Hexen in Süddeutschland ein verhextes Thema des Genderansatzes

Transkript

1 Hexen in Süddeutschland ein verhextes Thema des Genderansatzes Prof. Dr. Frank Meier Verbrennung einer Hexe, Schweizer Bilderchronik des Diebold Schilling (Ausschnitt)

2 Gliederung 1 Der gender-ansatz eine geeignete Fragestellung für die Hexenforschung? 2 Was ist eine Hexe? 2 Erkenntnisse der Hexenforschung in Schwäbisch- Österreich 3 Ein Plädoyer für eine Regionalisierung des gender-ansatzes

3 1 Der gender-ansatz eine geeignete Fragestellung für die Hexenforschung?

4 . 1 Der gender-ansatz eine geeignete Fragestellung für die Hexenforschung? In den letzten beiden Jahrzehnten hat der gender- Ansatz die traditionelle Frauen- oder Männergeschichte verdrängt (vgl. Lerner 1991, 1995a, 1995b). Die Kategorie gender bezieht sich auf die gesellschaftlich relevanten Interpretationen der biologisch gegebenen Geschlechtsunterschiede (Popp 2001, 294). Unterschieden wird zwischen dem natürlichen Geschlecht (sex) und dem sozialen Geschlecht (gender) (Popp 2001, 294). Gender-Frage: Inwieweit sind gesellschaftlich relevante Interpretationen von Geschlechtsunterschieden ursächlich für die Hexenverfolgung?

5 1 Der gender-ansatz eine geeignete Fragestellung für die Hexenforschung? Literatur Lerner, Gerda: Die Entstehung des feministischen Bewußtseins: vom Mittelalter bis zur ersten Frauenbewegung. Studienausg., Frankfurt 1995a. Lerner, Gerda: Die Entstehung des Patriarchats, Frankfurt am Main Lerner, Gerda: Frauen finden ihre Vergangenheit: Grundlagen der Frauengeschichte, Frankfurt/Main, New York 1995b. Popp, Susanne: Der schwierige Umgang mit der Kategorie gender. Geschichtsdidaktische Reflexionen zu einer universalen Kategorie des Geschichtsunterrichts, in: zusammen mit Pellens, Karl/Behre, Göran/Erdmann, Elisabeth/Meier, Frank (Hrsg.): Historical Consciousness and History Tea-ching in a Globalizing Society, Frankfurt a. M., Popp, Susanne: Der schwierige Umgang mit der Kategorie gender. Geschichtsdidaktische Reflexionen zur Frauengeschichte im deutschen Geschichtsunterricht unter Berücksichtigung des deutschen "Historikerinnen-Streits", in: Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart i. Zsarb. m. Frauen & Geschichte Baden-Württemberg e. V. (Hrsg.): Klio macht Geschichte. Frauen- und Geschlechtergeschichte. Vermittlungsstrategien in Schule und Erwachsenenbildung, Stuttgart 2001,

6 Was ist eine Hexe? David (4 Jahre) 2009: Eine Hexe hat einen Hut, einen Zauberstab und ein hässliches Gesicht!

7 Was ist eine Hexe? gelehrte Antworten Der Hexenhammer (Malleus Maleficarum), verfasst von dem Dominikaner Heinrich Kramer und Jakob Sprenger 1487 auf der Grundlage Hexenbulle (Summis desiderantes affectibus) von Innozenz VIII. ( ) vom 5. Dezember 1484: Andere führen noch andere Gründe an, weshalb sich die Weiber in größerer Zahl als die Männer abergläubisch zeigen; und zwar sagen sie, dass es drei Gründe seien: der Erste ist der, dass sie leichtgläubig sind; [ ] der Zweite Grund ist, weil sie von Natur wegen der Flüssigkeit ihrer Komplexion leichter zu beeinflussen sind zur Aufnahme von Eingebungen durch den Eindruck gesonderter Geister; infolge dieser Komplexion sind viele, wenn sie sie gut anwenden, gut; wenn schlecht, um so schlechter. Der Dritte Grund ist, dass ihre Zunge schlüpfrig ist, und sie das, was sie durch schlechte Kunst erfahren, ihren Genossinnen kaum verheimlichen können und sich heimlich, da sie keine Kräfte haben, leicht durch Hexenwerke zu rächen suchen; [ ] Item kann auch der Grund angefügt werden, dass, da sie hinfällig sind, sie auch desto schneller den Dämonen Kinder opfern können, wie sie dann auch so handeln. (Der Hexenhammer 1980 I, S )

