Erfahrungsbericht. Name: Stephanie Vock. Land: Canada. Stadt: Montreal. Unternehmen: Wm. Melvin Weigel

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1 Erfahrungsbericht Name: Stephanie Vock Land: Canada Stadt: Montreal Unternehmen: Wm. Melvin Weigel Ausbildungsstelle: Wm. Melvin Weigel 1001, Boul. de Maisonneuve Ouest, Suite 410 Montreal, Quebec, Canada, H3A 3C8 Tel. (514) Fax (514) @compuserve.com Die Kanzlei ist Anfang April 1999 umgezogen. Neue Adresse: 2055, Rue Peel, Suite 265, Montreal, Quäbec, Canada Der neue Postal Code ist mir leider nicht bekannt, kann jedoch im Internet abgefragt werden., Die Kanzlei Die Kanzlei ist für nordamerikanische Verhältnisse eher untypisch: Es handelt sich um eine kleine Kanzlei, in der lediglich Monsieur Weigel (trotz seines deutschen Namens ein `echter Kanadier; Jahrgang 1950) als einziger Anwalt tätig ist. Daneben sind noch zwei oder drei Bürokräfte in der Kanzlei beschäftigt (die meisten in Teilzeit) sowie meist ein 'Paralegal'. Im Sommer kommen dann i.d.r. noch zwei bis drei Referendare oder Praktikanten (Stagiaires) dazu. Wm. Melvin Weigel arbeitet fast ausschließlich auf dem Gebiet des kanadischen Immigrationsrechts. In diesem- Zusammenhang übernimmt er regelmäßig auch Forschungsaufträge oder beteiligt sich an größeren Forschungsprojekten (z.b. rechtsvergleichende Studie über die Einwanderungsbestimmungen der SADC-Länder (Southern African Development Community)). Daneben vertritt er die rechtlichen Interessen deutscher Behörden und`privatpersonen in Canada, die sich meist auf Empfehlung des deutschen Generalkonsulats in Montreal an ihn wenden. Monsieur Weigel ist überdies in vielen Fällen Ansprechpartner deutscher Rechtsanwälte vor Ort. Er ist außerordentliches Mitglied des Deutschen Anwaltvereins sowie Mitglied der Deutsch-Kanadischen Juristenvereinigung. Er gilt allgemein als `Fachanwalt' für Problemstellungen auf dem Gebiet des Internationalen Rechts. Die sehr geräumige Kanzlei (mit einem eigenem Arbeitszimmer auch für die Stagiaires) liegt außerordentlich zentral (au centreville - downtown) an der Boulevard De Maisonneuve, zwischen der Rue Sherbrooke und der Rue Ste-Catherine, den zwei bevorzugten Einkaufs- und belebtesten Straßen der Innenstadt. Das neue Büro in der Peel Street liegt nur etwa zwei Gehminuten von der alten Adresse entfernt. Beide Büros befinden sich in unmittelbarer Nähe der Juristischen Fakultät der McGill University, in deren Bibliothek man sich je nach Bedarf durch Studium der NJW über das 1

2 Rechtsleben in Deutschland auf dem Laufenden halten kann und freien Zugang zum Internet hat. Die tägliche, aber nicht strikt gehandhabte Arbeitszeit ist etwa von 9 * Uhr. Fest vereinbarte Zeiten gibt es nicht. Von den Stagiaires wird grundsätzlich erwartet, daß sie von Montag bis Freitag ganztägig in der Kanzlei arbeiten. Wer die ihm übertragenen Aufgaben und Mandate im Griff hat, kann aber durchaus auch mal einen verlängerten Wochenendausflug planen. Die von manchen amerikanischen Büros bekannte sehr offizielle Kleidung (Anzug für den Herren bzw. Kostüm für die Dame) ist bei Melvin Weigel nicht Pflicht. Es sollte jedoch ein Mittelweg zwischen der offiziellen Kleidung und Jeans mit T-Shirt gefunden werden. Die Arbeit in der Kanzlei Meine Hauptaufgabe bestand in der Bearbeitung der