Trescher Verlag JAPAN. Christine Liew. Unterwegs in einem Land zwischen Tradition und Innovation

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1 Trescher Verlag Christine Liew JAPAN Unterwegs in einem Land zwischen Tradition und Innovation

2 2., aktualisierte und erweiterte Auflage 2015 Trescher Verlag Berlin Reinhardtstr Berlin Herausgegeben von Detlev von Oppeln und Bernd Schwenkros Reihenentwurf und Gesamtgestaltung: Bernd Chill Satz und Bildbearbeitung: Ulla Nickl Lektorat: Corinna Grulich Stadtpläne und Karten: Johann Maria Just, Martin Kapp, Bernd Chill Druck: Druckhaus Köthen Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Dies gilt insbesondere für den Aushang, Vervielfältigungen, Übersetzungen, Nachahmungen, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Angaben in diesem Buch wurden sorgfältig recherchiert und überprüft, trotzdem kann für die Richtigkeit keine Gewähr übernommen werden. Hinweise und Informationen unserer Leserinnen und Leser nimmt der Verlag gerne entgegen. Bitte schreiben Sie an post@trescherverlag.de HINWEIS ZUR BENUTZUNG: Die Seitenzahlen im Inhaltsverzeichnis, Griffleisten, Verweise im Text und das Register sind mit den dazu gehörigen Texten und Karten dieses Reiseführers verlinkt. Die Internetadressen öffnen sich in Ihrem Browser; die adressen öffnen sich in Ihrem programm. Bitte beachten Sie, dass bei entsprechender Nutzung im Ausland Roaminggebühren anfallen.

3 Land und Leute Tōkyō und Kantō Tōkyō und Kantō Tōhoku und Hokkaidō Tōhoku und Hokkaidō Chūbu Kansai Chūbu Chūgoku und Shikoku Kansai Kyūshū und Okinawa Sprachführer Chūgoku und Shikoku Reisetipps von A bis Z Anhang Kyūshū und Okinawa

4 4 Inhalt Vorwort 11 Hinweise zur Benutzung 12 Das Wichtigste in Kürze 13 Besondere Erlebnisse 14 Land und Leute 16 Japan im Überblick 18 Geografie 19 Gebirge 19 Klima 24 Tier- und Pflanzenwelt 27 Natur- und Umweltschutz 29 Geschichte 32 Frühgeschichte 32 Altertum 35 Mittelalter 40 Edo-Zeit 44 Meiji-Zeit 47 Politik und Regierung 58 Wirtschaft 63 Infrastruktur 64 Rohstoffmangel schafft Qualität 65 Sei ein Teil der Firma! 67 Die japanische Arbeitswelt 68 Landwirtschaft 70 Bildung 73 Kindergarten 73 Schulalltag 74 Uni, College und Berufsschule 76 Gesellschaft 79 Drinnen oder draußen? 79 Arbeit 80 Frauen und Familie 83 Minderheiten 86 Feste im Jahresrhythmus 89 Feste im Leben eines Japaners 97 Freizeit und Vergnügen 101

5 Religionen 105 Shintō 107 Buddhismus 110 Konfuzianismus 114 Christentum 116 Kunst und Kultur 117 Malerei und Holzschnittdrucke 117 Keramik 120 Architektur 122 Gartengestaltung 126 Literatur 130 Theaterwelt 135 Die japanische Sprache 140 Japanische Küche 144 Unterwegs in Japan 149 Reisen mit dem Flugzeug 149 Reisen mit der Bahn 149 Überlandbusse 151 Mietwagen 152 Unterwegs in der Stadt 152 Übernachtung 155 Tōkyō und Kantō 158 Tōkyō 160 Tōkyō gestern und heute 161 Tōkyō rund ums Jahr 162 Rings um den Kaiserlichen Palast 163 Kaiserlicher Palast 163 Yasukuni-Schrein 166 Ginza 166 Nihonbashi 168 Die untere Stadt, Shitamachi 169 Ueno 169 Asakusa 172 Akihabara 178 Ryōgoku 180 Trendiger Westen und moderner Süden 185 Shinjuku 185 Inhalt 5

6 6 Inhalt Shibuya 188 Roppongi 192 Shimbashi und Shiodome 196 Shinagawa 198 Odaiba 199 Tōkyō-Informationen 202 Kantō 212 Yokohama 212 Kamakura 220 Narita 226 Mito 227 Nikkō 228 Oku Nikkō 233 Tōhoku und Hokkaidō 236 Tōhoku 238 Aizu Wakamatsu 239 Sendai 243 Pinieninseln Matsushima 248 Yamadera 251 Yamagata Zao Onsen 251 Dewa Sanzan 251 Sakata 253 Hiraizumi 255 Tōno 257 Kakunodate 261 See Towada 264 Hirosaki 264 Shirakami Sanchi 267 Osore-zan 268 Hokkaidō 271 Geschichte Hokkaidōs 272 Hakodate 272 Sapporo 275 Otaru 280 Nationalpark Shikotsu-Toya 280 Nationalpark Daisetsuzan 281 Abashiri 281 Akan-Nationalpark 283 Kushiro-Shitsugen-Nationalpark 285 Shiretoko-Nationalpark 285 Inseln Rishiri und Rebun 287

7 Chūbu 288 Die Mitte Japans 290 Izu-Halbinsel 291 Der Berg Fuji 297 Nagoya 301 Seki 305 Ise 306 Futami 309 Perleninsel Mikimoto 309 Richtung Norden entlang der Nakasendō 310 Nagano 313 Matsumoto 314 Gero Onsen 316 Takayama 318 Kamikōchi 322 Shirakawago und Gokayama 323 Eihei-ji 327 Kanazawa 328 Halbinsel Noto 335 Kansai 336 Das Herz Japans 338 Kyōto 339 Im Osten und Norden Kyōtos 340 Im Westen Kyōtos 346 Im Zentrum Kyōtos 351 Uji 359 Enryaku-ji 360 Westliche Halbinsel Kii 362 Nara 362 Berg Kōya 371 Ōsaka 374 Kōbe 382 Takarazuka 385 Himeji 387 Chūgoku und Shikoku 388 Chūgoku 390 Inhalt 7

