Arzneimittelberatung bei seltenen Erkrankungen
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- Herbert Knopp
- vor 7 Jahren
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1 Arzneimittelberatung bei seltenen Erkrankungen Rare Disease Day Symposium MHH, Solidarität Rare but Strong Together Roland Seifert, MHH
2 @ Sehr geehrte Damen und Herren, ich schreibe Ihnen aus den USA, weil ich hoffe, bei Ihnen einen Experten zu finden, der uns weiterhelfen kann. Bei meiner Freundin (45 Jahre alt) wurde letztes Jahr das SANDO-Syndrom diagnostiziert. Es hat mehrere Jahre gedauert, bis diese Diagnose gestellt werden konnte. In den letzten Monaten ist die Krankheit immer schlimmer geworden, und es ist furchtbar, den Verlauf hilflos mit ansehen zu müssen. Können Sie uns weiterhelfen? Manchmal gibt es in Europa innovativere Forschung und bessere Behandlungsmöglichkeiten als hier in den USA. Vielen Dank!
3 Was ist das SANDO-Syndrom? Sensorisch-ataktische Neuropathie mit Dysarthrie und Ophthalmoparese
4 Was ist das SANDO-Syndrom? Ursache für die Erkrankung: Mutationen in der mitochondrialen DNA (POLG1- oder PEO1 (Twinkle)-Gen) Symptome: Schwere sensorisch-ataktische Neuropathie, Dysarthrie, progressive externe Ophthalmoplegie Muskelbiopsie zeigt Myopathie mit Ragged Red Fasern (RRF) Behandlungsmöglichkeiten?
5 Was ist das SANDO-Syndrom? Pubmed-Recherche Das SANDO-Syndrom gehört zu den POLG-Erkrankungen, zu denen auch diverse andere mitochondriale Erkrankungen zählen.
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7 Was ist das SANDO-Syndrom? Mitochondrienerkrankungen (Beispiele) Defekte mitochondrialer DNA Atmungskette, Komplex 1: LHON (Lebersche hereditäre Optikusneuropathie) trna: MELAS (mitochondriale Enzephalomyopathie mit Laktatazidose und Schlaganfall-ähnlichen Episoden) Defekte nukleärer Gene Frataxin: FA (Friedreich-Ataxie) POLG: AHS (Alpers-Huttenlocher-Syndrom) MEMSA (Myoklonische Epilepsie mit Myopathie und sensorischer Ataxie) SANDO (Sensorisch-ataktische Neuropathie mit Dysarthrie und Ophthalmoparese)
8 POLG = Mitochondriale DNA Polymerase γ Mitochondrium mtdna ADP ATP POLG
9 Mitochondrienfunktion: Physiologie und Pathophysiologie K1 K2 Q10 K3 K4 K5 POLG Mitochondrium ATP Zellstoffwechsel
10 Mitochondrienfunktion: Physiologie und Pathophysiologie K1 K2 Q10 K3 K4 K5 ROS Mutationen POLG Mitochondrium ATP Zellstoffwechsel Klinische Symptome Neuronendegeneration gestörte Neurotransmitter- Freisetzung
11 Therapieversuch mit Coenzym Q10 (Idebenon) bei Mitochondrienerkrankungen Coenzym Q (Q10) K1 K2 Q10 K3 K4 K5 ROS Mutationen POLG Mitochondrium ATP Zellstoffwechsel Klinische Symptome Neuronendegeneration gestörte Neurotransmitter- Freisetzung
12 Welche Behandlungsmöglichkeiten für POLG-Erkrankungen gibt es? Pubmed-Recherche 28 Publikationen z.b.
13 Symptomatische Therapie mit Antiepileptika (z. B. Lamotrigin) Magnesium bei Status epilepticus Vorsicht mit Valproinsäure, weil Mitochondrien-Toxizität!
14 Mögliche Therapie des SANDO-Syndroms Coenzym Q wegen ähnlicher Pathophysiologie wie bei anderen POLG-Erkrankungen Symptomatische Behandlung der Epilepsie Symptomatische Behandlung der Polyneuropathie Probleme Off-label-use Bislang keine klinischen Studien Rechtzeitiger Therapiebeginn erforderlich Bezahlung der Therapie durch Versicherungsträger?
