Predigt über Hesekiel 1, zum Aquarell Die Farbe des Himmels erhalten. von Gabriele Straub am 5. September Kreuzkirche Reutlingen

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1 Liebe Gemeinde, Predigt über Hesekiel 1, zum Aquarell Die Farbe des Himmels erhalten von Gabriele Straub am 5. September 2010 Kreuzkirche Reutlingen wenn in der Bibel vom Himmel die Rede ist, geht es immer um etwas ganz Außerordentliches: - Der Himmel tut sich auf, als Jesus von Johannes dem Täufer die Taufe empfängt wir haben es vorher in der Schriftlesung gehört. - In der Weihnachtsgeschichte erzählt der Evangelist Lukas, wie die Menge der himmlischen Heerscharen Gott loben und dann wieder im Himmel entschwinden. - Die Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas berichten übereinstimmend, dass sich der Himmel verfinstert, als Jesus am Kreuz stirbt. - In den Vätergeschichten der Hebräischen Bibel hat Jakob auf der Flucht vor seinem Bruder Esau den Traum von der Himmelsleiter: Ihm träumt, dass die Engel Gottes auf dieser Leiter, die Himmel und Erde verbindet, auf- und niedersteigen. Und Gott steht oben auf der Leiter und segnet Jakob, der doch vorher seinen Bruder um den Segen des Erstgeborenen betrogen hatte. 1

2 - Gott zeigt seine Hoheit am Himmel, und gleichzeitig ist der Himmel auch das Werk von Gottes Fingern, wie es in Psalm 8 heißt. Der Himmel ist zusammen mit der Erde zwar das erste Schöpfungswerk Gottes, aber gleichzeitig auch sein ureigener Bereich, seine Wohnung. Wie sich das Blau des Himmels unendlich weit über uns spannt und ausdehnt, so ist Gott überall und unendlich hoch und weit über uns. Blau als die Farbe der Transzendenz, als die Farbe Gottes. Ganz ausdrücklich findet sich das auch am Anfang des Buches Hesekiel, als Hesekiel zum Propheten Gottes berufen wird. Ich lese aus dem 1. Kapitel des Propheten Hesekiel: 1 Im dreißigsten Jahr am fünften Tage des vierten Monats, als ich unter den Weggeführten am Fluss Kebar war, tat sich der Himmel auf, und Gott zeigte mir Gesichte. 4 Und ich sah, und siehe, es kam ein ungestümer Wind von Norden her, eine mächtige Wolke und loderndes Feuer, und Glanz war rings um sie her, und mitten im Feuer war es wie blinkendes Kupfer. 5 Und mitten darin war etwas wie vier Gestalten; die waren anzusehen wie Menschen. 6 Und jede von ihnen hatte vier Angesichter und vier Flügel. 22 Aber über den Häuptern der Gestalten war es wie eine Himmelsfeste, wie ein Kristall, unheimlich anzusehen, oben über ihren Häuptern ausgebreitet. 2

3 26 Und über der Feste, die über ihrem Haupt war, sah es aus wie ein Saphir, einem Thron gleich, und auf dem Thron saß einer, der aussah wie ein Mensch. 27 Und ich sah, und es war wie blinkendes Kupfer aufwärts von dem, was aussah wie seine Hüften; und abwärts von dem, was wie seine Hüften aussah, erblickte ich etwas wie Feuer und Glanz ringsumher. 28 Wie der Regenbogen steht in den Wolken, wenn es geregnet hat, so glänzte es ringsumher. So war die Herrlichkeit des HERRN anzusehen. Liebe Gemeinde, mit dieser Beschreibung Gottes beginnt die Erzählung von der Berufung des Hesekiel zum Propheten Gottes. Und diese Berufung geschieht auf wirklich beeindruckende Weise: Es tat sich der Himmel auf und zeigte Hesekiel Gesichte, sagt das Bibelwort. Heute würde man sagen: Der Himmel öffnete sich, und Hesekiel wurde eine Vision geschenkt. Hesekiel wird mit hinein genommen in den Himmel und darf Gott von Angesicht zu Angesicht schauen. Es ist interessant, dass Hesekiel vor allem die Farben beeindruckt haben, die er in seiner Vision sehen durfte. Hesekiel sieht in seiner Vision Gott als eine leuchtende Gestalt umgeben von allen Farben dieser Welt: Wie ein Regenbogen steht in den Wolken, wenn es geregnet hat, so glänzte es ringsherum um Gott, sagt Hesekiel. Der Himmel als ein strahlend bunter Raum, glänzend, leuchtend, voller Farben. Doch inmitten dieser Regenbogenfarben gibt es eine Farbe, die den Blick des Propheten besonders fesselt und die ihm besonders im Bewusstsein bleibt: 3