8 8 Inhalt Okayama 391 Bizen 393 Kurashiki 394 Hiroshima 395 Miyajima 398 Hagi 400 Tsuwano 401 Matsue 401 Izumo 404 Adachi-Museum 406 Am Japanischen Meer entlang 406 Shikoku 408 Takamatsu 409 Schrein Kotohira-gū 411 Zentsū-ji 411 Insel Naoshima 412 Tokushima 412 Naruto 413 Oboke und Koboke 415 Kōchi 417 Kap Ashizuri 419 Matsuyama 420 Tempel Ishite-ji 424 Uchiko 425 Uwajima 425 Kyūshū und Okinawa 428 Der Süden Japans 430 Kyūshū 432 Fukuoka 432 Dazaifu 437 Yanagawa 439 Arita, Imari und Karatsu 439 Nagasaki 440 Die Umgebung von Nagasaki 447 Kumamoto 448 Feuerland Kumamoto 452 Amakusa-Inseln 454 Beppu 454 Miyazaki 456 Insel Aoshima 458 Takachiho 459

9 Kirishima 460 Kagoshima 460 Die Südwestlichen Inseln 464 Okinawa 465 Insel-Hopping 466 Naha auf Okinawa Hontō 467 Südlich von Naha 471 Nördlich von Naha 472 Sprachführer Reisetipps von A bis Z Glossar 497 Japan im Internet, Literaturtipps 499 Über die Autorin, Danksagung 501 Ortsregister 502 Personen- und Sachregister 508 Bildnachweis 513 Kartenlegende und -register 520 Essays Was tun, wenn die Erde wackelt? 22 Große Liebe zu bunten Karpfen 31 Japans Dreifachkatastrophe: Erdbeben, Tsunami und Supergau 55 Düsterer Schulalltag 78 Kimono 96 Geliebtes Bad 156 Hinter den Kulissen des Sanja- Festivals 176 Hoch Höher Tokyo Skytree 184 Auf Bashōs Pfaden durchs Hinterland 250 Kappa, wilde Wassergeister des Nordens 260 Die großen Sommerfestivals des Nordens 269 Der Fuji ruft! 299 Ninja 332 Kyōtos süßer Zahn 358 Der Pilgerweg durch Shikoku 427 Inhalt 9

10 10 Die Burg von Matsumoto

11 Vorwort Vorwort 11 Seit den Zeiten Marco Polos spukt Japan in den Köpfen der Europäer. Bevor die ersten Weltenbummler des Mittelalters das Inselreich tatsächlich erreichten, hatte man im mystischen Zipangu sagenhaften Reichtum und ein eigenwilliges Volk vermutet. Den eigenwilligen Charakter hat sich Japan bis ins zweite Millennium bewahren können. Die einen sehen in dem Land die Heimat von Geisha, Samurai und Zen-Philosophie. Die anderen bewundern Wirtschaftsdynamik und bunte Jugendkultur. Kritiker bemängeln zu viel Westen in einem asiatischen Land und vermissen das typisch Asiatische in Asiens östlicher Außenstelle. Das Schöne daran ist: Sie alle haben recht! Japan liebt seine Vergangenheit und bewahrt sie in Architektur, Kunsthandwerk und Brauchtum. Gleichzeitig verschließt es seine Augen nicht vor der Zukunft und heißt Innovationen und Weiterentwicklungen jederzeit willkommen. Seine kulturellen Wurzeln ruhen im asiatischen Kontinent, die Äste reichen bis in den Westen, und seine Früchte sind typisch japanisch. Diese Melange aus Alt und Neu, West und Ost sorgt für äußerst abwechslungsreiche Reisemöglichkeiten. Reisende sollten sich nicht auf den so genannten Kimono-Trail zwischen Tōkyō, Kyōto und Nara beschränken. Einzig die touristisch unbedeutende Region um das Kernkraftwerk Fukushima Daiichi gilt es, seit der Dreifachkatastrophe vom März 2011 rigoros zu meiden. So bieten die nördlichen Regionen Tōhoku und Hokkaidō ebenso lohnenswerte Ziele. Hier befand sich einst die Heimat der Ainu, des Urvolks Japans mit seiner ausgeprägten Stammeskultur. Hokkaidō wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts von Japan besiedelt, noch heute umgibt die Insel am Eismeer ein Hauch Pioniergeist. Die Region Tōhoku als Reiskammer Japans gilt als Bewahrerin von Tradition und Brauchtum. Schreinfeste werden hier mit besonders viel Freude und Einsatz gefeiert. Die Region Chūbu nördlich von Nagoya umspannt die Japanischen Alpen und galt lange Zeit wie ihre Nachbarregion Chūgoku als schwer zugänglich. Viele kleinere Städte überstanden die Jahrhunderte wie in einer Zeitkapsel und sind heute begehrte Ausflugsziele inmitten imposanter Natur. Shikoku als kleinste der vier Hauptinseln bietet der Seele Erholung, ein über 1200 Kilometer langer Pilgerweg zieht längst nicht nur fromme Buddhisten an. Die südlichste Hauptinsel Kyūshū ist vor allem für Geschichtsfans ein Muss. Schon in der Frühzeit diente die Region als Brücke zum Festland, Händler aus aller Herren Länder ließen sich in den Hafenstädten nieder. Für Europäer besonders faszinierend sind die ersten westlichen Handelsniederlassungen. Okinawa, die subtropischen Inseln in Sichtweite Taiwans, war bis zum Ende des 19. Jahrhunderts als eigenständiges Königreich Ryūkyū bekannt. Seit einigen Jahren genießen die Inseln mit dem gelassenen Südseecharme große Beliebtheit als vertraut-exotisches Ferienparadies. Als langjährige Japan-Kennerin empfehle ich für die nächste Japan-Reise: Umwege gehen! Jenseits der unzähligen Sehenswürdigkeiten wartet der wohl größte Schatz dieses Landes: seine freundlichen und hilfsbereiten Menschen. Land und Leute

