Denkendorfer Nano-Forum ITV Denkendorf präsentiert Prüfsiegel für selbstreinigende Textilien

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1 PRESSE INFO Denkendorfer Nano-Forum ITV Denkendorf präsentiert Prüfsiegel für selbstreinigende Textilien Denkendorf (fm) Über 200 Teilnehmer informierten sich am 06. April 2006 auf dem Denkendorfer Nano-Forum über die Umsetzung des Selbstreinigungseffektes für Textilien. Das Institut für Textil- und Verfahrenstechnik (ITV) hatte eingeladen, um wissenschaftliche Grundlagen und zahlreiche Anwendungsbeispiele für den Selbstreinigungseffekt zu präsentieren und der Branche das Denkendorfer Prüfsiegel für selbstreinigende Textilien vorzustellen. Die große Resonanz zeigte den hohen Informationsbedarf der Industrie und die besondere Aktualität des Themas. So hob auch Prof. Dr.-Ing. Heinrich Planck, Direktor des ITV, in seiner Begrüßungsrede die Notwendigkeit zur wissenschaftlich fundierten Information über Nanotechnologie und deren Nutzen für den Textilbereich hervor und unterstrich die besondere Kompetenz des ITV in diesem Forschungsbereich. Im Auditorium war die textile Kette breit vertreten: Textilhersteller und -veredler sowie Konfektionäre aus den Bereichen Technische Textilien, Automotiv, Heimtextilien und Bekleidung kamen in das SI-Centrum Stuttgart, um sich über die Anwendung der Nanotechnologie für Textilien und das neue Prüfsiegel des ITV zu informieren. Selbstreinigung nach dem Vorbild der Natur Im ersten Themenblock zeigten Dr. Hermann Schirra von der sarastro GmbH und Prof. Dr. Barthlott vom Nees-Institut in Bonn mit faszinierenden Bildern, wie Selbstreinigung in der Natur gelingt. Nicht nur die Lotusblume sondern auch viele andere Pflanzen und Insekten reinigen sich von selbst. So machte Prof. Barthlott seine ersten Forschungen an der Kapuzinerkresse und entdeckte hier erstmals den Zusammenhang von Oberflächenstruktur und Selbstreinigungseffekt, der heute patent- und markenrechtlich als Lotus- Effekt geschützt ist. Das aus der Natur abgeschaute Wirkprinzip basiert auf überlagerten Mikro- und Nanostrukturen der Oberfläche in Verbindung mit Superhydrophobie. Kurzfilme zeigten überaus eindrucksvoll den Effekt und die zugrundeliegende Funktionsweise. Nicht glatt, wie man zunächst meinte, sondern rau, müsse die Oberfläche sein, um für die Selbstreinigung geeignet zu sein, erklärte Prof. Barthlott den Kern seiner Entdeckung, deren

2 /2 erste Ansätze er bereits in den 80-er Jahren machte. Heute ist in vielen Anwendungsgebieten die Übertragung des Wirkprinzips aus der Natur auf technische Oberflächen gelungen. Dr. Schirra stellte mit Schwerpunkt auf der Medizintechnik verschiedene Produkte aus dem Bereich nanotechnologischer Entwicklungen vor und hob die Besonderheiten textilspezifischer Applikationen hervor. Hier ist vor allem die für viele textilen Anwendungsgebiete benötigte Waschbeständigkeit selbstreinigender Ausrüstungen eine anspruchsvolle Aufgabe. Dies zeigte sich auch in der lebhaften Diskussion, die sich an die Vorträge anschloss. Beide Referenten mahnten in ihren Beiträgen eine korrekte Verwendung der Begriffe Lotus-Effekt und Nano an. Viele der mit nano augezeichneten Artikel würden der üblichen, beispielsweise vom BMBF verwendeten, Definition von Nanotechnologie nicht standhalten, so Dr. Schirra. Seiner Einschätzung nach entsprechen nur etwa % der Artikel am Markt den Kriterien der Definition und zeigen Strukturen, die kleiner als 100 Nanometer sind. Gleiches gilt für das Selbstreinigungsvermögen. Der Lotus- Effekt wird heute gerne für die bessere Vermarktung genutzt. Der Natur vergleichbare Eigenschaften sind jedoch bei vielen Produkten nicht nachzuweisen. Das Ergebnis ist eine große Verunsicherung im Markt. Mincor TX TT Selbstreinigung für Technische Textilien Für die Erzeugung nanostrukturierter Oberflächen zur Umsetzung des Selbstreinigungseffektes auf Textilien sind spezielle Ausrüstungsmittel erforderlich. Dr. Ralf Nörenberg, Leiter Produktentwicklung Textilhilfsmittel der BASF AG, stellte hierfür Mincor TX TT, ein neues Produkt aus seinem Forschungsbereich, vor. Mit Mincor TX TT können auf Polyester-Textilien selbstreinigende Oberflächen erzeugt werden. So ausgerüstete Flächenwaren erfüllen bei fachgerechter Applikation die strengen Kriterien des Denkendorfer Prüfsiegels. Für die Vermarktung von Mincor sieht BASF die Auswahl von Partnerbetrieben vor. Wir brauchen qualifizierte Partner, die über das entsprechende Know how zur Applikation von Mincor und ein entsprechendes Qualitätsmanagement zur Absicherung der Produktqualität verfügen. Zusammen mit der Qualitätszertifizierung durch das ITV Denkendorf können wir damit ein Höchstmaß an Sicherheit und Vertrauen schaffen. Gegenstand weiterer Entwicklungen ist die Applikation auf Baumwolle und die für viele Anwendungen erforderliche Waschbeständigkeit der Ausrüstung. So ist der Einsatz von Mincor TX TT zunächst nur für Technische Textilien, wie zum Beispiel Markisen, Zelte oder Sonnenschirme vorgesehen. Gleichzeitig forciert BASF die Weiterentwicklung für Heim- und

