattet, zu beweisen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Hierfür verlangt das BAG Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass es ausschließlich andere Gründe waren als das Alter, die zu der weniger günstigen Behandlung geführt haben. Diesen Beweis vermochte der Arbeitgeber im vorliegenden Verfahren nicht zu führen. Sein Einwand, Bewerbungen ohne Angabe der Gehaltsvorstellung und wegen zu großer räumlicher Entfernung seien sofort aussortiert worden, wurde vielmehr durch die vernommenen Zeugen widerlegt. Entschädigungsanspruch ist zu kappen, wenn Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre Besteht der Entschädigungsanspruch dem Grunde nach, kann der abgewiesene Bewerber eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen ( 15 Abs. 2 AGG). Dieser an sich nur durch das Merkmal der Angemessenheit begrenzte Anspruch ist nach 15 Abs. 2 Satz 2 AGG allerdings auf höchstens drei Monatsgehälter zu kappen, wenn der abgewiesene Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Die Darlegungs- und Beweislast für diese zu Gunsten des Arbeitgebers geregelte gesetzliche Einschränkung des Entschädigungsanspruchs weist das BAG dem Arbeitgeber zu. Vorliegend hielt das BAG die Festsetzung einer Entschädigung in Höhe eines Monatsgehalts (der eingestellten Bewerberin) für angemessen. Der Arbeitgeber habe sich gegenüber dem abgelehnten Bewerber wegen seines Alters weder abwertend noch beleidigend verhalten. Außer der gesetzeswidrigen Stellenanzeige habe er sich keinem zu beanstanden Verhalten schuldig gemacht. Andere Beweislastverteilung beim Schadensersatzanspruch Den neben dem Entschädigungsanspruch geltend gemachten Schadenersatzanspruch nach 15 Abs. 1 AGG hielt das BAG für unbegründet. Insoweit habe der abgewiesene Bewerber nicht darzulegen und zu beweisen vermocht, dass ein Schaden bei ihm eingetreten und dieser kausal auf die Benachteiligungshandlung zurückzuführen sei. Anders als beim Entschädigungsanspruch müsse der abgewiesene Bewerber beim Schadenersatzanspruch nach allgemeinen Beweislastregeln auch die so genannte 3/5
4 haftungsausfüllende Kausalität darlegen und beweisen. Eine dem 15 Abs. 2 Satz 2 AGG vergleichbare Bestimmung enthalte 15 Abs. 1 AGG nicht. Somit treffe im Rahmen der Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs den Bewerber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er als der am besten geeignete Bewerber bei diskriminierungsfreier Auswahl die Stelle erhalten hätte. III. Folgen der Entscheidung Das Urteil sorgt in zahlreichen Fragestellungen zum AGG für erfreuliche Rechtsklarheit. Dies gilt sowohl für die Feststellung, dass übergangene Bewerber ihre Ansprüche lediglich in Textform geltend zu machen brauchen, als auch für die vom BAG vorgenommene Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Dass verpönte Merkmale in Stellenanzeigen nichts zu suchen haben, sollte mittlerweile betriebliche Praxis sein. Wie die BAG-Entscheidung verdeutlicht, indiziert allein die Erwähnung eines solchen Merkmals in der Stellenanzeige bereits eine Diskriminierung, die der Arbeitgeber in aller Regel kaum noch wird widerlegen können. 