deutschen Akten. Ein Großteil der Akten betraf die Durchsetzung von Forderungen deutscher Behörden gegenüber den in Kanada lebenden Anspruchsgegnern; es handelte sich i.d.r. um die Rückforderung zuviel geleisteter Rentenzahlungen von den Erben der verstorbenen Rentenberechtigten. Aufgabe der Kanzlei war es, zunächst (meist unter Einschaltung einer Detektei) die Erben ausfindig zu machen, um diese dann zur Rückerstattung des Geldes (unter Androhung gerichtlicher Schritte) aufzufordern und bei Nichtleistung den Anspruch vor Gericht durchzusetzen. Die meisten Fälle dieser Art konnten jedoch ohne Mithilfe des Gerichts, meist durch einen außergerichtlichen Vergleich (sog. Receipt, Release and Discharge), geregelt werden. Ich verfaßte in diesem Zusammenhang die erforderlichen Schriftsätze (im allgemeinen in Englisch), arbeitete die Vergleichsvereinbarungen aus und erledigte eigenständig die Korrespondenz mit der Mandantschaft. Daneben betreute ich deutsche Mandate verschiedenster Art. So erkundigte ich mich beispielsweise bei Behörden nach einem in den Nachlaß eines deutschen Erblassers fallenden Grundbesitz in der Provinz Quebec (Art des Grundstücks, offene Steuern, Marktwert für den Fall einer späteren Veräußerung etc.), kümmerte mich für die in Deutschland lebenden (deutschen) Erben um die Nachlaßregelung eines in Kanada verstorbenen Erblassers (kanadischer Staatsangehörigkeit) oder erteilte einer Mandantin Rat und Auskunft im Hinblick auf die Möglichkeiten der Durchsetzung ihrer Erbansprüche in Deutschland. Dabei wurde ich immer wieder auch mit Problemstellungen aus dem Bereich des internationalen Privatrechts konfrontiert. Zu meinem Aufgabengebiet zählte zudem die Bearbeitung von Problemstellungen des internationalen Verfährensrechts (z.b. Anerkennung und Vollstreckung eines Versäumnisurteils aus Hongkong in der Provinz Quebec). Auch die Mitarbeit bei den zahlreichen kanadischen Immigrationsakten wurde verlangt. Darüber hinaus wurde von mir erwartet, daß ich Botengänge erledige und den Telefondienst übernehme. Auch Kopierarbeiten, das Ablegen von Akten oder kleine Übersetzungen fielen an. War bei der Betreuung der Mandate auch das kanadische Recht zu beachten, so mußte ich mich hierzu durch Selbststudium mit den entsprechenden Vorschriften vertraut machen. Vorausgesetzt wurde auch, daß ich die Textverarbeitungsprogramme beherrsche und sowohl persönliche Gepräche als auch Telefonate mit Mandanten, Behörden usw. selbständig führen kann. Zum Aufgabengebiet eines Praktikanten gehört in der Regel auch die Mitarbeit an Forschungsarbeiten oder langfristigen, größeren Forschungsprojekten, beispielsweise dem 'Southern African Migration Project. Es handelt sich hierbei um einen rechtsvergleichenden 2

3 Überblick über die Einwanderungsbestimmungen der SADC-Länder (Southern African Development Community). Aufgabe früherer Stagiaires war es u.a., die geltenden Gesetze, Verordnungen und Bestimmungen vergleichbarer europäischer, z.b. Schengener Abkommen und Vertrag von Maastricht, südamerikanischer oder arabischer Modelle zusammenzustellen. Die dafür notwendigen Recherchen wurden in der juristischen Bibliothek der McGill University durchgeführt. Die Auswertung des gefundenen Materials sowie die Ausarbeitung eines abschließenden Berichts steht zum Großteil wohl noch aus.... Daneben werden die gerade anwesenden Referendare oder Praktikanten regelmäßig mit den vorbereitenden Recherchen, der Abfassung einer Tischvorlage oder Zusammenstellung von Informationsmappen für Vorträge anläßlich einer Tagung, z.b. der International Bar Association, betraut. Monträal Montreal ist - nach Toronto - die zweitgrößte Stadt Kanadas und - nach Paris - die zweitgrößte frankophone Metropole der Welt. Inmitten des St.