3 /3 Bekleidungstextilien, doch hier wird es noch einige Zeit brauchen, bis die Anforderungen erfolgreich umgesetzt werden können. Ein bis zwei Jahre Entwicklungsarbeit liegen da sicher noch vor uns, so antwortete Nörenberg einem interessierten Teilnehmer in der Diskussion. Nachgewiesene Wirkung ein Prüfsiegel stellt sich vor Basierend auf seinen langjährigen Forschungen zur Oberflächenfunktionalisierung und Nanotechnologie hat das ITV Denkendorf ein Prüfsiegel für Textilien mit selbstreinigender Wirkung nach dem Vorbild der Natur entwickelt. Der Markt bietet inzwischen viele Textilien mit dem Versprechen selbstreinigend ; doch nicht alles, was nano ist oder mit dem Lotus-Effekt beworben wird, bringt auch den gewünschten Nutzen. Hier setzt das Denkendorfer Prüfsiegel an und sorgt durch definierte Prüfverfahren und kriterien für Sicherheit und Transparenz. Das Qualitätszeichen wurde in Kooperation mit Prof. Barthlott, dem Entdecker und Patent- sowie Markeninhaber des Lotus-Effektes, erarbeitet. Andreas Scherrieble vom ITV Denkendorf informierte über die Prüfkriterien des Siegels. Die gesamte Prüfsequenz besteht aus 4 Prüfungen: Mit Hilfe eines Spraytests und durch Überprüfung des Abrollwinkels werden die superhydrophoben Eigenschaften ermittelt. REM-Aufnahmen geben ein Bild von der Oberflächenstruktur und müssen das Vorhandensein von überlagerten Mikro- und Nanostrukturen belegen. Als letztes untersucht die Selbstreinigungsprüfung das Mass der Anschmutzung mit Standardschmutz und die Reinigbarkeit mit gesprühtem Wasser. Beständigkeiten wie z.b. die Wasch-, Scheuer- oder Witterungs-Beständigkeit werden in Abstimmung auf das jeweilige Produkt und seine Anwendung geprüft und im Prüfbericht dokumentiert. Die Vergabe-Modalitäten für das Prüfsiegel präsentierte Dr. Thomas Stegmaier, Leiter der Forschungsgruppe Oberflächenfunktionalisierung am ITV. Flächenware und Endprodukte können mit dem neuen Prüfsiegel ausgezeichnet werden, soweit sie die definierten Anforderungen erfüllen. Die Zertifizierung wird jährlich erneuert und durch Stichproben, die sich das ITV vorbehält, überprüft. Dr. Volkmar von Arnim vom ITV Denkendorf informierte über Grundlagen und Anwendungen des Lotus-Effektes für Textilien und erklärte damit die Basis für das neue Prüfsiegel. Ausgehend von der natürlichen, nanostrukturierten und superhydrophoben Oberfläche der Lotuspflanze stellte von Arnim die spezifischen Anforderungen für die Umsetzung des Lotus-Effektes auf textile Oberflächen vor.