2. Entschädigungsanspruch eines schwerbehinderten Bewerbers nach Stellenbesetzung BAG-Urteil vom 19. August AZR 370/09 I. Sachverhalt Ein schwerbehinderter Mensch hatte sich um die Stelle eine Entwicklungsingenieurs beworben, die auf der Homepage des Arbeitgebers ausgeschrieben war. Zum Zeitpunkt des Eingangs seiner Bewerbung hatte der Arbeitgeber allerdings bereits einen geeigneten Kandidaten gefunden und mit diesem einen Arbeitsvertrag abgeschlossen. Er hatte lediglich unterlassen, die Ausschreibung von der Homepage zu löschen. Die Klage des schwerbehinderten Bewerbers auf Entschädigung war in allen Instanzen erfolglos. II. Entscheidungsgründe Das BAG verneinte die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch nach 15 Abs. 2 Satz 1 AGG in Verbindung mit 81 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB IX. Ein solcher Anspruch setze einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot voraus. Eine solche läge nur dann vor, wenn der abgewiesene schwerbehinderte Bewerber wegen seiner Behinderung eine weniger günstige Behandlung erfahren hätte als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Die Situation des abgewiesenen und des eingestellten Bewerbers sei indessen nicht vergleichbar gewesen. Der eingestellte Bewerber habe sich auf eine ausgeschriebene, noch offene Stelle beworben, der abgewiesene auf eine noch ausgeschriebene aber nicht mehr offene, sondern bereits besetzte Stelle. Der Arbeitgeber hätte den abgewiesenen Bewerber in Ermangelung einer im Zeitpunkt der Besetzung vorliegenden Bewerbung weder in das Bewerbungsverfahren einbeziehen können noch müssen. 4/5
5 Dass der Arbeitgeber vor und bei Einleitung des Besetzungsverfahrens die Bundesagentur für Arbeit nicht entsprechend der Bestimmung des 81 Abs. 1 Satz 2 SGB IX eingeschaltet hätte, führe zu keinem anderen Ergebnis. Denn in dem Zeitpunkt, als der Arbeitgeber seine diesbezüglichen Pflichten verletzte, sei der abgewiesene Bewerber noch nicht Beschäftigter im Sinne des AGG gewesen. Diesen Status habe er erst mit seiner späteren Bewerbung erlangt. Zu diesem Zeitpunkt habe der Arbeitgeber jedoch keine Beschäftigungsentscheidung mehr getroffen. III. Folgen der Entscheidung Auch dieses Urteil sorgt für weitere Rechtsklarheit. Auf eine Benachteiligung als Bewerber kann sich eine Person nur berufen, wenn ihre Bewerbung im Zeitpunkt der Besetzungsentscheidung dem Arbeitgeber bereits vorlag. Erfolgt dies erst zu einem Zeitpunkt, nachdem die Besetzungsentscheidung bereits getroffen ist, ist er kein Beschäftigter im Sinne des AGG. 3. Tarifvertragliche Ausschlussfrist und Entgeltanspruch eines Betriebsratsmitglieds BAG-Urteil vom 8. September AZR 513/09 I. Entscheidungsgründe Unter tarifliche Ansprüche im Sinne einer tariflichen Ausschlussfrist fasst das BAG auch gesetzliche und vertragliche Ansprüche, deren Bestand von einem tariflich ausgestalteten Anspruch abhängig ist. Die Tarifvertragsparteien wollten mit einer derartigen Klausel typischerweise langwierige Streitigkeiten über das Bestehen oder Nichtbestehen von tariflichen Ansprüchen vermeiden. Dieses Ziel werde nur dann erreicht, wenn alle Ansprüche, die rechtlich von tariflichen Ansprüchen abhängen, in gleicher Weise der tariflichen Ausschlussfrist unterworfen würden. II. Folgen der Entscheidung Betriebsratsmitglieder werden nicht für ihre Aufwendungen aus der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied vergütet, sondern erhalten ihren (tariflichen) Vergütungsanspruch für die Dauer einer Betriebsratstätigkeit weiter. Auch dieser Vergütungsanspruch unterfällt der tariflichen Ausschlussfrist, muss also im laufenden Arbeitsverhältnis nach 17 Ziff. 2 MTV Chemie innerhalb von drei Monaten bzw. bei beendetem Arbeitsverhältnis nach 17 Ziff. 3 MTV Chemie innerhalb von einem Monat schriftlich geltend gemacht werden. Mit freundlichen Grüßen ALLGEMEINE HAMBURGER ARBEITGEBERVEREINIGUNG E. V. Schwenke 5/5
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