15 Medikation des zur Beratung gekommenen SANDO-Patienten (I) Arzneistoff Wirkungsmechanismus Beurteilung Coenzym Q10 Verbesserung der Funktion der Wirkungsnachweis in klinischen mitochondrialen Atmungskette, Studien fehlt, aber nicht Radikalfänger schädlich Amitriptylin nicht-selektiver Monoamin- Symptomatische Besserung Wiederaufnahme-Inhibitor der Polyneuropathie, Gefahr von Krampfanfällen und anticholinergem Syndrom bei Überdosierung Escitalopram selektiver Serotonin- Keine synergistische Wirkung Wiederaufnahme-Inhibitor mit A. bei Polyneuropathie, ähnlicher Wirkungsmechanismus wie A., Gefahr des Serotoninsyndroms und von Krampfanfällen bei Überdosierung
16 Medikation des zur Beratung gekommenen SANDO-Patienten (II) Arzneistoff Wirkungsmechanismus Beurteilung Coenzym Q10 Amitriptylin Escitalopram Empfehlung: Absetzen Lamotrigin Antiepileptikum, Antiepileptische Wirkung, pleiotrope Wirkungs- neuroprotektive Wirkung, mechanismen keine Mitochondrientoxizität Clobazam Benzodiazepin, Antiepileptische Wirkung, keine Antiepileptikum Mitochondrientoxizität, aber Abhängigkeit und Gewöhnung, Entzugserscheinungen, für Dauertherapie nicht gut geeignet Empfehlung: Absetzen! ggf. Dosiserhöhung von Lamotrigin
17 Empfohlene Medikation des zu beratenden SANDO-Patienten So wenig Arzneistoffe wie möglich Kompromiss zwischen Symptomlinderung und unerwünschten Arzneimittelwirkungen Keine perfekte Therapie, keine Evidenz-basierte Therapie
18 Zielgerichtete Therapie von Mitochondrienerkrankungen Erkrankung Arzneistoff Mechanismus MNGIE CoQ-Defizienz MELAS MELAS MERFF Thymidinphosphorylase Coenzym Q10 Dichloracetat L-Arginin NO-Freisetzung CGP37157 (mitochondr. Calciumkanalblocker) Gentherapie mittels Knochenmarkstransplantation Spezifisches Substrat einer Komponente des mitochondrialen Elektronentransportes Hemmung der Pyruvatdehydrogenase, Laktatazidose, Studienstopp wegen reversibler Polyneuropathie in allen Behandlungsfällen Verminderung von Schlaganfällen durch verbesserte NO-vermittelte Vasodilatation Verbesserung der mitochondrialen Ca 2+ -Homöostase
19 Mitochondrien-Erkrankungen als Modell für Volkserkrankungen M. Alzheimer K1 K2 Q10 K3 K4 K5 POLG M. Parkinson Diabetes mellitus POLG-Mutation Mitochondrium Herzinfarkt ROS ATP Zellstoffwechsel Klinische Symptome Zellzerstörung
20 In Entwicklung befindliche Therapiestrategien Körperliches Ausdauertraining Antioxidanzien und Radikalfänger: Vitamin E, Carnitin, ungesättigte Omega-3-Fettsäuren, Vitamin B, C, K ( Cocktail ) Stimulation der mitochondrialen Biogenese: z. B. über β 2 -Adrenozeptor und nukleären Rezeptor PGC1α: Bezafibrat Reduktion der mitochondrialen Permeabilität: Cyclosporin A, Sangliferin Verbesserung der Ca 2+ -Homöostase: Blockade mitochondrialer Ca 2+ -Kanäle Hemmung der Mitochondrienfragmentierung Aktuell über 40 doppelt-blinde randomisierte Studien über Pharmaka für Mitochondrienerkrankungen
21 Schlussfolgerungen Orphanet und Pubmed sind wichtige und sich ergänzende Datenbanken, aber nicht perfekt Fachwissen über pathophysiologische Mechanismen wichtig Häufig keine klinischen Studien, sondern nur off-label-use möglich Profundes pharmakologisches Fachwissen zur Abschätzung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen unabdingbar Arzneimittel für seltene Erkrankungen haben breiteres Anwendungsspektrum als primär vermutet Sehr enger Forschungsbezug der Arzneimittelberatung notwendig Forschung an Orphan Drugs lohnt sich für alle!
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