Wie könnte Paulus also uns schreiben? Ich versuche es einmal:

Transkript

1 1 Liebe Gemeinde, es ist die Aufgabe der Predigt, das biblische Wort dem geneigten Hörer und der Hörerin verständlich werden zu lassen in seinem ursprünglichen Sinn und auch zu aktualisieren. Die Worte des Paulus liegen uns in Form von Briefen vor, die er an Christen geschrieben hat, die er zum Teil kannte, deren Gemeinde er zum Teil gegründet hat kurz, sie sind situationsbezogen und durchaus persönlich. Um diesen Charakter für die heutige Predigt behalten zu können, habe ich mich dazu entschieden, Person und Form zu aktualisieren und mein Verständnis einer Aktualisierung des Inhalts aus der Sicht des Paulus in Briefform, vielleicht könnte man auch sagen als zu verfassen, schließlich schreibe ich meine Texte direkt in den PC. Noch aktueller wäre vielleicht eine SMS, aber der Inhalt ist dann doch zu komplex, um ihn in einige kurze Worte zu fassen, wie es die SMS verlangt, genauer gesagt 160 Zeichen lang pro SMS. Wie könnte Paulus also uns schreiben? Ich versuche es einmal: Liebe Schlosskirchengemeinde zu Bonn, Gnade sei mir euch und Friede von Gott, unserem Vater und unserem Herrn, Jesus Christus! Ich selbst hätte, ehrlich gesagt, nicht erwartet, dass ich nach zweitausend Jahren einen Brief an eine christliche Gemeinde schreibe, denn wer hätte je gedacht, dass die Wiederkehr unseres Herrn so lange auf sich warten lässt. Ich gewiss nicht. Und ich kann mir vorstellen, wie schwer es sein muss, nach so langer Zeit stark im Glauben zu bleiben. Wir standen damals an den Anfängen und ich danke Gott, dass die Botschaft von der Liebe Gottes, die sich uns allen in Jesus Christus offenbart hat, sich ausgebreitet hat in die Welt. Und ich stelle fest, dass sich viel geändert hat, aber dass Menschen Menschen bleiben und das alte Spiel

2 2 der Welt weiter gespielt wird und ihr Christen in der Welt lebt und euch immer wieder damit auseinander setzen müsst. Und so möchte ich euch heute sagen, was ich schon der Gemeinde zu Korinth geschrieben habe und was noch immer aktuell ist. Ich schrieb damals: Denn das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen, Torheit; uns aber, die gerettet werden ist es Gottes Kraft. Es heißt nämlich in der Schrift: Ich lasse die Weisheit der Weisen vergehen und die Klugheit der Klugen verschwinden. Wo ist ein Weiser? Wo ist ein Schriftgelehrter? Wo ein Wortführer in dieser Welt? Hat Gott nicht die Weisheit der Welt als Torheit entlarvt? Denn da die Welt angesichts der Weisheit Gottes auf dem Weg ihrer Weisheit Gott nicht erkannte, beschloss Gott, alle die glauben, durch die Torheit der Verkündigung zu retten. Die Juden fordern Zeichen, die Griechen suchen Weisheit. Wir dagegen verkündigen Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen. Sehr doch auf eure Berufung Brüder! Da sind nicht viele Weise im irdischen Sinn, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme, sondern das Törichte in der Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zuschanden zu machen. Und das Niedrige in der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt: das, was nichts ist um das, was etwas ist, zu vernichten, damit kein Mensch sich rühmen kann vor Gott. Von ihm her seid ihr in Christus Jesus, den Gott für uns zur Weisheit gemacht hat, zur Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung. Wer sich also rühmen will, der rühme sich des Herrn, so heißt es schon in der Schrift. Das schrieb ich also den Korinthern. Es ist schwer, Eure beiden Gemeinden miteinander zu vergleichen. In Korinth waren es die Armen, die Entrechteten, die Würdelosen und Unfreien, die sich in der Gemeinde versammelt haben. Es waren die, die nach der Bewertung der Welt töricht und dumm waren, die kein