12 12 Hinweise zur Benutzung Hinweise zur Benutzung Im ersten Teil des Buches beschreibt das Kapitel Land und Leute ausführlich die Bewohner und die Kultur Japans. Im Reiseteil beginnt das Buch mit der Hauptstadt Tōkyo und dem Umland, setzt sich Richtung Norden bis nach Hokkaidō fort und folgt dann dem Inselarchipel bis zu seiner Südspitze nach Okinawa. Ortsangaben werden in diesem Abschnitt auch in japanischer Schrift angegeben. Praktische Informationen wie die Reisetipps von A bis Z, einen Sprachführer sowie Internet- und Literaturhinweise finden sich im letzten Teil des Buches. Soweit nicht anders angegeben, sind Websites in japanisch und englisch verfügbar. Die Bezeichnung Nationalschatz wird vom japanischen Ministerium für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie vergeben und kennzeichnet wichtige kulturelle Sehenswürdigkeiten. Bei Personennamen gilt die japanische Reihenfolge: Vorname nach Familienname. Häufig verwendete Begriffe, als Endung am Namen angehängt: -shi ( 市 ) -chō ( 町 ) -ku ( 区 ) -san ( 山 ) -kawa/gawa ( 川 ) -ko ( 湖 ) -kōen ( 公園 ) -en ( 園 ) Stadt Stadtviertel Stadtbezirk Berg Fluss See Park Garten -ji ( 寺 ) Tempel -dō ( 堂 ) Tempelhalle -jinja ( 神社 ) Schrein -jingū ( 神宮 ) Oberschrein -bijutsukan ( 美術館 ) Kunstmuseum -shiryōkan ( 資料館 ) Sammlung -hakubutsukan ( 博物館 ) Historisches Museum Zeichenlegende f Allgemeine Informationen c Anreise mit der Bahn b Anreise mit dem Bus e Anreise mit dem Flugzeug d Fährverbindungen, Schiffsausflüge j Hotel h Regionale Spezialitäten, Restaurants g Teehäuser, Cafés m Tempel, Schreine, Museen D Gärten, Parks B Bäder, Onsen 4 Aussichtspunkte J Vergnügungsparks, Aquarien H Zoo, Tierpark n Theater, Veranstaltungen, Festivals w Fahrradverleih I Kanuverleih, Raftingtouren p Einkaufsmöglichkeiten, Märkte

13 Das Wichtigste in Kürze Japan in Fakten Fläche: km². Einwohner: Bevölkerungsdichte: 337 Einwohner pro km². Staatsform: Parlamentarische Monarchie. Staatsreligion: keine. Allgemeine Informationen In größeren Orten finden sich meist in Bahnhofsnähe Touristeninformationen mit englischsprachigen Broschüren und Landkarten. Grundsätzlich hilft man hier auch bei der Suche nach einer Unterkunft. Erste Anlaufstelle vor Abreise ist das Japanische Fremdenverkehrsamt, Kaiserstr. 11, Frankfurt am Main, Tel. 069/203 53, Fax , www. jnto.go.jp. Vorwahl Japan: +81 (0081). Währung Die japanische Währung ist der Yen. Es gibt Münzen bis 500 (1, 5, 10, 50, 100, 500) und Scheine für 1000, 2000, 5000 und Yen. 1 Euro = 138 Yen (Stand August 2014). Preisniveau Trotz hartnäckiger Gerüchte geht es in Japan auch günstig. Eine Tasse Kaffee für 200 Yen, ein Hamburger für 100 Yen, ein vollwertiges Mittagessen für 750 Yen, eine Übernachtung im schlichten Hotel für unter 5000 Yen. Anreise Zahlreiche Fluggesellschaften bieten Direktflüge zu den größeren Flughäfen Japans an. Eine Reihe von kleineren Flughäfen bedienen außerdem Verbindungen zum asiatischen Kontinent und nach Russland. Regelmäßiger Fährverkehr Das Wichtigste in Kürze 13 besteht mit Korea, China, Taiwan und Russland. Einreise Für einen Aufenthalt bis 90 Tage benötigt man nur einen für diese Dauer gültigen Reisepass. Eine Verlängerung um weitere 90 Tage kann vor Ort beantragt werden. Verständigung Viele jüngere Japaner sprechen etwas Englisch. Eine kleine Verständigungshilfe für die ersten japanischen Worte bietet der Sprachführer am Ende des Buches. Sicherheit Japan ist ein sehr sicheres Land, die Kriminalität ist auch in den Großstädten gering. Polizei: Notruf 110, bei Anfragen auf englisch: 03/ (Mo Fr Uhr). Feuerwehr/Ambulanz: Notruf 119, medizinischer Notfall auf englisch: Tōkyō Metropolitan Medical Institution Information Service: Tel. 03/ (9 20 Uhr). Individuell oder organisiert? Es muss in Japan keine Gruppenreise sein. Dank des sehr zuverlässigen öffentlichen Verkehrssystems und der günstigen Bahnkarten für Touristen kann man seine Reiseroute gut vorab planen. Die Buchung der Unterkunft läuft auch bei kleineren Pensionen mittlerweile reibungslos über das Internet ( Internetadressen, S. 499). Ausführliche Hinweise in den Reisetipps von A bis Z ab S. 487.

14 14 Besondere Erlebnisse Besondere Erlebnisse Kumamoto: Burgbesichtigung. Imposant ragt die trutzige Burg über die Stadt Kumamoto. Im Mittelalter erbaut und zu Beginn der Neuzeit Schauplatz des Bürgerkrieges, erstrahlt die Burg heute im neuen alten Glanz. Der Wiederaufbau ist so gelungen, dass man hinter jeder Ecke einen Samurai-Krieger erwartet. S Dōgo Onsen: Heißes Bad. Ein Muss für Anime- und Literaturfans ist ein Bad in Japans wohl berühmtestem Badehaus Dōgo Onsen Honkan. Hier fand schon Natsume Sōseki Entspannung, und das alte Holzgebäude diente als Vorlage für den Trickfilm Chihiros Reise ins Zauberland. S Tōkyō: Sumō-watching. Wo anders als im Stadtviertel Ryōgoku kann man mitten auf der Straße den Sumō-Kämpfern bei ihren täglichen Übungen zusehen oder sie zufällig beim Einkaufen treffen? S Sendai: Festival Dontō-sai. Wenn es am 14. Januar mit der Neujahrszeit zu Ende geht, rennen unzählige Gruppen sternförmig durch die Straßen zum größten Schrein Osaki Hachiman, um dort für Gesundheit im neuen Jahr zu beten. Die brauchen sie auch bei diesem Festival, denn nur mit einem Lendenschurz bekleidet trotzen die Männer der beißenden Kälte dieser Winternacht. Wärme bieten allein das große Feuer, in dem sämtliche Neujahrsdeko verbrannt wird, und der heiße Reiswein des Priesters. S Tōkyō: Kirschblüte im Hama-Rikyū. Der Garten von Hama-Rikyū ist nicht allzu groß, versteckt liegt er zwischen den Hochhäusern im neuen Trendviertel Shiodome. Doch das alte Teehaus am See bietet besonders während der Kirschblütenzeit einen romantischen Platz für ein erstes Date im Frühling. S Kyōto: Spaziergang vom Tempel Kiyomizu bis nach Gion. Schön ist ein Bummel vom Tempel Kiyomizu über den Teeschalenhügel am späten Nachmittag bis zum Schrein Yazaka. Die Ge- See im Naturpark Kamikōchi