8 Was ist eine Hexe? eine gelehrte Antwort Der berühmte Arzt und Alchemist Paracelsus ( ) 1531 in seinem Traktat über Die Gefährlichkeit der Hexen : Von dem großen Missbrauch der magica und wie sie zur zauberei wird. Und was menschlicher Vernunft zu erfahren und was zu ergründen unmöglich ist, das kann durch diese Kunst der magica erfahren und begründet werden [ ] denn magica ist eine behende reine Kunst [ ] Wie denn alle Hexen tun, die sich in die Kunst eingeflickt, sich darinnen geübt und sich mit ihr umgeben, wie eine Sau im Kot. So ist sie durch sie zur Zauberei geworden, und es ist nicht unbillig, noch unrecht, dass man sie alle und alle Zauberer mit dem Feuer hinrichtet. (zit. nach: Hallinger 1999, S. 52)

9 Was ist eine Hexe? eine gelehrte Antwort Aus einem Augsburger Brief des ersten deutschen Jesuiten Petrus Canisius ( ) an den Ordensgeneral Layenz von 1563: Man sah früher niemals in Deutschland die Leute so sehr dem Teufel ergeben und verschrieben. Unglaublich ist die Gottlosigkeit, Unkeuschheit, Grausamkeit, welche unter Satans Anleitung diese verworfenen Weiber offen und insgeheim getrieben haben [ ] nichts scheint gesichert zu sein gegen ihre entsetzlichen Künste und Kräfte. Der gerechte Gott lässt das zu wegen der schweren Vergehen des Volkes, welche man durch keine Buße sühnt. (zit. nach: Hallinger 1999, S. 41)

10 Was ist eine Hexe? eine gelehrte Antwort Der Schriftsteller Anton Praetorius ( ) Gründlicher Bericht von Zauberey und Zauberern, Heidelberg 1613: Hexen sind die Personen / von welchen man sagt / daß sie nachts hinfahren / und mit dem teuffel Wolleben und Buhlschaft pflegen [ ] Ich habe etliche hinrichten sehen / die weder Menschen noch Viehe bezaubert hatten / sondern nur in deß Teuffels Gehorsam sich begeben / Diese thue ich mit dem gemein Wörtlein Hexe von allen anderen unterscheiden. (zit. nach: Hallinger 1999, S. 46).

11 Was ist eine Hexe? eine gelehrte Antwort Der Jesuit Friedrich von Spee ( ) in seiner Cautio Criminalis 1631: 1. Frage Ob es wirklich Hexen, Zauberinnen oder Unholde gibt? Ich antworte: Ja. [ } 2. Frage Ob es in Deutschland mehr Hexen und Unholde als anderorts gibt? Ich antworte: Das weiß ich nicht. [ ] 3. Frage Was die Hexerei oder Zauberei für ein Verbrechen ist? Ich antworte: Sie ist ein besonders ungeheuerliches und abscheuliches Verbrechen, denn in ihr treffen die schlimmsten Vergehen zusammen, wie Abfall vom Glauben, Ketzerei, Religionsfrevel, Gotteslästerung, Mord, ja sogar Vatermord, oft auch widernatürliche Unzucht mit einem Geschöpf der Geisteswelt und Hass gegen Gott, welches die denkbar grässlichsten Verbrechen sind. [ ] (Friedrich von Spee: Cautio Criminalis oder Rechliches Bedenken wegen der Hexenprozesse, 1631, München 6. Aufl. 2000, S. 1-5.)

12 Was ist eine Hexe? Vom Zaubereibegriff zum elaborierten Hexenbegriff Johannes Nider 1435/37: Formicarius ( Der Ameisenstaat ) Heinrich Institoris/Jacob Sprenger, 1487: Malleus Maleficarum ( Hexenhammer ) Paulus Grillandus, päpstlicher Richter, 1524: Tractatus de Hereticis et Sortilegiis Jean Bodin 1580: Vom außgelaßnen wütigen Teufelsheer der besessenen, unsinnigen Hexen und Hexenmeister Peter Binsfeld, Weihbischof zu Trier, 1589: Tractat von Bekanntnuß der Zauberer und Hexen Nicolas Rémy: Richter in Lothringen, 1595: Démonolâtrie Martin Anton Delrio, ein Jesuit, 1599: Magische Nachforschungen ( Disquisitionum magicarum libri sex ) Henri Bouqet, ein Richter aus Burgund, 1602: Discours des Sourcies Francesco Guazzo, ein Mailänder Mönch, 1608: Compendium Maleficarum Pierre de Lancre, ein französischer Richter, 1612: Tableau de l inconstance des mauvais anges et démons Benedict Carpzow 1635: Practica Rerum Criminalium