-Lorenz-Stroms in der Provinz Quebec gelegen, sind Montreals Straßen eine faszinierende Mischung von Alt und Neu. So findet man gleich neben den glänzenden Wolkenkratzern der Innenstadt ein altes Viertel mit mehr historischen Gebäuden als sie irgendeine andere nordamerikanische Stadt zu bieten hat. Neben zahllosen Museen, Kirchen und Galerien besitzt die Stadt auch zahlreiche Parks, eine `wiederbelebte' Hafengegend und zahlreiche stimmungsvolle Ecken mit Bars, Cafes und einigen der besten Restaurants des Kontinents. Östlich der `Main', dem Bouievard St-Laurent, herrscht bis heute das Französische vor, das Zentrum und der Westen- hingegen sind vorwiegend englisch geprägt, doch angesichts der Vier-zu-eins-Mehrheit der Frankophonen dominiert natürlich in der Stadt das französische Element (wenngleich Zweisprachigkeit die Regel ist). Besonders attraktiv an Montreal ist sein europäischer Charme in einem nordamerikanischen Umfeld, was nicht nur an der internationalen Atmosphäre, den zahlreichen Restaurants und Kaffeehäusem, sichtbär wird, sondern auch an der künstlerischen Blüte der Stadt. Die Winter in Montreal sind lang und bitterkalt. Die kalten Wintermonate dauern meist von Mitte November bis Mitte April. Die Temperatur im Januar beträgt durchschnittlich -10 C, sie kann aber auch bis auf -25 C absinken. Durchschnittliche Schneemenge: 242 cm. Der strenge Winter kümmert die Monträalais jedoch wenig. Es gibt zahllose Eisbahnen, und auf dem Mont-Royal und anderorts vergnügen sich die Ski- und SchneeEnthusiasten. Es gibt Eishockey und die Montreal Canadiens, eine der großen kanadischen Hockeymannschaften. Die Ville Souterraine (Underground City) bietet auf 29 km Einkaufsmöglichkeiten, und die Restaurants, Kaffeehäuser und Bars sind rund ums Jahr geöffnet. Ende Januar findet die `Fete des Neiges' (Schneefest) mit Veranstaltungen auf den Iles Notre-Dame und Ste- Helene (z.b. Schneeskulpturenwettbewerb) statt. Sprachkenntnisse Allgemein: HI, BONJOUR! Entgegen anderen Landesteilen Kanadas gelten in der Provinz Quebec beide Sprachen der Gründernationen als Amtssprachen. Per Provinzgesetz ist jedoch Französisch die offizielle Geschäfts- und Regierungssprache. Beide Sprachgruppen bekriegen sich nach wie vor. Die frankophonen Quebecois legen größten Wert auf ihre Sprache und setzen sie teilweise mit Gesetzen und Klagen durch. Den Zankapfel bilden meist Straßenschilder auf Englisch, die nicht dem Französischen untergeordnet sind. Trotz nationalistischer Bestrebungen war das in der Provinz gesprochene Französisch nie vollkommen rein. Quebecois und französische Besucher haben es häufig schwer, gemein- 3