15 Besondere Erlebnisse 15 Hokkaidō: Bei den Mandschurenkranichen. Unter der Otowa-Brücke im Kushiro-Shitsugen-Nationalpark sammeln sich die Kraniche im Frühnebel, bevor sie in die Lüfte aufsteigen. Mit ein wenig Glück wird man mitten in der Natur Zeuge ihrer berühmten Balztänze. S Nagasaki: Tempelstraße. Auch für japanische Verhältnisse sind diese Tempel exotisch, ihre architektonischen Vorbilder stammen allesamt vom chinesischen Festland. Hier beteten die ersten Einwanderer Nagasakis, ihre Kultur prägt bis heute die reiche Geschichte der Stadt. S Alte Häuser in Shirakawago schäfte mit Kunsthandwerk schließen langsam, die traditionellen Restaurants erwarten in der Dämmerung ihre ersten Gäste. Geishas huschen durch die engen Gassen, das touristische Gion jenseits der großen Kreuzung scheint ganz weit weg. S Kyōto: Die Gärten von Myōshin-ji. Wer japanische Gärten liebt, sollte unbedingt einen Spaziergang durch die Gärten vom Tempel Myōshin-ji machen. Nicht alle der 47 Anlagen im Zen-Stil sind der Öffentlichkeit zugänglich, doch ein Blick über den Zaun lohnt sich allemal. S Kamikōchi, Naturpark. Strahlend blauer Himmel über erhabener Berglandschaft, an einem glasklaren Bach tollt eine Affenfamilie durchs bunte Herbstlaub, die Zuckerbäume verströmen ihren Duft nach gebrannten Mandeln. Die Rückkehr in die Großstadt fällt unsagbar schwer. S UNESCO-Welterbestätten in Japan Kultur Adelssitz Himeji-jo, S Berg Fuji, S Buddhistische Heiligtümer von Hōryū-ji (Nara), S Bauten und Gärten von Kyōto, S Historische Dörfer von Shirakawago und Gokayama, S Friedensdenkmal in Hiroshima, S Shintō-Schrein von Itsukushima, S Baudenkmäler und Gärten der Kaiserstadt Nara, S Schreine und Tempel von Nikkō, S Archäologische Stätten des Königreichs der Ryūkyū-Inseln (Okinawa), S Heilige Stätten und Pilgerstraßen in den Kii-Bergen, S Iwami-Ginzan-Silbermine und Kulturlandschaft, S Natur Zedernwald von Yakushima, S Buchenwald von Shirakami, S Shiretoko-Nationalpark, S. 285.

16 16 Land und Leute Urteile nicht über Dinge, von denen du nur Echo und Schatten kennst. Japanisches Sprichwort Karte S. xxx

17 17 Chūgoku und Shikoku Rauchopfer am Tempel Ōsu-Kannon in Nagoya

18 18 Japan im Überblick Japan im Überblick Name: Japan/Nihon Koku ( 日本国 ). Fläche: Quadratkilometer, davon 20 Prozent für Besiedlung, Landwirtschaft und Industrie. Hauptstadt: Tōkyō. Die japanische Flagge Weitere Großstädte: Yokohama, Ōsaka, Nagoya, Sapporo, Kōbe, Kyōto, Fukuoka, Kawasaki, Saitama. Höchste Erhebung: Berg Fuji, 3776 Meter. Längster Fluss: Shinano, auch Chikuma genannt (367 Kilometer), mündet in die Japan-See. Größter See: Biwa-See (670,33 Quadratkilometer) nordöstlich von Kyōto. Küstenlänge: Kilometer. Klima: Vier Klimazonen, von kalt-gemäßigt in Hokkaidō über gemäßigt-warm in den Zentralregionen bis zu den Subtropen in Okinawa. Im Sommer bringen Strömungen aus Südost heiße und feuchte Luft, im Winter überziehen kalte und trockene Winde aus Nordwest das Land. Einwohnerzahl: (Stand 2013). Bevölkerung: 98,5 Prozent Japaner, 0,5 Prozent Koreaner, 0,4 Prozent Chinesen und andere. Religion: 83,9 Prozent Shintoismus, 71,4 Prozent Buddhismus, 2 Prozent Christentum, 7,8 Prozent andere. Bevölkerungsdichte: Nationaler Durchschnitt 337 Einwohner pro Quadratkilometer. Auf dem Land unter 100 Einwohner pro Quadratkilometer, in Ballungszentren über 1000 Einwohner pro Quadratkilometer. Alphabetisierungsrate: 99 Prozent. Verhältnis Stadt-/Landbevölkerung: 66:34 Prozent. Staatsform: Parlamentarische Monarchie mit Zwei-Kammer-Parlament. Premierminister: Abe Shinzō, Liberaldemokratische Partei, am 26. Dezember 2012 gewählt. Mitgliedschaft in internationalen Organisationen: u.a. APEC (Asiatisch-Pazifische Wirtschaftliche Zusammenarbeit), ASEAN (Verband Südostasiatischer Nationen), G-20, G-5, G-7, G-8, G-10, ICC (Internationale Handelskammer), OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), UN (Vereinte Nationen), UNCTAD (Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung), UNESCO (Organisation der UN für Erziehung, Wissenschaft und Kultur), UNHCR (Hoher Flüchtlingskommissar der UN), UNIDO (Organisation der UN für industrielle Entwicklung), UNITAR (Forschungs- und Ausbildungsinstitut der Vereinten Nationen), WHO (Weltgesundheitsorganisation). Landeswährung: Japanischer Yen, YN. Zeitzone: MEZ +8 Stunden, Sommerzeit +7 Stunden. Nationalfeiertage: 11. Februar (Staatsgründungstag), 3. Mai (Tag der Verfassung), 23. Dezember (Geburtstag Kaiser Akihito). Autokennzeichen: J. Vorwahl: Internetkennung: jp.