3 3 Geld und keine Macht hatten. Sie hatten in der Tat nichts dessen sie sich rühmen konnten nach dem Urteil der Welt um sie herum, die den schönen Schein der römischen Imperiums propagierte. Diese Regierung versprach allen Frieden und Reichtum, die in den Grenzen dieses Reiches lebten, gefordert waren dafür Anpassung, Loyalität, Teilnahme an den Opferfeiern für die Stadtgottheiten, und so weiter. Die Wahrheit war, dass es darum ging, die Menschen ruhig zu halten, sich jeder politischen Opposition zu entledigen in Wahrheit gab es Frieden und Reichtum nur für eine Minderheit. Sich zu einem Gott am Kreuz zu bekennen, von ihm zu erzählen, der den Tod eines politischen Aufrührers gestorben ist, war ein Risiko, das das Leben kosten konnte und in den Augen der Angepassten schlicht dumm. Wer sich öffentlich zu einem Gekreuzigten bekannte machte sich verdächtig. Wenn ich mir nun Euch betrachte, liebe Schlosskirchengemeinde, dann sitzen wohl kaum Arme unter Euch, Sklaven und Ungebildete. Es ist nicht möglich, Euch mit den von realen Existenzsorgen bedrohten Christen in Korinth zu vergleichen und auch nicht sinnvoll wenn ich es in diesem Sinne tu. Viele von euch sind gebildet und viele von Euch sind angesehene Mitglieder der Gesellschaft und doch würde ich euch dasselbe gerne noch einmal sagen, was ich den Korinthern eins sagte: Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren gehen, uns aber, die gerettet werden, ist es Gottes Kraft. Beide Gemeinden, die in Korinth und Eure, versammeln sich unter dem Kreuz mit dem Blick auf den Gekreuzigten. Wir sehen Gott, der die Weisheit der Welt ad absurdum führt der das, was in der Welt von Bedeutung ist wie Macht, Reichtum, Ehre und Glanz ins Gegenteil verkehrt. Der Weg zu Gott führt nicht über menschlichen Ehrgeiz, Leistung und Stärke, sondern über die Schwachheit, die Kraftlosigkeit und Ohnmacht. Ich darf Euch versichern, dass ich weiß, wie schwer es ist, das zu begreifen. Ich selbst habe versucht durch eigene Kraft und mit den besten Absichten in der Welt zu leben. Ich bin völlig in die Irre

4 4 gegangen bis mir der Gekreuzigte selbst begegnete Ihr kennt meine Geschichte und ich will Euch nicht verhehlen, dass ich auch heute noch mit mir selbst beständig kämpfe ich habe den festen Glauben und das Wissen, dass alle meine Schwächen ohne Bedeutung sind, ja, dass gerade sie mich zu Christus führen, aber trotzdem lebt in mir der Wunsch und Wille, das Gute zu tun, das Evangelium weiter zu tragen und nicht müde zu werden, diesen Auftrag zu erfüllen. Und gehe damit wieder in die gleiche Falle durch meine Weisheit und durch mein Tun gelange ich nicht zu ihm, werde ich der Botschaft nicht gerecht. Nur der beständige Blick auf das Kreuz hilft mir zu begreifen, was ich bin und wer ich bin. Immer in der Versuchung, der Weisheit der Welt zu folgen. Dabei ist es nicht das Offensichtliche. Ihr wisst, dass es mir nicht um den Ruhm der Welt geht. Es ist eine subtilere Versuchung, nämlich die, mich nicht ganz von der Liebe Gottes tragen zu lassen, nicht vollkommen anzunehmen, dass er mir die Versöhnung in seiner vollkommenen Hingabe schenkt. Immer wieder zu denken, ich muss dem aber doch irgendwie gerecht werden. Die Weisheit des Kreuzes aber ist, dass Gott bis in die Gottverlassenheit geht, damit auch sie nicht mehr gottverlassen ist, dass in allen meinen Unzulänglichkeiten, in meinen Verzweiflungen und den emotionalen Leerstellen meines Lebens, an denen ich keine Liebe und Freude mehr spüren kann, dass da Gott schon vor mir ist. In wie vielen Zeugnissen in den Schriften ist uns das begegnet: Nähme ich Flügel der Morgenröte und flöge zum äußersten Meer, würde auch dort deine Hand mich erfassen und dein Rechte mich halten, Herr. Spräche ich, Finsternis möge mich decken und Nacht statt Licht um mich sein, wäre die Finsternis nicht finster bei dir und die Nacht würde leuchten wie der Tag. So steht es im Psalm 139. Ist Gott nicht der Schöpfer aller Dinge aus dem Nichts? Sind wir nicht wunderbar gemacht durch seinen Willen und seine Liebe? Hat er nicht sein Volk durch die Wüste geführt? Und da wir es so schwer verstehen können, den Bezugspunkt verlieren und Ruhm und Weisheit der Welt verführerisch sind, ist er selbst

