gemeinsam mit ihrer Tochter im Nachbarhaus wohnt.

Transkript

1 JAPAN Jedem, der sich dazu entscheiden sollte ein Semester an der HCU in Japan zu studieren, kann ich nur den Japanisch Intensivsprachkurs am LSI in Bochum empfehlen. Dieser Kurs erwies sich als überaus nützlich, nicht nur die Japanische Sprache auch jede Menge Tips für das Leben in Japan und den Umgang mit den Menschen wurden uns vermittelt. Der einzige Nachteil ist der Preis. Die drei Wochen in Bochum lagen bei ca Dennoch gut angelegtes Geld, wie ich im Nachhinein finde. Zwischen dem Sprachkurs - mehr brauchbare Angebote gab es nicht - und dem Abflug nach Japan, lag leider nur eine knappe Woche. In dieser kurzen Zeit galt es eine Modenschau in der FH mit zu gestalten, gleichzeitig mussten wir uns um unser Visum kümmern. Die dafür nötigen Papiere kamen erst im Auslandsbüro an, als meine Kommilitonin und ich am Sprachkurs teilnahmen. Zu dritt machten wir uns, nach erfolgreicher Modenschau, am 20. September auf den Weg nach Japan. Über Frankfurt ging es zunächst mit JAL nach Tokyo Narita. Angekommen, mussten wir samt Gepäck mit der Airport Limousine (Bus) zum Flughafen Tokyo Haneda fahren, um von dort den Flug nach Hiroshima zu bestreiten. In Hiroshima kamen wir am späten Abend an und mussten die letzte Airport Limousine in Richtung Hiroshima City nehmen. Am Nakasuji Station wurden wir vom netten Santohsan und seiner Frau abgeholt. Bei ihnen verbrachten wir unsere erste Nacht in Japan. Ohne es zu wissen wählten wir für unsere Ankunft einen der vielen japanischen Feiertage aus. An diesen Tagen ist es besonders schwer günstige Unterkünfte zu finden und so lernten wir schon am ersten Tag die Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Japaner kennen. Am nächsten Morgen wurden wir auf unsere jeweiligen Unterkünfte aufgeteilt. Glücklicherweise konnte ich gemeinsam mit meiner Kommilitonin in einem traditionell japanischen Haus unterkommen. Dieses wird von Okasan vermietet, einer älteren Dame, die

2 gemeinsam mit ihrer Tochter im Nachbarhaus wohnt. Nachdem wir unsere Gepäckstücke abgeladen und einen Rundgang durch das Haus gemacht hatten, fuhren Okasan und deren Tochter Kikuesan mit uns zum nahegelegenen Shoppingcenter. Dies war hilfreich und nützlich, um sich mit den japanischen Lebensmitteln vertraut zu machen. Wir wurden schon in Deutschland aufgeklärt, dass der japanische Winter sehr kalt werden kann - vor allem im Haus, da die Japaner nicht über ausgeklügelte Heizungssysteme verfügen. Ein kleiner Benzinofen stand in jedem Schlafzimmer zur Verfügung. Beim Anund Ausschalten, dies geschah alle drei Std., stank es so fürchterlich, dass wir Türen und Fenster zum Lüften aufreißen mussten. Dies war zwar in keiner Weise ökonomisch, bewahrte uns aber vor Kopfschmerzen. Wir schliefen auf Futons. Da die Kälte nachts, ohne Ofen, nicht auszuhalten war, besorgten wir uns Heizdecken. Schlimm fand ich das nicht, eher lustig. Man sollte nur ausreichend Vitamine zu sich nehmen um sich nicht zu erkälten. Die erste Woche nutzten wir, um uns in der Stadt umzusehen, Museen und Gedenkstätten zu besuchen, uns mit dem öffentlichen Leben und auch Verkehrsmitteln vertraut zu machen. Bis zum Unibeginn hatten wir nur eine Woche Zeit. Öffentliche Verkehrsmittel sind in Japan relativ teuer. Vergünstigungen, wie Wochen- oder Monatskarten gibt es nicht. Jede Stadtfahrt musste somit gut überlegt sein, da wir noch kein Gefühl für die Lebenshaltungskosten im Verhältnis zu unserem Budget hatten. Wir waren gut vorbereitet. Projekte, die wir während des Semesters bearbeiten wollten, hatten wir uns schon vorher überlegt. Somit verlief das erste Zusammentreffen mit unseren Professoren sehr gut. Anschließend wurden wir über den großen Campus geführt. Ich studiere in Hannover Modedesign und entschied mich in Japan mehr über das Textildesign zu lernen.