13 Was ist eine Hexe? Wortgeschichte Hexery Wort in einem Gedicht Martina Hugos von Langenstein aus dem 13. Jh.; hagazussa im alamanischen Raum seit dem 10. Jh. bekannt (Schild 2004, S. 1). Hand Baldung Grien: Witches. Woodcut Hexen beim Schadenszauber (nachträglich koloriert) Source: R. Decker, Hexen, Alamanische Fastnacht in Rottweil

14 Was ist eine Hexe? Vom Zaubereibegriff zum elaborierten Hexenbegriff Diffuser Begriff der Zauberei im Frühmittelalter Ketzerbegriff des Hochmittelalters Scholastik (z.b.: Thomas von Aquin) Ketzer als moralisch schlechter Mensch, der auch über Zauberkräfte verfügt Elaborierter Hexenbegriff der Frühen Neuzeit (1. Hälfte 15. Jh.) Hand Baldung Grien: Witches. Woodcut Hexen beim Schadenszauber (nachträglich koloriert) Source: R. Decker, Hexen, 2004, Frontispiz

15 Was ist eine Hexe? Vom Zaubereibegriff zum elaborierten Hexenbegriff Elaborierter Hexenbegriff der Frühen Neuzeit (1. Hälfte 15. Jh.) (nicht in allen Territorien übernommen!): Teufelspakt Teufelsbuhlschaft (Frau!) Hexensabbat Luftfahrt Schadenszauberei Hand Baldung Grien: Witches. Woodcut Hexen beim Schadenszauber (nachträglich koloriert) Source: R. Decker, Hexen, 2004, Frontispiz

16 Was ist eine Hexe? Der Zauberei- und Hexenprozess Zwei Rechtsgrundlagen: Der Hexenhammer (Malleus Maleficarum) von Heinrich Kramer und Jakob Sprenger von 1487 konzentriert den Straftatbestand der Hexerei auf Frauen. Die Halsgerichtsordnung (Constitutio Criminalis Carolina) Kaiser Karls V. ( ) von 1532 kennt nur den diffusen, älteren Begriff der Zauberei (Art. 44, 109 CC), nicht aber den elabarorierten, modernen Hexenbegriff des älteren Hexenhammers.

17 Was ist eine Hexe? Vom Zaubereibegriff zum elaborierten Hexenbegriff Waren Hexen also nur Frauen? Nein! Ausgangshypothese: Hexerei bzw. Zauberei sind zwei unterschiedliche Straftatbestände und haben juristisch gesehen nichts mit dem Geschlecht an sich zu tun! Männer konnten als Hexenmeister und Frauen als Zauberinnen angeklagt werden. Ausgangshypothese: In den Territorien mit der Rezeption des Hexenhammers als Prozessgrundlage gab es eine höhere weibliche Opferzahl als in den Territorien, wo die Criminalis Carolina als Prozessgrundlage angewandt wurde!