4 Und über der Feste, die über dem Haupt der Engel war, sah es aus wie ein Saphir, einem Thron gleich, und auf dem Thron saß einer, der aussah wie ein Mensch. Blau ist die Farbe, die Hesekiel bei seiner Vision besonders ins Auge sticht. Blau ist die Farbe, aus der Gottes Thron besteht und die um Gott herum strahlt. Für Hesekiel ist Blau die Farbe, die er mit Gott in Verbindung bringt. Blau die Farbe Gottes. In der Kunst ist das von der Romanik über die Gotik bis heute so: Blau ist z. B. der Mantel der Gottesmutter Maria. Und es ist wohl kein Zufall, dass wir die Plastik Kreuzesabnahme des Künstlers Ulrich Henn hinter unserem Altar auf einen blauen Hintergrund gesetzt haben. Als ich kürzlich auf dem Elisabethpfad in Dorfkirchen in Thüringen und Hessen eingekehrt bin, haben mich die blauen Kirchendecken fasziniert, die nach Art von Bauernmalerei mit Wolken und Sternen, mit Sonne und Mond geschmückt waren. Blau die Farbe Gottes. Wir holen sie in unsere Kirchen hinein und damit auch in unser Leben. Erdenschwer, wie unser Leben oft ist, sehnen wir uns nach dem Blau des Himmels. Wir suchen nach Orten und Symbolen und wünschen uns, dass es mehr geben möge als den Alltag mit seiner gewohnten Routine: Orte, an denen wir uns dem Himmel näher fühlen als sonst, Symbole, die die Nähe Gottes ausdrücken. In der Dichtung der Romantik war es die blaue Blume, die es zu suchen galt. Blau und die blaue Blume waren ein beliebtes Motiv 4

5 dafür, dass wir Menschen von einer tiefen Sehnsucht nach Transzendenz, nach Gott, getrieben sind. Johann Wolfgang von Goethe schreibt in seiner Farbenlehre: Diese Farbe macht für das Auge eine sonderbare, fast unaussprechliche Wirkung Wir sehen das Blau gern an, nicht weil es auf uns dringt, sondern weil es uns nach sich zieht. weil es uns nach sich zieht. Die Farbe Blau versetzt uns ins Träumen, sie erweckt Sehnsucht nach mehr als allem, was auf Erden ist und gleichzeitig eine große Sehnsucht nach Zuversicht und Geborgenheit. Auch der Prophet Hesekiel ist von dieser Sehnsucht getrieben, als ihm diese Vision zu Teil wird, in der er Gott schauen durfte. Versetzen wir uns, so gut wir können, in die Lage von Hesekiel vor Jahren: Die Babylonier hatten den kleinen Staat Israel besiegt. Die Gebildeten, die Oberschicht Israels, waren ins Exil nach Babylon gebracht worden. In dieser Situation war alles trostlos, und es gab keinen Lichtblick, kein Zeichen der Hoffnung, dass die Menschen im Exil wieder einmal nach Hause zurück dürften. Der Tempel in Jerusalem, das Symbol der Nähe Gottes bei seinem Volk, war zerstört, und Gott war weit, unerreichbar weit weg. Aber es gab Menschen wie Hesekiel, die von einer tiefen Sehnsucht und Hoffnung zugleich erfüllt waren Menschen wie Hesekiel, die nicht glauben wollten, dass Gott sein Volk verlassen hatte. 5

6 Und dann wird Hesekiel diese Vision zuteil: Gott ist da eine leuchtende Gestalt, umgeben von allen Farben dieser Welt. Und Blau ist die Farbe, aus der Gottes Thron besteht und die um Gott herum strahlt. Diese Vision in Blau gab Hesekiel die Zuversicht, dass Gott da ist, dass er seinem Volk zur Seite steht und ihm nahe ist. Vielleicht können wir es uns angewöhnen, liebe Gemeinde, dass wir in Zukunft beim Verlassen unseres Kirchenraumes draußen im Foyer bewusst einen Blick auf das Bild von Frau Straub werfen. Die Farbe des Himmels erhalten, auch und gerade dann, wenn wir in unseren Alltag zurück gehen. Die Farbe des Himmels erhalten, auch wenn unser Alltag sehr kräftezehrend ist. Sich daran erinnern, dass Gott einem jeden/ einer jeden von uns nahe ist nahe in der Begegnung mit anderen Menschen, in jedem freundlichen Wort, das mir Kraft gibt und Zuversicht. Gott ist uns nahe - auch in jeder freundlichen Geste, die mir entgegen gebracht wird. Gott ist uns nahe - auch dann, wenn ich selbst einem anderen Menschen zuhöre und ihm oder ihr beistehe. Gott ist uns nahe, auch wenn ich mich von Gott und der Welt verlassen fühle. 6

7 Der Himmel, Gott selbst - sie sind nicht ganz weit weg. Wir können die Farbe des Himmels in uns tragen und Spuren vom Blau des Himmels um uns verbreiten. Und wir können das Blau des Himmels in uns aufnehmen, das durch andere Menschen in unser Leben kommt. So kann das Aquarell von Frau Straub uns helfen, unseren Glauben zu festigen und vertiefen. Machen wir die Probe aufs Exempel: Schauen wir nachher und weiterhin nach jedem Gottesdienst ein paar Momente bewusst auf das Bild und nehmen wir die Farbe des Himmels bewusst in uns auf. Nehmen wir das Blau des Himmels, die Nähe Gottes, nach Hause mit, an den Mittagstisch nachher und heute Nachmittag zum Spaziergang. Vielleicht können Sie mit dem Blick auf den blauen Himmel dabei sogar nach tanken! Nehmen Sie das Blau des Himmels morgen an Ihren Arbeitsplatz mit oder nächste Woche in die Schule, und stellen Sie es sich vor Augen, wenn die Hektik und der Stress überhand nehmen. Nehmen Sie es auch mit, wenn Sie z. B. einen Kranken besuchen es wird Ihnen und der kranken Person helfen. Ich wünsche uns allen, dass wir vom Blau des Himmels und damit, dass Gott uns nahe ist, leben und unseren Alltag bestehen können als Menschen mit Zuversicht und einer großen Hoffnung. Amen. Pfarrerin Astrid Gilch-Messerer 7

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