4 same Begriffe zu finden. Doch dies wird inzwischen eher als belustigend denn störend empfunden, zumal die Montrealais mittlerweile Unterschiede anerkennen und selbstbewußter geworden sind. Typisch für Montreal ist der jaoul, ein Dialekt, dessen Name eine Verunstaltung des französischen Wortes für Pferd (chevan darstellt. Dieser derbe Dialekt wird vor allem in der Arbeiterklasse gesprochen. Auch die Aussprache weicht erheblich vom echten" Französisch ab. Einen Frankokanandier unterscheidet man schon von weitem von einem Pariser oder Marseillais. Die Frankokanadier sprechen guttural, lispeln leicht, neigen zu Diphtongen und verwandeln Einzelvokale in exotische Formen. In der Kanzlei: Gute Englischkenntnisse sind Voraussetzung, Kenntnisse der juristischen Fachsprache nicht unbedingt erforderlich, aber hilfreich. In der Praxis erworbene Kenntnisse sind sicher von Vorteil, gutes Schulenglisch reicht i.d.r. jedoch aus. Man trifft in Kanada im allgemeinen nicht auf Vorbehalte, wenn man nicht perfekt Englisch spricht (einzige Ausnahme wie mir schien: Wm. Meivin Weigel... ). Französischkenntnisse sind ebenfalls von Vorteil, aber nicht zwingend. Wm. Melvin Weigel verfügt über gute Kenntnisse der deutschen Sprache. Wie die meisten Montrealais ist er zweisprachig. Er bevorzugt jedoch das Englische. Die finanzielle Seite Das Referendargehalt reicht in Kanada für die Deckung der Lebenshaltungskosten im Normalfall aus. Ein Zimmer kostet warm zwischen DM 400,00 und DM 600,00 im Monat. Die Lebensmittel (ausgenommen Käseprodukte) sowie die Preise für Gerichte in Restaurants liegen in etwa auf deutschem Niveau. Dank des sehr gut organisierten öffentlichen Personennahverkehrs benötigt man in Montreal (und auch Toronto) kein Auto (bei länger andauernden Aufenthalten braucht man i.d.r. einen internationalen Führerschein; die Zeitgrenzen hierfür sind jedoch, von Provinz zu Provinz unterschiedlich). Eine Monatskarte für die Metro kostet 46 CAN $. Auf jeden Fall sollte man über eine Kreditkarte (Master- oder Visacard) verfügen. Trotz des hohen Zeitaufwandes gibt es in der Kanzlei von Wm. Melvin Weigel für deutsche Rechtsreferendare und Praktikanten leider keine (zusätzliche) Ausbildungsvergütung ( I am spoiled to get free Germans"). Ein Kaufkraftausgleich scheidet nach Auskunft des Auswärtigen Amts für Montreal leider aus. Bewerbung und Anforderungen Ausgangspunkt für meine Bewerbungen waren die Listen der ausbildungswilligen ausländischen Anwälte des Deutschen AnwaltVereins (Adenauerallee 106, Bonn, Tel.: 0228/2607-0; Fax: 0228/ , DAV-Informationen zur Ausbildung im Ausland und in ausländischen Rechten") sowie der Deutsch-Kanadischen Juristenvereinigung (e.v., Kleppingstraße 9-11, Dortmund, Tel / , Fax 0231 / ). Zusätzlich habe ich jedoch das internationale Anwaltsverzeichnis MartindaleHubbel (auch im Internet unter zu Rate gezogen, um die Tätigkeitsschwerpunkte der verschiedenen Kanzleien ausfindig zu machen und mit meiner Wahlfachgruppe abzugleichen. Das Verzeichnis enthält Informationen über die Anwälte der Kanzlei, teilweise einschließlich Werdegang, und stellt gleichzeitig sicher, daß man seine Bewerbung auch an die aktuelle Adresse der Kanzlei schickt. Die Kanzlei von Wm. Melvin Weigel war zu dem damaligen Zeitpunkt jedoch noch nicht in diesem Verzeichnis zu finden. Die Bewerbung für einen der sehr begehrten Praktikumsplätze in Canada sollte möglichst 4