4 /4 Gefahrenquelle Nanotechnologie Wie ein roter Faden zog sich die Frage um die Gefahren der Nanotechnologie durch die Vorträge und Diskussionen. Um die Gefährdung bei der Verarbeitung nanopartikelhaltiger Ausrüstungschemikalien abschätzen zu können, wurde vielfach die Etablierung eines Risikomanagements gefordert. So hat beispielsweise BASF bei der Entwicklung von Mincor bereits ein Risk Assessment berücksichtigt und durch Messungen die Unbedenklichkeit bei sachgemäßem Gebrauch und Herstellung von ausgerüstetem Gewebe nachgewiesen. Über die aktuelle Rechtslage zum Arbeitsschutz bei der Verarbeitung nanopartikelhaltiger Textilhilfsmittel informierte Dr. Lothar Neumeister von der Textil- und Bekleidungs-Berufsgenossenschaft (TBBG), Augsburg. Seit Anfang 2005 gilt eine neue Gefahrstoffverordnung, die eine Gefährdungsbeurteilung verlangt und Arbeitsplatzgrenzwerte statt der bisher geltenden TRK-Werte vorgibt. Grenzwerte für ultrafeine Partikel sind hierbei leider nicht definiert. Interne Messungen der TBBG zeigen im Vergleich zu anderen Arbeitsplatzbereichen eine geringe Belastung mit ultrafeinen Partikeln bei mechanischen textilen Verarbeitungsverfahren. Messergebnisse beim Verarbeiten nanopartikelhaltiger Ausrüstungschemikalien liegen der TBBG bisher nicht vor. Unternehmen, die Interesse an einer Überprüfung der entsprechenden Partikelbelastung haben, können Kontakt mit der TBBG aufnehmen. Blick über den Gartenzaun: Lotusan, eine Erfolgsstory aus dem nicht textilen Bereich Eines der erfolgreichsten Produkte mit dem Lotus-Effekt ist die Fassadenfarbe Lotusan. Ulrich Geisel von der Sto-Gruppe präsentierte die Erfolgsstory von Lotusan und sprach von der Freude für ein Unternehmen, Produkte mit dem Lotus-Effekt zu vermarkten. Der Mehrwert und Nutzen selbstreinigender Produkte sei perfekt zu visualisieren und damit leicht vermittelbar. So wird die Akzeptanz beim Kunden schnell und einfach erreicht. Der Erfolg sei beinahe vorprogrammiert. Im März 1999 begann nach 5 Jahren Entwicklungsarbeit die Vermarktung von Lotusan. Heute ist Lotusan die erfolgreichste Fassadenfarbe weltweit. Über 15 Millionen m² Fassadenfläche wurden seit dem Vermarktungsstart mit Lotusan gestrichen, über 6 Millionen Liter Lotusan sind inzwischen verkauft. Die Eckpfeiler dieser Erfolgsgeschichte seien eins zu eins auf textile Produkte übertragbar. Es konnte keine bessere Motivation für alle Teilnehmer des Nano-Forums geben.

5 /5 Informationen im Foyer Unter dem Motto Der Natur auf der Spur: Lotus-Effekt zum Anfassen präsentierte die begleitende Foyerausstellung Informationen und praktische Versuchsstände zum Selbstreinigungseffekt. Informationsstände von Sto, BASF und dem ITV ergänzten die Ausführungen der einzelnen Beiträge der Referenten. Per Videofilm wurde das beschriebene Wirkprinzip der Selbstreinigung demonstriert. BASF und ITV luden ein, den Selbstreinigungseffekt selbst anhand ausgelegter Waren mit dem Lotus-Effekt zu überprüfen. Viele Teilnehmer nutzen diese Chance und experimentierten mit Schmutz und Wasser. Der dabei zu beobachtende Selbstreinigungseffekt begeisterte alle. Die Vorträge und Diskussionen des Nano-Forums gaben eine klare Zielsetzung für die weitere Forschung und Entwicklung mit auf den Weg. Einmal mehr wurde der hohe Erwartungsdruck der Textilindustrie deutlich. Die erfolgreiche Realisierung des Selbstreinigungseffektes für Bekleidung und Heimtextilien ist gefordert. Gleichzeitig müssen die Beständigkeitsanforderungen für selbstreinigende Textilien geklärt und eine Verbindung mit dem Denkendorfer Prüfsiegel erarbeitet werden. Das Nano-Forum gab hierfür nicht zuletzt durch die lebhafte Diskussion der Teilnehmer wichtigen Input. Detaillierte Informationen zum Prüfsiegel können kostenlos beim ITV Denkendorf, Tel.: 0711/ oder unter angefordert werden. Der Tagungsband mit allen Vortragsunterlagen kann zum Preis von 110,-- zzgl.mwst bestellt werden. Ansprechpartner: Dr. Thomas Stegmaier Anke Fellmann (Presse) ; ;

6 /6 Bild 1: Denkendorfer Prüfsiegel für selbstreinigende Textilien Bild 2: Dr. Thomas Stegmaier, ITV Denkendorf