19 Geografie Geografie 19 Außenstehenden präsentiert sich Japan gerne als äußerst homogene Nation. Die simple Formel Ein Volk, eine Sprache, eine Kultur scheint hier Realität. Auch die gleichförmige Eintönigkeit japanischer Innenstädte bestätigt dem Japan-Novizen die angebliche Konformität des Landes. Erst auf den zweiten Blick enthüllt sich dem aufmerksamen Reisenden der weite Bogen der japanischen Vielfältigkeit. Da kommt bei der immensen Länge des Inselarchipels so einiges zusammen, entspricht die Distanz zwischen der nördlichsten Spitze am Eismeer bis zur südlichsten Insel mit Blick auf Taiwan doch beinahe exakt der Entfernung zwischen Köln und Istanbul. Nicht allein die gewaltige Ausdehnung Japans und die unglaubliche Anzahl von über 8500 Inseln sind für die Vielfalt bei Brauchtum, Sprachgebrauch und Küchenspezialitäten verantwortlich. 500 Jahre Abgeschlossenheit nach außen verhalfen Japan zu einem stolzen Nationalgefühl. Parallel dazu sorgte die Abgrenzung zur jeweiligen Nachbarprovinz bis weit in das 19. Jahrhundert für starkes Lokalkolorit. Diese Grenzen hielten sich nicht allein mit politischen Mitteln aufrecht. Die Natur spielte dabei eine entscheidende Rolle. Land und Leute Gebirge Japans besteht aus den vier Hauptinseln Hokkaidō, Honshū, Shikoku und Kyūshū. Honshū ist die größte der japanischen Inseln und beherbergt 80 Prozent der Gesamtbevölkerung. Sie umfasst die wirtschaftlich und politisch führenden Zentralregionen Kantō um Tōkyō sowie Kansai/Kinki mit Ōsaka und Nagoya. Heute lebt sogar jeder vierte Japaner in der Kantō-Ebene, der Region direkt um Tōkyō. Eine Reliefkarte Japans enthüllt, warum sich ausgerechnet dieses Gebiet zum Herzen Japans entwickelte. Tatsächlich befindet sich hier die Die Japanischen Alpen

20 20 Geografie größte Ebene des Landes, nirgendwo sonst erlaubt die Topografie Japans eine Ausbreitung dieser Größenordnung. Zahlreiche Flüsse sorgen für fruchtbaren Acker boden, die Bucht von Tōkyō bietet zudem natürlichen Schutz vor heftigen Stürmen. Anderswo ist das Landesinnere aller vier Hauptinseln von Gebirgsketten mit Nord-Süd-Verlauf geprägt, wie ein felsiges Rückgrat verlaufen sie entlang des gesamten Archipels und trennen Japan in eine Rückseite, Ura-Nippon, und eine Vorderseite, Omote genannt. Auch klimatisch finden sich auf beiden Seiten Gegensätze. Auf der Insel Honshū sind die Winter in Ura-Nippon düster und schneereich, die Pazifikseite ist jedoch sonnig und niederschlagsarm. Zudem teilen die mächtigen Japanischen Alpen das Land in West und Ost, die Grenze liegt hier ungefähr auf der Höhe von Nagoya. Knapp 70 Prozent Japans sind von dichten Wäldern überzogen. Als Folge beschränken sich seit der Frühzeit Besiedlung und Verkehrswege auf die Küstenregionen, später folgten die alten Handelswege dem Pazifik oder suchten sich ihren Weg um die trennenden Gebirgsketten herum bis zur Japan-See. Vulkane Gebirge bilden in Japan jedoch nicht nur Grenzen, sondern auch handfeste Gefahren. Der Inselarchipel liegt direkt auf der Schnittstelle von drei Erdplatten und ist von mehreren Vulkanbögen durchzogen. So gehört zum Beispiel der Fuji mit 3776 Metern als höchster Berg Japans zum pazifischen Feuerring. Durch die Spannungen in der Erdkruste bewegt sich die Pazifische Platte im Osten mehrere Zentimeter im Jahr nach Westen und schiebt sich am Japangraben östlich des Inselreiches unter die Eurasische Platte. Die Philippinische Platte bewegt sich vom Süden in nordöstlicher Richtung, so dass Japan wohl in 80 Millionen Jahren mit Australien kollidieren und auseinanderbrechen wird. Bis dahin fürchtet Japan eher Vulkanausbrüche und Erdbeben. 20 besonders aktive Vulkane stehen unter Aktiver Vulkan bei Kamikōchi

21 Vulkane 21 Land und Leute Der Vulkan Meakan im Akan-Nationalpark auf Hokkaidō ständiger Beobachtung, dazu zählt auch der Berg Fuji. Alle paar Jahre geistert durch die Medien das gruselige Thema Was wäre, wenn der Fuji wieder Feuer spuckt?. Die Gemeinden rings um Japans heiligen Berg sind mit Notfallplänen ausgestattet, die bislang jedoch nicht zum Einsatz kommen mussten. Erdbeben Im Gegensatz zu Vulkanausbrüchen sind Erdbeben in Japan schon etwas Alltägliches. Bis zu 7000mal im Jahr bebt hier die Erde, jedes fünfte Beben wird bewusst wahrgenommen. Das können leichte Erdstöße oder auch Katastrophen wie das Tōhoku-Beben vom 11. März 2011 sein ( auch S. 55). Als um Uhr in der gleichnamigen Region die Erde zu wackeln begann, ahnte niemand, dass diesmal über Menschen sterben würden und weitere tausende als vermisst gelten würden. Das Beben erreichte eine Stärke von 9,0, war damit 1400mal stärker als das Hanshin-Beben von Kōbe Es verschob das Archipel um zwei Meter gen Osten. Das Epizentrum lag 170 Kilometer vor der Küste der Präfektur Miyagi und löste die zweite Katastrophe, eine Tsunami von bis zu 40 Metern, aus. Japan mit seiner langen Pazifikküste fürchtet diese Wellen nach jedem Beben. Küstenorte haben ausgeschilderte Fluchtplätze in vermeintlich sicherer Höhe. Dämme und Tore, die bis zu 25 Meter im Boden verankert sind, sollen die Hafenanlagen schützen war dies jedoch nicht genug. Das Wasser forderte 90 Prozent der Todesopfer jenes Tages. Die Wellen überfluteten zudem das Kernkraftwerk Fukushima Daiichi, als Folge kam es zur Kernschmelze, der dritten Katastrophe in Folge. Für Monate hatten die Menschen unter heftigen Nachbeben zu leiden, sie verlassen sich heute nicht mehr allein auf das minutenschnelle Frühwarnsystem via Fernsehen und Radio, ihre Handys melden mit schrillem Alarm, wenn sich wieder ein Erdbeben ankündigt.