5 frühzeitig erfolgen, d.h. mindestens 9-12 Monate vor dem gewünschten Termin. Es werden grundsätzlich auch sehr langfristige Zusagen erteilt. Aber auch Kurzentschlossene haben gute Chancen. Viele Referendare, die nach frühen Bewerbungen Zusagen erhalten haben, entscheiden sich später doch für die Promotion oder eine andere Ausbildungsstelle. Zwei bis drei Monate vor Beginn der Wahlstation ist eine telefonische Anfrage, ob noch Vakanzen.- bestehen, durchaus sinnvoll. Ein kurzes Anschreiben mit tabellarischem Lebenslauf (Curriculum Vitae oder einfach nur 'CV') (ohne Bild, da in Amerika und Canada untypisch) genügt in der Regel. Das Anschreiben kann wahlweise in Englisch oder Französisch verfaßt werden. Wegen des anderen Ausbildungssytems in Canada empfiehlt sich der Hinweis auf das bereits abgeschlossene Studium (Referendarstatus) und die Beamteneigenschaft (Fortzahlung der Bezüge durch den Dienstherrn). Manche Kanzleien (insbesondere Wm. Melvin Weigel) fordern die Bewerber stets auf, ein Photo sowie 'weitere Informationen zur Person' nachzureichen. Diese Verfahrensweise dient jedoch ausschließlich dazu, die Entscheidungsfindung zwischen den oft zahlreichen Bewerbern zu erleichtern. Man sollte sich dadurch jedenfalls nicht abschrecken lassen und ruhig noch einmal sein Interesse an einer Ausbildung in dieser Kanzlei und in dieser Stadt darlegen. Die Auswahl der Bewerber erfolgt i.d.r. nicht anhand der Note des ersten Staatsexamens, sondern vielmehr nach deren gesamtem bisherigen Werdegang. Zeugnisse über interessante Nebentätigkeiten oder Empfehlungsschreiben sind daher sehr hilfreich. Die Ausbildungsteilen bevorzugen zudem Praktikanten, die mehr als drei Monate im Ausland verbringen wollen, was schon wegen der Eingewöhnungsphase zu empfehlen ist. Hat man einmal einer Zusage erhalten, sollte man sich auch nicht scheuen, die Ausbildungsstelle bei der Suche nach einer geeigneten Unterkunft um Hilfe zu bitten. Viele Kanzleien verfügen über entsprechende Adressenverzeichnisse. Einreisebestimmungen Eine Visumspflicht für Touristen entfällt in Kanada bei Aufenthalten bis zu 90 Tagen. Bei der Einreise erfolgt jedoch eine Befragung. Dabei sollte man auf jeden Fall betonen, daß man nur Praktikant ist, keine Bezahlung erhält und in keinem Arbeitsverhältnis steht. Außerdem sollte man erwähnen, daß man verpflichtet ist, nach Deutschland zurückzukehren, um Abschlußprüfungen zu absolvieren. Auskünfte erteilt die Kanadische Botschaft, Einwanderungsabteilung (Immigration Section), Godesberger Allee 119, Bonn, Tel. (0228) Nachwort Abschließend möchte ich noch ein paar Worte zu meinem persönlichen Eindruck von (m)einer Ausbildung in der Kanzlei von Wm. Melvin Weigel 'loswerden': Zu meinem Bedauern mußte ich während meines Aufenthalts in der Kanzlei feststellen, daß Wm. Meivin Weigel fast ausschließlich eine beratende und vermittelnde Funktion ausübt, und somit nur sehr selten vor Gericht auftritt. Die Möglichkeit, meinen Ausbildungsanwalt zu Gerichtsverhandlungen zu begleiten, und dadurch einen Einblick in das kanadische Zivilverfahren zu gewinnen, entfiel damit völlig. Auch innerhalb der Kanzlei gab es kaum Gelegenheiten, die Grundzüge des kanadischen Rechtssystems sowie die Rechtspraxis kennenzulernen. Zudem hatte ich leider, das Pech, daß mein Ausbildungsanwalt durch überwiegende Abwesenheit während' meines Aufenthalts in Montreal 'glänzte'. Während seiner beiden Auslandsdienstreisen (Gesamtdauer 8 Wochen) erfolgte eine 'Ausbildung per '; ich hatte 5