5 5 Mensch geworden und ist den Weg als Mensch gegangen bis zum Tode am Kreuz. Daran müssen allerdings die irre werden, die ihr Leben auf alles Irdische ausgerichtet haben. Die ihre Gaben, die sie von Gott geschenkt bekommen haben, zu ihrem eigenen Ruhm brauchen, weil sie sonst keine andere Selbstgewissheit und Erfüllung erlangen können. Sich auf die Seite des Gekreuzigten zu stellen, sich damit auf die Seite derer zu stellen, die gekreuzigt worden sind, die im Elend stehen, die die Verlierer des Weltspiels sind, das ist die Umkehr des geltenden Wertesystems. Ich weiß, dass viele Christen und Christinnen im Laufe der langen Zeit, seit wir begonnen haben, die Botschaft in die Welt zu bringen, deshalb in den Tod gegangen sind, weil es den Machthabern unerträglich war, dass ihre Macht durch diese Botschaft angezweifelt wurde. Ich weiß, dass die Weisheit der Welt zum Nutzen und zur Bereicherung einiger weniger führt. Manchmal scheint vielleicht alles verloren und sinnlos, die Welt am Abgrund aber genau dann ist es wichtig, wieder gemeinsam auf das Kreuz zu schauen. Ich habe den Christen und Christinnen in Korinth dies geschrieben, weil sie zum einen von mir von der Kraft Gottes hören mussten, denn ihre Situation war politisch und wirtschaftlich schwer und sie hatten sich zum anderen in Konflikte verstrickt, die sie dazu brachten, ihre Einheit in Christus aus den Blick zu verlieren. Wie ich schrieb, sollten sie sich ihrer Berufung gewiss werden, dass sie, die nicht reich waren und nicht vornehm von Gott in ihrer Schwachheit erwählt worden sind. Euch möchte ich an dieser Stelle etwas anderes sagen, ausgehend von der derselben und einen Botschaft vom Kreuz: Ihr seid erwählt, erlöst, befreit. So nutzt Eure Talente und Gaben, sie für Gott gewinnbringend einzusetzen für Recht und Gerechtigkeit, für ein Leben in Solidarität mit denen, die in Not und

6 6 Unrecht leben, für die, die leiden und Beistand und Trost brauchen. Das ist euer Auftrag in der Welt. Seid fröhlich und dankbar in Gott alle Tage und lebt in der Weisheit Gottes wie es seiner Liebe entspricht. So grüße ich euch, liebe Schlosskirchengemeinde und stelle fest, wie wunderbar Gottes Wege sind, dass auch noch 2000 Jahre nach dem Beginn, die Botschaft, um die ich mich so bemühte, von Bedeutung ist. Und der Friede Gottes, der höher ist, als alle menschliche Vernunft, der bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.