22 22 Was tun, wenn die Erde wackelt? Was tun, wenn die Erde wackelt? ESSAY Hier einige Regeln für den Ernstfall: - Wenn das Beben beginnt, weg vom Fenster und Gashahn abdrehen! - Eingangstür öffnen und Schutz im Türrahmen oder unter dem Tisch suchen. Nicht hinauslaufen, drinnen ist es sicherer als draußen. - Radio oder Fernsehen anschalten, bei starken Erdbeben schalten alle Kanäle automatisch auf den (auch englischsprachigen) Sender NHK um. - Keine Panik in Zügen, der gesamte Schienenverkehr stoppt bei Erdbeben automatisch. Schiebetüren, niedrige Möbel und Einbauschränke sind nicht nur sehr schön, sie erhöhen auch die Sicherheit im eigenen Heim. Wenn schon hohe Regale, dann bitte mit Wandbefestigung. Auch rings um das Bett auf eventuelle Gefahrenquellen achten. Der Eingangsbereich sollte unbedingt von sperrigen Gegenständen frei gehalten sein. Eine eiserne Ration an Trinkwasser, haltbaren Lebensmitteln und Batterien sollte grundsätzlich vorhanden sein. Glücklicherweise macht Japan bei der Erdbebenfrühwarnung große Fortschritte, so sind auf allen Endgeräten der japanischen Gesellschaften NTT docomo, KDDI und Softbank Frühwarnsysteme vorinstalliert, für Modelle anderer Telefonanbieter lassen sich entsprechende Apps für Android und iphone nachträglich und kostenfrei installieren. Verringern die Unfallgefahr bei Erdbeben: Schiebetüren und niedrige Möbel

23 Heiße Quellen 23 Land und Leute Bad in Ise Heiße Quellen Etwas Gutes haben Vulkane jedoch auch: Durch ihre Aktivitäten erhitzen sie Wasser, das dann teilweise blubbernd an die Oberfläche austritt. Oftmals entsteigen ihnen Schwefelgase, die einen höllischen Geruch hinterlassen. Je nach Gestein färbt sich das Wasser schon mal rot, blau oder grünlich. Japan ist reich an heißen Quellen. Seit der Frühzeit ranken sich Mythen und Legenden um die Heilkraft dieser Orte, sogar die japanische Tierwelt hat ihren Nutzen für sich entdeckt! Heute sind heiße Bäder ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, denn sie stehen gemeinhin im Mittelpunkt jeder Reise und Kurzerholung. So finden sich auch im Reiseteil dieses Buches immer wieder Hinweise auf ausgewählte Badeorte. Ohne Übertreibung lässt sich sagen, dass alle Japaner ein ausgiebiges Bad in einer natürlichen heißen Quelle geradezu inniglich lieben. Gewässer»Das sind keine Flüsse, sondern Wasserfälle.«: Mit dieser knappen Beschreibung eines holländischen Ingenieurs aus dem 19. Jahrhundert ist eigentlich schon alles gesagt: Japans Flüsse sind kurz und reißend. Sie entspringen in den gebirgigen Wäldern, graben sich zunächst durch enge Täler und formen schließlich in ihrem Unterlauf alluviale (angeschwemmte) Ebenen. Diese fruchtbaren Gebiete nutzen die Menschen seit dem Altertum als Siedlungsraum und natürlich zur Landwirtschaft. Und nur dort im Unterlauf sind die Flüsse befahrbar. Kaum einer der über Flüsse Japans ist länger als 300 Kilometer. Der Shinano (oder auch Chikuma, je nach Region wechseln die Flüsse auch schon mal ganz offiziell den Namen) ist mit 367 Kilometern der längste Fluss, er verläuft von Nagano nach Niigata und mündet in das Japanische Meer (Japansee).

24 24 Geografie Pazifikküste in der Tōkyō-Bucht Zwar erschwert die starke Strömung der Flüsse die Schifffahrt, aber sie hat andere Vorteile: Wasserkraftwerke nutzen die mechanische Energie des Wassers zur Stromerzeugung. Unzählige Dämme regeln das Wasserniveau während des Jahresverlaufs. Der Mangel an navigierbaren Flüssen wird durch intensive Küstenschifffahrt kompensiert. Dies gilt ganz besonders für die Region entlang des Seto-Binnenmeers und für die Pazifikküste südlich von Tōkyō. Die unzähligen Seen in Japan dienen an erster Stelle der Trinkwasserversorgung. Der größte See Japans ist der Biwa-See nordöstlich von Kyōto. 14 Millionen Menschen erhalten von hier ihr Trinkwasser. Ebenso weist er die größten Fischvorkommnisse Japans auf. Auch als Erholungsgebiet liegt der Biwa-See an der Spitze, jedes Jahr zieht er knapp vier Millionen Besucher an. Klima Japan zählt zur gemäßigten Zone, die vier Jahreszeiten sind sehr stark ausgeprägt. Das Land lässt sich in vier Klimaregionen einteilen, angefangen mit einer kalt-gemäßigten Zone in Hokkaidō über gemäßigt-warme Zonen in den Zentralregionen bis zu den Subtropen in Okinawa. Das Wetter wird stark von saisonalen Winden beeinflusst: Im Sommer bringen Luftströme aus Südost heiße und feuchte Luft nach Japan, im Winter überziehen kalte und trockene Winde aus Nordwest das Land. Die Nähe zum asiatischen Kontinent und der Wechsel der Luftströme bestimmen das regionale Klima. Hokkaidō hat im Sommer geringe Niederschläge, aber sehr schneereiche Winter. Nordjapan, und besonders die Japansee-Seite,