6 jeden Abend einen 'Tätigkeitsbericht' zu schreiben, in dem ich darlegte, was ich getan hatte und wie sich der jeweils aktuelle Stand der Akten darstellte, am darauffolgenden Tag erhielt ich (meist) Antwort (und Kritik) mit neuen Anweisungen und Hilfestellungen. Zahlreiche Mißverständisse erschwerten die Arbeit noch zusätzlich. War Wm. Melvin Weigel in der Kanzlei, war er meist so beschäftigt, daß er für uns Stagiaires kaum Zeit hatte. Die Besprechungen der zu bearbeitenden Akten fanden meist dann statt, wenn es eigentlich Zeit war, den Arbeitstag zu beenden (während man sich die Stunden vorher in Selbstbeschäftigung übte...). Nachfragen, wenn man etwas mal nicht auf Anhieb verstanden hatte, waren nicht sehr willkommen ('Oh Boy!'). Mein (Referendars-) Kollege sah sich aufgrund der Umstände in der Kanzlei (auch während der Abwesenheit unseres Ausbilders bestand grundsätzlich Anwesenheitspflicht für die Stagiaires) gezwungen, seine Wahlstation bei einem anderen Anwalt in Montreal fortzusetzen. Das zuständige OLG hatte hierzu sein Einverständnis gegeben. Schon der Wunsch meines Kollegen, während seiner Ausbildungszeit in Montreal nur vier Tage die Woche in der Kanzlei zu arbeiten, hatte zahlreiche Diskussionen ausgelöst. Das zuständige OLG hatte Wm. Melvin Weigel bereits im Vorfeld über die in diesem OLG-Bezirk gängige Regelung informiert; da sich die Rechtsreferendare noch in der Ausbildung befänden und nicht als Arbeitnehmer für die ausbildende Stelle tätig würden, und aufgrund des Umstandes, daß sich die Referendare jederzeit angemessen auf die mündliche Prüfung vorzubereiten hätten und gehalten seien, selbständig ihre Fachkompetenzen (insbesondere im Hinblick auf den gewählten Schwerpunktbereich) zu vervollkommnen, sei den Rechtsreferendaren angemessene Zeit zum Selbststudium zur Verfügung zu stellen. Die Ausbildungsund Arbeitsbelastung der Rechtsreferendare solle daher 2 bis maximal 3 Tage nicht überschreiten. Wm. Melvin Weigel reagierte dennoch mit völligem Unverständnis und bewertete das Verhalten des Kollegen mit Arroganz. Fazit Stets hängt der Grad der Zufriedenheit davon ab, weiche Erwartungen man hegt. Stünde ich heute noch einmal vor der Entscheidung, in welcher Kanzlei ich meine Wahlstation ableisten möchte, würde ich eine Kanzlei wählen, in der mehrere Anwälte tätig sind. Sog. `law firms' sind in den USA und Kanada keine Seltenheit, sondern eher die Regel. Nur auf diesem Wege lassen sich Erfahrungen der von mir gemachten Art vermeiden, da man nicht von dem Wohl einer einzigen Person abhängig ist, sondern meist von verschiedenen Anwälten betreut wird. Trotz allem wird mir die Zeit in Montreal unvergeßlich bleiben. Die Stadt ist einmalig und hilft über so manche Schatten hinweg. Die Entscheidung, dort meine Wahlstation abzuleisten, habe ich jedenfalls nie bereut! Ich habe viel gesehen, erlebt und auch gelernt. Ich habe vor allem die Wochenenden zu Kurztrips genutzt und an den Aufenthalt in Montreal noch einen dreiwöchigen Urlaub angehängt, um die Stadt und ihre Umgebung ausgiebig zur: erkunden und das Land bis zu den Niagara Fällen zu durchreisen. Ich kann jedem nur empfehlen, den Schritt zu einem Auslandsaufenthalt zu wagen. ' Stephanie Vock, Rechtsreferendarin, im Mai