18 2 Erkenntnisse der Hexenforschung in Schwäbisch-Österreich

19 Forschungsstand Midelfort, Eric, H. C.: Witch Hunting in South Germany The Social and Intellectual Foundations, Stanford/USA Lorenz, Sönke/Schmidt, Jürgen Michael (Hg.): Wider alle Hexerei und Teufelswerk. Die europäische Hexenverfolgung und ihre Auswirkung auf Süddeutschland, Ostfildern Blauert, Andreas: Frühe Hexenverfolgungen in der Schweiz, am Bodensee und am Oberrhein, in: Lorenz, Sönke/Schmidt, Jürgen Michael (Hg.): Wider alle Hexerei und Teufelswerk. Die europäische Hexenverfolgung und ihre Auswirkung auf Süddeutschland, Ostfildern 2004, S Blauert, Andreas: Die Ravensburger Urfehden als Zeugnisse der Ravensburger Hexenverfolgung, in: Schmauder, Andreas (Hg.): Frühe Hexenverfolgung in Ravensburg und am Bodensee, Konstanz 2001 (Begleitbd. zur Tagung Der Hexenhammer von Heinrich Kramer und die Frühe Hexenverfolgung in Ravensburg und Oberdeutschland, veranstaltet von Kulturreferat/Stadtarchiv Ravensburg, September 2001 in Ravensburg und Weingarten), S Schmauder, Andreas (Hg.): Frühe Hexenverfolgung in Ravensburg: Rahmenbedingungen, Chronologie und das Netzwerk der Personen, in: Schmauder, Andreas (Hg.): Frühe Hexenverfolgung in Ravensburg und am Bodensee, Konstanz 2001 (Begleitbd. zur Tagung Der Hexenhammer von Heinrich Kramer und die Frühe Hexenverfolgung in Ravensburg und Oberdeutschland, veranstaltet von Kulturreferat/Stadtarchiv Ravensburg, September 2001 in Ravensburg und Weingarten), S Dillinger, Johannes: Die Hexenverfolgung in der Landvogtei Schwaben, in: Frühe Hexenverfolgung in Ravensburg und am Bodensee, Konstanz 2001 (Begleitbd. zur Tagung Der Hexenhammer von Heinrich Kramer und die Frühe Hexenverfolgung in Ravensburg und Oberdeutschland, veranstaltet von Kulturreferat/Stadtarchiv Ravensburg, September 2001 in Ravensburg und Weingarten), S Dillinger, Johannes: Böse Leute. Hexenverfolgungen in Schwäbisch-Österreich und in Kurtrier im Vergleich (Tierer Hexenprozesse, Quellen und Darstellungen, Bd. 5), Trier Dillinger, Johannes: Hexenprozesse in Horb, Horb 1994 (Veröffentlichungen des Kultur- und Museumsvereins Horb a. N. e. V., Folge 11). Dillinger, Johannes/Fritz, Thomas/Mährle, Wolfgang: Zum Feuer verdammt. Die Hexenverfolgungen in der Grafschaft Hohenberg, der Reichsstadt Reutlingen und der Fürstpropstei Ellwangen, Stuttgart Dillinger, Johannes: Hexen und Hexenprozesse in Fridingen, Fridingen 1977 (Gesammelte Aufsätze zur Fridinger Geschichte, 3).

20 Schwäbisch Österreich um 1600: Markgrafschaft Burgau, Landgrafschaft Nellenburg, Grafschaft Hohenberg, Landvogtei Schwaben Abb. aus Dillinger 1999

21 Was löste die Hexenprozesse aus? Sekundäre und primäre Faktoren Sekundäre Faktoren (länger zurückliegend und übergeordnet): Brände schlechtes Wetter Auftreten vermeintlicher Geister und Hexen auffälliges Verhalten von Einzelpersonen Längeranhaltende Störungen des Dorffriedens primäre Faktoren (lösen unmittelbar eine Anzeige aus): Innerörtlicher bzw. familiärer Konflikt gescheiterte Sozialisation von Frauen in der fremden Familie (Das Dorf als Solidar- und Terrorgemeinschaft, vgl. Utz Jeggle, Dillinger 1999, S. 189)

22 Anstoß zur Hexenverfolgung von oben oder von unten? Übergeordnete Obrigkeit für Schwäbisch-Österreich Zentralregierung in Innsbruck (zuständig für Hexenklagen) (Tiroler Landesordnungen von 1499, 1525 und 1532) Landstände Markgrafschaft Burgau, Landgrafschaft Nellenburg, Grafschaft Hohenberg, Landvogtei Schwaben Bevölkerung (Verfolgungsinteresse als Schutz vor Schadenszauber)

23 Wie wurden Hexenprozesse geführt? Formalisierter Hexenprozess: Anklage Inhaftierung Einholung von Rechtsgutachten (Criminalis Carolina 1532) Verhör (Fragenkataloge; Hexenhammer ) Territion (Zeigen der Folterinstrumente) Peinliche Befragung (Folter als Teil der Wahrheitsfindung) Verhör von Zeugen Hexenproben (Wasser-, Feuer-, Nadel-, Tränen- oder Wiegeprobe) Geständnis (Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft, Teilnahme am Hexensabbat, Schadenszauber) Besagung (Befragung nach Mittätern) Urgicht (Zusammenfassung der Anklageschrift und Geständnis) Verurteilung Hinrichtung

24 Welche Rahmenordnungen für die Führung von Hexenprozessen gab es in Schwäbisch- Österreich? Criminalis Carolina 1532 Tiroler Landesordnungen von 1499, 1525 und 1532 ohne Rezeption des elaborierten Hexenbegriffs (enthalten nur Bestimmungen über Zauberei bzw. Wahrsagerei)

25 Welche Rahmenordnungen für die Führung von Hexenprozessen gab es in Schwäbisch- Österreich? Instruction und conclusiones, mit was Umstehenden die Hexen Persohnen constituiert werden khinden von 1637: Aufnahme des Hexereidelikts ohne weit über das Reichsrecht hinausgehende Bestimmungen Neue Verdachtsmomente: Erkrankungen nach Kontakt mit einer mutmaßlichen Hexe Auffinden von Kleidungsstücken an Orten mit mysteriösen nächtlichen Ruhestörungen Unerwartetes Erscheinen von Personen in fremden Weinkellern (Dillinger 1999, S. 66 f.)