25 Klima 25 hat warme Sommer und lange, niederschlagsreiche Winter. Die nördlichen Regionen entlang der Pazifikküste bis nach Zentraljapan haben kurze Winter, die Sommer sind hingegen heiß und feucht. Der Südwesten hat lange, feuchtheiße Sommer und milde Winter. Reigen der Jahreszeiten Die berühmte Kirschblüte eröffnet Anfang April den Reigen der Jahreszeiten. Im Mai kann es schon recht warm werden, sommerliche Temperaturen sind keine Seltenheit. Im Juni beginnt dann allerdings in ganz Japan, mit der Ausnahme von Hokkaidō, die Regenzeit. Die Japaner nennen diese Zeit Tsuyu oder Baiu, geschrieben wird der Name mit den chinesischen Schriftzeichen für Pflaumenregen : Im alten China begannen zu dieser Zeit die Pflaumen zu reifen. Winde aus Südostasien bringen feucht-warme Luft. Es kann tagelang sanft regnen, der Himmel ist grau, und die Feuchtigkeit kriecht langsam durch alle Ritzen. Manche Tage sind recht kühl, doch meist ist es unangenehm feucht-warm. Alle drei, vier Tage schiebt sich ein sonniger Tag ein. Nach sechs Wochen haben die sonnigen Tage die Oberhand gewonnen, der Sommer ist da! Die Luftfeuchtigkeit sinkt auf 80 Prozent, die Temperaturen steigen regelmäßig über 35 Grad Celsius. Die Großstädte verwandeln sich in flimmernde Backöfen, auf dem Land zirpen die Zikaden in den Bäumen. Taifune künden das Ende des Sommers an, fünf oder sechs streifen jedes Jahr das Land. Besonders der Südwesten ist betroffen. Dank ausgeklügelter Frühwarnsysteme bleibt die Nation ein, zwei Tage aus Sicherheitsgründen daheim. Die starken Winde in Zentral- und Nordjapan hinterlassen nicht allzu große Schäden, die großen Niederschlagsmengen lösen jedoch regelmäßig Erdrutsche Land und Leute Ein Sommertag am Strand bei Ise

26 26 Geografie und Überschwemmungen aus. Ab August sollte man daher nicht mehr in der direkten Nähe von Gebirgsbächen zelten. An die 80 Prozent des jährlichen Niederschlags fallen allein von Juni bis September. Im Oktober kühlen die Nächte langsam ab, und es wird Herbst. Der Himmel ist strahlend blau, die Temperaturen klettern noch weit bis in den November über 20 Grad Celsius. Es fallen kaum Niederschläge, die Natur bietet reiche Ernte und üppige Farbenpracht. Kein Wunder, dass der Herbst die beliebteste Reisezeit ist. Erst mit dem neuen Jahr setzt in weiten Teilen Japans der Winter ein, es wird knackig kalt. An der Pazifikseite steigen um die Mittagszeit die Temperaturen auf angenehme Plusgrade, eine Heizung benötigen die Menschen hier nur in den dunklen Stunden. Das gilt zumindest für Tōkyō und den Süden, in den nördlichen Regionen bleibt es bis in den März oder April unangenehm kalt. Die meisten Klimaanlagen fungieren im Winter auch als Heizung, beinahe alle Haushalte besitzen aber auch so genannte Kotatsu, niedrige Tische mit Decke und elektrischen Heizstäben. Darunter lümmelt sich dann die gesamte Familie vor dem Fernseher, bis es Schlafenszeit ist. Dies und ein extrem heißes Bad am Abend müssen genügen, denn geheizt wird in Japan grundsätzlich nur das Wohnzimmer. Kirschblüte im Hama-Rikyū-Garten in Tōkyō

27 Tierwelt Tierwelt 27 Mehrere Klimazonen und ein stark ausgeprägter Jahreszeitenzyklus sorgen für eine üppige Flora und Fauna. Zur Fauna zählen Landsäugetiere wie der Braunbär auf Hokkaidō, der asiatische Braunbär auf Honshū und die Sikahirsche in Südjapan. Eine Besonderheit ist der Tanuki, eine Art japanischer Waschbär. Und wer hat nicht schon einmal Bilder von den genussvoll badenden Makkakenaffen in den Japanischen Alpen gesehen? Auf Hokkaidō überwintern zudem sibirische Riesenseeadler und Singschwäne. Mit einer gehörigen Portion Glück kann man hier auch den Mandschurenkranichen (Grus japonensis) Makkaken beim Bad in heißen Quellen bei ihren anmutigen Balztänzen zuschauen. Mandschurenkraniche werden nicht nur von Japanern geliebt, sie gelten in ganz Ostasien als mythische Glücksbringer. Kraniche symbolisieren langes Leben und Unsterblichkeit und finden sich zum Beispiel als Motiv bei Hochzeiten. Die Ainu, das Urvolk Nordjapans, verehren den Kranich als Gottheit der Moore, sein bevorzugtes Habitat. Durch warme und kalte Meeresströmungen sind die Gewässer rings um Japan besonders artenreich. So gilt die Region von den Küsten der Präfektur Iwate bis hoch in den Norden zu den Kurilen als einer der reichsten Fischgründe der Welt. Hin und wieder taucht auch mal ein Hai oder Wal im Seto-Binnenmeer auf, Seehunde wurden auch schon in Tōkyō gesichtet. In der Nähe von Bambuswäldern leben häufig Schlangen. Auf den vier Hauptinseln gibt es nur eine Giftschlange, die Mamushi. Auf Okinawa und den Amami-Inseln ist jedoch die Habu zuhause, eine sehr aggressive Schlangenart. Ihr Biss kann tödlich sein, festes Schuhwerk und lange Beinkleidung sind also auch im Sommer ein Muss für jeden Wanderer! Land und Leute Pflanzenwelt Bananenstauden und Papayabäume auf Okinawa, Zitrus- und Olivenbäume auf Shikoku, Flechten und Moose im äußersten Norden, Japans Pflanzenwelt ist breit gefächert. Viele Gewächse wie Funkie, Ginkgo, Kamelie und Ziermagnolie stammen aus Japan und begeistern europäische Gärtner seit 200 Jahren. Besonders die Immergrünen wie Bambus, Kiefer und Azaleen prägen die Landschaften. Je weiter man jedoch nach Norden vorrückt, desto seltener werden sie. Auf Hokkaidō erinnern die Wälder schließlich mit Birken und Fichten sehr stark an Nordeuropa.