3 Unser Professor Herr Kurauchi verstand uns durch seinen eingeschränkten englischen Wortschatz zwar nicht immer gleich, unsere geringen Japanischkenntnisse halfen da auch nicht. Aber es war stets lustig nach geeigneten japanischen Wörtern oder Umschreibungen zu suchen. Langweilig wurde es nie. Nie kam ein Gefühl der Ablehnung auf. Der Wille, die Sprachwidrigkeiten zu überwinden, war Trumpf. Er besprach mit uns unsere Schwerpunkte, zeigte uns alle Möglichkeiten, die wir während unseres Semesters in Hiroshima hätten, auf. Entscheidungen mussten getroffen werden, denn das Angebot war sehr umfangreich. Ich entschied mich für den Siebdruck und Katazome, um Stoffe und Labels für meine geplante Kinderkollektion herzustellen. Im Angebot waren Techniken wie Katazome Rōzome Shibori Siebdruck Mischtechniken Mir wurde klar, wie kurz das Semester doch war. Gemeinsam mit Kurauchisensei stellte ich meinen Stundenplan zusammen, um möglichst viele Techniken erlernen zu können. Jedem Modedesign Studenten, der sich entscheiden sollte ein Semester an der HCU zu studieren kann ich nur empfehlen, sich vor Antritt der Reise, ein Projektthema zu überlegen. Selbständiges arbeiten in den Werkstätten ist bei der Anfertigung einer Kollektion unumgänglich. Da die Professoren auf Textildesign spezialisiert sind, gibt es bei der Bearbeitung einer Kollektion keine Unterstützung. Machbar ist es dennoch, obwohl die Zeit, für die Kollektionsherstellung, sehr knapp war. Abhängig von der Häufigkeit der Werkstattarbeit und dem Verbrauch von Farben, wird am Ende des Semesters eine Rechnung erstellt, die recht hoch sein kann. In der Uni gibt es leider nur drei Nähmaschinen. Den größten Teil meiner Kollektion konnte ich zu Hause nähen, da mir Okasan ihre Maschine zur Verfügung stellte. So konnte ich den Kampf um eine der Maschinen in der Uni umgehen.

4 Zweimal die Woche nahmen wir vier Studentinnen aus Hannover am Japanischunterricht teil. Drei verschiedene Senseis gingen mit uns das vor Ort erworbene Lehrbuch durch. Besonders Mio, die Jüngste, hatte Spaß uns mit verschiedenen Übungen und Spielen die japanische Sprache nahe zu bringen. Die ca. 3 wöchigen Weihnachtsferien sollten, nach Empfehlung der Univerantwortlichen, zum Reisen genutzt werden. Während des Semesters war durch den gut gefüllten Stundenplan nicht einmal am Wochenende Zeit. Für meine Reisen nach Tokyo, Osaka und Kyoto nutzte ich ausschliesslich den Nachtbus. Diese Art zu Reisen mag zwar nicht die komfortabelste oder schnellste sein, sie ist jedoch die günstigste Variante um größere Strecken zu absolvieren. Es empfiehlt sich stets ein Nackenkissen dabei zu haben. Man sollte beachten, dass laute Gespräche mit Sitznachbarn oder Telefonate in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erwünscht sind. Dies war äusserst entspannend, Japaner nutzen die Fahrt zu ihren Arbeitsplätzen, um Schlaf aufzuholen. Wir hatten das Glück, dass unsere Vermieterin uns bei der Schnäppchenjagd nach günstigen Übernachtungen half. So zahlten wir pro Übernachtung in Tokyo oder Osaka zwischen für ein Doppelzimmer. Die Metro Netze sind übersichtlich und auch für Studenten, die den Kanjis nicht mächtig sind, verständlich gestaltet. Tokyo ist gar nicht so teuer, wenn man nicht so anspruchsvoll ist. Zwei Wochen Tokyo, Kyoto und Osaka sollten kein Problem sein. In den meisten Restaurants findet man sich recht gut zurecht, da die meisten angebotenen Spezialitäten in Plastikform im Schaufenster zu begutachten sind. So fällt einem die Auswahl leichter. Es ist auch immer möglich, von Aussen, die Preisliga zu checken, um nicht in einem unbezahlbarem Restaurant zu landen. Alle Experimentierfreudigen werden in Japan Spaß haben verborgene Geschmackssinne zu aktivieren. Ihr werdet herausfinden, dass Bohnen ein wichtiger Bestandteil für leckerste Süßigkeiten sind.

5 Durch Okasan lernte ich Dinge wie Ikebana alles um die Reisernte Herstellung von Miso Teezeremonie Herstellung von Okonomiyaki japanische Feiertage und deren Bedeutung und vieles, vieles mehr kennen. Die Möglichkeit, unter Japanern zu leben ist lehrreich und inspirierend. Ich kann nur jedem Bewerber empfehlen, der am täglichen, wie auch traditionellen Japan interessiert ist, ins Haus von Okasan zu ziehen. Monatlich zahlten wir 25,000, Nebenkosten und Internet inclusive. Ihr Haus liegt auf einem Berg in einer ländlichen Umgebung. Mit dem Bus braucht man ca. 12 Minuten in die Uni oder 30 Minuten in die Stadt. Einkäufe lassen sich zu Fuß erledigen. Da Hiroshima sehr bergig ausläuft, empfiehlt sich das Radfahren nur für Hochleistungssportler. Um uns Fahrtkosten zu ersparen, nahm uns Kikuesan auf ihrem Weg zur Arbeit ein Stückchen mit. So waren wir ungewollt die Ersten in der Uni, konnten aber Geld fürs Reisen sparen. Meine Zeit in Japan möchte ich nicht missen. Ich kann jedem nur empfehlen, dieses Abenteuer zu wagen. Marlin Reinsch