26 Welche Opferzahlen sind für Schwäbisch- Österreich bekannt? Anteil der Geschlechter / der Todesurteile in Schwäbisch- Österreich (Dillinger 1999, S. 96) Verfahren Männer Frauen Insgesamt in % von gesamt 100 9,31 90,72 Todesurteile Anteil der Todesurteile in % 76,32 51,02 78,91

27 Welche Opferzahlen sind für Schwäbisch- Österreich bekannt? Frauen: Prozessopfer aus allen Schichten der Bevölkerung! Männer: Prozessopfer eher aus der Oberschicht (z.b.: Pfründner, korrupte Amtsleute, häufiger Männer)! Angaben nach Dillinger 1999, S. 104

28 Welche Opferzahlen sind für Schwäbisch- Familienstand Österreich der bekannt? Prozessopfer in Schwäbisch-Österreich (Dillinger 1999, S. 103) (in 2/3 der Fälle nicht zu ermitteln!) verwitwet verheiratet ledig Kind? Männer in % 0,19 2,09 0,19 0,38 6,27 Frauen in % 8,74 17,11 1,71 2,28 61,03 Anteil der Todesurteile bei Männern in % Anteil der Todesurteile bei Frauen in % , ,54 78,62 66,67 66, ,98

29 Wann und wie wurden die Hexenverfolgungen beendet? Schwäbisch-Österreich Tendenz zur Bekehrung vermeintlicher Hexen seit der Mitte des 17. Jahrhunderts Dekret Kaiserin Maria Theresias von 1766 bezeichnet die Fälle angeblicher Hexerei als Wahnidee oder Betrug (Dillinger 1999, S. 416) Ende der Hexenprozesse von oben als Teil einer stärkeren Verherrschaftlichung in Schwäbisch- Österreich (Dillinger 1999, S. 439) Mindestzahl der Opfer: 528 Menschen, darunter 9% Männer (Dillinger 1999, S. 441)

30 Wann und wie wurden die Hexenverfolgungen beendet? letzte Hexenprozesse: 1775 in der Fürstabtei Kempten 1782 in Würzburg 1782 im Schweizer Kanton Glarus (Anna Göldi)

31 Fazit Historische Grundlagenforschung: Überwiegend quantitative Untersuchungen zu Hexen in Süddeutschland: nur allgemeine Aussagen zum Geschlechterverhältnis unter den Opfern möglich (vgl. Midelfort 1972). Forschungslücke in der qualitativen Forschung: kann Ursachen herausarbeiten, warum Frauen tendenziell eher gefährdet waren.

32 3 Regionalisierung des gender-ansatzes

33 Probleme des gender-ansatzes 1. Verallgemeinernd theoretische Ansätze verstellen leicht den Blick und helfen in der konkreten historischen Forschung im Archiv nicht weiter 2. Unseriöse Frauenforschung sieht in der Hexenverfolgung ein Feldzug gegen die Frau als Ganzes ( Vernichtung geheimen Wissens weiser Frauen (Hebammen) ) 3. Innerdörfliche oder innerörtliche Problemlagen wichtiger als Geschlechtsunterschiede 4. Quellenverluste, unvollständige oder schwer transkribierbare Akten führen zu einseitigen Schlussfolgerungen

34 Schlussfolgerungen 1. Personifizierung: Singularität des Einzelfalls 2. Neue Verortung der Hexenprozesse als Teil regionaler Kriminalitäts- und Sozialforschung statt singuläre Herauslösung 3. gender-ansatz: Bedingungen für eine gescheiterte Sozialisation von Frauen, z.b.: fremde Familie des Mannes, fremde Dorfgemeinschaft ( Fremdheit als Grundbedingung weiblicher Existenz) 4. Berücksichtigung psychohistorischer und psychoanalytischer Ansätze im Rahmen einer qualitativen und regionalen Hexenforschung 5. Berücksichtigung fächerübergreifende Ansätze und Erkenntnisse: Geschichte, Psychologie, Biologie, Geographie (Klimageschichte, Agrargeschichte etc.) Fazit: Regionalisierung des gender-ansatzes und Verbindung mit anderen Forschungsansätzen unverzichtbar!

35 Vielen Dank für ihre lange Aufmerksamkeit!