28 28 Geografie Japaner reflektieren mit Liebe zum Detail die Natur im Alltag. Pflanzen dienen als zarte Hinweise auf Stimmung und Jahreszeit: Pflaumenblüten künden vom Ende des Winters, blühende Kirschbäume läuten das Frühjahr ein. Im April und Mai überziehen Rhododendren und Azaleen die Hänge, die blauen Dolden der Hortensien verschönern die Regenzeit. Die zarte Ackerwinde symbolisiert den Sommer, und der Herbst bringt nicht nur bunte Ahornblätter und orangefarbene Kakifrüchte, sondern auch Chrysanthemen in endlosen Variationen. Bambus und Kiefer im Schnee, das ist Japans Winter. Nicht zu vergessen die Kamelienbäume, sie blühen von November bis März und gehören als Immergrüne zu den Teegewächsen. Teeplantagen finden sich nur im Süden Japans, hingegen wächst Reis im ganzen Land, auch auf Hokkaidō. Ohne die Erwähnung von Seetang ist die Beschreibung der japanischen Pflanzenwelt nicht vollständig. Seit der Frühzeit werden in Japan Braunalgen (Wakame) und Rotalgen (Nori) als wichtige Lebensmittel an den Meeresküsten gesammelt. Unscheinbar wie die ersten Bergkräuter im Frühjahr, sind sie doch ein ganz wichtiger Bestandteil der japanischen Flora. Die Chrysantheme So wie die Kirschblüte nicht nur den Frühling in Japan ankündigt, sondern auch an die Vergänglichkeit irdener Schönheit erinnert, kündet die Chrysantheme nicht nur vom Herbst. Seit dem 12. Jahrhundert symbolisiert sie das japanische Kaiserhaus und ist heute Nationalblume. Man spricht daher auch vom japanischen Chrysanthementhron. Die höchste Auszeichnung Japans heißt, wen wundert s, Chrysanthemen-Orden. Herbstlaub auf einem See in Kamikōchi

29 Pflanzenwelt 29 Die Erfolgsgeschichte der Blume begann im 8. Jahrhundert, als die Chrysantheme als Heilpflanze aus China kam. Sie sollte gegen Erkältungen helfen und ein langes Leben garantieren. In der Edo-Zeit wurde dem Volk erlaubt, Chrysanthemen zu züchten, und es entstanden viele der heute 350 Arten. Es gibt Riesenchrysanthemen mit einem Blütendurchmesser mit bis zu 30 Zentimetern, andere Sorten wechseln im Laufe der Blütezeit ihre Farben oder besitzen ein wahres Meer an winzigen Blüten. Ende Oktober/Anfang November veranstalten viele Schreine Chrysanthemen-Festivals und stellen die schönsten Exemplare des örtlichen Züchtervereins aus. Sehr beliebt sind Chrysanthemenpuppen (Kiku ningyō), lebensgroße Puppen, die gänzlich aus Chrysanthemenblüten bestehen. Sie stellen berühmte Persönlichkeiten oder Szenen aus Sagen und Literatur dar. Über Geschmack lässt Chrysanthemenpuppe in der Burg von sich bekanntlich streiten, doch technisch Nagoya sind die Figuren eine gärtnerische Meisterleistung. Heute begegnet man der kaiserlichen Blume im Alltag auf Schritt und Tritt. Prominente Beispiele sind der japanische Reisepass und die 50-Yen-Münze. Japans erster Satellit trug ebenfalls den stolzen Namen Kiku. Beim Gemüsehändler liegen sie zwischen Erbsen und Kräutern, gerne werden kalte Speisen mit ihnen verziert. Aber nur an den gelben Blumen knabbern, denn die weißen Chrysanthemen gehören den Toten! Land und Leute Natur- und Umweltschutz Japan weist eine lange und leidvolle Geschichte bei Umweltschäden auf. Umweltkatastrophen in den 1950er und 60er Jahren wie in Minamata auf Kyūshū, bei denen bislang 6500 Menschen an Methylquecksilbervergiftung starben, oder extreme Luftverschmutzung wie in Yokkaichi in der Präfektur Mie, schleichende Arsenvergiftung durch Arsenabbau in Shimane und Miyazaki sind wohl nur die berühmte Spitze des Eisbergs japanischer Umweltsünden der Vergangenheit. Die Nuklearkatastrophe von Fukushima stellt den Umweltschutz Japans vor immense Herausforderungen, ein Radius von 30 Kilometern wird wohl für Jahrzehnte unbewohnbar sein. Auch der Pazifik ist stärker betroffen als bislang an-

30 30 Geografie genommen. Der zuständige Ausschuss für Atomkraftregulierung ist seit 2012 dem Umweltministerium unterstellt und entscheidet über die Wiederinbetriebnahme der abgeschalteten Kernkraftwerke. Seine Kampagnen zum Energiesparen stoßen in der Bevölkerung auf große Resonanz, auch erneuerbare Energie findet immer mehr Anhänger. Nationalparks Gegenwärtig gibt es 30 Nationalparks, 55 Quasi-Nationalparks und weitere 300 Nationalparks unter Aufsicht der jeweiligen Präfektur. Einige Nationalparks umfassen auch Seegebiete. Die Nationalparks nehmen rund fünf Prozent der Landfläche ein und sind daher nicht ausschließlich in staatlichem Besitz. Ein gutes Viertel des Bodens ist nach Angaben des Ministeriums für Umwelt in privater Hand und wird auch entsprechend genutzt. An erster Stelle stehen hier die Erhaltung der Artenvielfalt und die Konservierung der Landschaft, da Japans Baubehörden allzu großzügig mit Genehmigungen sind. Wesentlich striktere Regeln gelten für die Regionen, die als UNESCO-Weltnaturerbe ausgezeichnet sind: Dies sind die Buchenwälder von Shirakami, die Zedernwälder von Ikushima, der Nationalpark Shiretoko und die Ogasawara-Inseln. See im Bandai-Asahi-Nationalpark